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1. Thessalonicher, Kapitel 5

1. Thessalonicher, Kapitel 5

5:1 Von den Zeiten aber und Stunden, liebe Brüder, ist nicht not euch zu schreiben;

5:2 denn ihr selbst wisset gewiß, daß der Tag des HERRN wird kommen wie ein Dieb in der Nacht.

5:3 Denn sie werden sagen: Es ist Friede, es hat keine Gefahr, so wird sie das Verderben schnell überfallen, gleichwie der Schmerz ein schwangeres Weib, und werden nicht entfliehen.
Hier haben wir eine bedeutende Erweiterung der Parusiehoffnung. Die Stelle zeigt, daß die Entschlafenen weder bevorzugt noch benachteiligt sind in Bezug auf das Kommen des Herrn.
Die bei der Ankunft des Herrn Lebenden werden den Entschlafenen nicht zuvorkommen, aber auch die Entschlafenen nicht den Lebenden. Mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Engels und mit der Posaune Gottes wird der Herr selbst herniederkommen vom Himmel, die Toten werden zuerst auferstehen, danach werden die bei seiner Ankunft Lebenden mit ihm entrückt werden, dem Herrn zu begegnen, und also werden wir bei dem Herrn sein allezeit.
Die Zeit, wann dies geschehen wird, ist unbestimmt. Der Tag wird kommen wie ein Dieb in der Nacht.
Hier ist von dem Kommen des Herrn für seine Heiligen und mit seinen Heiligen zum Weltgericht in solch enger Aneinanderreihung die Rede, daß sein Kommen für die Heiligen und mit den Heiligen zum Gericht in den «Tag des Herrn» mit einbegriffen erscheint.
Durch die klare Hoffnung betreffs der Parusie wurde die Betrübnis der Thessalonicher in Bezug auf die Entschlafenen gehoben, und durch die Ungewißheit des Zeitpunktes wurden sie wachsam erhalten.
Die Einheit des Leibes Christi, der entsprechend Verstorbene und Lebende miteinander dem Herrn entgegengeführt werden, tritt hier hervor.
Das Abscheiden und bei Christo sein, von dem der Apostel anderswo redet, scheint nach unserer Stelle etwas anderes zu sein als das «bei dem Herrn sein» nach der ersten Auferstehung. Anders jedenfalls dadurch, daß hier die Entschlafenen im Vollsinne des Wortes auferstanden, d.h. mit dem Leibe bekleidet sind. (Otto Schopf)

5:4 Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der Finsternis, daß euch der Tag wie ein Dieb ergreife.

5:5 Ihr seid allzumal Kinder des Lichtes und Kinder des Tages; wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis.

5:6 So lasset uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasset uns wachen und nüchtern sein.1)
Begnadigte Christen sind Kinder des Lichts und Kinder des Tages, welcher durch die Erscheinung Jesu Christi in der Welt angebrochen ist, und durch Seine Zukunft in’s Herz bei einem Jeden insbesondere anbricht. Sie sind nicht von der Nacht, noch von der Finsterniß. So lasset uns nicht schlafen wie die Andern, die noch in der Finsterniß sind, sondern lasset uns wachen und nüchtern sein, 1 Thess. 5,5.6. Wir sollen immer wachen, und Alles behend merken, was sich in uns und außer uns im Bezug auf unsern geistlichen Nutzen oder Schaden regt, und jeden Augenblick bemerken, in welchem wir jenen erlangen und diesem entgehen können. Wachen sollen wir, und dabei im Licht wandeln, denn die Finsterniß macht schlafend, und ist mit dem Schlaf verbunden. Wenn aber Christus als der Morgenstern in unsern Herzen leuchtet, wenn Er als das Licht uns Alles, was nöthig ist, entdeckt, wenn Er als das Licht des Lebens uns immer Kraft zum Thun und Leiden gibt, so können wir wachen und wachend bleiben: das Licht und der Schlaf schicken sich nicht zusammen. Wachen sollen wir und dabei nüchtern sein. Wenn nämlich mein Herz mit Fressen und Saufen und mit Sorgen der Nahrung beschwert ist, wenn ich falsche Meinungen, reizende Bilder, thörichte Anschläge und eitle Einbildungen von mir selbst mit Lust in meinem Gemüth herumtrage, wenn ich mich mit Geschäften, zu denen ich weder berufen noch tüchtig bin, überlade, wenn ich das Geräusch liebe, und am leeren Geschwätz oder auch am Lesen unnützer Bücher mich vergnüge, so ist meine Seele gleichsam berauscht. Sie kann also nicht wachen, sie ist nicht bei ihr selber. Sie kann das Wichtigste und Nöthigste, was nämlich ihr ewiges Heil angeht, nicht bedenken. Auch ist es Nacht bei ihr; denn die Dinge, welche sie liebt, stehen dem Licht im Weg: folglich kann sie auch deßwegen nicht wachen. Wachen sollen wir, und beten; denn das Beten ist eine gute Uebung für das geistliche Leben, und zugleich ein Mittel, noch mehr Licht und Kraft von dem HErrn zu erlangen. Ein Wachender ist geschickt zum Beten, da hingegen eine leichtsinnige Trägheit, mit welcher man etliche Stunden zugebracht hat, die Lust und Kraft zum Beten alsbald schwächt. Hinwiederum kann derjenige, der gläubig und oft betet, desto besser wachen: weil Gott, zu dem man im Beten wachet, die Seele erleuchtet und belebt. Wachen sollen wir, und nicht schlafen wie die Andern, die in der Finsterniß sind, und weder Gott noch sich selbst kennen. Solche Leute hat man überall um sich herum. Viele unter ihnen sind zum Plaudern, zu zeitverderblichen Ergötzungen, ja auch zum Arbeiten sehr munter, und doch schlafen sie. Wer sich nun nicht in Acht nimmt, den macht ihr Schlaf auch schläfrig. Darum sagt Paulus Eph. 5.: seid nicht ihre Mitgenossen, wandelt wie die Kinder des Lichts, prüfet, was da sei wohlgefällig dem HErrn, habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsterniß, strafet sie aber vielmehr, sehet zu, wie ihr vorsichtiglich wandelt, nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen.(Magnus Friedrich Roos)


Mancherlei Mittel können dazu dienen, die Christen in ihrer Wachsamkeit zu fördern. Vor allem aber möchte ich sie ernstlich ermahnen, untereinander zu reden und zu rühmen von den Wegen des Herrn. Als Christ und Hoffnungsvoll miteinander nach der himmlischen Stadt wanderten, sprachen sie zu einander: „Damit wir hier nicht schläfrig werden, wollen wir uns mit gewürzten Reden unterhalten.“ Christ fragte: „Lieber Bruder, wo wollen wir denn anfangen?“ Und Hoffnungsvoll antwortete: „Da, wo Gott mit uns angefangen hat.“
„Wie ist es so lieblich, wenn Christen zusammen
In brüderlicher Eintracht steh‘n,
Wenn göttliche Liebe mit heiligen Flammen
In Wort und Wandel ist zu seh‘n!
Da grünet und blühet, zur ewigen Wonne,
Der göttliche Segen, da scheinet die Sonne.“
Christen, die sich absondern und einsam dahinwandern, sind sehr leicht empfänglich für Müdigkeit und Schläfrigkeit. Haltet euch zu christlicher Gesellschaft, so werdet ihr dadurch wach erhalten und erfrischt und ermuntert, schneller vorwärts zu eilen auf dem Weg zum Himmel. Wenn ihr aber mit anderen solche „liebliche Rede“ pflegt über die Wege Gottes, so achtet darauf, dass der Inhalt eures Gespräches euer Herr Jesus sei. Richtet das Auge des Glaubens beständig auf Ihn; euer Herz sei von Ihm erfüllt; euer Mund rede nur, was seiner wert ist. Freund, bleibe dem Kreuz nahe, so wirst du nicht schläfrig. Tue Fleiß, dass du einen bleibenden und tiefen Eindruck erlangst von der hohen Herrlichkeit des Ortes, nach dem du pilgerst. Wenn du stets bedenkst, dass du dem Himmel zueilst, so wirst du nicht einschlafen auf dem Wege. Wenn du dich daran erinnerst, dass die Hölle hinter dir gähnt und der Teufel dich verfolgt, so wirst du nicht verziehen. Mag der Totschläger schlafen, wenn der Bluträcher ihm auf den Fersen folgt, und die Freistadt vor Augen liegt? Christ, willst du schlafen, wenn die Perlentore dir offen stehen, wenn das Lied der Engel dich empfängt, wenn eine goldene Krone bereit ist, deine Stirn zu schmücken? O nein; in heiliger Gemeinschaft wachet und betet allezeit, und ermuntert euch untereinander, auf dass ihr nicht in Versuchung fallet. (Charles Haddon Spurgeon)


Ein erweckter Christ, auch der eifrigste, hat sich vor nichts mehr zu fürchten als vor dem Einschlafen. Je höher die Flamme der Inbrunst steigt, desto tiefer sinkt sie herab. Je schneller das Feuer auflodert, desto schneller erlischt es wieder, wenn nicht immer Reiser zugelegt werden. Wer schläft, dem scheint die Sonne nicht. Wer nicht erwacht oder sich nicht losreißt von Trägheit, nicht sein Auge erhebt, den erleuchtet Christus, das Licht, nicht. Wachsamkeit, Nüchternheit muß täglich erneuert werden, sonst werden wir den andern Todten in dieser Welt, die nie vom Schlafe oder Tode erwachten, gleich werden und gleichen Lohn empfangen, wenn wir mit ihnen im Schlafe gefunden werden, von dem, der wie ein Dieb in der Nacht kommt. Paulus schrieb obige Worte auch an erweckte, begnadigte Christen zu Ephesus und Thessalonich, die er übrigens sehr lobte. Aber auch in der besten Gemeinde, unter den Eifrigsten giebt es doch immer Einige, die sich zum Schlafen sehr hinneigen, die immer des Weckens bedürfen, wenn sie nicht im Tode entschlafen sollen. Manche träumen im Schlafe so lebhaft, daß sie sich für wachend und lebendig halten. Sie zürnen, wenn man sie wecken will. Diese haben den stärksten Schlaf, die nur Gott mit einer starken Weckstimme, oder mit tüchtigen Schlägen und Stößen wecken kann. Der Herr wolle durch seine Gnade uns Alle wecken, wir mögen sanft oder stark schlafen. Denn die schlafenden Jungfrauen verschlafen die Hochzeit, und übersehen den Bräutigam. Sie kommen zu spät - nach der Thorsperre. (Johannes Goßner)

5:7 Denn die da schlafen, die schlafen des Nachts, und die da trunken sind, die sind des Nachts trunken;

5:8 wir aber, die wir des Tages sind, sollen nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung zur Seligkeit.

5:9 Denn Gott hat uns nicht gesetzt zum Zorn, sondern die Seligkeit zu besitzen durch unsern HERRN Jesus Christus,
Paulus hatte vorher die Glaubigen ermahnt, sie sollen als Leute des Tages nüchtern sein, angethan mit dem Brustharnisch des Glaubens und der Liebe, und mit dem Helm der Hoffnung zur Seligkeit. Nun gibt er aber den Grund von dieser Hoffnung der Seligkeit an, und beruft sich dabei nicht auf das menschliche Wollen, nicht auf die eigene Würdigkeit und Gerechtigkeit, sondern auf Gottes Erbarmen. Gott, sagt er, hat uns nicht zum Zorn gesetzt; Er hat uns nicht dazu verordnet, daß Er Seinen Zorn an uns auslasse, und Sich gegen uns als ein verzehrendes Feuer offenbare. Wenn Er dieses thun wollte, wer würde es hindern, wer würde Seinem Willen widerstehen können? Ja wer ist unter der Menge der Sünder, die auf dem Erdboden wohnen, der alsdann über Unrecht klagen könnte? Gott läßt uns von Seinem Zorn predigen, und beschreibt uns in Seinem Wort die Hölle, in welcher man von dem Wein Seines Zorns, der eingeschenkt und lauter ist in Seines Zorns Kelch, trinket, und mit Feuer und Schwefel vor den heiligen Engeln und vor dem Lamm gequälet wird (Offenb. 14,10.), Er zeigt uns aber diesen fürchterlichen Ort, diese schreckliche Qual, um uns zu warnen, und zur Nüchternheit und Wachsamkeit anzutreiben. Uebrigens hat Er kein Gefallen am Tode des Sünders, und will nicht, daß Jemand verloren werde, sondern daß sich Jedermann zur Buße kehre und lebe. Insonderheit hat Er Leute, welche, wie die Thessalonicher ( Thess. 2,13.), Sein Wort als Gottes Wort annehmen, und seine heilsame Wirkung in sich erfahren, nicht dazu gesetzt oder bestimmt, daß Er Seinen Zorn an ihnen ausbrechen lasse, ob Er sie schon auch väterlich züchtiget, sondern hat sie zum Besitz der Seligkeit durch unsern HErrn Jesum Christum verordnet. Seligkeit ist dem Zorn entgegengesetzt. Das Wort Seligkeit, welches hier vorkommt, wird nie gebraucht, wenn von Gott, oder von Seinen Engeln die Rede ist, weil es sich nur für Leute schickt, welche unglücklich oder verloren waren, wie wir Alle nach der Natur sind. Seligkeit ist eine Errettung von dem Uebel. Diese Seligkeit sollen aber die Glaubigen nach Gottes Willen durch ihren HErrn Jesum Christum, der für sie gestorben ist, erlangen, und hernach ewiglich besitzen. Der HErr Jesus hat Sich durch Sein Sterben am Kreuz für sie geopfert, ihre Sünden gebüßt, den Fluch des Gesetzes getragen, und alle Worte Gottes erfüllet, worin den Menschen Zorn und Strafe gedrohet war. Nun können sie es, denn auf einem andern Weg kommen sie nicht zu diesem Zweck. Ihre Werke und Leiden verhelfen ihnen nicht dazu, ob sie schon auch ihren Nutzen haben. Wenn uns also Jemand fragte, wie der Täufer Johannes die Pharisäer und Sadducäer gefragt hat: ihr Otterngezüchte (ihr böse Menschen) (ihr böse Menschen) wer hat denn euch geweiset, daß ihr dem zukünftigen Zorn entrinnen werdet? Matth. 3,7., so wollten wir antworten: wir haben diese Hoffnung durch unsern HErrn Jesum Christum, der für uns gestorben ist. Alsdann könnte man uns aber wieder antworten und sagen: sehet zu, thut rechtschaffene Früchte der Buße (weil ohne Buße kein Glaube statt hat), denket auch nicht, daß ihr bei euch wollt sagen: wir haben eigene Verdienste u.s.w., Gott ist nicht an euch gebunden. Auch ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. (Der Zorn Gottes wird bald anbrennen) Darum welcher Baum nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und in’s höllische Feuer geworfen.(Magnus Friedrich Roos)


In Nüchternheit sollen die Gläubigen die Errettung erhoffen, weil sie nicht zum Zorn, sondern zur Errettung gesetzt sind, weil Christus für sie starb, auf daß, ob «wir wachen oder schlafen, wir zusammen mit ihm leben.»
Hier scheint kein neues Lehrmoment vorzuliegen, wenn nicht der Schluß von Vers 10 sagen will, daß die schlafenden Gläubigen mit dem Herrn leben, was aus der Stelle nicht klar zu ermitteln ist. Dagegen ist unbedingt klar, daß die Ermahnung zur Wachsamkeit nochmals in Bezug gesetzt ist zu dem, der Zeit nach ungewissen, der Sache nach ganz gewissen, Kommen des Herrn. (Otto Schopf)

5:10 der für uns alle gestorben ist, auf daß, wir wachen oder schlafen, wir zugleich mit ihm leben sollen.

5:11 Darum ermahnet euch untereinander und bauet einer den andern, wie ihr denn tut.

5:12 Wir bitten aber euch, liebe Brüder, daß ihr erkennet, die an euch arbeiten und euch vorstehen in dem HERRN und euch vermahnen;

5:13 habt sie desto lieber um ihres Werks willen und seid friedsam mit ihnen.

5:14 Wir ermahnen aber euch, liebe Brüder, vermahnet die Ungezogenen, tröstet die Kleinmütigen, traget die Schwachen, seid geduldig gegen jedermann.

5:15 Sehet zu, daß keiner Böses mit Bösem jemand vergelte; sondern allezeit jaget dem Guten nach, untereinander und gegen jedermann.

5:16 Seid allezeit fröhlich,

5:17 betet ohne Unterlaß,
Beter stehen offen vor Gott. Er kann Steuermann sein in ihrem Lebensschifflein, ihr Ratgeber in allen Lagen. Im täglichen Leben macht sich die Hand Gottes und der Einfluss von oben um so fühlbarer, je treuer sie verharren im Gebet. Auch finden solche Seelen gute Weide, der Herr tränkt und sättigt sie, Er lässt ihnen Leben und Überfluss zuteil werden. Wer ernstlich betet, wird bisweilen nicht nur von seiner Krankheit, sondern auch von deren geistigen Ursachen frei. Die Kräfte der Herrlichkeitswelt werden flüssig im Gebet. Da vermag denn der arme, schwache Mensch Dinge zu tun und auszurichten, die weit über seine natürlichen Kräfte und weit über seinen Verstand gehen. Beter sind Überwinder. Das Geheimnis des Erfolges und des Sieges liegt im Gebet ohne Unterlass. Die Himmel stehen solchen Menschen offen, der dreieinige, allmächtige Gott ist mit und ist in ihnen. Unser Fleisch und Blut samt unseren Schwachheiten und Unvollkommenheiten können uns nicht zum Fall gereichen, wenn wir ohne Unterlass beten. Unendlich viel Übel wird hierdurch abgewandt. Wo wir sonst gar nicht hindurchzukommen vermöchten, werden wir wunderbar unbeschadet und unverletzt bleiben. Das Gebet ohne Unterlass ist das Universalschutzmittel gegen alle feindlichen Kräfte und Mächte. Gott will und kann uns bewahren, wenn wir verharren im Gebet. Wahre Weisheit hat gefunden, wer solches erkannt und erlangt hat. Himmlische Heere lagern sich um allzeit betende Seelen; darum werden sie bewahrt, auch wenn sie da wohnen, wo der Satan seinen Stuhl hat. (Markus Hauser)


Christus trug Luk. 18,2 u.ff. ein Gleichniß von einer Wittwe vor, die den Richter oder Vorsteher ihrer Stadt oft überlief, bis er ihr endlich half, und lehrete dadurch, wie Lukas sagt, daß man allezeit beten und nicht laß werden solle. Allezeit beten heißt also oft und zu einer jeden Zeit beten, und auch über Einer Sache, die Gott gefällig ist, im Bitten fortfahren. Den Thessalonichern aber schrieb Paulus: betet ohne Unterlaß, das ist: unterlasset das Gebet nie, wenn ihr Muße und Kraft dazu habt, und höret nicht auf, fleißig zu beten, so lange ihr lebet. Beten ist eine Uebung der geistlichen Kraft, und geschieht unter dem Zunahen zu Gott, und dieses führet eine Abkehr der Seele von allem irdischen Geräusch mit sich. Wenn man also noch nicht an die Gewährung der Bitten denken will, die man vor Gott bringt, so sollte man doch diese geistliche Uebung nicht unterlassen. Beten ist aber auch ein Gespräch mit Gott. Welche Creatur sollte aber sich’s nicht zur unverdienten und großen Gnade und Ehre rechnen, wenn sie mit dem höchsten Gott reden darf, und zwar vertraulich, herzlich, wie ein Kind mit dem Vater? Wer sollte also nicht das Gebot mit Freuden hören: betet ohne Unterlaß, das ist, gebet eure Unterredungen mit Gott nicht auf, so lang ihr lebet. Beten heißt vornehmlich Bitten, und zwar für sich und für Andere. Nun sagt Christus: bittet, so wird euch gegeben u.s.w., Matth. 7,7., und ein andersmal Joh. 16,23.: so ihr den Vater etwas bitten werdet in Meinem Namen, so wird Er’s euch geben. Solcher Verheißungen gibt es noch viele in der heiligen Schrift. Wer sollte nun nicht gerne im Beten anhalten und fortfahren, da das Bitten das Mittel ist, alle guten und vollkommenen Gaben zu erlangen, und die Dürftigkeit bei uns und Andern, so lange wir leben, nicht aufhöret. Beten heißt aber auch den HErrn loben und Ihm danken, welches David ein köstliches Ding nennet, und das eine Vorübung auf den Himmel, und eine ewige Pflicht aller vernünftigen Geschöpfe gegen Gott ist. Es ist also das Gebot: betet ohne Unterlaß, auch in Ansehung dieser Pflicht, billig und nothwendig. Unser Vater im Himmel weiß zwar, was wir bedürfen, ehe wir bitten. Diese Wahrheit, welche Viele im Unverstand als eine Einwendung wider die Pflicht des Betens mißbrauchen, trägt der HErr Jesus selber Matth. 6,8. vor, macht aber daraus nur diesen Schluß, daß man bei dem Beten nicht, wie die Heiden, plappern und sich auf die Menge der Worte verlassen solle; übrigens heißt Er uns ungeachtet jener Wahrheit dennoch beten, und schreibt uns das Vaterunser als die allerbeste Gebetsformel vor. Gott weiß Alles und will alles Gute. Unter dem Guten aber, das Er will, ist auch das Beten. Er will durch unser Beten geehrt werden, Er will bei der unumschränkten Freiheit, und bei der Wahl unter vielem Guten, die Er in Seiner Regierung offen hat, oft etwas Gewisses, das gut ist, darum thun, weil ihn ein glaubiger Christ darum bittet. Er will auch seine Kinder damit ehren und erfreuen, daß Er sie durch Seinen Geist zum Bitten erweckt, damit sie dasjenige, was Er hernach thut und gibt, als eine Gewährung ihrer Bitten und als ein Gnadenzeichen ansehen können. Betet also ohne Unterlaß, ihr Christen, und wenn ihr euch selbst für ungeschickte Beter halten müsset, so bittet zuvörderst um den Geist der Gnaden und des Gebets. (Magnus Friedrich Roos)


Ein Christ soll das Beten nicht als eine Nebensache ansehen, nicht mit einem flüchtigen Gemüth verrichten, nicht damit eilen, um bald an die Arbeit zu kommen, und noch weniger unter dem Vorwand des Fleißes, den er auf die Geschäfte wenden müsse, gar unterlassen, sondern dem Gebet als einer Hauptsache und sehr wichtigen Pflicht mit Fleiß obliegen. Die Morgen- und Abendstunden sind dazu vorzüglich bequem, doch sollen wir uns erinnern, daß Petrus und Johannes um die neunte Stunde, das ist Nachmittags um drei Uhr, in den Tempel gegangen, um zu beten, Ap. Gesch. 3,1., und Petrus ein andermal um die sechste Stunde, das ist Mittags um zwölf Uhr, gebetet, Ap. Gesch. 10,9., der HErr Jesus aber schlaflose Nachtstunden dazu angewendet habe. Ueberhaupt ist eine jede Zeit zum Beten bequem, weil der große Gott immer gegenwärtig ist, und immer höret. Meistens soll ein Christ allein beten, oder nur einen vertrauten Ehegatten oder Freund mit sich beten lassen: doch ist auch das gemeinschaftliche Gebet Vieler, die versammelt sind, von großem Werth. Uebrigens ist der Heilige Geist der Urheber aller erhörlichen Gebete, und wird deßwegen der Geist der Gnade und des Gebetes genannt. Er erweckt die Seele dazu. er schenkt und stärkt den Glauben, mit dem man beten soll. Er lehrt den Menschen, was und wie er beten solle. viele Leute meinen, sie beten, wenn sie ihre gewöhnlichen Gebetlein ohne Andacht wiederholen und auswendig daher sagen, oder wenn sie ein Gebet in einem Buch kaltsinnig lesen: allein diese Uebung ist kein Beten. Man naht dadurch nur mit seinem Mund zu Gott und ehret Ihn mit den Lippen, das Herz aber ist ferne von Ihm. Solche Leute begehren auch nichts von Gott, ja es wäre ihnen leid, wenn ihnen Gott dasjenige, was in ihren auswendig gelernten Gebetlein, oder in ihren Morgen- und Abendsegen enthalten ist, gäbe, weil sie alsdann fromm werden müßten, und nicht mehr muthwillig sündigen dürften. Viele Leute nennen das Verlangen nach geistlichen Gaben, die Zukehr des Herzens zu Gott und das Anhangen der Seele an Ihm ein innerliches Gebet, und wenn man diesen Namen brauchen will, so muß man auch bekennen, daß das innerliche Gebet an Einem fort währen müsse. Doch soll Niemand unter dem Vorwand dieses innerlichen Gebetes das Gebet mit dem Munde unterlassen, weil Jesus selbst mündlich gebetet hat, und alle Heiligen diese Weise beobachtet haben. David hat viele von seinen Gebeten aufgeschrieben, und diese aufgeschriebenen Gebete Davids sind ohne Zweifel von vielen einzelnen Israeliten bei dem Beten gebraucht, aber auch im Tempel als Psalmen öffentlich gesungen worden. Christus hat Seine Jünger das Vater Unser gelehrt, welches ein unvergleichliches und für Jedermann taugliches Gebet ist, aber von Wenigen verstanden wird. Hernach aber haben die Christen auch noch viele andere Gebetsformeln verfertigt, welche zum Theil Litaneien oder Lieder sind, und in den Büchern stehen. Diese Gebetsformeln sind Vielen nützlich und nöthig, und es thun auch geübte Christen wohl, wenn sie sich derselben zuweilen bedienen: doch soll ein Christ sich auch gewöhnen, aus dem Herzen zu beten, und seine Klagen, Verlangen, Dank und Lob mit eigenen Worten Gott vorzutragen. Er heißt und ist Vater, und siehet nicht auf kunstreiche Worte, sondern auf ein glaubiges Herz. Warum sollte also ein Christ mit diesem Vater nicht vertraulich reden können, ohne sich fremder Formeln zu bedienen? (Magnus Friedrich Roos)

5:18 seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christo Jesu an euch.

5:19 Den Geist dämpfet nicht,

5:20 die Weissagung verachtet nicht;

5:21 prüfet aber alles, und das Gute behaltet.
Das Wort Gottes ist ein Richter der Gedanken und Sinnen des Herzens (Hebr. 4,12.). Es ist die rechte Lehre (Ps. 93, 5.); denn es ist das Wort der Wahrheit, und nichts denn Wahrheit (Ps. 119, 33. 160.). Dieses Wort sollen wir mit Sanftmuth annehmen (Jacob. 1, 21.), nicht als Menschen Wort, sondern, wie es denn wahrhaftig ist, als Gottes Wort (1 Thess. 2, 13.). Dieses Wort ist uns nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung und Züchtigung in der Gerechtigkeit. Aus diesem Worte lernen wir die Wahrheit zur Gottseligkeit auf Hoffnung des ewigen Lebens. Was Gott durch sein Wort zu uns redet, das sollen wir ohne Widerrede annehmen, glauben und befolgen; nichts davon und nichts dazu thun; es weder verkürzen noch verfälschen, sondern wie es geschrieben steht, ganz, lauter und rein bewahren. Dagegen aber was Menschen setzen und sagen, das sollen wir prüfen: ob es wahr, ob es ganz wahr, oder halb wahr, oder unwahr sei. Denn Menschen fehlen mannigfaltig. Irren ist menschlich. In der Menschen Gedanken, Sinne, Reden, Schriften und Bücher schleicht sich gar leicht die Weisheit ein, die nicht von oben herab kommt, sondern irdisch, menschlich und teuflisch ist. Als Petrus im besten menschlichen Wohlmeinen dem Herrn ernstlich zuredete, sein selbst zu schonen, sprach der Herr zu ihm: „Hebe dich, Satan, von mir! du bist mir ärgerlich; denn du meinest nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“ Wenn sich's aber so verhält, wäre es dann nicht am Besten für den Christen, daß er sich lediglich an Gottes Wort hielte, und alles, was Menschen setzen und sagen, schreiben und drucken, ungehört, unbeachtet und ungelesen ließe? Nicht so. Da würden wir viel Gutes und Nützliches, was der Geber aller guten Gabe uns durch Menschen zuwendet, verschmähen, und Gottes Gabe verachten. Unter den Christen zu Thessalonich hatten etliche die Gabe der Weissagung. Davon schrieb ihnen der Apostel 1 Thess. 5, 20: „Die Weissagung verachtet nicht.“ Aber weil sich in solche Weissagungen leicht etwas Menschliches einmischen konnte, so stellte er ihnen sogleich 1 Thess. 5, 21. eine Warnungstafel dabei mit den Worten: „Prüfet alles und das Gute behaltet.“ Prüfet alles an dem Prüfstein der Wahrheit, an dem Worte Gottes, und was diese Probe aushält, was der heilsamen Lehre nicht zuwider, sondern ihr gemäß ist, das ist etwas Gutes, das verachtet nicht, das werfet nicht weg, sondern beachtet und behaltet es. So werden wir gewarnt, sowohl vor Verachtung, als vor ungebührlicher Hochachtung menschlicher Worte, Reden, Schriften und Bücher. Sollen wir einander dienen mit der Gabe, die wir empfangen haben, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes, so ist es auch der göttlichen Ordnung gemäß, daß wir, was uns von anderen Gutes in Rath, Lehre und Anweisung geboten wird, nicht verachten noch verschmähen. Aber weil wir wissen, daß viele falsche Geister ausgegangen find in die Welt, die mit erdichteten Worten handthieren und in Gleißnerei Lügenredner sind; weil der Geist deutlich sagt, daß in den letzten Zeiten werden etliche von dem Glauben abtreten und anhangen den verführerischen Geistern und Lehren der Teufel; oder schon darum, weil wir wissen, wie mannigfaltig wir alle fehlen: sollen wir ja menschliches Wort stets nach göttlichem Worte prüfen, und durch dieses geübte Sinne uns erwerben zum Unterschiede des Guten und Bösen. (Carl Johann Philipp Spitta)

5:22 Meidet allen bösen Schein.

5:23 Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch, und euer Geist ganz samt Seele und Leib müsse bewahrt werden unsträflich auf die Zukunft unsers HERRN Jesu Christi.
Paulus hatte sich über den Gnadenstand der Thessalonicher gefreuet, und ihren Glauben und ihre Liebe gerühmet, sie aber auch alsbald Kap. 4,1. gebeten und in dem HErrn Jesu ermahnet, daß sie immer völliger werden möchten. Darauf zielt denn auch der Wunsch, der 1 Thes. 5,23. steht. Er nennt in demselben Gott den Gott des Friedens; denn Gnade und Friede muß der Mensch von Gott haben, wenn er durch und durch geheiligt werden soll. Die Heiligung soll nach und nach die ganze Seele, den ganzen Leib, und den ganzen Wandel durchdringen, so daß alle Kräfte und Bewegungen der Seele dem Gott des Friedens unterworfen seien, alle Glieder sich zum Dienst der Gerechtigkeit hingeben, und der Mensch in seinem Wandel zeige, daß er zu allem guten Werk geschickt sei. Hievon ist mehr in diesem Leben zu erreichen, als viele kleinmüthige und faule Christen, die bald müde und satt sind, meinen, denn es gibt eine gewisse Vollkommenheit, welche schon auf Erden erlangt werden soll, s. Matth. 5,48. Phil. 3,15. Tim. 3,17. 1 Joh. 4,17.18., bei welcher wir aber noch nicht sagen dürfen: wir haben keine Sünde, 1 Joh. 1,8., sondern auf eine höhere Vollkommenheit oder Vollendung, die in jener Welt geschehen wird, warten müssen, Phil. 3,12.13. Was nun Paulus im Anfang seines Wunsches kurz gesagt hatte, führt er hernach weiter aus, da er vom Geist, von der Seele und vom Leib redet. Geist ist das Neue, das durch die Wiedergeburt in dem Menschen entsteht, Joh. 3,6. Geist ist ein neues Licht und Leben. Nach dem Geist hanget der Mensch Gott an, und ist Ihm ähnlich. Der Geist ist das Vermögen, geistliche Dinge zu fassen, und die Kräfte der zukünftigen Welt zu schmecken. Nach dem Geist wandeln, heißt heilig wandeln. Geistlich gesinnt sein, ist Leben und Friede. Dieser Geist nun soll nicht gedämpft, V. 19., sondern bis auf die Zukunft Jesu Christi unsers HErrn ganz erhalten werden, und wenn dieses geschieht, so wird er auch bis zu seiner Völligkeit heranwachsen. Die Seele ist im Unterschied von dem Geist dasjenige in dem Menschen, was noch irdische Dinge begehret, und sich damit einläßt, folglich auch davon zur Verwunderung, Freude, Betrübniß u.s.w. so berührt wird, daß es so in dem himmlischen Leben nicht fortwähren kann. Das Wort Seele bedeutet eigentlich nichts Böses, wiewohl unsere Seelen immer auch ihre Verderbniß in sich haben: aber so lange ein Wiedergeborner noch nicht ganz verklärt ist, so hat er Geist und Seele, nicht als zwei abgesonderte denkende Wesen, sondern als zweierlei Kräfte in sich, und ist durch den Geist mit den himmlischen Dingen verbunden, durch die Seele aber mit den irdischen. Was der Leib sei, den Paulus in seinem Wunsch der Seele zugesellt, wissen wir Alle. Nun diese Seele und dieser Leib sollen bis auf die Zukunft Jesu Christi unsers HErrn, bei welcher sie ganz geistlich werden, unsträflich behalten werden, so daß sie sich nie zum Dienst der Unreinigkeit hingeben (Röm. 6,19.), sondern auch in irdischen Dingen dem Willen Gottes dienen, und kein Fluch, kein Bann, keine unvergebene Sünde darauf hafte. Was aber Paulus den Thessalonichern gewünscht hat, geschehe auch an mir und den Meinigen um Christi willen.(Magnus Friedrich Roos)

5:24 Getreu ist er, der euch ruft; er wird's auch tun.
Was will Er tun? Er will uns ganz heiligen. Seht den vorhergehenden Vers an. Er wird das Werk der Reinigung fortsetzen, bis wir vollkommen in jedem Teile sind. Er wird behalten „unsren Geist ganz, samt Seele und Leib, unsträflich auf die Zukunft unsres Herrn Jesu Christi“. Er wird uns nicht gestatten, aus der Gnade zu fallen, noch unter die Herrschaft der Sünde zu kommen. Was für große Gnaden sind dies! Wohl mögen wir den Geber solcher unaussprechlicher Gaben anbeten.
Wer will dieses tun? Der Herr, welcher uns berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht, aus dem Tod in der Sünde zu dem ewigen Leben in Christo Jesu. Nur Er kann dieses tun: solche Vollkommenheit und Bewahrung kann nur von dem Gott aller Gnade kommen.
Warum will Er es tun? Weil Er „treu“ ist - treu seiner eignen Verheißung, welche die Errettung des Gläubigen verbürgt; treu seinem Sohne, dessen Lohn es ist, daß sein Volk Ihm fehlerlos dargestellt werden soll; treu dem Werke, welches Er durch unsre wirksame Berufung in uns angefangen hat. Es ist nicht ihre eigne Treue, sondern des Herrn Treue, auf welche die Heiligen bauen.
Komm, meine Seele, hier ist ein großes Fest, um einen trüben Monat damit zu beginnen. Es mögen draußen Nebel sein, aber drinnen sollte Sonnenschein glänzen. (Charles Haddon Spurgeon)


Der Himmel ist eine Stätte, wo wir keiner Sünde mehr unterworfen sind; wo wir getrost und furchtlos ausruhen dürfen von der beständigen Wachsamkeit gegen einen unermüdlichen Feind, weil dort kein Versucher mehr ist, der unsern Füßen Fallstricke legen könnte. Dort können die Gottlosen uns nicht mehr betrüben, und die Müden dürfen ruhen. Der Himmel ist das „unbefleckte Erbe;“ er ist das Land der vollkommenen Heiligkeit, und mithin der völligen, ungetrübten Sicherheit. Aber genießen die Heiligen nicht schon auf dieser Erde manchmal die Freuden einer seligen Ruhe und Sicherheit? Das Wort Gottes lehrt uns, dass alle, die ihre Seelen der Obhut Christi anvertraut und sie in seine Hände befohlen haben, an Ihm einen treuen und unwandelbaren Beschützer finden. Wenn wir uns auf eine solche Lehre stützen dürfen, so können wir uns schon auf Erden einer gewissen Zuversicht freuen; nicht zwar jener erhabenen und herrlichen Sicherheit, die uns los macht von jedem Gleiten und Straucheln, aber jener heiligen Sicherheit, die aus der gewissen Verheißung Jesu hervorgeht, dass keiner, der auf Ihn sein Vertrauen setzt, je umkommen kann, sondern bei Ihm sein wird, wo Er ist. Liebe gläubige Seele, wir wollen oft und mit freudiger Dankbarkeit eingedenk sein der Lehre von der Bewahrung der Heiligen, und durch ein heiliges Vertrauen die Treue unsers Gottes ehren.
Möge unser Gott euch ein Gefühl von eurer Sicherheit in Christo Jesu schenken! Möge Er euch die Zuversicht gewähren, dass eure Namen eingegraben seien in seine Hände, möge Er euch die Verheißung zuflüstern: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir.“ Schaut auf Ihn, den großen Bürgen der Bundesgnade, denn Er ist treu und wahrhaftig, und darum ist Er verbunden, euch, die Schwächsten unter seinen Brüdern, samt dem auserwählten Geschlecht darzustellen vor dem Throne Gottes; und in solcher seligen Betrachtung werdet ihr trinken von dem gemachten Wein, von dem Most der Granatäpfel des Herrn, und werdet kosten die köstlichen Früchte des Paradieses. Ihr werdet euch ergötzen an dem Vorgeschmack der Freuden, die die Seelen der vollkommenen Heiligen droben entzücken, so ihr glauben könnt mit unerschütterlicher Zuversicht, dass: „Er getreu ist, der euch rufet, welcher wird es auch tun.“ (Charles Haddon Spurgeon)


Wenn der HErr ruft, so ist's mit der bestimmten Absicht, mit dem bestimmten Vorsatz, daß Er's auch tun (d.h. Seine Pläne durchführen) wolle und werde. Gott kann nicht mit halbem Sinn rufen; sondern wenn Er einmal ruft, so ruft Er mit ganzem Herzen. Den Menschen, den Er ruft, den will Er haben, dem will Er alles geben und an ihm alles ausführen, was Er sich vorgenommen hat und wozu Er ruft.
Solche Absicht hat Er nicht etwa heute, um sie morgen wieder fallen zu lassen. Er bleibt dabei; und das ist's, wenn es im Spruch heißt: „Treu ist Er.“
Viele scheinen sich freilich Gott als einen wankelmütigen Gott vorzustellen, der heute so, morgen so wolle - oder gar heute selig mache, morgen verdamme. Lernen wir doch an Seine Treue glauben! Und hören wir auf zu zweifeln, wenn Er gerufen hat - als ob's dem lieben Gott nicht recht ernst wäre, wenn Er rufe, oder als ob Er Seinen Sinn ändern würde! Alles ist uns gegeben und zugesichert, wenn wir einmal Seinen Ruf vernehmen; und wir dürfen's nehmen, wie wenn wir alles schon hätten, sobald wir uns haben gleichsam bei unsrem Namen rufen hören.
Tun also will Er's, wenn Er ruft. Aber freilich, oft will Er wohl; aber dich muß Er auch dabei haben! Dir muß es auch aufrichtig um Ihn zu tun sein. Du mußt folgen, kommen, wenn Er ruft. Du mußt Ihm mit völligem Herzen untertan sein, darfst nicht dreinreden und es nicht nach deinem Kopf haben wollen. Du darfst nicht mit halbem Sinn kommen. Du darfst nicht, mit einem Wort, der sein, wofür du Ihn oft hältst: der heute Ja sagt und morgen Nein und immer zwischen Ja und Nein steht!
Ist's recht bei dir und deiner Gesinnung, so bringt's Gott sicher mit dir zum Ziel. Wankelmütige, Unredliche, Unaufrichtige lassen gleichsam den lieben Gott im Stich, wenn Er ihnen helfen und Gutes tun will. Dann kann Er's nicht mit ihnen fertigbringen. Gott aber wird's tun, solange du dem Herzen nach treu bist. Es kann nicht fehlen, denn Er ist treu! Auch auf dein Gefühl darfst du nicht achten.
So tun's zwar viele, da sie sagen, sie empfinden ja nichts von dem Frieden in sich, von der Gewißheit der Vergebung der Sünden und ihrer Seligkeit! Gefühl her und hin: Er hat dich gerufen, und Er ist treu, und Er tut's, wenn nur dein Herz Ihm anhangt!
Am meisten in Zweifel bringen können uns Fehler, die wir machen, Torheiten und Sünden, in die wir unwissentlich - freilich leider oft auch wissentlich hineingeraten. Allerdings erschweren wir damit dem lieben Gott Sein Werk an uns. Aber verhindern kann's Ihn nicht, solange auf deiner Seite das gerade, offene, aufrichtige, immer wieder sich schuldig gebende und immer wieder es neu anfassende Herz ist. Auch bei Schwachheiten, über die du nicht Meister wirst - wie man denn in manchem zeitlebens mit sich zu kämpfen hat und immer wieder zu Fall kommt - darfst du nicht zweifeln. Der HErr wird nicht dein Unvermögen - ~ das Er ja vorher wußte -, sondern nur deinen Willen ansehen, deine Sorge, deine Bekümmernis, deinen Eifer, deinen Ernst, deine Aufrichtigkeit. An uns, das will der Spruch sagen, liegt's einzig und allein, wenn's nicht gehen will: weil wir's nicht gläubig erfassen und weil wir keine (ganzen) Herzen für Ihn haben.
Glaub's dem Apostel: Er, der gerufen hat, ist treu und tut's bei aller deiner Schwachheit! Geht's etwa nicht, so darfst du die Schuld nicht auf Ihn schieben!
Zusatz Zu 1. Thessalonicher 5,24 Zweifel an der Treue Gottes
Manche werden in Angst gebracht, wenn sie etwa einen Judas ansehen, der auch gerufen war - und doch verloren ging! Sie fragen, warum es doch der HErr mit diesem Judas nicht habe zuwege bringen können, daß er sein Bistum (Amt) bewahrt hätte? Und so denken sie weiter: Wenn's bei ihm fehlte - wie leicht könnte es auch bei ihnen fehlen!
Aber wenn doch nur einmal Judas ähnlich gedacht hätte, wie diese da sagen: daß er auch Angst bekommen hätte, ob's auch mit ihm gut hinausliefe?! Er wäre sicherlich nicht verloren gegangen. Denn die Angst und Sorge um sein Seelenheil ist bei einem Menschen der Ausdruck der Aufrichtigkeit.
Wer aber bei bösen Neigungen, bei wirklichen Untreuen - wie sie sich Judas als Träger des Beutels und sonst erlaubte -, bei Regungen des Stolzes, der Eigenliebe und Empfindlichkeit sicher bleibt; wer ferner bei freundlichen Warnungen und Mahnungen ärgerlich und zornig wird, als tue man ihm Unrecht oder als beehre man ihn nicht genug; und wer niemals Miene macht, daß er sich demütigen und ändern wollte: der mag es bei solchem störrigen Sinn - welcher sich auch ins äußerlich-fromme Leben hereinschleichen kann - so weit bringen, daß auch der liebe Gott es nicht mehr über ihn gewinnt!
Für einen Petrus kann der HErr schon noch wirksam beten wie auch für die andern (Jünger), daß doch ihr Glauben nicht aufhöre, da Satan sie sichten wollte; denn sie selbst kamen für sich in Sorge und Angst, erkannten also aufrichtig und redlich ihre Schwachheit. Gaben es ja doch die Jünger mit ihrem: „HErr, bin ich's?“ deutlich zu erkennen, wie sie sich selbst wenig zutrauten und wie sie über die Befürchtung noch nicht hinübergekommen waren, etwa gar auch noch Verräter werden zu können; denn es schien in ihnen aus Anregung des Satans gekämpft zu haben. Solchen Seelen kann der HErr helfen.
Aber bei selbstsüchtigen, geistlich hoch stehenden (hochfahrenden, hochmütigen), dem Geiz ergebenen, geheim-tückischen Christen - wie man sie je und je trifft -, mag's allerdings auch dem lieben Gott schwer werden, es mit ihnen hinauszubringen (zur Rettung). Aber zugedacht hat's ihnen der HErr mit festem Willen - wiewohl Er nur einladen und rufen, aber niemandem sich aufdringen kann. Wer ernstlich will, daß es Gott an ihm tue: Wahrlich, an dem tut Er's auch!
Manchmal ist's übrigens bei gewissen Leuten ein bißchen Unart, wenn sie dem lieben Heiland gleichsam vorhalten wollen: „Es hat doch auch beim Judas und sonst gefehlt - und so könnte mir's auch fehlen oder könntest Du mich gleichermaßen aufgeben!“ Denn das sieht einem Widerspruch gleich, als wollten sie sagen: „Man darf eben doch Deinem Wort nicht ganz trauen!“
Wer so denkt und wer überhaupt alles und alles so auf den Heiland werfen und Dem immer nur die Schuld geben will, wenn er selbst, wie er sagt, nicht besser sei: der steht gefährlich! Hüte Dich vor solchem unkindlichen, Ihm gewiß sehr unliebsamen Wesen! Du aber (d. h. vielmehr) rege dich und traue und glaube! Und „schaffe nur deine Seligkeit mit Furcht und Zittern“, daß du nicht ein Dieb werdest wie Judas oder ein Betrüger wie Ananias und Sapphira oder ein Weltling wie Demas oder ein Fresser und Säufer und Mißhandler deines Gesindes und anderer wie jene Knechte, die der HErr „zerscheitern wird an Seinem Tage“, oder überhaupt ein Übeltäter, den der HErr „einst nicht kennt“! Nur solcherlei Leuten kann's mißlingen.
Hast du aber noch Furcht Gottes in dir, daß du nicht so sein willst, so tut der HErr das Seine. Er läßt dich nicht im Stich - wenn du nicht durch Mißtrauen, durch Ausweichen und Weglaufen Ihn im Stich lässest! (Christoph Blumhardt)


Dieses Schriftwort über die Heiligung fällt darum so sehr auf, weil unsere Heiligung in demselben mit so großem Nachdruck als ein Werk Gottes hingestellt wird. Das sagt nicht nur der Anfang: „Gott heilige euch …“, sondern noch mehr der Schluß: „Getreu ist der, der euch rufet, welcher es auch wird tun.“ - Es ist ja keine Frage, daß es einseitig wäre, zu sagen: Unsre Heiligung ist ausschließlich Gottes Werk. Es gibt so viele andre Worte des neuen Testaments, die uns heilig zu sein, der Heiligung nachzujagen antreiben, daß man darüber gar keine weiteren Worte zu verlieren braucht.. Aber immerhin wollen wir aufmerksam beachten, daß in unsrer Stelle mit großer Kraft und Gewißheit Gott das Werk zugeschrieben wird. Wir wollen zunächst gar nicht darüber nachsinnen und reden, wie sich die beiden Seiten begrifflich vereinigen lassen, sondern wir wollen die Tatsache feststellen und betrachten:
Unsere Heiligung ist Gottes Werk. Es ist nicht so, daß Gott uns nach der Bekehrung gewissermaßen laufen ließe und ruhig zusehe, was wir wohl machen. Vielleicht scheint es manchmal so, aber es ist doch nur Schein. Gott hat mit uns das bestimmte Ziel im Auge, und er, der Allmächtige und Alltreue, weiß es auch gar wohl zu erreichen. Wir sind auch hinsichtlich unserer Heiligung nicht anders gestellt als hinsichtlich unserer Rechtfertigung; Gott will sie, Gott bewirkt sie. Wenn man die Heiligung vielfach so darstellte, als ob sie ganz und gar unsere Sache sei, von unserem Willen nur abhinge, unser Werk sei, das wir jetzt als Gerechtfertigte zu leisten hätten, so kann das ein folgenschwerer Irrtum sein, kann eine neue Gesetzesherrschaft und ein verstecktes äußeres Werktreiben begründen, und dahin ist es auch vielfach gekommen. Aber Heiligung ist nicht Gesetzeswerk, sondern Gnadenwerk, Gotteswerk in uns. Gott will uns heiligen und heiligt uns; seine Gnade hat uns zu ihm gezogen, seine Gnade beherrscht uns fort und fort und erziehet uns, daß wir die weltlichen Lüste verleugnen usw. (Tit. 2,11 ff.)
Wie sehr müssen wir uns nun aber auch davor hüten, die Heiligung zu versäumen oder zu verachten! Wer das tut, der versäumt Gottes Werk, und was das für Folgen hat, braucht nicht erst gesagt zu werden. Wenn wir rechte Kinder Gottes sind, werden wir doch wohl nicht anders können als das zu lieben und zu begehren, was Gott uns tun will. Wie traurig ist es, daß sich manche, die gläubig zu sein bekennen - aus Gründen, die hier nicht weiter besprochen werden können - des Werkes Gottes an ihnen entschlugen! Kein Grund kann solch ein Verhalten rechtfertigen. Gott will uns gewiß nichts Böses, auch nichts Unnützes tun. Mögen verkehrte Menschen sein Wirken verkehrt haben, so bleibt er und sein Wille und sein Werk doch rein und gut und recht. Er ist dem Reinen rein und dem Verkehrten verkehrt. - Gewiß würden manche Gläubige das Wort und die Sache „Heiligung“ weniger bedenklich gefunden haben, wenn sie unsre Stelle sorgfältig beachtet hätten; sie hätten dann beachtet, daß Heiligung ein Werk Gottes ist, und sie hätten wohl auch die schönen Namen beachtet, die der Apostel im Hinblick auf dieses Werk Gott beilegt, nämlich:
Heiligung ist eine Sache des Gottes des Friedens. Der Gott, der uns in Christo Frieden gab, will in diesem Frieden uns erhalten und seine seligen Friedensziele mit uns erreichen. Seit wir ihn in Christo kennen, hat er Gedanken des Friedens allerwege über uns, am meisten in der Heiligung. Nicht um uns Böses anzutun, nicht um uns zu schaden will er an uns wirken, sondern um seine Friedensgedanken an uns zu verwirklichen. Er ist nicht unser Feind mehr, sondern unser Vater. Als Feind kann ihn und sein Wirken nur der empfinden, der fleischlich gesinnt ist, der des Fleisches Geschäfte gerne hat und es als bitteren Schmerz empfindet, wenn er den alten Menschen verleugnen soll. „Geistlich gesinnt sein aber ist Leben und Frieden.“ Wer geistlich gesinnt ist, wird sich gerne dem himmlischen Vater hingeben, wird sich gerne von ihm behandeln, erziehen und züchtigen lassen; er weiß, Gott hat Gedanken des Friedens über mich.
Laßt mich dabei auch darauf hinweisen, daß das Werk immer den Charakter des Wirkenden trägt und annimmt. Der Gott des Friedens schafft durch das Werk der Heiligung auch nichts anderes als Kinder des Friedens. Wahrhaft heilige Leute sind keine Zänker und Streiter, keine Schimpfer und keine kapuzinerhaften Fanatiker, fahren nicht hoch her mit harten Reden, verachten und trennen sich nicht von Kindern Gottes. Wo das alles sich findet, ist keine echte Heiligung. Der Gott des Friedens heiligt Heilige des Friedens; gottlob, daß wir an Persönlichkeiten der Vergangenheit und Gegenwart diese echte Wirkung des Gotteswortes beobachten können!
Heiligung ist ferner ein Werk des treuen Gottes. Er hat uns berufen, er hat einen Anfang gemacht; seine Treue treibt ihn, sein Werk nicht liegen zu lassen. „Wieviele er zuvorbestimmt hat, die hat er … verordnet … berufen … gerecht gemacht … (heilig und) herrlich gemacht.“ (Röm. 8,29) Ja, seine Treue kann sich selbst dann nicht leugnen, wenn wir in Verdüsterung und Dunkelheit säßen: „glauben wir nicht, so bleibet er doch treu, er kann sich selbst nicht leugnen.“ Köstliches Verheißungswort! Wohl uns des treuen Herren!
Angesichts solcher herrlichen Lehren der Schrift sollte kein Gläubiger sein, dem nicht die Heiligung lieb und teuer wäre.
Keiner braucht zu verzagen und zu sagen: ich kann die Heiligung nicht erlangen! Sie ist ja nicht dein Werk, sondern Gottes Werk an dir!
Keiner braucht die Heiligung zu fürchten, als ob ihm Böses geschehen sollte: der himmlische Vater hat viel herrlichere, köstlichere Friedensgedanken über uns als die besten irdischen Väter es über ihre Kinder haben, darum züchtigt er uns mit einem Herzen voll Friedensgedanken, „zu Nutz, damit wir seine Heiligung erlangen möchten.“ (Heb. 12,10)
Niemand sollte aber auch die Heiligung versäumen, die doch ein Werk Gottes ist, in dem er sich als der Gott des Friedens und der Treue ganz besonders offenbaren will.
Wir alle sollten vielmehr mindestens von ganzem Herzen das tun, für uns und andere, was Paulus für die Thessalonicher betend wünschend tat: zu Gott beten und flehen, daß er an uns als der heiligende sich beweisen möge. Die Heiligung ist Gottes Werk und ist unser Werk: die rechte Vermittlung dieser beiden Wahrheiten liegt, wie so oft in der Schrift, darin, daß wir empfänglich und aufgeschlossen sind für das, was Gott an uns tun will, es von Herzen begehren, mit ganzer Kraft verlangen, es mit Liebe und Sehnsucht ergreifen und mit Hingabe an uns geschehen lassen. Es kann sich aber einer - auch ein Gläubiger - ablehnend verhalten gegenüber dem und jenem, was Gott ihm tun möchte; er kann sich verschließen, ja teilweise und zeitweise verhärten. Das heißt aber sich selbst des Segens verlustig machen und berauben. (unbekannt)


Wir dürfen und müssen unserm Gott, der ein Heiland ist aller Menschen, am meisten aber der Gläubigen (1. Tim. 4,10), das Vertrauen entgegenbringen, daß er überall, wo er etwas tut, eine ganze, volle und gründliche Arbeit tun will und auch tut. So wird es wohl auch in dem Geschäfte der Heiligung sein, das er an seinen Kindern ausführen will; er wird es in seiner Weisheit und Liebe gewiß wohl verstehen, seine Friedensabsichten und seine Treuegedanken zu ihren endlichen Zielen zu bringen. Darum tönen uns auch in dem vorliegenden Schriftworte solche Ausdrücke gar voll entgegen, die das Ganze und Völlige des göttlichen Heiligungswerkes bezeichnen wollen: Der Gott des Friedens heilige euch ganz, vollkommen (wörtlich), und ganzteilig müsse euer Geist … bewahret werden! Eine Heiligung, die sich bloß auf einzelne Teile unseres Wesens, auf einzelne Seiten unseres Charakters, auf einzelne Zeiten unseres Lebens beschränkte, wäre gewiß an und für sich ein Unding. Und doch, wie oft mag eine teilweise Heiligung sich vorfinden, und zwar nicht nur im Anfang und im Kindesalter des christlichen Lebens. Gott will uns jedenfalls ganz und gar heiligen, die Frage ist die, ob wir es auch wollen. Begehren wir das vollkommene Gotteswerk an uns, oder wünschen wir, in einzelnen Teilen von ihm verschont zu bleiben? Es mag das eben nicht unmöglich sein, daß ein solcher Wunsch und Gedanke und ein diesbezüglicher activer oder passiver Widerstand gegen Gottes Werk bei uns sich findet. Welches Resultat wir dadurch erreichen? Jedenfalls werden wir mit Gott in Conflikt geraten. Wir werden ihm widerstehen und sein Friede muß dann von uns weichen. Bleibt dieser Zustand bestehen, kann auf die Dauer nur ein völliger Rückgang und ein völliges inneres Ersterben die Folge sein. Sind wir aber wirklich bekehrte und gläubige Leute, die Gott zur Seligkeit zuvorbestimmt hat (Röm. 8,29.30), so mag es wohl ein zeitweises und teilweises Widerstreben gegen Gottes Heiligungsgeschäfte bei uns geben, Gott wird aber unsern Willen zu brechen suchen auf allerlei Weise und es wird ihm auch gelingen, sei es durch das Feuer der Leiden, sei es durch die sanften Züge des Heiligen Geistes.
Beachten wir immer wieder, daß das vorliegende Wort des Paulus ein Wort des Wunsches und des Gebetes ist. Was man wünscht, worum man bittet, dafür ist das Innere empfänglich, das Herz aufgetan und der Wille geneigt. Wenn wir uns schon selbst nicht heiligen können, wenn wir vollends nicht die gänzliche Heiligung vollbringen können, Gott kann und will es tun; unsere Sache ist es, sein Werk mindestens zu begehren, zu erbitten, zu wollen. Ist dieses Begehren nicht da, dann mag das ja vielleicht ein Zustand augenblicklicher Verdüsterung sein, der wieder vorübergeht; es mag auch eine chronische Krankheit sein bei einzelnen Christen und bei ganzen Gemeinschaftskreisen; fehlt der bezeichnete Wunsch aber auf die Dauer und überhaupt, so wäre eben damit der Beweis erbracht, daß wir Christi Geist nicht haben, daß wir fleischlich gesinnt sind, daß wir aber darum noch im geistlichen Tode liegen, Christi Eigentum nicht sind (vgl. Röm. 8, 5-10).
Gott will und sollte uns heiligen „durch und durch“, wörtlich: „ganz vollkommen“. In allen unseren Lebensbeziehungen und Handlungen, in allem Denken und Sinnen, in der Jugend, im Alter, in Familie, im Geschäft, im Gemeindeleben will er ein Werk tun. Paulus legt uns die Vielseitigkeit des Heiligungsgeschäftes auseinander nach den drei Seiten: Geist, Seele und Leib. Zugleich beschreibt er uns die Wirkung des Heiligungswerkes Gottes: Geist, Seele und Leib wird durch es in untadeliger Weise bewahrt auf den Tag der Wiederkunft Christi. Es handelt sich also bei dem Heiligungswerke um Bewahrung vor der Sünde und ihren Wirkungen. Es gibt ein Sündenverderben des Leibes, der Seele und des - menschlichen - Geistes; ja auch der von Gott verliehene Geist und seine Geistesgaben können in's Sündliche und Unreine hinabgezogen werden. Wir haben Beispiele dafür, daß Gläubige Leute eben auf dem Gebiet sündigten, wo ihre geistliche Berufung lag und dadurch derselben verlustig gingen, ihren Geist nicht „ganzteilig“ bewahrten. Vielfach haben Gläubige verloren, was sie besaßen, ihren Geistbesitz nicht gewahrt, weil sie nicht mit Ernst die Heiligung erbeten und erwünschten, die Gott ihnen wohl zuteil werden lassen wollte.
Die letzten Worte des Apostels, die die Heiligung als eine Bewahrung vor der Sünde und vor dem Verderben hinstellen, zeigen uns erneut, was wir schon bei der Petristelle lernten, daß die Heiligung ein sehr praktisches Gebiet ist, daß es sich um das tagtägliche Leben und Weben handelt, um den „Wandel“ (1. Pet. 1,15), allerdings nicht nur um den äußeren Wandel, sondern um den „ganzen“ Wandel, um die Verhältnisse des ganzen Menschen, um Geist, Seele und Leib, um die aufgedeckten und um die versteckten Beziehungen unseres Daseins. Möge der Herr uns in dieser Sache immer mehr Licht geben! (unbekannt)

5:25 Liebe Brüder, betet für uns.
Betet für eure Lehrer, die sich eurer Seelen annehmen. Diese Ermahnung zur Fürbitte für die Diener am Evangelium lasset euch heute ans Herz gelegt sein, und wir bitten mit allem Nachdruck jedes christliche Haus, jede gläubige Familie, dieses innige Verlangen unsers Schriftworts zu beachten, das zuerst ein Apostel ausgesprochen hat, und das wir nun wiederholen. Liebe Brüder, die Arbeit eines Lehrers der Wahrheit ist unschätzbar wichtig, denn Wohl und Weh von Tausenden hängt davon ab; er hat mit den Seelen im Namen Gottes über die höchsten und heiligsten Dinge zu verhandeln, und das Wort, das er zu reden hat, wird entweder ein Geruch des Lebens zum Leben, oder ein Geruch des Todes zum Tode. Es ruht auf den Zeugen des Evangeliums eine große Verantwortung, und es ist keine geringe Gnade, wenn sie zuletzt unschuldig erfunden werden am Blut aller Menschen. Als Anführer im Heere Christi sind sie das besondere Angriffsziel der Menschen und der höllischen Mächte; alle ihre Schritte und Tritte werden von diesen ihren Widersachern mit gierigen Blicken bewacht, und ihre Füße entfliehen kaum den Schlingen der verfolgenden Feinde. Ihr heiliger Beruf setzt sie Versuchungen aus, denen andre nicht unterworfen sind, und entrückt sie über dies alles nur zu oft dem persönlichen Genuss der Wahrheit unter den Rücksichten, die ihre öffentliche und amtliche Stellung ihnen auferlegen. Sie werden in manche Verwicklung von Umständen mit hineingezogen, wo ihr Witz keinen Rat mehr weiß; sie müssen zum größten Herzeleid ihrer Seele sehen, wie vielversprechende Seelen abfallen; sie müssen mit tiefem Schmerz sehen, wie Tausende ins Verderben rennen, und ihre Seele verliert allen Mut. Sie wünschen sehnlich, dass das Wort ihrer Verkündigung euch zum Segen gereiche; sie hoffen, euren Kindern zum Segen zu werden; sie verlangen den Heiligen und den Sündern Beistand zu gewähren; darum, teure Brüder, bittet für sie vor Gott. O seht, wir sind elende Menschen, wenn uns die Hilfe eures Gebets fehlt, aber selig sind wir, wenn wir in eurer Fürbitte leben. Ihr sucht nicht bei uns, sondern beim erhabenen Meister allen himmlischen Segen, und doch hat Er diesen Segen so oft durch seine Knechte vermittelt; darum bitten wir alle, die wir im Dienste des Herrn stehen als Verkündiger seiner Wahrheit und Gnade, um Jesu willen: „Liebe Brüder, betet für uns.“ (Charles Haddon Spurgeon)

5:26 Grüßet alle Brüder mit dem heiligen Kuß.

5:27 Ich beschwöre euch bei dem HERRN, daß ihr diesen Brief lesen lasset vor allen heiligen Brüdern.

5:28 Die Gnade unsers HERRN Jesu Christi sei mit euch! Amen.
Paulus hat Recht, wenn er bei der Unbekanntschaft mit der Zeit der Zukunft Christi uns auffordert, zu wachen und gerüstet zu sein. Hätte er die Worte 4,15: „wir, die wir leben und überbleiben“ so gemeint, als erwarte er selbst noch zu seinen Lebzeiten die Wiederkunft des Herrn, so hätte er ja allerdings von den Zeiten und Stunden geschrieben, was er hier V. 1. verneint; es hätte dann nur höchstens vierzig Jahre mit der Wiederkunft Christi anstehen können. Aber er läßt sie ausdrücklich unbestimmt, um desto nachhaltiger zur Wachsamkeit die Kinder des Lichts zu ermahnen. Denn die Kinder der Welt wachen nicht, sie liegen im tiefen Schlafe. Und wenn auch der Herr einhertritt wie die Wetter vom Mittag, wenn auch seine Pfeile ausfahren wie ein Blitz, so vernehmen die Schlaftrunkenen von dem Allen nichts, schlafen ihren Todesschlaf fort, und so sie auch einmal einen Augenblick aufgerüttelt werden durch die Schrecken ihrer Schicksale, so kommt es doch nicht zum Nüchternwerden; mit allerlei klugen Deutungen und Ausreden wiegen sie sich wieder in den Schlummer. Ein Mensch, der im Herrn lebt, verhält sich daher zu einem natürlichen Menschen wie ein Wachender zu einem Schnarchenden im tiefen Schlaf, zu einem Träumenden oder Mundsüchtigen. Um sich desto mehr an die Nothwendigkeit des Wachens zu erinnern, gebrauchten die Christen in den ersten Jahrhunderten oft den Namen Gregorius, d.h. ein Wachender. Diese Wachsamkeit ist die nothwendige Folge des Lichts, das den Gläubigen aufgegangen ist und scheint: am hellen Tage ist es schwer, zu schlafen oder nicht zu sehen. Diese Wachsamkeit ist die treuste Hüterin der Gnade; weil der Christ kein Nachtschwärmer ist, weiß er auch, was am Tage zu thun ist; er kennt die Zeit und weiß sie recht zu benutzen, er durchblickt die Gefahren und überwindet sie mit den Waffen des Lichts, er flieht die Finsterniß und sucht das Licht, bis er es ganz ertragen kann in dem ewigem Erbe. Herr, mache auch mich je länger je mehr zu einem solchen Freunde und Kinde Deines göttlichen Lichts und Lebens! Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

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