Dorner, Isaak August - Die Taufe Jesu
Dass Jesus von Johannes dem Täufer die Taufe empfangen habe, ist eine über alle Zweifel erhabene Tatsache des Lebens Jesu. In der ältesten Kirche nahm sogar die Erinnerung an sie eine viel wichtigere Stelle ein als später, wie das damalige Tauffest beweist. Dieses wurde zwar nicht vor der Feier des Todes Christi eingeführt (1. Kor. 5,7) auch nicht vor dem Auferstehungsfeste, aber doch lange vor dem Weihnachtsfest, als Fest der Epiphanie, der Erscheinung d. h. Offenbarung Christi. Es vertrat eine Zeitlang gewissermaßen auch das Weihnachtsfest, indem Jesu Geburt zum messianischen Beruf darin mitgefeiert wurde. Später ist die Taufe Christi und ihre Bedeutung ungebührlich in den Hintergrund gedrängt. Auch die Reformation hat das Tauffest nicht wieder hergestellt, obwohl nicht bloß reformirte Theologen, sondern auch viele lutherische die Salbung Jesu mit dem heiligen Geist bei der Taufe, wodurch er Christus oder Gesalbter wurde, bestimmt hervorhoben und vor Allen Luther das Tröstliche lebendig erkannte, das in dem vollkommenen Gleichwerden des Gottmenschen mit uns, ausgenommen die Sünde, liegt.
Über das Geschichtliche des Taufvorganges selbst haben wir außer unseren Evangelien verschiedene Berichte aus dem judaistischen Kreise. Nach der sogenannten Predigt des Petrus hätte Jesus ein Sündenbekenntnis vor dem Täufer abgelegt. Nach einem anderen wäre Jesus von seiner Mutter und seinen Brüdern aufgefordert worden, zur Johannistaufe zu kommen, hätte aber geantwortet: „Was habe ich Böses getan, um zur Taufe gehen zu müssen, es wäre denn, ich hätte unwissend damit gesündigt, dass ich das sage.“ Hiernach hätte sich Jesus taufen lassen um der Möglichkeit willen, dass er ohne sein Wissen von Sünde berührt wäre. Demgemäß lässt dieser Bericht Jesum vor der Taufe als sittlich ausgezeichneten Menschen, aber ohne klares Selbstbewusstsein erscheinen und seine wahre Persönlichkeit wird ihm erst durch die Taufe, welche als eine neue Geburt aus dem Geiste beschrieben wird. Daher lässt dieser Bericht die vom Himmel erschallende Stimme sagen, nachdem der Heilige Geist in ihn eingegangen war: „Du bist mein lieber Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ Nach den Nazaräern kam die ganze Fülle des Heiligen Geistes nach der Taufe auf ihn, ruhte auf ihm und sprach zu ihm: „Mein Sohn, in allen Propheten habe ich dich erwartet, dass du kämest und ich in dir ruhte, denn du bist meine Ruhe, du bist der Erstgeborne, der König ist in Ewigkeit.“ Dass nun diese Berichte an Ursprünglichkeit hinter den evangelischen zurückstehen, erhellt schon aus der Ausschmückung bei den Einen, wonach eine mehrfache Stimme vom Himmel fiel und ein großes Licht alsbald den Ort umleuchtete; ferner daraus, dass Jesus nach der Taufe auf die Bitte des Täufers: „Herr, taufe du mich“, gesagt haben soll: „Lass, denn so ziemt es sich, dass Alles erfüllt werde.“ Dieser letzte Zusatz will mit den Worten Matth. 3,14.15 verglichen sein, wo Jesus (aber vor seiner Taufe) ähnlich redet, um seinen Willen zu begründen, sich der Taufe zu unterziehen. Jene apokryphischen Worte dagegen machen den Eindruck, zum evangelischen Bericht einlenken zu wollen, aber ungeschickt. Denn was bei Matthäus angemessen dasteht vor Jesu Taufe als Begründung des Willens Jesu getauft zu werden, gibt fast keinen oder nur einen schiefen Sinn, wenn es, wie in dem apokryphischen Bericht, nach der Taufe zur Begründung der Ablehnung, den Johannes zu taufen, verwendet werden soll. - Die sogenannte „Predigt des Petrus“ charakterisiert sich auch sonst als ein unglaubwürdiges Produkt mit willkürlichen häretischen Aufstellungen. Die Rezension der Nazaräer endlich ist, während die beiden erstgenannten ebionitischen Berichte in ihren Abweichungen von einander und von den Evangelien ganz offenbar von den jedesmaligen dogmatischen Vorstellungen influenziert1) sind, unseren Evangelien durchaus mehr verwandt. Aber auch sie macht nicht den Eindruck der Ursprünglichkeit und Einfachheit. Die weitschweifige Breite des Wortes vom Himmel soll dem Zwecke dienen, dem Zusammenhang zwischen dem alten und neuen Testament, und dem messianischen Königtum Israels auch an dieser Stelle einen Ausdruck zu geben, wie auch dem heiligen Geist die Stelle zu sichern, die sonst diese Partei ihm zuschrieb, wonach Christus Sohn des Heiligen Geistes ist.
Diesen unter sich so entzweiten Berichten, die sichtlich jedes Mal nach dem dogmatischen Bedürfnis der Partei zugerichtet sind, steht nun in ihrer schlichten Einfachheit und vollkommenen wesentlichen Zusammenstimmung der Bericht unserer vier Evangelien desto glaubwürdiger gegenüber. Ihre Taufgeschichte ist nicht dogmatisch zugerichtet, sie vertritt einfach die gemeinchristliche Tradition. Beides ersieht man besonders aus der Stellung des Evangeliums Johannis (Joh. 1,29 u. f.) zur Taufgeschichte. Diese wird als bekannt vorausgesetzt und nicht förmlich wieder erzählt, aber man sieht, dass nicht einer jener apokryphischen Berichte, sondern der unserer ersten Evangelien vorausgesetzt ist, und daran wird festgehalten, obwohl doch die Logoslehre bei Johannes damit auf den ersten Anblick im Widerspruch zu sein scheint. Denn ist in Jesus der Logos Fleisch geworden, so kann es überflüssig scheinen, dass noch der Geist auf ihn herabkommt und auf ihm bleibt (Joh. 1,31-33). Eine die Geschichte nach dem Dogma umzuformen geneigte Richtung hätte die Logoslehre so nicht zurückgestellt und auf ihren Ausdruck bei diesem wichtigen Faktum nicht verzichtet. Eine kleine Schwierigkeit liegt allerdings darin, dass nach Matth. 3,14.15 der Täufer Jesum schon kennt, während nach Joh. 1,31-33 er sagt: „ich kannte ihn nicht“; vielmehr habe seine Sendung zur Wassertaufe zu ihrem Zweck die Offenbarung Jesu (als Christus) für Israel. Aber nach dem Zusammenhang Joh. 1,20.25 und besonders 34 bedeutet des Täufers Wort nur: ich wusste vor der Taufe nicht, dass dieser der Sohn Gottes ist, ich hatte kein Wissen von seiner göttlichen Hoheit und Würde, aber damit ist weder gesagt, dass er von Jesu zuvor keine Kunde oder selbst Bekanntschaft mit ihm gehabt, noch dass er von ihm nicht eben daher eine hohe Vorstellung und Erwartung gehegt hatte (was vielmehr beides von Matthäus vorausgesetzt ist), sondern nur das sagt er, dass er vor dem göttlichen faktischen Zeugnis für Jesus als den Christ bei dessen Taufe kein Wissen von seiner Gottes Sohnschaft gehabt habe, wohnt aber freudig dafür zeuge, teils indirekt und verhüllter (um nicht seiner Selbstoffenbarung vor Unempfänglichen vorzugreifen) durch Ablehnung der Meinung, dass er, der Täufer, der Messias sei, sowie durch die Andeutung, dass er schon mitten unter ihnen stehe, den sie nicht kennen, Joh. 1,19-28; teils sagt er unverhüllt seinen Jüngern, als Jesus nach der Versuchung wieder in seine Nähe kommt: Dieser ist es (Joh. 1,30). Die Sendung der Priester und Leviten aus Jerusalem an den Täufer (Joh. 1,19ff.) fällt nämlich bereits in die Zeit nach Jesu Taufe. Was sonst von Unterschieden in den evangelischen Taufberichten sich findet, reduziert sich darauf, dass nach Matth. 3,16, Mark. 1,10 der Himmel sich für Jesus erschloss und er den Geist auf sich wie eine Taube herabkommen sah, während nach dem Ev. Joh. der Täufer dieses sah. Diese Verschiedenheit ist nach Lukas vielmehr als gegenseitige Ergänzung anzusehen. Er stellt den Vorgang in seiner vollen realen Objektivität hin, indem er den heiligen Geist „in leiblicher Gestalt“ wie eine Taube herabgekommen sein lässt, so dass also die Erscheinung in ihrer Objektivität ebenso gut für den Täufer als für Jesus war. Das Letztere liegt bei Lukas auch in dem Zusatz: während Jesus nach der Taufe im Gebete war, sei der Heilige Geist auf ihn gekommen und eine Stimme wurde vernommen, deren Worte sich an Jesus wandten. Aber auch bei Matthäus ist die Beziehung des Vorgangs auf das Bewusstsein des Täufers deutlich dadurch ausgedrückt, dass nach ihm die Stimme sich nicht an Jesus wendet, sondern über ihn Anderen, wenigstens dem Täufer, Zeugnis gibt: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Umgekehrt, so gewiss bei Johannes (1,19-34) gänzlich zurücktritt, was die Taufe für Jesus selbst gewesen sei, weil der Täufer hierüber keine Auskunft zu geben, sondern nur zu begründen hatte, warum er in göttlicher Gewissheit von Jesu als dem Christ zeuge: so bestimmt findet sich doch auch bei ihm die Spur eines objektiven Vorganges, der sich auf Christus selbst bezog, und der es grade war, wodurch dem Täufer die Freudigkeit seines Zeugnisses für Jesus vermittelt wurde. Denn wäre dem Täufer nur in einer subjektiven Ahnung oder Vision die Messianität Jesu klar geworden, so hätte unmöglich Jesu Taufe für des Täufers Bewusstsein so epochebildend werden können. Auf einen objektiven Vorgang an Jesus weist des Täufers wiederholtes Wort: „Ich habe gesehen und (daher) seine Gottessohnschaft bezeugt“, obwohl er über die Stimme vom Himmel schweigt.
Hiermit haben wir auch für die Bedeutung der Taufe Jesu bereits gefunden, dass nach den Evangelien-Berichten mehr als eine Bedeutung der Taufe Jesu anzunehmen sein wird. Erstens hat sie dem Täufer durch ein göttliches Zeichen und Zeugnis jene Gewissheit von Jesu Messianität eingetragen, auf welche die Sicherheit seines Bewusstseins über Jesus und seines Zeugnisses von ihm bei dem Volke sich gründen sollte. In mehr als einem Israeliten (vergl. Simeon Luk. 2,27 ff.) hatte der Heilige Geist das Wissen von der unmittelbaren Nähe der Erscheinung Christi gewirkt, zunächst ohne die Kunde von der Person des Herrn selbst, und so hat auch der Täufer Anfangs nur die Gewissheit gehabt, der nach ihm komme, sei stärker und vor ihm gewesen (Matth. 3,11, Joh. 1,30), und er selbst sei gesendet, damit derselbe für Israel offenbar würde. Wie nun Jesus zu dem Täufer kommt, so sagt diesem sein Geist in zuversichtlicher Ahnung: dieser ist der Stärkere, auf den Israel zu hoffen hat, und in diesem Gefühl spricht er vor der Taufe Worte, die Matthäus berichtet, und will Jesu sich unterordnen, lieber sich von Jesu taufen lassen. Aber seine Demut soll sich anders zeigen und dabei ihren Lohn finden. Es soll in ihm nicht bei bloßer Ahnung verbleiben, dass Jesus der Christ ist, sondern er soll ein objektives göttliches Unterpfand für die unsichtbare göttliche Hoheit Jesu empfangen. Ob dieses Unterpfand ein inneres Schauen des objektiven Vorganges war, ein gottgewirktes Schauen in einem innerlich vor das geistige Auge tretenden Symbol oder Spiegel; oder aber ob auch äußerlich und für die leiblichen Sinne das Bild einer Taube erschien, ist an sich nicht so wichtig als dieses, dass der Täufer das Bewusstsein hatte, nicht bloß mit subjektiver Vorstellung oder Vision, sondern mit einem objektiven gottgewirkten Vorgang zu tun zu haben, der sich in das Bild der Erscheinung einer Taube, die sich über Jesus niederließ, kleidete. Doch spricht für die zweite Annahme am wahrscheinlichsten der Bericht des Lukas und des Johannes, mittelbar aber auch Matthäus und Markus, weil nach ihnen auch Jesus den heiligen Geist wie eine Taube herniederkommen sah, wodurch der Vorgang dem rein inneren Gebiete im Geiste des Täufers entrückt ist.
Für eben dasselbe spricht auch die Analogie anderer geschichtlicher Gottesoffenbarungen, z. B. Exod. 3. 1. König. 19. Denn zwar ihr Inhalt, weil er geistig ist, kann nur vom Geiste aufgefasst werden, aber begleitende und entsprechende Vorgänge in der Sinnenwelt verleihen der inneren Geistesoffenbarung, zu der sie in innerer Beziehung stehen, noch ein wichtiges neues Moment, das ohne sie notwendig fehlen müsste, nämlich das Bewusstsein der Unabhängigkeit der Offenbarung von dem Subjekt, die Gewissheit von ihrer objektiven, von Traum und subjektiver Vision spezifisch verschiedenen Wirklichkeit. Die Taube wird erwähnt nicht als eine Inkarnation2) des Heiligen Geistes, sondern als ein Symbol desselben. Wie alles menschliche Gottesbewusstsein an und mit dem Weltbewusstsein sich entfaltet, so ist der Taufe Christi ein Taubenbild als sinnliches Substrat beigeordnet, einerseits um den reinen und sanften Charakter des Gottesgeistes, aber auch um die einheitliche Fülle und geschlossene Ganzheit des Geistes, der sich auf Jesum niederließ, auszudrücken. Nicht die Schnelligkeit des Fluges ist dabei als bedeutungsvoll zu nehmen, vielmehr im Gegensatz gegen die mehr blitzartigen extasenähnlichen Wirkungen des Geistes bei den Propheten fällt hier das Gewicht darauf, dass der Geist ruht auf Jesu, auch nicht bloß schweben bleibt über Jesu (wie bei der ersten Schöpfung von dem über den Wassern schwebenden Geiste geredet wird), sondern auf ihm ruht, um in ihm zu bleiben, und weil die Fülle des Geistes (Joh. 3,34) ihm gegeben ist, darum vermag er auch andere mit heiligem Geist zu taufen (Joh. 1,33). Der welcher nicht bloß Anteil hat an dem heiligen Geist, sondern ihn selbst in seiner Fülle, der hat auch die Macht, ihn Andern mitzuteilen (Joh. 7,39; 20,21.22).
Aber es war nicht sowohl um den Täufer als diesen Einzelnen dabei zu tun, wenn diesem ein Anteil an der Offenbarung bei Jesu Taufe wurde, als vielmehr ihm ward dieses Wissen des Volkes wegen. Das Erste, wodurch Jesus bei dem Volk eingeführt wurde, sollte nicht sein eigenes Zeugnis von sich sein, sondern durch den Täufer sollte er eingeführt werden, der von sich zu Christus wies und zwar erfolgreich (Joh. 1,37 ff.). Dazu kommt noch ein Moment von bleibender Bedeutung. In Johannis Predigt ist die Bußpredigt des Elias und die messianische Weissagung, also Gesetz und Prophetie, oder die alttestamentliche Verkündigung des Idealen, Seinsollenden zusammengefasst wie in einer letzten Spitze, in welcher beide zusammenwirkend die Richtung auf die Gegenwart Dessen nehmen, in welchem Gesetz und Prophetie zur realen Erfüllung gelangt sind, und darum heißt der Täufer der größte unter den vom Weibe Geborenen (Matth. 11,11). Indem nun so der Täufer das Alte Testament, aber noch auf alttestamentlichem Boden in sich zusammenfasst und andererseits Jesum tauft, den Stifter des neuen Bundes, so ist es das Alte Testament, das in des Täufers Tun den Stifter des neuen Bundes inauguriert3), zum Zeichen des inneren unauflöslichen Zusammenhangs zwischen dem alten und neuen Bund, zum Beweis, dass der alte Bund selbst nach seinem innersten Sinn in den neuen überzugeben und durch ihn zum alten zu werden verlange. Das Alte Testament vertritt in dem Täufer die Stelle des Dieners und Vermittlers des neuen, das nicht sein Werk, obwohl dermaßen seine Verkündigung ist, dass das Alte Testament in dem Täufer Jesu die erste Huldigung und die Anerkennung darbringt, in ihm sei die Wahrheit Israels und des alten Bundes erschienen, die Verwirklichung des ewigen Gottesgedankens, der so viel höher ist als Gesetz und Prophetie, dass von ihm auch diese beiden, Johannes mit eingeschlossen, bedingt und abhängig sind (Joh. 5,33 ff.).
So war es nur natürlich, dass Johannes im Gefühl von Jesu Würde sich ihm unterordnen und dem Ursprünglichen den Vorrang lassen will. Aber da Jesu Herrlichkeit nicht zunächst die eines Königtums Israels, wie noch die Nazaräer meinten, sein sollte, sondern die in Selbstverleugnung und Demut sich verhüllende und dem Gesetz frei untertane Hoheit der Liebe, so hatte die Demut des Täufers (ähnlich wie bei der Fußwaschung die des Petrus) sich, statt eigenwilliger Selbstunterwerfung unter Jesus, vielmehr darin zu beweisen, dass sie zur willigen Dienerin für die Selbsterniedrigung Christi sich hergab und dadurch zur beredtsten Zeugin der inneren Zusammengehörigkeit beider Testamente ward. Gesetz und Prophetie sind wohl innerlich abhängig von der Idee Christi, aber sie müssen geschichtlich auch ihre beziehungsweise Selbstständigkeit haben, sogar Christus gegenüber. Denn nur dadurch soll das A. T. überschritten werden, dass es erfüllt wird, und namentlich auch dem Gesetz durch Christi Tun und Leiden sein Genüge geschieht (Gal. 4,4 u. 5). So ist deutlich, dass das A. T. nach Jesu Willen selbst sich vor ihm noch nicht zu beugen und gleichsam abzudanken hat, bevor Gnade und Wahrheit durch sein Leben, Leiden und Sterben hervorgeboren sind (Joh. 1,17). Es hat das A. T. kraft der freien, aber nicht willkürlichen Liebe Christi an ihn selbst noch ein Anrecht, bis er dasselbe völlig in sich verwirklicht und gleichsam hereingenommen hat. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit dem Leben der Gläubigen. Soweit sie in Christo Jesu sind, sind sie hinaus über Gesetz und Prophetie; aber soweit sie noch nicht in Christo sind, dem erhöhten Herrn, in welchem Gesetz und Prophetie ihre Erfüllung haben, insoweit bleiben Gesetz und Propheten noch die Boten des Herrn, die von ihm unterschieden und doch abhängig zu ihm selber ziehen und treiben sollen und zu seiner Gemeinschaft. Es liegt also in Jesu Taufe durch Johannes ein sprechendes Denkmal von dem inneren Verhältnis zwischen dem alten und neuen Bund.
Aber dies führt auf die Bedeutung der Taufe für Jesus selbst. Wenn diese bei Matthäus und Markus besonders betont wird, dagegen die bisher besprochene Bedeutung für den Täufer und das Volk mehr bei Johannes, so ist es gleich unzulässig, bei Johannes ein Verschweigenwollen dieser letzteren Seite anzunehmen, weil sie der Würde Jesu (Joh. 1,14) nicht entspreche, als über der Relation4) bei Matthäus und Markus von dem, was Jesus durch die Taufe ward, zu vergessen, was er nach Matth. 1,20 ff. Luk. 1,35. 2,49 schon von Geburt war. Man hat gemeint, die johanneische Darstellung, nur dabei verweilend, was die Taufe Jesu für den Täufer und das Volk war, gehe darauf aus, die synoptische Tradition zu unterdrücken. Aber solchem Zweck wäre es sehr wenig entsprechend, dass die Erinnerung an sie vielmehr ausdrücklich durch den johanneischen Bericht über den Täufer erweckt, nichts wider sie gesagt, sondern aus der herrschenden Tradition (und das war die synoptische) Solches als bekannt vorausgesetzt wird, wodurch erst des Täufers Worte bei Johannes verständlich, ja, wie wir sahen, ergänzt werden. Umgekehrt muss in dem Zug des Berichtes der drei ersten Evangelisten von dem Herabkommen des Geistes auf Jesum bei der Taufe zum Voraus ein nur sehr schwacher Halt für eine niedrigere Vorstellung von Jesu, als die johanneische ist, erkannt werden, wenn doch auch Johannes diesen Zug aufnimmt und wenn umgekehrt auch Matth. 1,20 ff. und Luk. 1,35 von Jesu übernatürlicher Geburt vorher geredet haben. Schon dadurch wird statt des Versuches, die Evangelisten zu entzweien, vielmehr die Frage empfohlen, ob nicht Beides wohl mit einander bestehe, die Bedeutung der Taufe Jesu für den Täufer und das Volk, und andererseits für seine eigene Person.
Um nun die letztere zu verstehen, darf man freilich nicht mit Strauß von einer Abhängigkeit Jesu von dem Täufer im Sinne einer Jüngerschaft reden oder gar in Jesu Taufe eine Taufe zur Buße sehen wollen. Das Letztere verdient kein näheres Eingehen. Es wäre damit das Christentum selbst geleugnet. Die oben vernommenen Sektenberichte, die auf eine Bußtaufe hinauslaufen, haben selbst nur dadurch den Schein des Christlichen noch bewahren können, dass sie eine der wahren Menschheit Jesu widersprechende Kluft zwischen Jesu Leben vor und nach der Taufe statuieren5), und durch den höheren Geist, der bei der Taufe über Jesum gekommen sei, den früheren Menschen Jesus gleichsam vernichten, an seine Stelle in abrupter Weise einen neuen reinen setzen, also, wie oben angedeutet, ihr Tauffest vielmehr zum Weihnachtsfeste machen und erst bei der Taufe den historischen Christus gezeugt werden lassen, so dass der Ebionitismus hier in Doketismus umschlägt. Was aber die andere Meinung anlangt, so ist sie, verlassen, wie sie ist, von allem geschichtlichen Zeugnis, eine müßige Hypothese, die gegen alle Berichte verstößt, und nicht einmal an den Johannisjüngern einen Halt hat. Geschichtlich steht vielmehr die freiwillige Unterordnung des Täufers unter Jesus fest. Man hat gesagt, die Worte des Täufers, in welchen er persönlich vor Jesu sich beugt, und durch welche Jesu Jüngerschaft bei dem Täufer ausdrücklich ausgeschlossen wird, seien psychologisch unmöglich, weil Keiner freiwillig den Anteil an weltgeschichtlichem Wirken, der ihm beschieden sei, an einen anderen abtrete. Aber darauf dient zur Antwort, dass zwar nach weltlichem Maßstab von Ruhm und Ehre solche Beugung unnatürlich erscheinen möge, dass aber ein starker und demütiger Mann, wie der Täufer, die ihm vom Geiste des A. T. verliehene und frei angeeignete Größe eben darin bewahrte, dass er zwar Scheingrößen gegenüber kein Schilfrohr ist, aber auch, als die wahre Größe erscheint, ihr ohne Schwanken und Zögern die Ehre gibt, und in den Schranken des ihn auszeichnenden Berufes bleibend nicht ein Rivale des Messias sein will, sondern ein Genosse der Freude über des Bräutigams Stimme.
Wie hierzu auch Matth. 11 vollkommen stimmt, kann hier nicht ausgeführt werden.
Was ist nun aber die wirkliche Bedeutung der Taufe für Jesus selbst? Nach den evangelischen Berichten hat Jesus das Bewusstsein gehabt, dass auch er sich der johanneischen Taufe zu unterziehen habe. Er sieht in Gesetz und Propheten, die an ihn noch ein Recht haben, bis er sie durch Erfüllung überschritten hat, ein göttliches Sollen auch für sich; „denn also ziemt es uns alle Gerechtigkeit zu erfüllen.“ Er will nicht auftreten als Messias aus eigener Vollmacht und nach eigener Wahl der Zeit oder des Ortes, sondern, wie er Joh. 5, 20 sagt, tut er Alles, was ihm der Vater zeigt; er zeigt es ihm aber unter Anderm besonders durch die Ökonomie des A. T., die er in dem Täufer zusammengefasst und in reiner gottgeordneter Verwaltung erblickt. Sieht er in ihm den Elias, der Alle zur Buße führen soll, so sieht er auch nicht minder in ihm die göttliche Sendung, durch welche der Anbruch des Messianischen Reiches verkündigt und auf den, der da kommen soll, hingewiesen werden muss; in dem Täufer ist nicht bloß Gesetz, sondern soweit irgend es noch innerhalb des alttestamentlichen Bodens möglich, auch Evangelium. Jesus sieht in ihm die Spitze der alttestamentlichen Prophetie, durch welche die Weissagung von dem Künftigen die letzte mögliche Stufe beschreitet, wo sie schon in die Verkündigung der Gegenwart des Heilandes übergeht und nun fordert, das Hoffen in Glauben zu verwandeln. So wird also Jesus, der im Alten Testamente, den Täufer mit eingeschlossen, eine Gottesoffenbarung weiß, zu dem gottgesendeten Täufer sich hingezogen gefühlt haben, um zu der inneren Selbstgewissheit seines Berufs noch die objektive Bestätigung in der göttlichen Welt der Offenbarung A. T. und ihrem letzten Propheten zu haben. Er durfte erwarten, dass, so gewiss er sich als die Wahrheit A. T. wusste, so gewiss werde Gott durch des Täufers Mund und gottverliehenes Wissen den alten Bund ein Zeugnis für ihn ablegen, ja durch den alten Bund den Stifter des neuen einführen lassen in seinen Beruf. Und indem das wirklich geschah, wurde für Jesu Bewusstsein, das wir ja auch als echt menschliches zu denken haben, etwas gegeben, was es zuvor nicht hatte. Jesus hat, indem er sich von Johannes die Taufe erbittet, dem A. T. seine Gerechtigkeit und Ehre werden lassen, sein Untertanseinwollen unter dem Gesetz und der Prophetie in Beziehung auf sein Wissen oder Bewusstsein wie sein Wollen betätigt, und hat dafür auch die Anerkennung und Huldigung Seitens der ganzen alttestamentliche Offenbarung durch den Mund des Täufers empfangen: und dieses Zeugnis des A. T. für ihn durch den Täufer war ihm schon ein göttliches Zeugnis, das freilich an Unmittelbarkeit noch überboten werden sollte durch die Stimme vom Himmel, mit der sein bisheriger Wandel unter dem Gesetz belohnt ward. Dazu kommt ein Weiteres.
Die Taufe Johannis, weit entfernt nur überhaupt Bußtaufe zu sein, schloss mit der Verheißung der Nähe des Himmelreiches die Forderung in sich, in die Ordnung des Reiches Gottes, wie es von Alters angelegt nun hervortreten sollte, sich gänzlich eingliedern zu lassen. So war die Johannistaufe seitens der Täuflinge die Erklärung der Bereitwilligkeit oder das Gelübde, sich dem Reiche Gottes ganz zu weihen in selbstverleugnender Hingebung. Ist doch der Kern der Buße selbst schon ein kräftiges Verlangen nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit überhaupt und hiervon ist nur eine Folge das innere Abstoßenwollen der Sünde und die Reue bei denen, welche in Sünde sind. Obwohl nun Jesus sündlos war, so war er doch noch nicht vollendet, die Versuchungen und Anfechtungen, die noch folgen sollten, waren noch nicht überwunden. So hat also Jesus sich der Johannis-Taufe noch aus einem weiteren Grunde unters ziehen können, ohne damit eine leere Zeremonie, einen nur epideiktischen6) Akt zu vollbringen. Wie er die objektive in der Sprache der ganzen Offenbarungsgeschichte gegebene Gewissheit seines messianischen Berufes hier zu suchen hatte und sie fand, indem er dem A. T. seine Ehre gab, so legte er hier auch faktisch das Bekenntnis der Bereitwilligkeit ab, in Selbstverleugnung und Selbstvergessenheit sich dem Reiche Gottes zu weihen.
Ein anderes ist es freilich mit dem König, ein Anderes mit den Genossen dieses Reiches. Aber die Verschiedenheit der Stellung und der beiderseitigen Pflichten ist nicht so groß, dass nicht selbst die äußere Symbolik der Taufe, das Untertauchen und Begrabenwerden in dem Wasser und das Wiederaufstehen, auch für Jesum seine Bedeutung hätte. Wenn er in einer späteren Zeit (Luk. 12,49.50) sagt, „ Aber zuvor muss ich mich taufen lassen mit einer Taufe, und wie ist mir so bange, bis sie vollendet werde“, so können wir lernen, wie Christus seine Taufe wird angesehen haben. Die Taufe durch Johannes ist ihm, dem Haupte des Reiches, das Symbol von der Taufe, die ihn in die Flut ernster, bitterster Leiden versenken soll, weil ihm geziemt alle Gerechtigkeit zu erfüllen; und dem Symbol von dieser ernsten Leidenstaufe unterzieht er sich zum Ausdruck der Bereitwilligkeit zur vollkommenen Selbstopferung für das messianische Reich. Wenn Lukas von einem Gebete Jesu bei seiner Taufe redet, so wird er in solchem Gebet sich selbst Gott dargeboten haben zum Lamm, das die Sünde der Welt tragen will, und die himmlische Stimme: du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe, wird ihm, gleichsam als ein Ruf, den der Vater dem Sohne gibt, zur Versiegelung daran geworden sein, dass nicht bloß Jesu Vergangenheit bis dahin rein und gottgefällig, sondern auch dieses geistige Opfer, darin der Sohn wohnt dem Vater sich selbst darbringt, diesem süß und angenehm, der Sohn aber fortan mit dem Werk der Erlösung der Welt betraut sei. Dieses innere Opfer setzt sich als Grundwollen in Jesu öffentlichem Leben fort, bis er vor den Toren der eigentlichen Leidenszeit sich auf höherer Stufe zu erneuern hat und in Gethsemane, gleichfalls noch ideell oder auf dem Boden des Geistes, wie hier, aber bereits mitten im Drang der feindlichen Mächte der Kampf durchgekämpft und die opferwillige Gottergebenheit auch in das Letzte und Äußerste seines nahen Schicksals befestigt ist. Wie viel Vorbildliches in diesem Allen liege, bedarf keiner Ausführung. Das Bisherige hat gezeigt, die Taufe Jesu ist von seiner Seite einmal eine sehr bedeutungsvolle Leistung sowohl im Verhältnis zur ganzen alttestamentlichen Ökonomie als auch zum Reiche Gottes, das durch ihn kommen soll. Aber seine Leistung in demütiger Unterwerfung unter die Ökonomie A. T. und in vollkommener Opferwilligkeit wird auch gekrönt mit einer göttlichen Gabe und dies ist die andere wichtige Seite in der Bedeutung seiner Taufe. War sonst Johannis Taufe nur Wassertaufe, so wird hier die Taufe mehr, indem Gott selbst zum Täufer wird, nachdem Johannes getauft hat. Gott selbst vollzieht hier die erste Taufe mit heiligem Geist, die erste christliche Taufe, die zugleich die grundlegende ist für alle folgenden, durch ihre Kraft bestehenden. Diese Seite der Sache war zwar schon im Bisherigen zu berühren; wir haben aber noch besonders bei ihr zu verweilen.
Wenn wir in der Taufe Jesu ein faktisches Bekenntnis seines Lebensentschlusses und den Willen gewahrten, sich dem Gotteswillen, wie er sich Jesu innerlich durch sein Selbstbewusstsein, objektiv aber durch die Sünde der Welt einerseits, durch Gesetz und Propheten andrerseits offenbarte, zu unterwerfen, so dürfen wir den sittlichen Willen Jesu dabei doch nicht in Form des Selbstvertrauens und selbstvertrauenden Gelübdes denken. Sondern allein der Gemeinschaft mit dem Vater, in der er bewusst seit dem zwölften Jahre stand, die aber als persönliche Gemeinschaft nicht einmal für immer von selbst fortdauert oder in physischer Weise wächst, sondern die täglich erneuert sein wollte, will er vertrauen. Der Menschensohn opfert sich selbst nicht ohne auch alle Selbstgenugsamkeit ohne des Vaters Geist und Kraft zu opfern. Seine Liebe zum Vater ist nie ohne ein Geliebtsein- und Empfangen-Wollen vom Vater, und so kann auch nicht sowohl von einem Gelübde der Treue gegen seinen Beruf die Rede sein als vielmehr in letzter Beziehung nur von seinem lauteren und reinen Willen, an dem Vater zu hangen ohne Wanken in nie unterbrochener Liebesgemeinschaft, um von ihm fort und fort die Kraft für das Werk und das Leiden Tag für Tag zu empfangen. Dafür spricht sein ganzes späteres Gebetsleben, von welchem uns so viele Spuren aufbehalten sind - auch Bittgebete -; und Lukas hat, wie schon erwähnt, auch bei der Taufe Jesu seines Gebetes nicht vergessen. Hat Jesus am Ende seiner irdischen Laufbahn um seine Verklärung bei dem Vater gebetet, hat er die letzte Stufe seiner Verherrlichung auch durch Gebet errungen (Hebr. 5,7 ff.): so wird es auch sein Gebet gewesen sein, wodurch für den Menschensohn die höhere persönliche Stufe vermittelt ward, welche von seiner Taufe an nach den Evangelisten datiert. Das reimt sich auch sehr wohl mit der Vereinigung des ewigen Sohnes Gottes und des Menschen, welche schon bei seiner Geburt muss stattgefunden haben. Denn die Selbstmitteilung des Logos an Jesu Menschheit ist eine fortgehende und fortschreitende gewesen, je nachdem neue Seiten sich in Jesu erschlossen haben. Sie ist in grundlegender Weise schon von Anfang an so da, dass Jesus nie und in nichts bloß menschlich ist, sondern immerdar gottmenschlich. Aber die neuen Seiten seiner sich erschließenden menschlichen Empfänglichkeit müssen immer, nachdem sie gereift sind, das auch wirklich empfangen, wofür sie empfänglich sind, bevor sie in gottmenschlicher Kraftfülle dastehen. Und so ist sein ganzes Leben wachstümlich durch die Selbstbeschränkung, welche die Selbstmitteilung des Logos an die Menschheit sich auferlegt, damit ein wahres und urbildliches Werden in Jesu wäre, und dennoch ist Jesu ganzes Leben gottmenschlich, von dem bloßen Teilhaben der Propheten am Heiligen Geist spezifisch verschieden. Fragt man genauer, was denn Jesu in der Taufe mitgeteilt worden sei, das er nicht schon zuvor hatte, so ist unzweifelhaft dabei an etwas auf sein Amt Bezügliches zu denken, wie denn Apg. 10,38 vgl. Luk. 4,18 diese Ausrüstung zum messianischen Amte mit dem Worte „Salbung mit dem heiligen Geiste“ bezeichnet ist. Jesu Taufe ist der Tag seiner Salbung, durch welche er nun wirklich Christus ist, gesalbt zum Königtum, Priestertum, Prophetentum, wie schon die Weissagung in ihren verschiedenen Stadien diese drei Hauptseiten hervorhob. An etwas nur Einzelnes, wie die Mitteilung der messianischen Wundergabe zu denken, wäre zu wenig; ein solches Einzelnes bliebe denn auch der Person Jesu selbst zu äußerlich und akzessorisch. Vielmehr die Einheit und Totalität seiner gottmenschlichen Person wurde auf eine höhere Stufe erhoben in der Taufe, wie eine noch höhere nach Röm. 1,3 durch seine Auferstehung bezeichnet ist. Die Epoche seiner ethischen Selbstbildung schließt damit ab, dass sein Selbstbewusstsein, kraft dessen er sich selbst in seiner urbildlichen Reinheit und Heiligkeit im Gegensatz gegen die fündige Welt wusste und behauptete, sich mit dem Gattungsbewusstsein in der Art vermählte, dass aus beidem zusammen, dem Bewusstsein von seiner Person und von der Beschaffenheit der Welt das erbarmende Verlangen nach Errettung der Welt von Irrtum und Schuld, Sünde und Tod in ihm erwuchs, dieses Verlangen aber nach dem ihm angemessenen Werk und Tun seit seiner Taufe von dem gottmenschlichen Bewusstsein seines inneren und äußeren Berufes getragen war.
Noch ist endlich zu sehen, wie sich die Herabkunft des Geistes Gottes auf Jesus bei der Taufe mit seiner natürlichen Gottessohnschaft von Geburt an durch den Logos reime? Es scheint ja bei der Taufe eine Zugabe zu dem, was er zuvor hatte, von außen oder von oben gelehrt, während doch der Logos in ihm war, und also zu erwarten wäre, dass die ganze gottmenschliche Entwicklung ihren geschlossenen inneren Verlauf durch wachsende Ausbreitung der Wirksamkeit des Logos in dem sich entfaltenden Menschen finde. Die Antwort liegt in dem Satz: „Für Gott selbst gibt es kein Oben und kein Unten.“ Diese räumlichen Bezeichnungen haben ihre Bedeutung für die Welt. Das Abhängige, Empfängliche ist im Verhältnis zu Gott das Untere: und so kann von einem Oben und einem Unten geredet werden, wenn auch die Herabkunft des Geistes Gottes auf Jesu empfängliche Menschheit als Selbstmitteilung der Kraft des Logos an diese Menschheit betrachtet wird, wie es nötig sein wird, um nicht die Fleischwerdung des Logos zu einem müßigen Schatz und die Mitteilung der messianischen Kraft und des entsprechenden Kraftbewusstseins zu etwas Abruptem zu machen. - Andererseits ist aber auch zu bedenken, dass das N. T. im Anschluss an das alte überall, auch in Christus, das Göttliche, insofern es dem Menschen innerlich zu eigen geworden ist, mit dem Namen des Geistes, des Pneumatischen bezeichnet und hier nie des Wortes Logos sich bedient (vgl. Joh. 3,34. Matth. 12,28. 1 Kor. 15,45 ff. 2 Kor. 3,17. Röm. 1,4. Hebr. 9,14 vgl. 7,16) was damit gut zusammenstimmt, dass der Heilige Geist vom Sohn wie vom Vater, oder vom Vater durch den Sohn ausgeht. - Dass mit dem Anteil Jesu an göttlichem Wesen von Geburt an sich die Salbung mit dem heiligen Geiste wohl vereine und es ebenso falsch wäre, die Salbung auf Kosten der heiligen wunderbaren Geburt Jesu zu betonen, als die Geburt Jesu auf Kosten seiner Salbung, das zeigt nicht bloß das Evang. Johannis, sondern auch Luk. 4,18, wo zusammengestellt wird, was Jesus vor der Taufe war, und was er durch sie wurde: „ der Geist des Herrn ist auf mir, deshalb hat er mich gesalbt.“
Die Taufe Christi ist nach all diesem ein so bedeutungsvolles, epochebildendes Faktum in Jesu Leben, dass es die kirchliche Auszeichnung und Feier, die ihm von Seiten der ältesten Christenheit wurde, wohl verdient. Sie ist erloschen in der Weihnachtsfeier nicht ohne Einfluss einer einseitigen Lehre von Christi Person, welche für die Taufe Jesu nur eine sehr prekäre Bedeutung übrig lässt. Dass das Fest der Heiden und Jesu erster Tempelbesuch sich gar angemessen an den Weihnachtszyklus anschließt (Epiphanias und erster Sonntag nach Epiphanias nach den kirchlichen Perikopen) ist unleugbar. Daher würde wohl eine Herstellung des Tauffestes an den zweiten Sonntag nach Epiphanias, der schon wohnt das Evangelium von Jesu Taufe zu seiner Perikope hat, sich anzuschließen haben. Aber erst dann wird sich an dem Weihnachtsfest das Tauffest wieder entzünden, wenn eine eindringendere Einsicht in das gottmenschliche Werden Jesu und in den Zusammenhang zwischen seiner Person und seinem Werke Gemeingut der evangelischen Kirche geworden und eben damit sowohl der Unterschied als die Zusammengehörigkeit von Jesu Geburt und Salbung erkannt sein wird. Dass die Feier der Taufe Jesu auch für das Verständnis des inneren Verhältnisses zwischen A. u. N. T., das wohnt so vielfach zu entgegengesetzten Einseitigkeiten hin schwankt, fruchtbar werden könnte, wird aus dem Obigen erhellen: von der reichen Vorbildlichkeit der Taufe Jesu zu schweigen. Aber vielleicht die wichtigste Frucht solcher Herstellung der urchristlichen Feier der Taufe Jesu für die Kirche der Gegenwart wäre der Gewinn, der dem wohnt so vielfach verdunkelten Verständnis der Bedeutung des Sakramentes der Taufe umso mehr erwachsen müsste, je mehr das kirchliche Leben und Glauben sich andächtig in die Betrachtung des heilsgeschichtlichen Faktums vertiefte, in welchem wie wir sahen, die Grundlegung der christlichen Taufe liegt.