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Römer, Kapitel 14

Römer, Kapitel 14

14:1 Den Schwachen im Glauben nehmet auf und verwirrt die Gewissen nicht.
Es ist die Ehre jeder christlichen Gemeinschaft, welcher Art sie sei, dass sie Raum für die Schwachen hat. Will sie nur Starke bei sich haben, so hat sie sich von Jesus geschieden und ist tot. Dass auch sie, die wenig leistungsfähig sind, Bürgerrecht in ihr haben, bedarf keiner Überlegung. Zwar ist die Kirche eine Genossenschaft von Arbeitern, aber nicht so, dass sie ihren Anteil an Gott auf ihr Werk aufbaute. Ob die Leistung, die wir als Glieder der Kirche vollbringen, groß oder klein sei, das verschiebt unsere Stellung vor Gott und unseren Platz in der Kirche nicht. Den Unterschieden in unserem Vermögen entsprechen die in unserem Begreifen. Was wir als Leistung unseres Verstandes fertig bringen, ist verschieden. Aber auch daraus entsteht für unseren Anteil an der Kirche keine Not. Sie umfasst alle Stufen der uns Menschen gewährten Vernünftigkeit. Es gibt aber zwischen uns auch Unterschiede im Glauben und diese reichen in das Fundament der Kirche hinab; denn diese besteht durch die Gemeinsamkeit des Glaubens. Im Glauben entstehen nicht nur dadurch Unterschiede, dass jeder seine persönliche Eigenart hat, die auch in jede Betätigung unseres Glaubens sichtbar wird, sondern auch die Störungen in unserem inwendigen Leben tragen in unseren Glauben die Verschiedenheit hinein. Im geschwächten Menschen bleibt auch sein Glauben geschwächt und damit sind seinem Verhalten Grenzen gezogen, die er nicht überschreiten kann und darf, weil er nicht anders als nach seinem Glauben handeln kann und muss. Ist nun dann, wenn ich von dem anderen urteile, es fehle seinem Glauben an Kraft, die Gemeinschaft abzubrechen? Vor diese Frage stellt uns Paulus und er sagt: Nein! Stellt auch mit dem Schwachen im Glauben die Gemeinschaft her. Schwierig wird sie, das ist sonnenklar. Denn der im Glauben Starke kommt leicht zur Geringschätzung des Schwachen und der Schwache leicht zur herrlichen Verurteilung des Starken, weil er auch solches tut, was der Schwache für seine Person als sündlich unterlassen muss. Dennoch bleibt es das Gesetz, das für jede Christenheit gültig ist: den im Glauben Schwachen nehmt bei euch auf. Ihr dürft keinen Glauben verachten und keinem den Glauben dadurch erschweren, dass ihr ihm die Gemeinschaft versagt. So treu und stark blieb Paulus beim Grundsatz des Evangeliums, nach dem der Glaube Gerechtigkeit ist und der Glaube uns zur Gemeinde Jesu vereint, dass er auch für den schwachen Glauben, eben weil er Glaube ist, das Bürgerrecht in der Gemeinde errungen und es ihr zur Pflicht gemacht hat, die schwachen und die starken Glaubenden zu einen, weil beide an Jesus angeschlossen sind.
Meinem Glauben habe ich zu gehorchen und kann nicht den Glauben eines anderen haben. Dadurch machst Du, treuer Herr, offenbar, dass Du jedem von uns Deinen gnädigen Blick schenkst und Dich für jeden von uns zum Heiland machst. Ich will Dein Werk ehren, wo immer es sich mir zeigt. Hilf mir, dass ich meines eigenen Glaubens froh bleibe, mich aber auch an allen anderen freue, denen Du in anderer Weise gönntest, Dir glauben zu dürfen. Amen. (Adolf Schlatter)

14:2 Einer glaubt er möge allerlei essen; welcher aber schwach ist, der ißt Kraut.

14:3 Welcher ißt, der verachte den nicht, der da nicht ißt; und welcher nicht ißt, der richte den nicht, der da ißt; denn Gott hat ihn aufgenommen.

14:4 Wer bist du, daß du einen fremden Knecht richtest? Er steht oder fällt seinem HERRN. Er mag aber wohl aufgerichtet werden; denn Gott kann ihn wohl aufrichten.
Manche selbstgefällige Heilige unserer Zeit richten über andere, deren Art nicht zu ihrer Sonderart paßt; ,,Der ist nicht recht bekehrt! Der ist nicht entschieden! Der hat die Geistestaufe nicht empfangen! Damit haben sie einen fremden Knecht gerichtet und, wenn man ihren Worten glaubt, ihn gefällt. Bleibt er nun unter solchen Axthieben als nutzloser Baum liegen? Gott sei Dank, nein! Er mag aber wohl aufgerichtet werden. Unser Heiland ist ein besserer Herzenskündiger als diese unberufenen Richter. Er kann ihn wohl aufrichten. Wie habe ich das so köstlich an mir selbst erfahren. Wie viele haben mich schon oft verdammt, und es hätte, wenn Gottes Spruch durch ihren Mund gegangen wäre, mit meiner Arbeit und mit meiner christlichen Persönlichkeit aus und vorbei sein müssen. Wie hat der Herr mich aufgerichtet! Er gab neue Erfolge, neue Hilfen. Jahre sind drüber hingegangen, und ich habe keinen Grund, jenen unberufenen Richtern zu grollen. Sie trieben mich nur in die Selbstprüfung und näher zum Herrn hin, und der Erfolg war lauter Segen von oben. Die Menschen verwarfen mich, und der Herr hob mich auf und richtete einen neuen Bund der Gnade mit mir auf!
Darum will ich auch in deinen Händen, Herr Jesu, bleiben! Behalte du mich in deiner Seelenpflege und mache du etwas aus mir, zu Nutzen deines Reiches. Ich warte auf dich und will dein bleiben ewiglich. Amen. (Samuel Keller)

14:5 Einer hält einen Tag vor dem andern; der andere aber hält alle Tage gleich. Ein jeglicher sei in seiner Meinung gewiß.

14:6 Welcher auf die Tage hält, der tut's dem HERRN; und welcher nichts darauf hält, der tut's auch dem HERRN. Welcher ißt, der ißt dem HERRN, denn er dankt Gott; welcher nicht ißt, der ißt dem HERRN nicht und dankt Gott.

14:7 Denn unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber.

14:8 Leben wir, so leben wir dem HERRN; sterben wir, so sterben wir dem HERRN. Darum, wir leben oder sterben, so sind wir des HERRN.
Gibt es Unterschiede in der Christenheit? O ja, sogar Unterschiede im Glauben. Paulus sprach von solchen, die im Glauben schwach, und von solchen, die im Glauben stark seien. Noch viel mehr gibt es Unterschiede in unserer Erkenntnis, in der uns gegebenen Pflicht, in dem uns zugeteilten Beruf. Gibt es denn noch ein gemeinsames Merkmal aller Christen? Lässt sich noch eine Grenze zwischen denen ziehen, die in der Gemeinde stehen, und denen, die nicht zu ihr gehören? O ja, sagt Paulus; diese Grenze ist unverrückbar. Keiner gehört zur Christenheit, der für sich selber lebt; jeder von uns lebt für den Herrn. Auch die Natur prägt uns in ihrer Weise ein, dass keiner für sich selber lebt. Sie gibt jedem das Leben, damit er es anderen gebe, und gestattet keinem, nur für sich selber Eigentum anzusammeln; ob er will oder nicht, er muss es anderen lassen. Aber die Natur verhindert es nicht, dass wir ihre Gaben eigensüchtig missbrauchen und den Versuch machen, mit dem, was sie uns gibt, für uns selbst zu leben. Anders steht es aber da, wo Jesus als der Herr regiert. Denn Er stellt uns vor Gott und dadurch ist es mir ganz unmöglich gemacht, für mich selbst zu leben. Sowie mein Blick Gott erreicht, ist die selbstische Verengung meiner Gedanken und Ziele zersprengt. Gott ist größer als ich. Wie könnte ich mich über Gott erheben und ihn zu meinem Diener machen, wie seine Gabe nur dazu benützen, um mich in meiner Ichheit zu stärken und zu vervollkommnen?
Die weltweite Größe seiner Gnade, die eins ist mit seiner regierenden Majestät, hat er mir dadurch gezeigt, dass er Christus zu meinem Herrn gemacht hat. Indem ich an ihn glaube, gründe ich mein Leben auf das, was er mir gibt; er gibt aber seine Gaben nicht einzig mir. Indem mir sein Wille heilig wird, bin ich ihm untertan und ihm gehorsam gemacht; er führt mich aber zu denen, die wie ich sein eigen sind, und verpflichtet mich für sie. Nicht nur sein Gebot verbietet mir, dass ich für mich selber lebe, sondern die von ihm mir gegebene Gestaltung meines Lebens macht mir dies zur Unmöglichkeit. Freilich kann ich auch meinen Christenstand meinem Eigennutz dienstbar machen und sein Wort nur dazu hören, damit es mich erleuchte, und seine Gabe nur dazu begehren, damit ich selber von Schuld, Schande und Gericht befreit und ewig selig sei. Dann weiß ich aber auch, dass ich unter der Verurteilung stehe, die Jesus mit gewaltigem Wort und heißem Ernst auf alle die gelegt hat, die Gottes Gnade nicht von ihrer boshaften Eigensucht befreit.
Bei Dir, heiliger Vater, vergeht das Elend, das mich plagt, solange ich für mich selber leben will. Gepriesen sei Deine Gnade, die in unserer armen, dunklen Welt Deine Kirche schuf, in der keiner für sich selbst lebt. Aus Dir zu Dir schufst Du sie und zeigst uns dadurch Deine Liebe. Durch sie töte unsere Eigensucht. Amen. (Adolf Schlatter)


Wahre Christen erkennen, daß sei im vollkommensten Verstand des HErrn seien. Er hat sie nicht nur erschaffen, sondern auch, nachdem sie durch die Sünde unter die Gewalt des Satans gekommen waren, mit Seinem Blut erkauft. Nun sehen sie sich selbst so an, wie die Korinther sich selbst ansehen mußten, zu denen Paulus sagte: ihr seid nicht euer selbst: ihr seid um einen Preis erkauft, ihr seid Christi 1 Kor. 6,19.20. 3,23. Zwar sind sie nach dem Willen ihres HErrn auch den Eltern und Vorgesetzten auf Erden unterthan: allein das höchste Recht über sie behält sich der HErr Jesus vor. Insonderheit ihr Gewissen Ihm allein und unmittelbar unterthan. Hierauf folgt aber, daß sie auch dem HErrn leben, und dem HErrn sterben. Ein zwar unvollkommenes aber doch erläuterndes Beispiel hievon sind die leibeigenen Knechte oder Sklaven, welche ihren Herren leben, weil sie alle ihre Geschäfte nur für ihre Herren thun, und für sich kein Vermögen sammeln, und welche auch ihren Herren sterben, weil diese alsdann einen Sklaven weniger haben. Doch in Ansehung des letzten Umstandes ist die Ungleichheit zwischen den irdischen Sklaven und zwischen den Leibeigenen des HErrn Jesu sehr groß: denn da jene durch den Tod von aller Verbindung mit ihren Herren los werden, so hören hingegen diese, wenn sie sterben, nicht auf, des HErrn Jesu zu sein: denn Dieser ist darum gestorben und wieder auferstanden, daß Er über Todte und Lebendige ein HErr sei. Wer dem HErrn lebt, darf nicht sich selbst leben, sondern Dem, der für sie gestorben und auferstanden ist. Wer sich selbst lebt, thut Alles um sein selbst willen, um seinen Geiz, seine Ehrfurcht und seine Wollust zu vergnügen. Auch wenn er schwere Arbeiten übernimmt, wenn er löbliche Thaten thut, wenn er von groben Ausschweifungen sich enthält: so thut er’s sich selbst zu Gefallen, um Nutzen oder Lob zu erhaschen, oder ein Vergnügen an sich selbst zu haben. Auf diese Weise macht sich der Mensch selbst zu seinem Zweck, ja zu seinem Gott. Wer aber dem HErrn lebt, verleugnet sich selbst, das ist, er achtet sich selbst nicht, in so fern er irdische Vortheile erlangen könnte. Wenn nur Christus verherrlicht wird, wenn nur Sein Wille geschieht, wenn nur für Ihn etwas gewonnen wird! Ihm arbeitet man, Ihm leidet man, man gibt sich Ihm zum Opfer hin. Der Verstand und Wille sind Ihm unterworfen; und alle Glieder gibt man gern hin zum Dienst der Gerechtigkeit. Auch mit dem zeitlichen Vermögen, das man nicht als ein Eigenthumsherr, sondern als ein Haushalter hat, und das nach dem höchsten Recht Sein ist, speiset, tränket und kleidet man Ihn in Seinen Gliedern. Und dabei verdient man als ein Leibeigener des HErrn nichts, und bleibt in so fern ein unnützer Knecht: wiewohl der gütige und reiche HErr aus lauterer Gnade Seinen Knechten mehr giebt und geben wird, als sie bei der geizigsten Lohnsucht begehren könnten: denn Seine großmüthige Freigebigkeit geht über ihr Bitten und Verstehen.
Wer so dem HErrn lebt, stirbt auch dem HErrn. Sich selbst kann der Mensch freilich nicht sterben, außer wenn er sich selbst vorsätzlich das Leben nimmt. Sonst aber stirbt ein natürlicher Mensch, weil er sterben muß, und unterwirft sich diesem unvermeidlichen Schicksal ungern, ohne eine Hoffnung oder Absicht auf Christum dabei zu haben. Allein wahre Christen sterben so, daß sie glauben, nun werden sie von ihrem guten HErrn von ihrem Posten, auf den Er sie in dieser Welt gestellt hatte, abgerufen, um in der unsichtbaren Welt bei Ihm zu sein, und Ihm auf eine neue Weise in der Herrlichkeit zu dienen.\\(Magnus Friedrich Roos)

14:9 Denn dazu ist Christus auch gestorben und auferstanden und wieder lebendig geworden, daß er über Tote und Lebendige HERR sei.
Wir Alle sind ein Eigenthum Jesu Christi, und seine leibeigenen Knechte und Mägde. Wir stehen und fallen Ihm als unserem HErrn. Ihm leben und sterben wir auch. Vor Seinem Richterstuhl werden wir Alle dargestellt werden. Er spricht: so wahr Ich lebe, Mir sollen alle Kniee gebeuget werden, und alle Zungen Gott bekennen (der im Fleisch geoffenbart worden ist), Ihm muß ein Jeglicher für sich selbst Rechenschaft geben. Dieses sind Aussprüche des Heiligen Geistes durch Paulus Röm. 14., und es wird daselbst der Schluß daraus hergeleitet, daß kein Bruder den andern wegen einer gleichgültigen Sache, welche der Seele an sich selbst weder schadet noch nützt, herrschsüchtig richten solle. Indem aber Paulus auch sagte: Christus ist gestorben und wieder lebendig geworden, auf daß Er über Todte und Lebendige ein HErr sei, so zeigte er den tiefen Grund der übrigen Aussprüche an. Christus ist als Gott und Schöpfer der HErr über die Todten und Lebendigen. Er ist’s aber auch nach den Rechten des Himmelreichs, welches Er durch Seien Erlösung angerichtet hat. Die Menschen sind nicht nur Seiner Hände Werk, sondern auch Sein erkauftes Eigenthum. Seine Knechte stehen auch vor Ihm, leben und sterben Ihm, und beugen die Kniee vor Ihm, nicht nur, weil Er ihr Gott, sondern auch, weil Er ihr Erlöser ist. Ihm muß ein Jeglicher für sich selbst Rechenschaft geben, wie er nicht nur Ihn als Gott und Schöpfer geehret, sondern auch, wie er sich Seine Erlösung zu Nutz gemacht habe. Zu diesem Verhältniß, worin Todte und Lebendige mit dem HErrn Jesu stehen sollen, war nöthig, daß Er sterbe und wieder lebendig werde. Er starb um der Menschen willen, V. 15. Auf Seinen Tod gründet sich das neue Recht, das Er an die Menschen hat. Ja, Er mußte den Tod schmecken, damit Ihm Alles außer Gott unterworfen würde, Ebr. 2,9-14. Es war aber nicht genug, daß der HErr Jesus nur durch den Tod das Recht erwürbe, über Todte und Lebendige HErr zu sein, sondern Er mußte auch dieses Recht wirklich ergreifen und ausüben. Hiezu machte Er den Anfang, als Er nach dem Fleisch todt, aber nach dem Geist lebendig gemacht war, denn in diesem ging Er hin, und predigte den Geistern im Gefängniß, 1 Petr. 3,19.20. Ja Er fuhr überhaupt in die untersten Oerter der Erde, oder in das finstere Todtenbehältniß, um Sich da als der HErr zu zeigen, Eph. 4,9. Als Er aber auferstanden war, sagte Er zu Seinen Aposteln, was Matth. 28,18.19.20. steht, und that, was Eph. 4,11.12. gesagt wird. Hiemit nahm Er dann Besitz von dem Erdboden, und richtete Sein Reich nach derjenigen Form, welche es bis an’s Ende der Welt haben soll, wirklich darauf an, wiewohl Er hier mitten unter Seinen Feinden herrscht, und deßwegen Sein Reich durch alle die in der Offenbarung Johannis geweissagten Drangsale durchbrechen muß, bis es sein herrliches Ziel erreicht. Er fuhr aber auch gen Himmel, um ein Reich, ja den Himmel selbst einzunehmen, Luk. 19,12. Ap. Gesch. 3,21., und sitzt als ein Lebendiger zur Rechten Seines Vaters, und verwaltet Sein Königreich und Sein Priesterthum auf Seinem Thron, und wird mit großer Kraft und Herrlichkeit kommen, um die Lebendigen und die Todten zu richten; nach diesem Gericht aber wird Sein und Seines Vaters Thron im neuen Jerusalem sein, wo Er Könige zu Knechte haben, und über sie als der höchste König herrschen wird.(Magnus Friedrich Roos)

14:10 Du aber, was richtest du deinen Bruder? Oder, du anderer, was verachtest du deinen Bruder? Wir werden alle vor den Richtstuhl Christi dargestellt werden;

14:11 denn es steht geschrieben: „So wahr ich lebe, spricht der HERR, mir sollen alle Kniee gebeugt werden, und alle Zungen sollen Gott bekennen.“

14:12 So wird nun ein jeglicher für sich selbst Gott Rechenschaft geben.1); 2)

14:13 Darum lasset uns nicht mehr einer den andern richten; sondern das richtet vielmehr, daß niemand seinem Bruder einen Anstoß oder Ärgernis darstelle.

14:14 Ich weiß und bin gewiß in dem HERRN Jesus, daß nichts gemein ist an sich selbst; nur dem, der es rechnet für gemein, dem ist's gemein.

14:15 So aber dein Bruder um deiner Speise willen betrübt wird, so wandelst du schon nicht nach der Liebe. Verderbe den nicht mit deiner Speise, um welches willen Christus gestorben ist.

14:16 Darum schaffet, daß euer Schatz nicht verlästert werde.

14:17 Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geiste.
Es wurde zur Zeit Pauli unter den römischen und andern Christen die Frage aufgeworfen, ob man von dem Fleisch der Thiere essen dürfe, welche den Götzen zu Ehren geschlachtet, und wovon ein Theil auf den abgöttischen Altären geopfert worden. Paulus entschied diese Frage so, daß er sagte, man dürfe davon essen: doch setzte er hinzu, wer sich ein Gewissen daraus mache, solle es unterlassen. Gleichwie aber alle Dinge die Ursache einer Trennung unter den Christen werden können, also konnte auch das Essen des Götzenopferfleisches eine solche verursachen. Derjenige, der davon aß, konnte denjenigen, der nicht davon essen wollte, als einen schwachen Menschen, der sich mit unnöthigen Scrupeln schleppe, verachten; dieser aber konnte jenen als einen frechen Menschen richten. Paulus warnte vor beiden Versündigungen V. 3., und sagte auch V. 17. wegen derjenigen, welche sich ihres Essens rühmen wollten: das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken. Durch Essen und Trinken erlangt man das Reich Gottes nicht, und wer auch drinnen ist, darf seinen Vorzug nicht im Essen und Trinken suchen, oder dieses Essen und Trinken nicht als ein Kennzeichen seines Gnadenstandes ansehen. Man darf vom Essen und Trinken ohne Zweifel den Schluß auf ähnliche Dinge machen, und sagen: das Reich Gottes ist nicht: diese oder jene Kleider tragen, diese oder jene Geberden machen, diesen oder jenen öffentlichen oder besondern Versammlungen beiwohnen. Es besteht, wie Paulus 1 Kor. 4,20. sagt, nicht in Worten, folglich auch nicht in Ceremonien, in äußerlichen Uebungen, in vielem Wissen, oder in der Feier gewisser Zeiten: und überhaupt in nichts, das an sich unkräftig ist, und worunter ein ungeändertes Herz verborgen bleiben könnte. Obschon alle diese Dinge auch nützlich sein können: so besteht doch das Reich Gottes nicht darin. Sie sind, wenn’s hoch kommt, Mittel und nicht der Zweck; sie gehören zur äußerlichen Ordnung und nicht zum innerlichen Wesen des Christenthums. Hingegen besteht das Reich Gottes in Gerechtigkeit, daß man nämlich durch den Glauben an Christum vor Gott gerecht sei, und auch gegen die Menschen Gerechtigkeit beweise. Es besteht im Frieden mit Gott und Menschen, und in der Freude im Heiligen Geist, welche aus den erquicklichen Tröstungen desselben entsteht. Hier prüfe sich nun ein Jeder, der bei einem guten Schein ein todtes Herz, bei einem beredten Mund eine finstere trockene Seele, und bei der Verachtung Anderer ein unruhiges Gewissen, und dabei eine anstößige und beleidigende Lebensart hat. Diesen gelten die Worte Jesu: du hast den Namen, daß du lebest, und bist todt; und: du sprichst, ich bin reich und habe gar satt und bedarf nichts, und weißt nicht, daß du bist elend, jämmerlich, arm, blind und bloß. Darum sehe ein Jeder auf die Hauptsache, und prüfe sich, ob die drei Stücke, die Paulus dazu rechnet, nämlich Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist bei ihm vorhanden seien. Die Freude im Heiligen Geist empfindet man nicht immerdar, doch empfindet man sie zuweilen; den Frieden mit Gott fühlt man, den Frieden mit den Menschen nimmt man bei sich selbst wahr, wenn man sich seiner Liebe gegen alle Menschen, auch gegen die feindseligen, bewußt ist; daß man aber vor Gott gerecht sei, glaubet man, wenn man sich seines Glaubens an Christum bewußt ist, und dabei muß das Gewissen dem Menschen Zeugniß geben, daß er sich auch der Gerechtigkeit gegen andere Menschen befleißige.(Magnus Friedrich Roos)


War es nicht etwas Großes, dass für die für Gott geheiligte Gemeinde alles rein geworden war und zwischen ihr und dem, was die Natur uns darreicht, kein Verbot mehr stand? Es war nicht kindisch, wenn sie sich in den Anfängen der Christenheit an ihrer Freiheit ergötzten, in Gedanken an die Beschwerden, die sie unter den Verboten des alten Gesetzes von innen und von außen, im Gewissen und in der Haushaltung, bedrückt hatten. Wir alle genießen die Freiheit froh, die uns im Verkehr mit der Natur keine Schranken setzt und sowohl unserer Technik als unserer Kunst kein Verbot entgegenstellt, auszunützen, wie es dem Stande unserer Erkenntnis entspricht. Gerade darum, weil diese Freiheit einen großen Reiz und reichen Wert in sich trägt, ist es nötig, dass uns Paulus mahne: Das ist nicht Gottes Reich. Nicht dadurch empfange ich seine großen Gaben, dass ich mein Essen und Trinken so ordnen kann, wie es mir selber zweckmäßig scheint, und mich überall in der Natur frei bewegen darf. Es gibt inwendigen Reichtum, der kostbarer ist als jeder natürliche Gewinn, und diese inwendige Begabung ist das, wodurch ich an Gottes Reich Anteil habe. Die höchste und unentbehrlichste aller Gaben ist die Gerechtigkeit, die Richtigstellung meines Verhältnisses zu Gott, mit der auch alle meine Beziehungen zur Welt richtig werden. Gerechtigkeit ist der sichere Damm gegen das Böse, das feste Fundament für mein Handeln, der Ort, an dem ich vor Gott stehen und mich gläubig an Ihn halten kann. Mit der Gerechtigkeit endet der Zwist, der mich von Gottes Gnade trennt und mich in mir selbst zerreißt. Nun stehe ich in jenem Frieden, den Christus mit sich auf die Erde herabgebracht hat, im Frieden der Versöhnung mit Gott und darum auch in der friedlichen Gemeinschaft mit den Menschen. Damit endet mein Jammern und es brennt in der Seele das helle Licht einer Freude, die das ganze Leben durchwärmt. Diese inwendige Erneuerung und Bereicherung wird mir deshalb zuteil, weil Gottes Geist bei uns ist. Das, was der Geist gibt, ist das Kennzeichen für Gottes Reich. Mit seinen Gaben kommt das zu uns, was Gottes allmächtige Gnade für uns tut und was uns zu ihrem ewigen Ziel emportragen wird. Das alles ist aber ungleich größer und wichtiger als das, was ich im Verkehr mit der Natur gewinnen kann.
Berührt von vielem werde ich, Vater, nach außen gezogen; drum wende ich mich durch Deine Gnade nach innen. Um mich her lagern sich wie eine hohe Mauer die natürlichen Dinge; so mache mir Deines Geistes Wirken sichtbar. Die natürlichen Güter machen mich nicht gerecht, bringen mir nicht den Frieden und machen mich nicht froh. Das tun Deine Gaben, die Du uns schenkst durch Deinen Geist. Amen. (Adolf Schlatter)

14:18 Wer darin Christo dient, der ist Gott gefällig und den Menschen wert.

14:19 Darum laßt uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und was zur Besserung untereinander dient.3); 4)

14:20 Verstöre nicht um der Speise willen Gottes Werk. Es ist zwar alles rein; aber es ist nicht gut dem, der es ißt mit einem Anstoß seines Gewissens.

14:21 Es ist besser, du essest kein Fleisch und trinkest keinen Wein und tust nichts, daran sich dein Bruder stößt oder ärgert oder schwach wird.

14:22 Hast du den Glauben, so habe ihn bei dir selbst vor Gott. Selig ist, der sich selbst kein Gewissen macht in dem, was er annimmt.

14:23 Wer aber darüber zweifelt, und ißt doch, der ist verdammt; denn es geht nicht aus dem Glauben. Was aber nicht aus dem Glauben geht, das ist Sünde.5)
Das ist nur zu wahr, daß das Reich Gottes nicht Essen und Trinken ist, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geiste. Wenn die damaligen Christen aus den Juden noch ängstlich an der Beobachtung der alttestamentlichen Speisegesetze festhielten und dadurch über die Heidenchristen erhaben zu sein glaubten, und wenn dagegen die Christen aus den Heiden sich gar keine Bedenklichkeiten machten über die Speisen und mitleidig, vornehmstolz auf die befangenen Judenchristen herabblickten, und beide Theile darüber in Zwistigkeiten gerathen waren: so erhoben sie unwesentliche Dinge zur Hauptsache und vergaßen diese über lauter Nebensachen. Ihr stellt euch zwar an, will Paulus sagen, als kämpftet ihr über das Reich Gottes; aber am Ende streitet ihr über Essen und Trinken, und vergeßt darüber, nach dem Reiche Gottes selber zu trachten. Das Reich Gottes ist Gerechtigkeit, Gerechtigkeit des Glaubens und des Lebens, jene die Wurzel, diese die Frucht, - und Friede im Glauben an den Heiland, Friede mit Gott und Friedfertigkeit mit dem Nächsten, - und Freude über die empfangene Begnadigung, heiterer Sinn, kindliche Genügsamkeit mit Wenigem, nützliche Thätigkeit fürs allgemeine Beste, vor allem Freude an dem Herrn, an den Geheimnissen der Erlösung, an den fruchtbaren Auen des göttlichen Wortes, den Tröstungen des Gebets, das selige Warten auf den seligen Himmel. Wer nach diesen Gütern trachtet und sie bei Christo sucht, ist ein seliger Mensch, und wird dann auch das rechte Verfahren zu beobachten wissen in Beziehung auf jene und andere unwesentliche Außendinge, und frei bleiben eben so sehr vom hochmüthigen Verachten wie vom lieblosen Richten anderer. Es sind nicht alle Christen nach einer Form zugeschnitten; auch im Reiche der Gnade findet eine große Mannigfaltigkeit Statt, und es werden allerlei Kinder in Zion geboren. Wenn’s nur Kinder sind! wenn sie nur aufs neue geboren werden! wenn sie nur in Zion wohnen, in der Stadt und Gemeinde des lebendigen Gottes! Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


Gibt mir Paulus mit dieser Regel einen Maßstab, mit dem ich sicher messen kann, wie es mit meinem Verhalten steht, ob es sündlich ist oder dem göttlichen Willen untertan bleibt? Weiß ich denn, ob ich aus Glauben handle? Paulus hat immer erklärt: ob ihr glaubt oder nicht glaubt, das wisst ihr ganz gewiss; darüber könnt ihr euch nie täuschen, auf was ihr euer Vertrauen stützt, ob ihr euch auf euch selbst verlasst, auf eure Geldmittel, über die ihr verfügt, auf eure Machtmittel, auf die Menschen, die mit euch gehen, und die Verbände, die euch stärken, auf eure christliche Größe, die euch innerhalb der Christenheit und ihrer Arbeit Bedeutung gibt, oder ob ihr auf Gott gestellt seid, euch an Seine Gnade haltet und an Seinen Willen gebunden seid. Darüber, meinte Paulus, sei jedem, der sich ehrlich prüfe, ein Urteil möglich; er könne erkennen, „ob er im Glauben sei“. Da Paulus den Unterschied zwischen Glauben und Nichtglauben, zwischen dem Glauben an Gott und dem Glauben an mich selbst, als deutlich und sicher behandelt, gibt er uns auch mit seinem Unterricht, dass dasjenige Handeln verwerflich sei, das seinen Grund nicht im Glauben habe, einen Maßstab in die Hand, der uns mit Sicherheit angibt, wann wir richtig und wann wir sündlich handeln. Paulus wendet damit unser Urteil nicht nach außen zum Erfolg unseres Handelns hin. Wollte ich seinen Satz so deuten, mein Glaube verbürge mir notwendig und immer den erfolgreichen, Glück bringenden Ausgang meines Handelns, so hätte ich die entschlossene und reinliche Unterordnung unter Gott aufgegeben. Wie es unerhörte Gebete gibt, die nicht deshalb unerhört bleiben, weil es ihnen an Glauben fehlt, die vielmehr aus Glauben kommen und doch uns das nicht bringen, was wir wünschen, so kann sich auch ein Unternehmen, das ich im Glauben begonnen habe, als zweckwidrig herausstellen und scheitern. Nicht vom Glück spricht Paulus, sondern von der Sünde, nicht von der Klugheit unseres Verfahrens, sondern von seiner Richtigkeit vor Gott. Auf die tiefste Stelle, an der sich Rechtes und Schlechtes scheiden, richtet er unsern Blick.
An der Weise, wie ich mich an Gott anschließe, entsteht mein verwerfliches oder mein richtiges Verhalten. Entstand es nicht aus Glauben, dann war ich selbst der Wirkende, habe mir selbst ein Ziel gestellt, nur selbst Eigentum erworben, mir selbst Ruhm verschafft. So handelt der von Gott losgebundene Mensch, der sich mit seiner eigenen Willensmacht selbst bewegt. Was ich begehre und auch erwerbe, braucht keineswegs nur verwerflich zu sein. Ich kann nach Tugend streben; das ist ein hohes Ziel; oder ich kann für das Gemeinwohl arbeiten; das ist ein großer Zweck. Ich kann mir auch religiöse Ziele setzen, kirchliche Interessen vertreten und an der Christianisierung der Menschheit arbeiten. Auch die Bekehrung anderer wird sehr oft ohne Glauben unternommen. Das Urteil „Sünde“ trifft nicht das, was ich herzustellen suche, sondern mich in meinem Verhalten, mich in der inwendigen Bewegung meines Willens, und hier gibt es kein richtiges Verhalten, solange ich mich von Gott fernhalte. Nur dann bin ich über das Sündigen hinausgelangt, wenn mein Handeln darin seinen Grund hat, dass ich das, was Gottes Gnade mir gegeben hat, im Glauben erfasse.
Ruhm, Vater, finden wir bei uns nicht, dafür Dank für Deine Gnade. Treibe den Stolz aus mir aus, der sich in eigener Kraft zu handeln getraut, und gib mir den hellen Blick in das, was Deine gnädigen Gaben mir als Dienst und Pflicht gewähren. Amen. (Adolf Schlatter)

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