Nicolai, Philipp - Freuden-Spiegel des ewigen Lebens - Der erste Einblick in den Freuden-Spiegel.

Nicolai, Philipp - Freuden-Spiegel des ewigen Lebens - Der erste Einblick in den Freuden-Spiegel.

Das ewige Leben im Himmel ist ein gar edel und freudenreich Leben.

Lebendigen Trost, beständige Freude und herzliche Wonne wirkt in uns die fleißige Betrachtung dieses edlen hohen Artikels unseres christlichen Glaubens vom ewigen Leben. Freut euch und frohlockt alle Christen, die ihr euch von Herzen nach ihm sehnt! Lasst uns singen, springen, jauchzen und fröhlich sein in dem HErrn, unserem Gott und Heiland, über dem seligen Gut welches er uns, seinen trauten Kindern, aus unermesslicher Liebe von Anfang der Welt bereitet hat! Er wird es auch zur herrlichen Offenbarung kommen lassen, dass wir es mit unseren Augen gegenwärtig sehen, so bald wir die Ritterschaft unseres Glaubens auf Erden treulich vollendet haben und mit des heiligen Geistes Kraft aus diesem mühseligen Jammertal durch den letzten Strudel des Tods zu dem himmlischen Vaterland hineingedrungen sind.

Ein trostreicher Anblick. Unseres HErrn Christi Zeugnis, dass es gewisslich ein ewiges Leben gibt.

Das ist meines Herzens höchster Trost, meine Freude und Wonne und eine liebliche Ergötzung in allem Kreuz und Widerwärtigkeit, dass ich zu mir sagen kann: Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Wirst du doch nicht ewig in diesem trübseligen Jammertal bleiben! Es ist dir ein ewiges Leben nach diesem Elend bereitet! Und warum sollt ich daran zweifeln? „Euer Herz, sagt der Sohn Gottes (Joh. 14), erschrecke nicht! Glaubt ihr an Gott, so glaubt ihr auch an mich. In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, so wollte ich zu euch sagen: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten. Und ob ich hinginge, euch die Stätte zu bereiten, will ich doch wieder kommen und euch zu mir nehmen, auf dass ihr seid, wo Ich bin.

Ich gebe meinen Schafen das ewige Leben (Joh. 10). Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben, und kommt nicht in das Gericht, sondern ist vom Tod zum Leben hindurchgedrungen (Joh. 6). Denn wo Ich bin, da sollen meine Diener auch sein, und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren (Joh. 12). Vater, ich will, dass, wo Ich bin, auch die bei mir seien, die Du mir gegeben hast, dass sie meine Herrlichkeit sehen, die Du mir gegeben hast (Joh. 17).“

„Was mag aber dies für eine Herrlichkeit sein? Wahrlich, spricht er zu dem sterbenden Schächer am Kreuz, Ich sage dir: heute wirst du mit mir im Paradies sein!“ (Luk. 23, 43).

Da hören wir doch nicht eines bloßen Menschen Rede, sondern Gottes Wort, Gottes Verheißung und Gottes Zeugnis vom ewigen Leben. Wer wollte diesem göttlichen Zeugnis nicht trauen? Es schreiben auch wohl die Heiden, sonderlich ihre Dichter, gar schön von den Elysäischen Feldern, von den Inseln der Seligen, von Walhalla und Wingolf, d. i. von einer neuen Welt und schönem lustigen Ort, da die Seelen der redlichen und tugendsamen Menschen nach ihrem Absterben von dieser Welt hinfahren sollen. Aber wer will ihren Fabeln trauen? Menschen-Träume sind’s, liebliche, ahnungsvolle Gedichte, darauf sich doch Niemand kann gewiss verlassen. Uns aber predigt und verkündigt von diesem edlen hohen Geheimnis der große Amens-Gott, JEsus Christus, welcher ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, und in welches Mund kein Betrug ist erfunden. „Der HErr hats beschlossen, sagt die Schrift (Jes. 14), wer wills ändern? Des HErrn Wort ist wahrhaftig, und was Er zusagt, das hält Er gewiss (Ps. 33). Ihr sollt inne werden, spricht Gott selbst (Hesek. 12,24,25), dass keine Weissagung lügen wird. Denn Ich bin der Herr, was Ich rede, das soll geschehen.“

Ja was tun alle Werke der großen Liebe Gottes, denn dass sie uns vom ewigen Leben predigen? Denn wozu sind wir erschaffen? Wozu hat uns Christus vom Tod, Teufel und der Hölle erlöst? Wozu werden wir vom heiligen Geist durch das Wort und die heiligen Sakramente wiedergeboren? Es ist fürwahr der allerheiligsten Dreifaltigkeit vornehmlich nicht zu tun, noch zu tun gewesen um die kurze Zeit unseres vergänglichen Lebens in dieser Welt. So sind wir auch nicht zu diesem zeitlichen Leben getauft und kommen nicht zur Kirche, zum Abendmahl, noch Gottes Wort anzuhören darum, dass wir lernen, wie man ackern, säen, bauen, pflanzen, hantieren, Kaufmannschaft treiben und dieser Welt gebrauchen soll. Denn solches können auch die Unchristen, Juden, Türken und Heiden wohl, und bedarf man hierzu keiner Sakramente, keines Evangelii, und keiner Absolution. Alles aber ist dem lieben Gott zu tun um unsere himmlische Seligkeit und um das ewige Leben. Zum ewigen Leben sind wir erschaffen, zum ewigen Leben sind wir erlöst, zum ewigen Leben wiedergeboren, zum ewigen Leben getauft, und zum ewigen Leben durchs Evangelium berufen. Was ist auch das Ende unseres Glaubens und unserer seligen Hoffnung, wenn nicht das ewige Leben? Und worauf stirbt ein Christ in dem HErrn, denn dass er ruhe und fahre aus dieser Welt in das ewige Leben?

Ei meine Seele, was kränkst du dich und schleppst dich denn mit solcher Schwermut und sorglichen Gedanken? Ist es wahr, dass alle die vornehmsten Werke Gottes: die Schöpfung, die Erlösung und die Heiligung, danach auch Gottes Wort, Taufe, Absolution, Abendmahl, dazu unser Glaube, unsere Hoffnung und der Christen letzte Hinfahrt aus diesem Jammertal dem Artikel vom ewigen Leben starkes Zeugnis geben und eigentlich alle nach dem ewigen Leben hingemeint und hingerichtet sind: warum sollten wir denn nicht von Herzen fröhlich sein? Warum sollten wir Christen in unserem Elend vor Angst und Ungeduld uns das Haar ausraufen, uns zu Tod grämen und kümmern und traurig sein gleich den Heiden, die keine Hoffnung haben?

Was wollen auch die prächtigen und trostreichen Namen, damit das ewige Leben hin und wieder in der Schrift gekrönt wird? Warum heißts ein Paradies? warum nennt es der Herr Christus eine Hochzeit? Aus welcher Ursache bekommts so viele liebliche Namen, dass es heißt: Gottes Reich, des ewigen Vaters Haus, die ewigen Hütten, der heilige Berg des Herrn, ein Strom der Wollust, die lebendige Quelle, der heilige Tempel, Freude die Fülle, eine eheliche ewige Verknüpfung mit Gott, eine Freude des Herrn, ein unvergänglich, unbefleckt und unverwelklich Erbe, ein Erbteil der Heiligen im Licht, eine große und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit, ein liebliches Wesen, das himmlische Vaterland, das Land der Lebendigen, die heilige Stadt des lebendigen Gottes, das neue Jerusalem?

Wozu dienen uns diese Worte, und warum erhebt der heilige Geist das ewige Leben mit so vielen trostreichen Namen, denn dass wir mitten in unserem Glauben und mitten in unserer Hoffnung zu herzlicher Freude aufgemuntert und vermahnt werden? Was ist lustiger als ein Paradies und Lustgarten? Was lieben junge Leute, Jünglinge wie Jungfrauen, mehr als hochzeitliche Freude, Brautliebe und eheliche Verbindung? Was ist prächtiger als großer Herren Zusammenkunft und ihre majestätische Herrlichkeit? Was macht die Kinder reicher als groß Erbteil und große Güter? Was ist ansehnlicher als eine mächtige, wohlgebaute Stadt? Was ist in der ganzen Welt berühmter als Jerusalem? Was lautet stattlicher als ein weites Königreich? Was ist anmutiger als ein Vaterland? Wer sieht nicht gern lustige Maihütten und fruchtbare schöne Berge? Was ist lieblicher als Wollust? Was erquickt und labt durstige Seelen auf Erden besser denn ein süßer und lieblicher Trunk? Was scheint herrlicher als ein hoher schöngebauter Tempel? Und was ist angenehmer, denn herzliche Freude, eine wichtige Herrlichkeit und ein liebliches Wesen?

Ich sehe die große Eitelkeit unter der Sonne, wie die Welt dem vergänglichen Gut, der Pracht, Ehre, Herrlichkeit und Wollust dieses kurzen Lebens nachtrachtet. Könige, Fürsten und große Herren bauen stattliche Paläste, haben ihr Wohlgefallen an schönen Gärten und pflanzen allerlei fruchtbare Bäume darein. Junge Leute gehen mit Liebe um, und ihre Begierde steht nach ehelichem Leben. Andere haben Lust die Welt zu besehen, dass sie wissen von weitberühmten und ferngelegenen Landen, von der Schweiz, Italien, Frankreich, England, Amerika usw. zu reden und zu schreiben. Ich sehe, wo ein großer Reichtum zu erben ist, wie die nächsten Freunde aufs genaueste darum zanken und hadern. Ich sehe, wie irdische Könige und Potentaten um große Herrschaften, Städte und Flecken, Land und Leute sich feindlich reißen und blutige Kriege führen. So sehen wir auch, dass unter dem gemeinen Mann des Dichtens und Trachtens nach zeitlichem Wohlleben, nach Reichtum, wie auch nach höherem Stand und Ansehen, kein Maß noch Ende zu finden ist.

Hier wache auf meine Seele, und bedenke mit Freuden, warum nun die Schrift von den Gütern, Pracht, Herrlichkeit, Ehre und Wollust dieser Welt so viel Worte und Namen entlehnt1) und legt sie dem ewigen Leben zu. O liebe Seele, es ist der heiligen Schrift darum zu tun, dass sie unser Herz und Gedanken damit zu dem ewigen, himmlischen und unvergänglichen Gut hinlocke und hinwende. Ja sie lehrt uns damit, dass keine Hochzeit, keine Brautliebe noch eheliche Verbindung in dieser Welt so lieblich, so herrlich und so angenehm sei, wie das ewige Leben im Himmel ist. Sie lehrt, dass kein fürstlicher noch königlicher Lustgarten mit aller seiner Herrlichkeit dem allerlustigsten Paradies Gottes zu vergleichen. Auch lehrt sie, dass das ewige Leben ein solcher Schatz, ein solch Reich, eine solche Stadt, ein solch Vaterland, solche Freude, solche Glorie, solche Wollust und ein solches Gut sei, welches die Flügel hoch schwingt und sich sehr hoch erhebt über alle vergänglichen Schätze, über alle Königreiche, über alle Länder, über alle schönen Städte, über alle Pracht, Reichtum, Freude und Herrlichkeit dieser Welt.

Darum, o wohl dem seligen Volk, das jauchzen kann! O wohl den Kindern des Lichts, die dies wunderfröhliche Geheimnis mit herzlicher Freude betrachten! O lobe den HErrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! Lobe den HErrn, meine Seele, und vergiss nicht, was Er Dir Gutes getan hat! (Ps. 103). Denn wer wollte sich dieses edlen hohen Gutes nicht erfreuen und mit allem Fleiß nicht gern danach ringen? Wer wollte nicht gern in dem wunderschönen Vaterland des ewigen Lebens sein? Was machen wir länger auf der Welt? sollten wir billig mit Monika, der Mutter St. Augustins, von Herzen schreien, und warum fliegen wir nicht gen Himmel? warum verlassen wir nicht Alles, was wir haben und folgen Christo nach, dass wir dies heilsame Gut hier im Glauben und hernach im Schauen besitzen? Sollten wir doch, die wir an Christum glauben, aus großer Freude stets in vollen Sprüngen gehen, und mit unseren Gedanken nirgends anders denn im Himmel sein.

Ein freudenreicher Anblick. Die große Herrlichkeit des ewigen Lebens.

Was ist aber das ewige Leben, dass ich mich dessen so hoch erfreuen und so sehr danach trachten soll? Ich rede mit meinem Herzen, sagt David (Ps. 77.), und mein Geist muss forschen. Was hats für eine Bewandtnis mit dieser Freude, Lust und Herrlichkeit?

O liebe Seele, es ist ein Leben der inbrünstigen reinen Liebe, ein recht hochzeitlich Leben in lebendiger, süßer Himmelslust, und ein Leben der unauflöslichen Gemeinschaft, welche die Auserwählten mit Gott dem Vater, mit Gott dem Sohn, und mit Gott dem heiligen Geist in Ewigkeit haben, voll alles Trostes, voll aller Freuden und voll aller Herrlichkeit; dazu ein Leben in eitel heilige Liebe gefasst, mit heiliger Liebe verbunden und auf heilige starke Liebe gegründet, also dass die ganze heilige Dreifaltigkeit, der wahre Gott, alle auserwählten Engel und Menschen mit seiner unaussprechlichen Liebe wie mit einer feurigen Mauer stark umringt, beschließt und umfängt, und lässt sie in ihm wie in einem wunderschönen Tempel wunderlieblich ruhen und frohlocken. Und gleich wie er sie liebt, also wird er von ihnen mit vollkommener Gegenliebe so herzlich wieder geliebt, dass er durch dies Band und Mittel der inbrünstigen Liebe und Gegenliebe sehr lieblich in ihnen als in seinen edlen Lusthäusern und Palästen mit seiner großen Güte, Kraft, Freude, Herrlichkeit, Weisheit und Gerechtigkeit residiert, wohnt und ruht, und macht sie teilhaftig seiner göttlichen Natur. Daher sie denn alle miteinander durch solche Einwohnung des lebendigen Gottes sind wunderschön, wunderstark und nach gegebenem Maß vollkommen weise, vollkommen gerecht, vollkommen heilig, freundlich, fröhlich und aller Tugenden voll; lieben Gott ihren Herrn von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von allen Kräften, und danach einer den Anderen als sich selbst. Halten sich vermittelst solcher Liebe und Einigkeit zusammen wie Glieder Eines Leibes, mit dem heiligen Geist als mit Gottes Atem durch und durch lieblich erfüllt, sind alle eins in Gott und Gott eins mit ihnen und sie alle mit einander, Gott, Engel und Menschen wie Ein Leib und Ein Geist, voll aller himmlischer Freuden, voll himmlischer Wollust und voll ewigwährender Herrlichkeit.

Siehe, du liebe Seele, eine solche Bewandtnis hat es mit dem ewigen Leben. So ists ein Paradies, so ein Freudensaal, so eine Stadt Gottes, so ein Land der Lebendigen und eine solche Hochzeit, da Gott mit seinen heiligen Engeln, Patriarchen, Propheten, Aposteln und allen Auserwählten, welche von diesem Jammertal dahin gefahren sind, lebt, herrscht und regiert in eitel inbrünstiger Liebe, in Liebes-Kraft, Liebes-Freude, Liebes-Herrlichkeit und Liebes-Klarheit. Es brennt, leuchtet und wettert daselbst allenthalben von heiliger feuriger Liebe, und in heiliger, reiner, feuriger Liebe sind sie alle, nämlich die Engel und Menschen mit Gott und in Gott wie Ein Kuchen, dass sie nichts tun, nichts reden, auch nichts gedenken, es fließt alles aus reiner inbrünstiger Liebe. Ihre herzliche Freude unter einander ist eine Freude und Frohlockung der Liebe. Ihre Einigkeit und Verknüpfung ist ein Bund der Liebe. Ihr Licht und Klarheit ist ein Glanz und Schein der Liebe. Ihre Psalmen und Freudenlieder sind fröhliche Verkündigung und Ausbreitung der heiligen Liebe. Ihr ewiges Gespräch ist ein ewiger Ruhm der ewigen Liebe. Ihr Schmuck, Gewalt und Ehre ist eine prächtige Herrlichkeit der Liebe und ihre holdselige Gemeinschaft ist eitel Trost, eitel Erquickung, eitel Lieblichkeit, und eine reine, heilige Lust der reinen heiligen Liebe. So gar hat da die Liebe Alles eingenommen, Alles besessen und Alles stark in Eins geknüpft, dass es kein Tod noch Hölle, keine Gewalt noch Macht, weder Hohes noch Tiefes, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges kann trennen noch von einander reißen.

In dies wunderschöne Königreich ist kommen der bekehrte Schächer am Kreuz, welchem der Sohn Gottes die trostreiche Verheißung zurief: Wahrlich, Ich sage Dir, heut wirst Du mit mir im Paradies sein! (Luk. 23,43). Dahin ist kommen der arme gottselige Lazarus, als er nach Überwindung des Todes im Glauben von den heiligen Engeln in Abrahams Schoß mit Freuden getragen ward (Luk. 16,22). Dahin kam der heilige Stephanus, als er den Himmel offen sah und seine Seele dem Herrn JEsu am letzten Ende zu Gnaden befahl (Apostg. 7). Auch sind dorthin zu allen Himmelreichs-Bürgern versammelt worden unsere in Gott verstorbenen seligen Freunde, Vater, Mutter, Mann, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, Verwandte und Bekannte, und ruhen fröhlich in Gott, der sie mit allen heiligen Engeln wunderlieblich anlacht, tröstet und erquickt, dass sie dieser Welt auch nicht einen Augenblick wieder begehren. O des alleredelsten Lebens, welches sie daselbst leben, ohne Tod und Anfechtung, dass es mit allen Ehren recht heißen mag: das ewige Leben!

Aber, sprichst du, woher kommt uns diese Beschreibung und was hat sie für Grund und Zeugnis? Sagt nicht die Schrift, es habe es kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und sei in keines Menschen Herz gekommen: wie darfst du denn so kühnlich davon reden?

Antwort: Es ist wahr, Sankt Paulus zieht an den Spruch aus dem Propheten Jesaias (K. 64) und schreibt (1 Kor. 2), dass kein Auge gesehen und kein Ohr gehört habe, auch in keines Menschen Herz kommen sei, was Gott bereitet hat denen die ihn lieben. Aber doch seht er diese Werte hinzu: „Uns aber hat es Gott geoffenbart durch seinen Geist. Denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit. Denn welcher Mensch weiß, was im Menschen ist, ohne der Geist des Menschen, der in ihm ist? Also auch Niemand weiß, was in Gott ist, ohne der Geist Gottes. Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott gegeben ist. Welches wir auch reden nicht mit Worten, welche menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der heilige Geist lehrt.“

Mit diesem Zusatz gibt der Apostel genug zu verstehen: ob schon das ewige Leben sich nicht lässt auf dieser Welt mit menschlichen Sinnen und natürlicher Spitzfindigkeit erforschen noch ergründen, so sei es der Christenheit dennoch nicht unverborgen, sondern durch den heiligen Geist offenbart und so reichlich entdeckt, dass man aus solcher Offenbarung, in prophetischer und apostolischer Schrift verfasst, wohl vernehmen und erfahren kann, wie reichlich wir von Gott begnadigt sind und was er für ein seliges Gut bereitet hat denen die ihn lieben. An diesem geoffenbarten göttlichen Wort mangelts uns nicht, das haben wir genug, und wer da will, kann es lesen, anhören und erwägen. An uns selbst aber mangelts, dass es unser Fleisch und Blut, der natürliche Mensch, nicht kann begreifen, sondern ist irdisch gesinnt und trägt zu dem Wort des Lebens schläfrige Augen, taube Ohren und ein kaltes träges Herz, das dem Reich Gottes nicht nachtrachtet. Das Licht, sagt die Schrift (Joh. 1,5; 3,19), scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen. Denn die Menschen liebten die Finsternis mehr denn das Licht.

Darum mögen wir wohl unsere große Blindheit, Finsternis und unser träges Herz beweinen, dass wir gleich als über Tisch sitzen und verschlafen die königliche Mahlzeit und das herrliche Essen. Wir haben die Beschreibung des ewigen Lebens dicht vor uns in Gottes Wort, und sehen den Wald vor Bäumen nicht. Wir achten wenig darauf, lassen unsere Gedanken anders wohin flattern und bilden uns danach ein, es sei der Christenheit auf Erden schlechterdings verborgen. Nicht also, meine Seele, da wache auf, die du schläfst, und merke auf das Wort, so wird dich Christus erleuchten! Wenn du fändest köstliche Perlen auf einem Acker, würdest du nicht hingehen mit Freuden und verkaufen alles was du hast, und bringen den Acker an dich, dass du dem heimlichen Schatz möchtest nachgraben? Ists nicht also: was man liebt, dem denkt man nach, und wo man hofft ein Gut zu finden, da wirds gesucht? Nun ist ja die heilige Schrift ein himmlischer Acker, mit Gottes Wort besamt, darunter der Schatz des ewigen Lebens verborgen liegt - warum suchen und forschen wir denn nicht darin? was sind wir so träg, so kalt und so verdrossen? Sucht, spricht der Sohn Gottes (Joh. 5), „sucht in der Schrift! Denn ihr meint (und das mit Recht), ihr habt das ewige Leben darin“. Werden wir diesem Rat folgen und fleißig auf die Schrift achten, als auf ein Licht, das da scheint am dunklen Ort, so wird der Tag lieblich anbrechen und der Artikel vom ewigen Leben wie der Morgenstern sehr hell und sehr tröstlich in unserem Herzen aufgehen.

Was sagt nun die Schrift vom ewigen Leben? was offenbart sie von seiner großen Herrlichkeit? O liebe Seele, es werden herrliche Dinge darin gepredigt von der Stadt Gottes, wie sie auf den heiligen Bergen gegründet sei, und wie sie der Herr über alle Wohnung liebe. Sie heißt die Auserwählten: Himmelsbürger, fröhliche Hochzeitsleute, Gottes Kinder, Gottes Braut, Gottes Freunde, des heiligen Geistes Tempel und Wohnung, vollkommen in der Liebe und vollkommen eins mit Gott durch eitel inbrünstige Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. Sie predigt herrliche Dinge von eitel reiner Liebe, Liebes-Freude, Liebes-Herrlichkeit. Gott ist die Liebe, sagt sie (1 Joh. 4,16), und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeigt, dass wir Gottes Kinder sollen heißen. Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder, und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden; wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, dass wir Ihm gleich sein werden. (1 Joh. 3,2). Die Weissagungen werden aufhören und die Sprachen werden aufhören, wie auch der Glaube und die Hoffnung - aber die Liebe wird nimmermehr aufhören (1 Kor. 13). Willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote: du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten als dich selbst (Matth. 22). Wer Gott liebt, derselbige ist von ihm erkannt (1 Kor. 8,3). Es wird weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo JEsu ist, unserem Herrn (Röm. 8). „Vater, spricht Christus, ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die Du mir gegeben hast, dass sie eins seien, gleich wie wir eins sind; ich in ihnen und Du in mir, auf dass sie vollkommen seien in Eins und die Welt erkenne, dass Du mich gesandt hast und liebst sie, gleich wie Du mich liebst. Vater, ich will, dass wo ich bin, auch die bei mir seien, die Du mir gegeben hast, dass sie meine Herrlichkeit sehen, die Du mir gegeben hast. Denn Du hast mich geliebt, ehe denn die Welt gegründet ward. Ich habe ihnen deinen Namen kund getan und will ihnen kund tun, auf dass die Liebe, damit Du mich liebst, sei in ihnen und ich in ihnen“ (Joh. 17).

Heißt aber das nicht von eitel himmlischer Liebe predigen. und alles unter die Liebe begreifen, also dass das ewige Leben fürwahr nichts ist denn ein Leben der fröhlichen, inbrünstigen Liebe zwischen Gott und seinen auserwählten Kindern? Was fordert nun das Gesetz im Grunde Anderes als ein solch Leben der vollkommenen Liebe? Und wo wird es mächtiger und prächtiger erfüllt als im dritten Himmel? Wozu hat uns auch Christus vom Teufel, vom Tod und aus der Hölle erlöst, und den feurigen Zorn seines Vaters mit seinem Blut gestillt, denn dass wir mit Gott wiederum in herzlicher Liebe stehen und in ewiger Liebe ewiglich mit ihm leben möchten? Was ist süßer, was ist edler, was ist lieblicher und gebiert mehr Freude denn die Liebe? Was ist auch stärker als die Liebe? Und was knüpft Gott, Engel und Menschen näher und fester zusammen, als die vollkommene Liebe? Die Liebe, spricht Salomo (Hohel. 8, 6), ist stark wie der Tod, und ihre Glut feurig und eine Flamme des Herrn.

Von solcher feurigen Glut und Flamme der reinen vollkommenen Liebe brennt und leuchtet nun der Himmel droben mit allen seinen Einwohnern. Der Herr Christus nennt es mit wenigen Worten eine Erkenntnis Gottes. „Das ist, sagt. er, das ewige Leben, dass sie Dich, dass Du allein wahrer Gott bist, und den Du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen“ (Joh. 17). Solches ist wohl zu merken und fest zu behalten. Denn wo in der Schrift wahre Liebe, z. B. eheliche Liebe und andere Freundes-Liebe samt ihrer Freude, Lust und lieblichen Werken beschrieben wird, da gebraucht sie das Wort: erkennen. Adam, sagt sie, erkannte sein Weib Heva. Hier weiß man wohl, was die Schrift meint und wie sie die eheliche Liebe um der Zucht willen mit dem Wörtlein „erkennen“ andeutet. Desgleichen spricht Gott zum Volk Israel: Aus allen Geschlechtern auf Erden habe ich allein euch erkannt (Amos 3). Ferner sagt der Herr Jesus: „Ich erkenne die Meinen und bin bekannt den Meinen. Wie mich mein Vater kennt und ich kenne den Vater“ (Joh. 10). Diese und andere ähnliche Sprüche reden. von eitel lieblicher Erkenntnis und zeugen von Gottes inbrünstiger Liebe gegen uns, die er in der Tat und in der Wahrheit beweist. Und besteht also auch das ewige Leben in wahrer Erkenntnis Gottes und seines eingeborenen Sohnes, das ist in himmlischer, reiner Liebe und im lieblichen Genuss der wundersüßen Liebe Gottes, dass man schmecke die reichen Güter seines Hauses und dass der Mensch lebe in ewiger Liebe mit ihm verbunden, dazu teilhaftig der göttlichen Natur und eine Wohnung Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.

Etlichermaßen wird uns dies himmlische Leben auch in einer wohlgeratenen Ehe und schönen Haushaltung vorgebildet. Denn wo in einem Hause zwischen Mann, Weib, Kindern, Brüdern, Schwestern und ganzem Hausgesinde alle gebührliche Liebe in rechter Ordnung waltet und herrscht, dass sie sich unter einander von Herzen lieb und wert haben, da ist ihre Liebe ein Vorbild des himmlischen Lebens und wird mit Recht gesagt: hier sei der halbe Himmel und Gott wohne mit seinen lieben Engeln in einem solchen Haus. Desgleichen wo Bräutigam und Braut mit herzlicher Liebe sich lieben, da ist ihr Leben auch wie ein Paradies-Leben und können sie lange Zeit damit hinbringen, dass sie derselben nicht gewahr werden, wie die Schrift von Jakob, dem Erz-Patriarchen bezeugt, dass er um seine Braut Rahel sieben Jahre gedient und ihn gedäucht habe2) als wären es einzelne Tage gewesen, wegen der großen Liebe, die er zu ihr trug (1 Mos. 29).

Was ist aber solche Liebe, Lust und Freude gegen die vollkommene Liebe, Freude und Herrlichkeit des ewigen Lebens, da alles leuchtet und brennt von unaussprechlicher himmlischer Liebe? Haben Jakob und Rahel in keuscher Liebe so ein Leben geführt, dass ihnen sieben Jahre nur wie sieben Tage erschienen - was muss denn das ewige Leben im Himmel für ein Leben der süßen inbrünstigen Liebe sein, da alle auserwählten Engel und Menschen Gott, ihren Herrn und Heiland, so herzlich lieben, werden auch von ihm wiederum mit so großer Liebe umfangen, und sind daneben einer gegen den Anderen in wahrer Liebe so lieblich angezündet und entbrannt, dass über diesem süßen Leben, über dieser Freude und Lust der himmlischen Liebe ihnen tausend Jahre scheinen kaum ein einziger Tag zu sein? Denn auf dies Geheimnis der himmlischen Freude sieht St. Petrus, da er schreibt (2 Petri 3,8): „Eins sei euch unverhalten, ihr Lieben, dass ein Tag vor dem Herrn ist wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag.“

Ein lehrreicher Anblick. Die sechs Eigenschaften des ewigen Lebens.

Wen sollte nun nach einem solchen Leben nicht herzlich verlangen? wen sollte nicht gelüsten, mehr davon zu hören? Die Pforte zu diesem Geheimnis ist nun geöffnet - wer wollte ihm nicht weiter nachdenken? Ich will zur besseren Erklärung des edlen trostreichen Artikels mit Freuden fortfahren und sechs Eigenschaften anzeigen, welche der heilige Geist dem ewigen Leben. zuschreibt. Die erste heißt: Liebe und Gegenliebe zwischen Gott und seinen Auserwählten. Die andere ist die Ehre und Herrlichkeit solcher Liebe. Die dritte: Gottes liebliche Einwohnung in seinen Auserwählten. Die vierte heißt: Gott Alles in Allem. Die fünfte zeigt sich in der Liebe des Nächsten. Die sechste besteht in der vollkommenen Einigkeit und Verknüpfung durch das Band der Liebe.

I. Liebe und Gegenliebe zwischen Gott und seinen Auserwählten.

Liebe und Gegenliebe in Gott und seinen Auserwählten ist die erste Eigenschaft, das erste Gut des ewigen Lebens. O der edlen Freude, des edlen Trostes, der edlen Erquickung, da Gott und Menschen in heiliger süßer Liebe ewiglich zusammenleben! Denn Gott hat die Leute überschwänglich lieb und ist ein Gott der Liebe, ja die heilige Liebe selbst. Und weil er die Menschen so herzlich liebt, will er auch von ihnen herzlich wieder geliebt sein, und macht die Gegenliebe zum Haupt aller Gebote, auf dass sein Bund, mit uns aufgerichtet und im Gesetz offenbart, in gar nichts Anderem bestehe, denn in Liebe und Gegenliebe. Nun ist kein Zweifel, dass solcher Bund der Liebe, davon das Gesetz handelt, nirgends so vollkommen, fest und unauflöslich gehalten werde, als im ewigen Leben. Denn daselbst, wie St. Paulus sagt, hört die Hoffnung samt dem Glauben auf, aber die Liebe hört nimmer auf, sondern ist so stark und mächtig, dass keine Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges sie aufheben, noch zerstören kann.

Darum, wenn du wissen willst, was Gott und alle Heiligen im Himmel machen: so kann ich sicher antworten und mit Wahrheit sagen, dass sie eine ewige freudenreiche Hochzeit halten und leben in eitel vollkommener Liebe. Gott liebt die Engel und Menschen, und die seligen Engel und Menschen lieben ihren Gott wieder, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt.

Es ist aber ein großes Geheimnis um diese Liebe, damit Gott von seinen Auserwählten in jener Welt geliebt wird. Denn was die selig Vollendeten daselbst denken und reden, das schmeckt, wie Augustinus sagt, nach himmlischer Liebe und riecht nach himmlischer Liebe, so ganz hat sie Gottes Liebe eingenommen und besessen. Gott liebt sie, und mit seiner Liebe zündet er in ihnen an eine Gegenliebe, die sie ganz zu ihm wendet. Er lebt, auf dass er geliebt werde; Er begehrt für seine Liebe nichts Anderes, denn dass man ihn wieder liebe, damit sie alle miteinander, Gott, Engel und Menschen, in Liebe fröhlich und in Liebe herrlich seien. Darum gehen auch die seligen Engel und Menschen mit keinen anderen Gedanken und Neigungen um, sondern warten allein der Liebe, dass sie ihren Gott lieben und seiner Liebe mit ihrer Liebe entgegen kommen.

Daselbst ergießt sich die auserwählte Seele und quillt wie ein fließender Brunnen von ewiger Liebe zu Gott. Ist nun solche Seele schon eine Quelle und Springborn der ewigen Liebe zu Gott, was meinst du wohl, dass denn Gott dagegen sein muss für ein unausschöpflicher Brunnen und ewigwährende Quelle der allermächtigsten und ewigwährenden Liebe gegen die edle Seele, seine traute Liebhaberin und auserwählte Braut? Wahrlich, da schwimmt, fährt und fließt die Seele in eitel reiner Liebe und fühlt eitel himmlische Wollust. Ja aus herzlicher, inbrünstiger Liebe redet sie von diesem hohen Geheimnis der Liebe mit ihrem Gott, und mitten in solchem Gespräch schmeckt sie die Süßigkeit seiner Liebe, und aus diesem Geschmack der Süßigkeit Gottes wächst sie und nimmt immer zu in der Liebe, also dass sie nichts Lieberes wünscht und an nichts Lieberes denkt als an ihren lieben Gott.

Sieht man doch unter den Menschen auf Erden, wo beständige Freundschaft ist und zwei Personen sich herzlich lieben, wie ihre Liebe und Gegenliebe als ein Feuer brennt und die Gemüter verbindet, als würden sie mit einer feurigen Glut in einander gelötet. Denn sie sind fürs Erste gleich gesinnt. Danach kennt Einer den Anderen. Fürs Dritte haben sie einerlei Willen. Zum vierten traut Einer dem Anderen. Zum fünften sehen sie sich herzlich gern. Zum sechsten halten sie unter einander freundlich Gespräch. Und endlich zum siebenten können sie nicht ruhen, sie seien denn stets bei einander.

1. In Gott und seinen seligen Kindern ist Gleichheit der Gesinnung.

Wie herrlich meinst Du wohl, dass es nun in jener Welt zugehe, im ewigen Leben der ewigen vollkommenen Liebe und Gegenliebe zwischen Gott und seinen Auserwählten? wie muss da sein vor Allem eine edle Gleichheit der Gesinnung, dass die Seele nicht anders ist gesinnt, denn wie sie sieht, dass Gott nach seinem Wesen ist beschaffen und gesinnt. Denn sie trägt da vollkommen das Ebenbild Gottes, wie St. Johannes schreibt: Wir wissen, dass wir Ihm gleich sein werden. Was ist aber Gottes Bild und was hat er für ein Wesen, dass die Kinder des Lichts solchem Bild und solchem Wesen gleich sein können? Hierauf antwortet derselbe Apostel und erklärt: Gott sei die Liebe selbst, und wer in der Liebe bleibt, der bleibe in Gott und Gott in ihm.

„Was soll man viel davon sagen, schreibt Doktor Luther über diese Worte, wenn man spricht, die Liebe sei eine edle, hohe Gabe der Seele und die allerköstlichste und vollkommenste Tugend, wie die Weltweisen und Werklehrer davon reden, das ist noch alles nichts gegen dieses, dass er mit vollem Mund herausschüttet und spricht: Gott ist die Liebe und sein Wesen ist lauter Liebe, dass wenn Jemand wollte Gott malen und recht treffen, so müsste er ein solch Bild treffen, das eitel Liebe wäre, als sei die göttliche Natur nichts, denn ein Feuerofen und Brunst solcher Liebe, die Himmel und Erde füllt. Und wiederum, wenn man könnte die Liebe malen und bilden, so müsste man ein solch Bild machen, das nicht menschlich, nicht engelisch noch himmlisch, sondern Gott selbst wäre. Siehe, also kann der Apostel hier malen, dass er aus Gott und der Liebe Ein Ding macht, auf dass er uns durch solch edel, köstlich und lieblich Bild desto mehr an sich locke und ziche, danach zu trachten, dass wir auch unter einander Liebe haben und uns hüten vor Neid, Hass und Zwietracht. Denn die Liebe ist ein Bild Gottes und nicht ein totes Bild, noch auf Papier gemalt, sondern ein lebendig Wesen, in göttlicher Natur.“

Es zeigt auch die Betrachtung der heiligen Dreifaltigkeit, dass Gott nichts als Liebe und die Liebe selber sein muss. Denn Lieber, wo kommen diese Werke, als: gebären, geboren werden, und lieblich im Schoß sitzen, ursprünglich anders her, denn von eitel großer Liebe und aus einem solchen Gut, das da quellt von Güte und wird durch die Geburt mitgeteilt, dass es gemein sei? Gebiert der Vater, so muss er es aus ewiger Liebe tun; ist der Sohn ewig geboren, und bleibt doch gleichwohl in des Vaters Schoß, so muss er auch die ewige Liebe sein mit dem Vater. Und haben sie beide, der Vater und der Sohn, einen Geist, den sie zugleich von Ewigkeit her aushauchen, so muss ebenso dieser Geist mit dem Vater und mit dem Sohn die ewige Liebe sein. Sonderlich aber müssen sie alle drei, der Vater, der Sohn und der heilige Geist die wesentliche Liebe selbst sein, dieweil der Sohn durch seine Geburt und der heilige Geist durch seinen Ausgang nicht ein eignes, abgesondertes Wesen bekommen, sondern sind und bleiben Eines Wesens mit dem Vater und mit dem Sohn.

Also ist die heilige Dreifaltigkeit nichts denn eitel Liebe, und alle innerlichen Werke der heiligen Dreifaltigkeit, als: ewig gebären, ewig geboren werden und ewig im Schoß sitzen, ewig ausgehen. sind Werke der innerlichen ewigen Liebe, und diese Liebe ist nicht irgend eine Gabe noch erschaffene Tugend, sondern ist ein Wesen, das Gott genannt wird.

Danach bezeugen es auch die äußerlichen Werke der heiligen Dreifaltigkeit: das Werk der Schöpfung, das Werk der Erlösung, und das Werk der Heiligung, dass Gott die Liebe selbst sein muss. Denn siehe was die heilige Dreifaltigkeit tut, dass wir ewig leben mögen. Aus großer Liebe hat Gott der Vater Engel und Menschen zum ewigen Leben erschaffen. Und da der Mensch gefallen war, ist Gottes Sohn aus großer Liebe Mensch worden und gestorben, und hat uns damit vom Tod zum ewigen Leben erlöst. Desgleichen heiligt, sammelt und erleuchtet uns der heilige Geist, aus herzlicher inbrünstiger Liebe, zum ewigen Leben. Und lässt die ganze heilige Dreifaltigkeit unser Heil und Seligkeit sich so hoch angelegen sein, dass einer wohl aus Verwunderung noch mit Mose rufen mag: Wie hat Er doch die Leute so lieb! (5 Mos. 33,3) und mit St. Augustin: Wie ist doch Gott so begierig nach unserer Seligkeit! Was sind aber alle diese Werke, denn starke Zeugnisse, dass Gott die Liebe selbst ist? Ist nun Gott die Liebe selbst, und sind die seligen Menschen im Himmel diesem Bild und Wesen Gottes gleich, so folgt, dass sie auch voll sein müssen von heiliger, reiner Liebe, und gleich wie sie von Gott herzlich geliebt werden, dass sie ihn also wieder lieben von ganzem Herzen.

Ich verwundere mich aber und mit Verwunderung denke ich ihm nach, was doch das für eine Glut der Liebe sein muss, damit Gott seine auserwählten Kinder im Himmel umfähet? Ich rede abermals mit meinem Herzen und mein Geist, wie David sagt, muss forschen. Was ists doch für eine Liebe? O meine Seele: es ist fürwahr keine irdische Liebe, und nicht wie eine vergängliche Brautliebe, Vaterliebe, Mutterliebe, Bruderliebe, auch nicht wie eine Liebe der Engel, sondern ist eine unaussprechliche, unausforschliche, überväterliche, übermütterliche, übermenschliche, überengelische und übernatürliche himmlische Liebe, viel hunderttausend und aber tausendmal tausend lieblicher, süßer, herzlicher und anmutiger, denn alle zeitliche und irdische Liebe sein kann.

Höre, liebe Seele, wenn allerlei Freundschaft und Liebes-Art, in der anderen Tafel des Gesetzes geboten, zusammenkämen, und du so einen großen Freund und Liebhaber auf Erden hättest, der zugleich wie ein Vater, wie eine Mutter, wie ein Bruder, Schwester, Braut und Bräutigam, ja wie ein Engel dich lieben könnte und solche Liebe durch die Tat beweisen: - so würde doch alle solche Liebes-Art, in Eine Liebe zusammengebracht, kaum wie ein Fünklein, ja nichts gelten gegen die große Liebe Gottes, damit er seine Kinder im Himmel liebt. Und wenn alle menschliche und alle engelische Liebe im Himmel und auf Erden zu Einer Liebe gegen einen Menschen erwüchse, so könnte solche gemengte Liebe noch die geringste Kraft, Lieblichkeit, Tugend und Herrlichkeit nicht geben, als von der großen Freundlichkeit und Leutseligkeit unseres Gottes herrührt, damit er in jenem Leben seine himmlischen Hausgenossen lieblich und tröstlich erquickt, dass sie davon ewig stark, ewig jung, ewig beherzt, ewig gesund sind und freuen sich darüber mit unaussprechlicher Freude in alle Ewigkeit.

Oder seligen Freude, die aus solcher Leutseligkeit Gottes herfließt und hat die seligen Kinder des Lichts durch und durch in Besitz genommen! wie zündet diese Liebe Gottes die Herzen seiner Auserwählten an mit einer solchen Gegenliebe, dass sie Gott, ihren allerhöchsten Freund und allerfreundlichsten Liebhaber, mit ganz heiliger und nach Verhältnis vollkommener Liebe wieder lieben! O wie lieblich und fröhlich werden sie ihn daselbst über alle natürlichen Freunde, über Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Braut und Bräutigam, ja über alle Kreaturen hoch ehren, hoch preisen und hoch erheben! O wie lieben sie ihn daselbst recht aus allen Kräften und bringen die ewige Zeit mit ewiger süßer Liebe zu, deren sie nimmer satt, nimmer müde und nimmer überdrüssig werden, sondern bekommen dadurch allerwege neue Stärke, neue Kraft, neuen Trost, dass also ihr ganzes Leben ist eitel Liebe, Liebes-Freude, Liebes-Süßigkeit, Liebes-Trost, Liebes-Kraft, so wie auch Lob, Ehre, Preis und Herrlichkeit der reinen himmlischen Liebe!

2. Gott und seine Auserwählten kennen sich im ewigen Leben unter einander.

Es ist aber diese Liebe und Gegenliebe in Gott und seinen Auserwählten droben auch voll himmlischen Lichts und voll seliger Erkenntnis. Man weiß da von keiner blinden Liebe, blinden Freude, noch blinden Wollust, wie auf Erden die tolle Jugend und unzüchtigen Venus-Brüder in fleischlicher Lustseuche daher rauschen und nur nach äußerlicher Gestalt und nach äußerlicher Schönheit sehen. Im Himmel kennt Gott seine Himmelreichs-Kinder inwendig und auswendig und wird von ihnen herzlich wieder erkannt, wie St. Paulus von solcher vollkommenen Erkenntnis zeugt: Ich erkenne es jetzt stückweise, dann aber werde ichs erkennen, wie ich erkannt bin (1 Kor. 13). Und abermal: So Jemand Gott liebt, der ist von ihm erkannt (K. 8).

Ich kann mich freilich nicht genugsam verwundern über dieses Geheimnis, dass ich höre: wer Gott liebt, dass der von ihm erkannt werde. Wie mag doch solche Erkenntnis im Himmel zugehen? Wo eheliche Liebe ist, da ist auch eheliche Erkenntnis zwischen Mann und Frau. Wo natürliche Liebe ist, wie zwischen Eltern und Kindern, Brüdern und Schwestern, da regiert auch natürliche Erkenntnis. Nun ist aber Gottes Liebe, damit er uns liebt, eine übernatürliche, übermenschliche und überengelische Liebe, die mit ihrer Kraft und Süßigkeit aller Menschen und aller Engel Liebe und Lieblichkeit übersteigt: wie viel tausendmal höher, edler und lieblicher muss denn auch sein die Erkenntnis, damit er erkennt alle die ihn lieben?

Höre Tochter, spricht David, schaue darauf und neige deine Ohren! Also sage ich auch: merke auf, meine Seele, und neige deine Ohren! Es werden die Auserwählten in jenem Freudensaal des ewigen Lebens sehr freundlich mit unaussprechlicher Leutseligkeit von Gott erkannt, und diese Erkenntnis gebiert eitel himmlische Freude und Erquickung, sintemal sie geht über alle natürliche Erkenntnis und ist viel hunderttausendmal süßer, tröstlicher und lieblicher, denn wo Braut und Bräutigam, wo Mann und Weib, wo Eltern und Kinder, und wo Brüder und Schwestern auf dieser Welt sich kennen.

Gott kennt die Seinen in jener Welt so lieblich und so freundlich, dass er sie füllt mit seinem Geist, und tränkt sie mit Wollust, wie mit einem Strom. Er hat sie in seine Hände gezeichnet und schafft alles, was sie vor- und nachher tun. Und wie sich ein Bräutigam freut über die Braut, also freut er sich über sie, und kann ihrer viel weniger denn eine Mutter ihres Kindes vergessen. Er liebt und kennt sie, als trüge er sie in seinem Leib und als lägen sie ihm in seiner Mutter (Jes. 46,3). Er hält seine Hand über ihnen und erfüllt sonderlich, was Christus sagt: Ich erkenne die Meinen und bin bekannt den Meinen. Und Ich gebe ihnen das ewige Leben; und sie werden nimmermehr umkommen, und Niemand wird sie Mir aus Meiner Hand reißen (Joh. 10).

Gleich wie er nun sie kennt, also kennen sie ihn wieder, und seines Herzens Freude ist, dass sie die tiefen Geheimnisse seiner Herrlichkeit sehen und verstehen, weil sie ja seine Freunde sind und seine auserwählte Braut. Ein Knecht, sagt der Herr Christus (Joh. 15), weiß nicht was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt dass ihr Freunde seid, denn alles was ich habe von meinem Vater gehört, habe ich euch kund getan.

Darum ist ihre Vernunft vom heiligen Geist mit einem Wunderlicht der vollkommenen Erkenntnis Gottes angezündet, dass sie wissen, wie reichlich sie von Gott begnadigt sind, verstehen seine heimliche Weisheit und bedürfen keines Lehrmeisters, sondern sind alle von Gott gelehrt. Sie erkennen ihn, der allein wahrer Gott ist, und den er gesandt hat, Jesum Christum. Solch Leben und solche Erkenntnis geht da in voller Freude, wo sie unserem lieben Gott in sein Herz sehen, schauen seine große Güte, Weisheit, Gnade, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, genießen auch und schmecken die himmlische Süßigkeit seiner Liebe in ihren Herzen und erfahren es in der Tat und Wahrheit, wie der Herr sehr freundlich ist und seine Güte ewiglich währt.

3. Gott und seine Auserwählten haben einerlei Willen.

Ferner stimmet auch der Wille der Auserwählten mit Gottes Willen überein. Da nun Gott will, (weil er die wesentliche Liebe ist und Engel und Menschen nach diesem seinem Bild erschaffen hat), dass sie ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt, und einer den Anderen als sich selbst: so tun sie solches ohne Verdruss, ohne Murren, ohne Einreden, aus herzlicher Liebe, und lieben ihren himmlischen Vater und ihren ewigen Bräutigam, so wie auch ihren himmlischen Tröster aus allen Kräften, und Jeder seinen Nächsten wie sich selbst. Was also Gott will, das wollen sie auch, und was sie wollen, das will Gott wiederum. Ja es ist ihr Wille dem Willen Gottes so gleichförmig, dass beider Wille aus herzlicher Liebe herquillt und dass die auserwählten Himmelsbürger und Himmelsbürgerinnen an Gottes Willen ihre vollkommene Lust und ewige Freude haben.

Wenn auf Erden ein großmächtiger König ein armes Mägdlein zur Ehe nähme, ließe sie krönen, setzte sie in alle seine Güter, und begehrte dagegen nichts von ihr, denn dass sie ihn herzlich liebte, - würde sie das nicht mit Freuden tun? Wie viel tausendmal herrlicher aber muss es in der Stadt des lebendigen Gottes droben zugehen, da Gott als die Liebe selbst über alle königliche Pracht in Europa, Asien, Afrika und der ganzen weiten Welt seine Kinder mit himmlischen Gütern sehr hoch erhebt, auch über alle irdische Brautliebe, Elternliebe, Kindesliebe und über alle natürliche Liebe sehr hoch herfährt, und liebt die Seinen mit unaussprechlicher ewiger Liebe, dafür er nichts Anderes sucht und will, denn dass man ihn wieder liebe? O wie werden sie das so herzlich gerne tun, die lieben Engel und die seligen Menschen, und kommen dem Willen Gottes nach mit großer Freude und aus allem Vermögen, sehen dem lieben Gott in sein Herz und verstehen alles was er von ihnen begehrt, tun es auch freiwillig, fröhlich, unverdrossen und einmütiglich, dass er an solchem ihrem kindlichen Gehorsam eine väterliche Freude, königliche Lust und ewiges Wohlgefallen hat.

Daher beten wir im heiligen Vaterunser: Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden! Das ist: o gib, Du barmherziger Gott, dass es auf Erden mit gehorsamer Erfüllung Deines göttlichen Willens unter den Christen doch so lieblich und so herrlich zugehen möge, wie droben im Himmel, da die Engel und Erzengel samt allen heiligen Patriarchen, Propheten, Aposteln und anderen Auserwählten mit großer Freude und ewigem Frohlocken Dir zu Willen stehen und tun alles was Dir gefällig ist! O lieber Gott, also lass es doch auf Erden auch zugehen! Lobt den Herrn, sagt David (Ps. 103), ihr seine Engel, ihr starken Helden, die ihr seine Befehle ausrichtet, dass man höre die Stimme seines Wortes! Lobt den Herrn, alle seine Heerscharen, seine Diener die ihr seinen Willen tut!

Was Gott ihnen gebeut, das fließt aus unaussprechlicher großer Liebe, und was sie nach seinem Willen tun, wird alles aus vollkommener Gegenliebe verrichtet. Also loben ihn miteinander die schönen Morgensterne und jauchzen ihm alle Kinder Gottes. Alle Engel, Himmel, Cherubim und alle Gewaltigen erzählen seine Ehre, und die Seraphim singen ihm ohne Unterlass: Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth! (Jes. 6,3). Dazu lobt die herrliche Gesellschaft der Apostel und der löbliche Haufe der Propheten, auch der reinen Märtyrer Schar, samt der ganzen triumphierenden Kirche den Vater voll unermesslicher Majestät, seinen rechten einigen Sohn, wie auch den Tröster, den teuer werten heiligen Geist.

4. Gott und Menschen im Himmel trauen sich unter einander.

Sodann wird diese Liebe und Gegenliebe im himmlischen Paradies bestätigt und bekräftigt mit ewiger Treue und Wahrheit, da Gott seinen Auserwählten als einem heiligen Volk und wahrhaftigen Kindern väterlich traut und sie wiederum auch herzlich auf ihn sich verlassen.

Ei, sagt er zu ihnen, ihr frommen und getreuen Knechte, Ich habe euch in der Welt meine Gaben gleich Zentnern und Pfunden, dem Einen weniger, dem Anderen mehr vertraut. Ihr habt damit gehandelt als treue Haushalter über meine Geheimnisse. Ihr habt einen guten Kampf gekämpft und mir Glauben gehalten. Ihr habt um meines Namens willen auf Erden müssen Schmach, Hohn und Spott erleiden, dazu Bande und Gefängnis. Ihr seid gesteinigt, zerhackt, zerstochen und durchs Schwert getötet. Ihr seid umhergezogen in Pelzen und Ziegenfellen, mit Mangel, mit Trübsal, mit Ungemach. Die Welt ist euer nicht wert gewesen, da sie euch hasste und über eure Traurigkeit sich erfreute. Ihr seid im Elend gegangen in der Wüste, auf den Bergen und in den Klüften und Löchern der Erde. Ich versuchte euch in der Welt und läuterte euch, wie das Silber geläutert wird. Ich ließ euch in den Turm werfen und legte auf eure Lenden eine Last. Ich ließ Menschen über eure Häupter fahren, dass ihr in Feuer und Wasser kamt. Aber ihr habt fest gehalten und nicht gewankt. Ihr habt alles, was euch widerfuhr, erlitten und seid geduldig gewesen in aller Trübsal. Ihr habt geeifert um mein Wort und euch gegrämt dass euch das Herz verschmachtete. Ihr habt geredet von meinen Zeugnissen vor Königen und euch nicht geschämt. Ihr habt mein Wort behalten, und meinen Namen nicht verleugnet. Ihr seid getreu gewesen bis in den Tod. Darum setze ich euch nun über große Güter, und gebe euch die Krone des ewigen Lebens. Dies sind Worte der heiligen Schrift (Luk. 19, 2 Tim. 4, 1 Kor. 4, Ebr. 11, Ps. 66), damit ohne Zweifel unser lieber Gott die Treue seiner Auserwählten im ewigen Leben rühmt, und vertraut ihnen darauf alle die reichen Güter seines Hauses. Der Sohn Gottes lässt sie in weißen Kleidern mit ihm wandeln und bekennt ihre Namen vor seinem Vater und seinen Engeln (Offb. 3, 4, 5). Und der heilige Geist vertraut ihnen nicht allein die Erstlinge, sondern auch den vollen Schnitt seiner großen Gaben, dass sie die Tiefe der mancherlei Geheimnisse Gottes erfahren, und ewig in seinem Bund bleiben.

So trauen dagegen die Auserwählten durch völlige Kraft und Wirkung des heiligen Geistes ihrem Gott wieder und sagen: Treu ist Gott und ist kein Böses an ihm, gerecht und fromm ist er (5 Mos. 32, 4). Gericht und Gerechtigkeit ist seines Stuhles Festung, Gnade und Wahrheit sind vor seinem Angesicht. Er ist nicht ein Mensch, dass er lüge, noch ein Menschen-Kind, dass ihn etwas gereue (4 Mos. 23,19). Alle seine Verheißungen sind Ja in ihm und sind Amen in ihm, und ist kein Betrug in seinem Mund (2 Kor. 1,20). Herr, Dein Wort ist wahrhaftig, und was Du zusagst, das hältst Du gewiss. Du liebst Gerechtigkeit und Gericht; Du bist Sonne und Schild, Du gibst Gnade und Ehre, Du wirst kein Gutes mangeln lassen den Frommen (Ps. 84). Darum trauen wir Dir, und unser Herz verlässt sich auf Dein Wort. Du wirst Deine Gnade nimmer von uns wenden und Deine Wahrheit nicht lassen fehlen. Du wirst Deinen Bund, mit uns aufgerichtet, nicht entheiligen, noch ändern was aus Deinem Munde gegangen ist. Nach Deinem Wort (Ps. 92) leben wir nun ewiglich, grünen wie die Palmbäume und wachsen wie die Zedern auf Libanon.

5. Gott und seine Kinder im Himmel sehen einander freundlich an.

Die himmlische Liebe und Gegenliebe wird aber auch merklich gestärkt durch die ewige Anschauung des göttlichen Wesens. Wir werden ihn sehen, sagt St. Johannes, wie er ist. Desgleichen betet Christus: Vater, ich will dass wo ich bin, auch die bei mir seien, die Du mir gegeben hast. Spricht auch (Joh. 14 u. 16): „Ihr sollt mich sehen. Denn ich lebe, und ihr sollt auch leben. Ich will euch wieder sehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll Niemand von euch nehmen.“ Auch sagt er von den lieben Engeln (Matth. 18): Ihre Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel. Desgleichen freuen sich Hiob und David, dass sie Gottes Angesicht sehen werden. Hiob spricht (K. 19): Ich werde in meinem Fleisch Gott sehen und meine Augen werden ihn schauen. Also auch David (Ps. 42): Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue? Ich will schauen Dein Antlitz in Gerechtigkeit (Ps. 17). Denn bei Dir ist die lebendige Quelle, und in Deinem Licht sehen wir das Licht (Ps. 36).

Da nun Gott die Liebe selbst ist und im Himmel sein Wesen sichtbar offenbart, also dass Engel und Menschen sein Antlitz anschauen: Lieber, was sehen sie denn an Gott mit ihren reinen Augen Anderes, denn eitel Liebe? und was ist die majestätische Klarheit des göttlichen Wesens mehr, denn eitel Liebes-Klarheit, die mit hellem Schein zu allen Himmelsbürgern stark hineinleuchtet? Was könnte aber die Kinder Gottes mehr erfreuen und erquicken, als die selige Anschauung solches allerlieblichsten Wesens? Ist es doch eitel Freude, wenn gottselige Eltern und Kinder, holdselige Brautleute, einträchtige Brüder und Schwestern sich freundlich einander ansehen und zusammen einig sind. Und wird (Hesek. 24,16) ein freundlich Weib ihres Mannes Augenlust oder Augentrost genannt. Denn, wie Mathesius schreibt in seiner zwölften hochzeitlichen Predigt, „wenn ein ehrlicher Mann sein liebes Weib ansieht, so hat er eitel Lust und Freude an ihr. Sie erfreut ihm das Herz im Leibe, macht ihn lustig und guter Dinge, dass er allen Unmut aus dem Herzen schlägt und vergisst alle Mühe und Arbeit, die er in seiner Hantierung oder Amt bekommen hat.“

Auch rühmt sonst Mancher ein menschlich Angesicht, dass ihn dünkt, es sei kein lieblicher Bild auf Erden zu finden. Die Königin Dido sieht den trojanischen Fürsten Äneas an und kann seiner nicht müde werden, wie Virgilius schreibt. Der Patriarch Jakob wollte gerne sterben, da er seinen Sohn Joseph wieder gesehen hatte. Der römische Dichter Catullus preist sehr die schöne Gestalt des Jünglings Roscius und darf sie als blinder Heide dem schönen Angesicht Gottes vorziehen. Herodot erzählt von des Clistenes Tochter, genannt Agarista, und ihrer Anmut, die so groß gewesen, dass die Jünglinge aus Griechenland in Haufen zu dieser Jungfrau auf ihren hochzeitlichen Ehrentag gekommen seien, ihr Angesicht zu sehen und der Freude beizuwohnen.

Nun aber ist aller menschliche Schmuck und Schönheit eitel Kinderspiel und armseliges Flick- und Flitterwerk gegen die wunderschöne und wundertröstliche Gestalt der allerheiligsten Dreifaltigkeit, so sich in jenem Leben zur großen Freude aller Seligen herrlich sehen lässt. Ich denke diesem Geheimnis nach und sage also: Ist irgend ein schönes menschliches Angesicht auf Erden, das vieler Leute Augen zu sich wenden kann, wie ein Magnet das Eisen an sich zieht; und ist das Anschauen der vertrauten Freunde köstlich und so angenehm, dass es das Herz erfreut, da doch Menschen nicht sind die Liebe selbst, sondern haben nur herzliche Zuneigung zu ihren Freunden: wie viel tausendmal freundlicher muss denn sein das schöne Wesen Gottes, welcher die Liebe selbst ist; das helle aufgedeckte Angesicht unseres himmlischen Vaters und seines eingeborenen Sohnes, unseres allerschönsten und allerholdseligsten Bräutigams Jesu Christi, wie auch des heiligen Geistes im ewigen Leben?

O wie überaus herrlich müssen da die majestätischen Augen Gottes leuchten und brennen von eitel Liebesflammen! o wie stark wird er da mit seinem freundlichen inbrünstigen Anblick aller Engel und aller Menschen Augen zu sich wenden, dass sie nichts im Himmel noch auf Erden so gerne sehen als ihn, und sich von keinem Ding so sättigen lassen, als von der Anschauung Gottes! Da sehen sie an Gott dem Vater so eine väterliche Liebe, wie kein väterlich noch mütterlich Angesicht auf Erden zeigen kann. Der Sohn Gottes lässt sich sehen wie ein lieber Bruder und himmlischer Bräutigam, schöner und prächtiger denn irgend ein Bräutigam auf Erden. Auch sehen sie an dem heiligen Geist so ein tröstlich Bild, dass nichts Tröstlicheres weder im Himmel noch auf Erden zu finden ist. Und weil denn die heilige Dreifaltigkeit mit ihrem allerschönsten hellen Angesicht lieblicher wie ein Vater, tröstlicher wie eine Mutter, freundlicher wie ein Bruder und fröhlicher wie ein prächtiger Bräutigam sie anblickt und anlacht: so genesen sie von solchem Anschauen, ihr Herz freut sich und wird viel mehr davon erquickt, als ein junges Kind von dem freundlichen Anblick seiner holdseligen Mutter, oder eine Braut von der Stimme und Gegenwart ihres herzliebsten Bräutigams erquickt werden kann.

Hier soll aber Niemand denken: weil doch kein menschlich Auge in dieser Welt die helle klare Gestalt der Sonne ohne Verletzung des Gesichts ertragen mag, dass eben darum der Glanz des göttlichen Wesens sich noch viel weniger in jener Welt mit menschlichen Augen sehen lasse. Denn es hat dort eine ganz andere Bewandtnis mit den Auserwählten, als mit uns Christen in dieser Welt. Wir schleppen uns hier auf Erden noch mit unserem sündlichen Fleisch und Blut herum. Aber in jener Welt sind die Kinder Gottes ohne Mangel, ohne Fehl, ohne Übertretung, ohne Sünde und ohne sündliche Lust, und haben ewiglich mit Gott ihren herrlichen Verkehr und ihre selige Gemeinschaft. Daher können sie das Angesicht Gottes mit fröhlichen Augen in Heiligkeit und Gerechtigkeit wohl anschauen und die unendliche, feurige Liebe Gottes durch des heiligen Geistes Kraft wohl ertragen, dass sie dadurch nicht vergehen noch sterben, sondern vielmehr herzlich ergötzt, gestärkt und gelabt werden.

Es ist ihnen das liebliche und wunderfreundliche Angesicht Gottes eine rechte Augensalbe, und vermag kein Heilwasser noch präparierte Salbe, Latwerge oder Pulver das blöde menschliche Gesicht auf Erden so zu stärken und trübe Augen so hübsch, wacker, rein, lauter und scharfsichtig zu machen, als Gottes Antlitz und Wesen der Auserwählten Augen im Himmel erfrischt, erleuchtet und läutert. Sie sehen da den klaren hellen Schein der majestätischen Herrlichkeit Gottes mit Freuden, und sagt ein Jeder mit dem Patriarchen Jakob: Ich sehe Gott von Angesicht, und meine Seele genest davon (1 Mos. 32,30); und sie alle zugleich mit dem Apostel Philippus: Wir sehen den Vater, darum genügt uns (Joh. 14).

Und während man alles Dinges auf Erden zuletzt satt und müde wird, ist Gottes Wesen und Angesicht so sehr freundlich, schön und lieblich, dass Engel und Menschen dessen nimmer überdrüssig werden, sondern sehen allezeit neue Schönheit, neue Freude, neuen Trost, neue Klarheit und neue Wunder, darob ihnen das Herz vor Freude springt und davon ihre Augen ewiglich durchleuchtet werden.

Wiederum hält Gott auch seine Augen offen, und wie seine Kinder ihn ohne Unterlass inbrünstig anschauen, und können aus herzlicher Liebe solches Anschauens nimmer satt werden: also sieht er sie auch mit ewiger Freude an und hat seine Herzens-Lust an ihrer schönen Gestalt. Und weil sie durchaus engelrein, heilig, unbefleckt und ohne Sünde sind, dass sie ihren Schöpfer, Erlöser und Tröster mit vollkommener Liebe lieben und solche inbrünstige Liebe zu Gott ihnen zu den Augen und allen Gliedern herausblickt: so trägt der König Himmels und der Erden an solchem Glanz und Schein seiner Auserwählten ein groß Wohlgefallen, hält sie für einen Augapfel in seinem Auge und lässt ihre Gestalt, Schönheit und Wesen ihm lieber, werter und angenehmer sein, denn die schöne Gestalt der Sonne, des Mondes und aller Sterne am Himmel mit ihrem Licht, Glanz und Klarheit.

6. Gott und seine Auserwählten halten unter einander freundlich Gespräch.

Die Liebe Gottes und die Gegenliebe seiner Reichsgenossen in jener Welt ist auch keine stumme Liebe, sondern wird mit holdseligem Gespräch, lieblichen Unterredungen und fröhlicher Stimme öffentlich bezeugt und mit hellen Lobgesängen bestätigt, dass der ganze Himmel davon erschallt.

Es muss aber wundertröstlich und wunderlieblich lauten, da Gott seine lebendige Stimme der ganzen triumphierenden Christenheit lässt durchs Herz gehen und redet sie freundlicher an, denn kein Vater auf Erden, holdseliger denn keine Mutter, lieblicher denn kein Bräutigam und angenehmer denn kein Bruder und Schwester, und spricht: Ich habe dich mir zugerichtet, dass du sollst meinen Ruhm erzählen (Jes. 43,21). Siehe, Ich, dein Schöpfer, bin dein Mann und dein Erlöser, der Heilige in Israel, der aller Welt Gott genannt wird (Jes. 54,5). Du heißt meine Lust, und bist meine schöne Krone und ein königlicher Hut in meiner Hand (Jes. 62,3). Ich habe dich mir bereitet, dass deine Lippen seien wie triefender Honigseim, und Honig und Milch sei unter deiner Zunge, dass du bist durch und durch schön, ohne Sünde, ohne Runzel, ohne Flecken und ohne allen Mangel (Eph. 5,27), schön wie Thirza, lieblich wie Jerusalem, dass du hervor brichst wie die Morgenröte, schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne und schrecklich wie die Heeresspitzen (Hohel. K. 4 u. 6.)

Was für große Freude und Wonne muss es sein, wenn ihm das ganze himmlische Heer mit Frohlocken antwortet!

Ubi sunt gaudia? (wo sind die Freuden?)
Nirgends mehr denn da,
Da die Engel singen
Nova cantica, (neue Lieder)
Und die Schellen klingen
In regis curia (an des Königs Hofe).
Eya! wären wir da! Eya! wären wir da!

Wie herrlich muss es sein, wenn die himmlischen Chöre im lieblichen Wechselgesang ihr: „Heilig, Heilig, Heilig“ ertönen lassen, und Jedermann aus den Kindern des Lichts vor der hohen Majestät Gottes aus inbrünstiger Liebe sich demütigt, schüttet sein Herz mit Freuden gegen ihn aus und spricht:

HErr mein Gott, Du bist sehr herrlich, Du bist schön und prächtig geschmückt. Licht ist Dein Kleid, das Du anhast (Ps. 104). Du bist der Schönste unter den Menschenkindern, holdselig sind Deine Lippen (Ps. 45). Du bist unser Ruhm und Stärke, und durch Deine Gnade erhöhst Du unser Horn. Dein Haupt ist das feinste Gold, Deine Backen sind wie die wachsenden Würzgärtlein der Apotheker. Deine Lippen sind wie Rosen, die mit fließenden Myrrhen triefen. Deine Hände sind wie goldene Ringe voll Türkise. Dein Leib ist wie rein Elfenbein, mit Saphiren geschmückt. Deine Beine sind wie Marmorsäulen, gegründet auf goldenen Füßen (Hohel. 5,11 ff). Deine Kleider sind eitel Myrrhen, Aloes und Kezia, wenn Du aus den elfenbeinernen Palästen daher trittst in Deiner schönen Pracht! (Ps. 45,9). Deine Kehle ist süß und ganz lieblich. Du bist ewig mein Freund, unter vielen Tausenden auserkoren.

Wer bin ich aber, HErr mein Gott, dass Du mich bis hierher gebracht hast? dass Du mich ansiehst in der Gestalt eines Menschen, der in der Höhe Gott der Herr ist? Was ist der Mensch, dass Du sein gedenkst, und des Menschen Kind, dass Du Dich seiner annimmst? (Ps. 8). Ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die Du an mir getan hast (1 Mos. 32). Dass Du mich je und je geliebt und mich aus großer Gnade zu Dir gezogen (Jerem. 31, 3). Dass Du mich hast mit Freuden umgürtet und mich zum Segen gesetzt ewiglich. Dass Du eine goldene Krone hast auf mein Haupt gesetzt, und erfreust mich mit Freuden Deines Antlitzes. Dass Du so große Dinge an mir tust, der Du mächtig bist und dessen Name heilig ist! Darum will ich singen von Deiner Gnade ewiglich und Deine Wahrheit verkündigen mit meinem Mund für und für. Ich will Dich loben allezeit und Dein Lob soll immerdar in meinem Mund sein.

Solcherlei himmlische Zwiegespräche erweckt da der heilige Geist und ist die Rechnung gut zu machen: Hat Johannes der Läufer auf Erden über der Stimme Christi als eines Bräutigams sich so hoch können erfreuen; ist auch das geschriebene Wort Gottes bei den Rechtgläubigen in dieser Welt, durch Kraft und Wirkung des heiligen Geistes im Glauben ergriffen, so stark, so lieblich und so tröstlich, dass es alle Anfechtungen Leibes und der Seele überwindet, den Satan verachtet, den Tod vertreibt, des Kreuzes Bitterkeit durchzuckert, das Herz erfreut, dringt durch wie ein zweischneidiges Schwert, ist köstlicher als Silber und Gold und süßer denn Honig und Honigseim, wie David (Ps. 19) sagt: wie viel tausendmal lieblicher, herrlicher und süßer muss denn Gottes Wort lauten in jenem Leben, da Gott selbst redet und lässt seine fröhliche Stimme aus seinem holdseligen Mund in aller Engel und aller Menschen Ohren mit unaussprechlicher Lieblichkeit ertönen?

Zwar auf Erden, wie Salomo schreibt (Pred. 12,12), macht viel predigen den Leib müde; und wenn auch die allerbesten Freunde zusammen kommen und über ihrem holdseligen Gespräch vor großer Freude die Zeit verläuft, dass sie ein ganzer Tag kaum dünkt eine Stunde lang zu währen: so werden sie doch zuletzt müde, dass sie aufbrechen und von einander gehen müssen.

Aber des lebendigen Gottes Stimme in jenem Leben heißt: Jelänger Jelieber! Ihrer können die auserwählten Gottes-Kinder nimmer überdrüssig werden, hören immer aus Gottes Mund neue Freude, neue fröhliche Zeitung, neue Geheimnisse, neue Seelenlust und neue Offenbarung, sonderlich die himmlische Weisheit von der ewigen Geburt des Sohnes Gottes, von dem ewigen Ausgang des heiligen Geistes, von der ewigen Gnadenwahl, von der wunderbaren Schöpfung Himmels und der Erde, von der persönlichen Vereinigung beider Naturen in Christo, vom Werk der Erlösung, von der allmächtigen Regierung der Welt, von den himmlischen Gütern, himmlischer Herrlichkeit, himmlischem Wohlleben und dergleichen, darüber sie sich mit Freuden verwundern, auch mächtigen Trost, Kraft, Leben, Heil und Stärke daraus ewiglich schöpfen.

7. Gott ruht aus großer Liebe in seinen Himmels-Kindern, und sie in Ihm.

Endlich ist die Liebe und Gegenliebe in Gott und seinen Auserwählten im Himmel voll ewiger freudenreicher Ruhe, weil da Gott in seinen Kindern einen ewigen Sabbat oder Ruhetag hält und wiederum auch ihre Liebe ewiglich in ihm ruht.

Des Menschen Herz ist wie ein siedender Topf, kocht, schäumt und läuft immer über von Begierden und allerlei Lüsten, und mag auf dieser Welt nimmer recht gestillt noch gesättigt werden. Denn Alles, was auf Erden erlustigt, als: Speise, Trank, Gold, Silber, vergängliche Ehre, zeitliche Pracht, Schönheit des Leibes, Augenlust, Leibes-Wollust und dergleichen - ob man schon sehr danach trachtet und ringt, so ist es doch nicht das vollkommene Gut, darin das Herz also seine vollkommene Ruhe fände, dass es aufhörte zu sieden, ganz zufrieden würde und nichts Höheres mehr wünschen noch begehren sollte. Das Erste, was den Menschen gefällt, wenn sie noch Kinder sind, ist Schönheit. Danach folgt Lust zum Ehestand.

Im Ehestand trachtet man nach Reichtum, im Reichtum nach Vermehrung der Güter, wie auch nach zeitlicher Ehre und Herrlichkeit. Und hat solch Dichten und Trachten und solche Begierde kein Maß noch Ende, dieweil alle vergänglichen Güter sind arme Parteken3) und Bettelstücke, die das Herz nicht können zu vollkommener Genüge ersättigen.

Aber in jenem Leben sieht man an Gott ein solches Gut, an welchem das Herz sein vollkommen Genügen hat und in welchem die Liebe ihre völlige Ruhe findet. Denn da knüpft die Liebe und Gegenliebe Gott und seine Auserwählten stark und unauflöslich zusammen. Da ist Gott der Allerschönste und Allersäuberlichste in den Augen seiner Kinder, das Freundlichste und Allerholdseligste in ihren Ohren, das Allersüßte in ihrem Mund und auf ihren Zungen, das Allerwerteste und Allerangenehmste in ihren Händen, das Alleranmutigste und Allerfröhlichste in ihren Herzen, und das Allerlieblichste und Allerkräftigste in allen ihren Gliedern, also dass sie nicht begehren einen Augenblick ohne Gott allein zu sein und auch Gott wiederum nicht einen Augenblick sie verlassen will. Gott ruht ewiglich in seinen Auserwählten, und sie ruhen ewiglich in ihm.

II. Die Ehre und Herrlichkeit solcher Liebe und Gegenliebe.

Die andere Eigenschaft des ewigen Lebens ist die Ehre und Herrlichkeit der himmlischen Liebe und Gegenliebe in Gott und seinen Auserwählten. Diese Herrlichkeit besteht aber darin, dass die Auserwählten unserem lieben Gott im Himmel gleichförmig sind. Wir werden ihm gleich sein, spricht St. Johannes. Und St. Paulus: „Welche er zuvor versehen hat, die hat er auch verordnet, dass sie gleich sein sollten dem Ebenbild seines Sohnes“ (Röm. 8, 29).

Wie sind sie aber Gott gleich? Antwort: Gott ist die Liebe, sagt die Schrift. Daraus folgt: Weil alle gottseligen Himmelsbürger in jener Welt das Bild Gottes tragen, so müssen sie helle und sonnenklare Spiegel der allerheiligsten und allerreinsten Liebe Gottes sein, und wie Er in sie leuchtet und scheint, so müssen sie auch einen Gegenglanz und Gegenschein von sich geben. 1. Er ist die Liebe selbst und liebt seine Kinder im Himmel mit unaussprechlicher Liebe. Also lieben sie ihn wieder von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. 2. Er kennt sie, als wären sie Sternlein, in seine rechte Hand gezeichnet; und wie Er sie kennt, also kennen sie ihn nach gegebenem Maß vollkömmlich wieder. 3. Desgleichen alles, was Er will, das wollen sie auch. 4. Er ist weise, gerecht, heilig und unsterblich - das sind sie auch. 5. Er ist selbst ihr Tempel, in welchem sie einmütiglich wie Glieder an Einem Leib sich zusammenhalten. So sind auch sie wiederum seine Tempel und Lust-Häuser, darin er aus großer Liebe residiert und ruht.

Sonderlich aber sind sie ähnlich unserem einigen Erlöser und Seligmacher JEsu Christo. 1. Denn Christus ist Gottes Sohn, ein Abglanz der Herrlichkeit des Vaters und das Ebenbild seines Wesens. Also sind sie durch Christum auch Gottes Kinder, erweckt und wiedergeboren nach dem Bild Gottes. Siehe da, sagt Christus, Ich und die Kinder, welche mir Gott gegeben hat (Jes. 8,18). Sie sind ja mein Volk und Kinder die nicht falsch sind. Sie sind meine Brüder und Schwestern. 2. Er ist ein Erbe des ewigen Lebens. Also sind sie durch Christum auch Erben aller himmlischen Güter. 3. Er ist ein König und herrscht ewiglich. Also hat er sie auch zu Königen gemacht, dass sie mit ihm sitzen auf seinem Stuhl und tragen Kronen der Gerechtigkeit. 4. Er ist ein ewiger Priester und erscheint immerdar vor dem Angesicht Gottes. Also sind sie durch ihn auch zu Priestern gemacht, dass sie Gottes Angesicht mit Freuden ewiglich anschauen. 5. In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig (Kol. 2, 9) und der heilige Geist ohne Maß. Also sind sie durch ihn auch Tempel Gottes und Wohnungen des heiligen Geistes. 6. Er liebt sie wie ein Bruder und Bräutigam. Also lieben sie ihn wiederum wie ein Bruder und Schwester und wie eine himmlische Braut. 7. Er hält sich wunderlieblich zu ihnen und wohnt in ihnen. Also halten sie sich zu ihm und sind wiederum auch vollkommen Eins in ihm. 8. Er lebt ewiglich, und durch ihn leben auch sie ewiglich.

Alle diese Herrlichkeit der Kinder des Lichts und ihre Gleichheit, die sie mit Gott haben, ist in heiliger Liebe und Gegenliebe gegründet. „Gott der Vater, spricht St. Augustinus, ist die Liebe, Gott der Sohn ist die Liebe, und Gott der heilige Geist ist die Liebe des Vaters und des Sohnes.“ Diese Liebe sucht ein Gleiches in uns, nämlich eine Liebe, dadurch wir als durch eine Sippschaft oder Verwandtschaft mit Gott vereinigt werden. Und diese Verwandtschaft und Herrlichkeit der himmlischen Liebe und Gegenliebe wird von Gott dem Vater, von Gott dem Sohn und von Gott dem heiligen Geist ewiglich bekräftigt und bestätigt.

Denn Gott der Vater sieht in Christo und durch Christum alle Auserwählten an und gibt ihnen durch seinen eingeborenen Sohn den edlen teuren Namen, dass sie ewiglich seine Kinder heißen. „Dieser Trost, sagt Luther, ist zu groß, die Freude zu hoch, die Seligkeit zu überschwänglich, und dagegen des Menschen Herz zu klein und enge, und der elende Bettelsack, unsere alte Haut, ist zu schläfrig und träg, solches mit Gedanken und Worten zu erlangen und mit dem Herzen zu fassen. Ja die Herrlichkeit des Dinges ist so groß, dass sie in unser Herz nicht geht. Denn es ist zu fern von den Sinnen und zu hoch über Menschen-Verstand, als dass unser armer stinkender Madensack dahin komme, da er solche treffliche göttliche Herrlichkeit ewig vor Augen sehen soll.“

Freilich ist es eine überschwängliche Herrlichkeit, dass Menschen im Himmel wohnen, welche nicht heißen des römischen (russischen) Kaisers, nicht des Königs von Persien (Preußen) oder sonst eines irdischen Herrn, sondern des ewigen allmächtigen Gottes Kinder, Gottes Erben, Gottes Söhne und Töchter. Die Welt prangt mit ihrer Herrlichkeit und hält das für einen trefflichen Adel und hohe Ehre, wenn Jemand ist eines Fürsten, berühmten Edelmanns oder sonst eines großen Mannes Sohn. Und noch höher wäre es, wenn sich Jemand könnte wahrhaftig rühmen, dass er wäre eines heiligen Engels Sohn.

Aber was ist das Alles gegen das ewige Leben im Himmel, da die seligen Menschen sind Kinder und Erben der hohen göttlichen Majestät? Diese Kindschaft ist wunderlieblich, wundertröstlich und schwingt ihre Flügel hoch über aller Welt Ehre und Herrlichkeit. Und dazu kommen noch die allerholdseligsten, allerlieblichsten und allerfreundlichsten Werke der ganzen heiligen Dreifaltigkeit, dass Gott der Vater seinen Auserwählten sich lieblicher erzeigt, denn kein Vater auf Erden tun mag, Gott der Sohn wie ein lieber Bruder und himmlischer Bräutigam, und Gott der heilige Geist als ein rechter Tröster und Freudenspender.

1. Des Vaters Antlitz leuchtet daselbst überväterlich, übermütterlich, überengelisch. Das ist viel tausendmal lieblicher, als wenn alle Engel im Himmel und alle Eltern auf Erden ihre Freundlichkeit und natürliche Liebe könnten zusammenschmelzen und sie zugleich einem Kindlein erzeigen, dass sie es auf gut engelisch, väterlich und mütterlich erfreuten. Denn Gott ist die Liebe und ein recht liebreicher Vater über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden (Ephes. 3,15). Die Auserwählten aber sehen als Kinder Gottes ihrem himmlischen Vater ähnlich; und wie sie der Vater übermütterlich, übermenschlich und überengelisch liebt, so lieben sie ihn auch nach ihrem Maß mit vollkommener Gegenliebe herzlich und kindlich wieder.

Und dies ist eine rechte himmlische Freude, die kein Ende nimmt. Ewig leuchten, blicken und scheinen die brünstigen Augen Gottes des Vaters von majestätischer, feuriger Liebe, und die Fülle solcher großen Liebe und göttlichen Klarheit offenbart er in seinem Sohn, und durch den Sohn scheint er allen auserwählten Himmelsbürgern in ihr Herz, erkennt sie alle für seine Kinder und sieht in ihnen als in einem klaren reinen Spiegel das schön formierte4) Ebenbild seines göttlichen Wesens, das da heißt: die Liebe. Die seligen Menschen, als verherrlichte Kinder Gottes mit göttlicher Klarheit umgeben, sehen hinwiederum an mit fröhlichen reinen Augen das Angesicht des Vaters, wie er ist in Christo, seinem Sohn, das wundertröstliche Wesen, das da heißt: die väterliche Liebe.

2. Danach brennt auch von unsäglicher Menschenliebe unser Herr und Heiland JEsus Christus, in welchem Gott der Vater ist und der da ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben (1 Joh. 5,20). Die seligen Kinder Gottes erkennt er für seine allerliebsten Brüder und Schwestern, und lässt die ganze triumphierende und frohlockende Christenheit ihm sein seine allerschönste, allerwerteste und alleredelste Braut.

Da sind seine Augen eitel leuchtende Liebesstrahlen, feurige Liebespfeile und brennende Flammen der allersüßesten, unaussprechlichen Leutseligkeit, damit er seiner lieben Brüder und Schwestern verklärte Augen tröstlich berührt, tröstlich erfüllt und tröstlich zu sich wendet.

Sie dagegen sehen ihn wieder also an, dass ihre Augen, Herz, Mut und Sinn und alle Glieder von ungefärbter, keuscher, inbrünstiger, feuriger Liebe zu Christo brennen und sich statt seiner nichts Lieberes im Himmel noch auf Erden wünschen. Über solche Liebe erfreut sich denn der Seelen-Bräutigam gar hoch und rühmt vor allen heiligen Engeln, dass die himmlische freudenreiche Christenheit recht sei seine vertraute Braut und Freundin, die ihm das Herz nehme mit ihrer Augen einem und mit ihrer Halsketten einer (Hohel. 4,9), und dass ihre Augen ihm seine Augen brünstig machen und seien ihm lieblich wie Jerusalem.

Keine natürliche Freundschaft der Brüder und Schwestern gegen einander auf Erden, keine irdische Liebe zwischen Bräutigam und Braut kann dieser ewigen himmlischen Gemeinschaft, diesem ewigen Freudentage und dieser ewig währenden Hochzeit gleich kommen. So ist auch die Gestalt und das ganze Wesen des himmlischen Bräutigams unendlich lieblicher, schöner und freundlicher, denn das majestätische Wesen, Pracht und Ansehen eines königlichen Bräutigams bei seiner königlichen Braut in einem großen Palast und schön gebauten und geschmückten Saal auf Erden. Und wie der große König Himmels und der Erde ist ein prächtiger Bräutigam und der Schönste unter den Menschenkindern, also schmückt er auch die triumphierende Kirche, seine werte Braut, dass sie tausendmal schöner, prächtiger, herrlicher und lieblicher vor seinen Augen scheint als eine königliche Braut auf Erden in goldenen Stücken, goldener Krone, gestickten Kleidern, Perlen, Halsketten und säuberlicher Gestalt, darin sie ihrem König gefällt und ihm das Herz abgewinnt.

Die lieben Himmelsbürger sind alle mit Christo und durch Christum in jenem Leben herrliche Kinder Gottes und ewige Miterben aller himmlischen Güter. Dazu sind sie mächtige Könige und Priester vor Gott, welche Tod, Teufel und Hölle überwunden haben durch des unschuldigen Lammes Blut, und herrschen mit Christo ewiglich, angezogen mit Kleidern des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit bekleidet, wie ein Bräutigam mit priesterlichem Schmuck geziert und wie eine Braut in ihrem Geschmeide bereitet (Jes. 61,10). Sie tragen die unvergängliche Krone und führen ewiglich mit Christo ein Leben, darin keine Trennung, keine Spaltung noch irgend eine Separation mehr gefunden wird.

3. Zu dem lässt sich da tröstlich sehen und hören der himmlische Paraklet und Anwalt, Gott der heilige Geist, mit seinen edlen Früchten als: Liebe, Friede und Freude, die er daselbst ohne Mittel vollkömmlich in den auserwählten Kindern Gottes wirkt. Er wohnt in ihnen und ist selbst das ewige Pfand, Siegel und Mahlschatz der ewigen Seligkeit, dass sie daher von gutem Mut jauchzen, haben feurige Zungen, reden fröhlich mit Gott und Gott mit ihnen. Und ist ihr holdseliges Gespräch ohne Zweifel von den herrlichen Taten der Leutseligkeit Gottes und von der himmlischen Kindschaft, dass Gott den seligen Kindern sehr freundlich erzählt, wie er sie aus großer Liebe erschaffen, aus großer Liebe durch JEsum Christum vom ewigen Tod erlöst und aus großer Liebe zum ewigen Leben erwählt habe. Die seligen Kinder danken ihrem himmlischen Vater und ihrem allerliebsten Bräutigam, wie auch dem werten heiligen Tröster für solche große Wohltaten und preisen die heilige Dreifaltigkeit mit ihren ewigen Lobgesängen und Freudenliedern.

III. Gottes liebliche Wohnung in seinen Auserwählten.

Die dritte Eigenschaft des ewigen Lebens heißt Gottes liebliche Wohnung in seinen auserwählten Kindern. Wie geschrieben. steht (3 Mos. 26,11.12): „Ich will in ihnen wohnen, spricht Gott, und in ihnen wandeln, und will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein.“. Das Mittel solcher Einwohnung ist die Liebe und Gegenliebe oder die herzliche Erkenntnis, da Gott die Seinen lieblich erkennt und wiederum lieblich von ihnen erkannt wird. Wie denn St. Petrus sagt, dass die Kinder des Lichts durch Erkenntnis dessen, der sie berufen hat, der göttlichen Natur teilhaftig werden (2 Petr. 1,4). Und St. Paulus heißt sie etlichemal Tempel Gottes, dieweil die ganze heilige Dreifaltigkeit aus großer Liebe in ihnen wohnt.

Das lasse ich mir eine rechte Himmelslust und eine starke durchdringende Liebe im ewigen Leben sein, da Gott seine Liebhaber so erkennt, dass er in ihnen wesentlich residiert. Darum wenn wir die schönen Schriftsprüche lesen, als da St. Paulus schreibt: So Jemand Gott liebt, der ist von ihm erkannt; und da Christus sagt: „Wer mich liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen“ (Joh. 14): - da mögen wir wohl stille halten und recht nachdenken, was doch dies für eine Erkenntnis und für eine Liebe sei und wie hoch sie mit ihrer Kraft und Tugend über alle irdische und natürliche Liebe und Erkenntnis sich erstrecke, sintemal sie zur Einwohnung Eines in dem Anderen gereichet.

Denn wo findet man auf Erden zwischen Eltern und Kindern, Mann und Weib, Bräutigam und Braut solche Liebe oder solche Erkenntnis und solche Zuversicht, dass Jemand in Kraft solcher Liebe seines Freundes Herz wesentlich einnehmen und eigentümlich besitzen könnte? Es ist wohl in Eltern und Kindern die eingeprägte natürliche Liebe so groß, dass wo eine Mutter sieht ihr schwaches krankes Kindlein mit dem Tod ringen und in der Angst und Not liegen, da wollte sie gern, wenn es möglich wäre, ein Stück von ihrem Herzen aus großer mütterlicher Liebe dem Kindlein mitteilen und seinem zarten Herzlein zusetzen, des geliebten Kindes Gesundheit und Leben damit zu retten. Aber solches ist ihr unmöglich, sie kanns nicht tun, wenn gleich die mütterliche Liebe noch tausendmal so stark wäre. Desgleichen auch in einer gottseligen, wohlgeratenen Ehe sind Mann und Weib nach Gottes heiliger Ordnung Ein Fleisch. Und doch erstreckt sich diese Liebe nicht so weit, dass dadurch ein Teil sein Herz, seine Seele und sein Leben könnte dem anderen mitteilen, dass es im anderen wohnte und dass sie beide durch solche Einwohnung eins würden.

Der liebe Gott hat sich solche Macht allein vorbehalten und beweist sie am kräftigsten in jener Welt, da er seine Kinder herzlich liebt, kennt und umfähet5); wird auch wiederum so herzlich erkannt und umfangen, dass er vermittelst solcher durchdringenden Liebe in einem Jeglichen als in seinem herrlichen Palast, Tempel und Lusthaus mit großem Wohlgefallen residiert, und macht sie teilhaftig seiner göttlichen Natur, dass sie mit ihm sind wie Ein Geist und keine Gewalt sie trennen noch scheiden mag. Daraus denn abzunehmen: so die Lust, Freude und Anmut der Liebe zwischen Eltern und Kindern, Mann und Weib, Bräutigam und Braut, Brüdern und Schwestern in diesem vergänglichen Leben sich schon also hervor tut, dass dann die Wohnung Gottes in den seligen Kindern des Lichts droben alle solche Freude, Lust und Lieblichkeit unaussprechlich weit übertreffen muss.

Und hier mögen wir uns billig über dieses große Geheimnis verwundern, dass die Tiefe der Gottheit in jenem Leben, dahin alle Rechtgläubigen auf dieser Welt von Herzen verlangt, sich so lieblich offenbart und in den Auserwählten als in seinen Tempeln ewiglich wohnt, gewurzelt durch feurige Liebe in ihrem Herzen, dass sie ewiglich durch den Geist Gottes getrieben werden, ewig in Gott sind und Gott ewig in ihnen. Ihr Herz traut ihm und verlässt sich auf ihn ganz und gar. Und was sie ihm zutrauen, das finden und erfahren sie in der Tat mit ewiger Verwunderung, ewigem Ruhm und ewiger Herrlichkeit. Er ist und bleibt ihr ewiges Gut, indem er sie als seine heiligen Werkstätten mit dem Reichtum seiner himmlischen Güter ewiglich erfüllt.

Wird doch in dieser Welt dem seligmachenden Glauben, der nur ein Partikel oder ein Stücklein ist der wahren Erkenntnis Gottes, solche Kraft zugeschrieben, dass er Christum mit seinen himmlischen Gütern ergreife und dass unser lieber Heiland mit dem Vater und heiligen Geist durchs Wort zu uns einkehre und durch den Glauben in uns wohne. Ja es wird der Glaube einem Mund verglichen, der da isst und trinkt, und ist Christi Leib und Blut dieses Mundes Speise und Trank. Darum wer unserem Seligmacher traut und glaubt dem Evangelio, der zieht das Reich Gottes mit Gewalt zu sich und ergreift Christum. Und dieser Zug, dieser selige Griff gefällt unserem trauten Heiland so herzlich wohl, dass er sich dem Gläubigen zu eigen gibt und zu ihm einkehrt aus großer Liebe, als ließe er sich essen und trinken laut seiner Worte, da er spricht: „Wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am jüngsten Tag auferwecken. Denn mein Fleisch ist die rechte Speise und mein Blut ist der rechte Trank. Wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der bleibt in mir und ich in ihm (Joh. 6,54-56).“

Siehe, so nahe tut der Sohn Gottes auch in diesem Leben aus großer Liebe sich zu uns durch den Glauben, da doch unser Glaube, unsere Wissenschaft und unsere Erkenntnis eitel Stückwerk und nichts als ein schwacher Anfang ist.

Zieht nun ein Christ auf Erden mit solchem Stückwerk seinen allerliebsten Heiland zu sich und in sich, da er ihn geistlich isst und trinkt, dass er von solchem Genuss Stärke, Kraft und Leben empfäht6), kann auch darauf gewaltiglich wider den Teufel und alle Feinde, sichtbare und unsichtbare, trotzen und sagen: Der in mir ist, ist größer denn der in der Welt ist! (1 Joh. 4,4): tut Solches, sage ich, unser Stückwerk, was tut denn nicht die vollkommene Liebe droben im Himmel, da die Kinder Gottes ihren himmlischen Vater und Christum, ihren himmlischen Bräutigam, nicht im dunklen Rätsel-Wort, sondern in augenscheinlicher Offenbarung völlig erkennen, von Angesicht zu Angesicht sehen und ihn völlig lieben in Ewigkeit? Wahrlich, da muss Gott wunderlieblich und wundertröstlich in seinen Kindern wohnen, dass sie aus solcher Einwohnung viel hundert tausendmal größere Kraft, größere Freude und größere Herrlichkeit bekommen.

Besonders herzerquicklich ist aber das Alles, wenn man an die Ursache gedenkt, warum unser lieber Gott wesentlich droben in seinen Heiligen wohnt, und ist auch selbst wiederum ihre Behausung, darin sie einträchtiglich wie Glieder an Einem Leib sich zusammen halten. Er ist die Liebe, Er brennt von Liebe gegen seine Kinder, und zündet sie an mit vollkommener Gegenliebe. Nun ist dies die Natur und Art der Liebe: je stärker einer liebt, je mehr er sich neigt und sehnt nach dem das er liebt und von welchem er wieder geliebt wird, und kann nicht zufrieden sein, bis sie beide zur rechten Union erwachsen und vollkommen eins werden. Alsdann hat die Liebe ihr gewünschtes Ziel erreicht, erst dann findet sie Ruhe.

Ein Exempel haben wir an jungen Leuten, welche in den Ehestand zusammen treten wollen. Je größer die Liebe wird, desto mehr sehnt sich ein Teil nach dem anderen, und lässt nicht ab, bis sie sich verloben und nachher zur Ehe schreiten. Dann ruhen sie Beide in der Liebe und sind nach Gottes keuscher Ordnung Mann und Weib, Ein Fleisch und Ein Leib. Also liebt auch Gott seine Auserwählten im Himmel und wird von ihnen wieder geliebt. Er ist selbst ihr Tempel, in welchem sie ewiglich wohnen, und sie sind wiederum seine Tempel, in welchen er auch ewiglich wohnt. Und das Ende solcher Einwohnung ist auf beiden Seiten die süße Ruhe, dass Engel und Menschen ewiglich ruhen in Gott und Gott ewiglich in ihnen. Daher sagt David: „Der Herr hat Zion erwählt und hat Lust daselbst zu wohnen. Dies ist meine Ruhe ewiglich, hier will ich wohnen, denn es gefällt mir wohl“ (Ps. 132,13.14). Und Jesaias heißt das ewige Leben einen Sabbat nach dem anderen, das ist einen ewigen Ruhetag, da Gott in seiner triumphierenden Christenheit und sie wiederum in Ihm ewiglich ruht (Jes. 66,23).

Denkt aber, liebe Freunde, was dies für eine edle Rast und süße Ruhe sein muss, da Gott aus großer Liebe in Engeln und Menschen als in seinen Palästen wohnt, und die Engel und Menschen wiederum in Gott ihre ewige Ruhe finden. Alle irdische Liebe, alle Brautliebe, alle eheliche Liebe, und allerlei Liebes-Freude, Liebes-Herrlichkeit, Liebes-Ruhe hienieden sind doch für gar nichts zu schätzen gegen die himmlische Hochzeit und den ewigen Sonntag droben, da die rechte selige Ruhe ewiglich grünt und blüht und Gott die Fülle seiner großen Liebe in seine Kinder ausgießt, ruht selbst in ihnen und lässt sie wiederum sanft und lieblich in ihm ruhen, dass alle ihre Glieder davon gestärkt und erfreut werden und sie nichts Lieblicheres, nichts Höheres, nichts Besseres und nichts Angenehmeres suchen noch begehren.

Aber noch mehr. Es schafft diese Einwohnung Gottes in seinen Heiligen auch viele himmlische Früchte, wie Christus sagt: „Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht (Joh. 15,5).“ Was aber dies für Frucht sei, erkläret St. Paulus, wenn er schreibt, dass die Früchte des Geistes seien: Friede Freude, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit (Gal. 5,22); und dass das Reich Gottes sei Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist (Röm. 14,17).

Aus welchen Worten abzunehmen, dass, gleich wie ein guter Baum, gepflanzt am Wasserbach, zu rechter Zeit ausschlägt, grünt und Frucht bringt; und gleich wie die Seele des Menschen in ihrem Leibe nicht müßig ist, sondern besitzt und erfüllt mit ihrer Wirkung und lebendiger Kraft den ganzen Körper durch verschiedene Ämter, dass die Augen sehen, die Ohren hören, die Nase rieche, der Mund rede, die Zunge schmecke und alle Glieder sich regen: also wohnt und ruht auch Gott in seinen himmlischen Kindern, den edlen Tempeln und geistlichen Palästen, dass sie aus solcher Einwohnung sind voll aller göttlichen Tugenden, voll Liebe, voll Gerechtigkeit, voll Gütigkeit, voll Friedens und voll aller himmlischer Freuden.

IV. Gott Alles in Allem.

Die vierte Eigenschaft wird von St. Paulo beschrieben (1 Kor. 15,28), und angezeigt dass in jenem Leben Gott sei Alles in Allem. D. h.: Gott ist da das alleredelste, das allerbeste und das allerhöchste Gut, welches alle Sinne, alle Gedanken und alle Begierden der Himmelsbürger zur Genüge erfüllt, dass sie nichts Lieberes sehen, nichts Lieberes hören, nichts Lieberes schmecken, nichts Lieberes fühlen und nichts Lieberes reden als von ihrem allmächtigen Liebhaber.

Auf dieser Welt ist alles eitel, und alles Tun ist so voll Mühe und Unruhe, dass es Niemand ausreden kann. Auch wo der Mensch in seinem Hause daheim sitzt und hat äußerlichen Frieden von umsitzenden und umherwohnenden Freunden und Nachbarn, da wallt ihm doch sein Herz und ist wie ein großes ungestümes Meer voll unruhiger und ungestümer Gedanken.

Das Auge sieht sich nimmer satt und das Ohr hört sich nimmer satt (Pred. Salom. 1,8). Ein Geiziger ist stets geldsüchtig und je mehr er zusammen kragt, desto mehr begehrt sein Herz . Könige, Fürsten, Grafen und Herren trachten vielmals dahin, wie sie ihre Herrschaft erweitern und ein Land nach dem anderen an sich bringen. Junge Leute sind geneigt zu hören, wenn man ihnen sagt von Hochzeiten, vom Freien, von Junggesellen und Jungfrauen. Andere haben Lust die Welt zu durchreisen und zu besehen. Und kommt doch alles irdische Trachten nimmer dahin, dass der Mensch sage: nun genug, nun habe ich den Schatz gefunden, darin ich ewig ruhen will! Nun bin ich ganz zufrieden, nun begehre ich nichts mehr, nun sind mir meine Augen, meine Ohren und mein Herz zu vollkommener Genüge erfreut und ersättigt, dass ich nichts Höheres und nichts Edleres mehr wünsche! Sondern es heißt und bleibt Eitelkeit über alle Eitelkeit.

Solches Alles kommt daher, dass irdische Königreiche, Wollust, Pracht, Ehre, Herrlichkeit, Silber, Gold, Schätze und Reichtum sind arme Bettelstücke, die das menschliche Herz und seine fünf Sinne nicht können ersättigen noch ihnen vollkommene Ruhe schaffen. Darum spricht Salomo (Spr. 27,20): „Hölle und Verderben werden nimmer voll, und der Menschen Augen sind auch unersättlich.“ Aber Gott ist allein das unendliche, unermessliche und unaussprechliche Gut. Und weil er im ewigen Leben seine sonderliche Lust hat, bei den Menschenkindern sichtbar zu sein und wohnt bei ihnen in großer Liebe: so wirkt diese Einwohnung auf beiden Seiten eine süße vollkommene Ruhe, dass die unaussprechliche Liebe Gottes in seinen Auserwählten lieblich ruht und sie wiederum sanft und lieblich in Gott ruhen und sagen mit dem Apostel Philippo: nun genügt uns! und mit dem König David: sei nun zufrieden, meine Seele, denn der Herr ist mein Gut und mein Teil (Ps. 116,7). Herr mein Gott, sagt da Jedermann, nun bin ich satt, dieweil ich Dein Antlitz sehe, und nun frage ich nichts nach Himmel und Erde, dieweil ich Dich habe und weil Du bist mein Teil und meines Herzens Trost (Ps. 73).

Von dieser seligen Ruhe schreibt Augustin: „Es ist fürwahr eine sichere Ruhe des Herzens, wenn es sich ganz einlässt in die Liebe Gottes und begehrt nicht irgend etwas Anderes, sondern hat seine süße selige Lust an dem, das es fasst. Wenn es aber durch eitle, nichtige Gedanken oder sonst durch andere Geschäfte von solcher Liebe abgezogen wird, so eilt es doch wieder zurück und hält es für ein Elend, dass es anders wohin kommt, da es eine Weile verziehen und harren soll. Denn gleich wie der Mensch jeder Zeit, alle Stunden und Augenblicke, der göttlichen Gütigkeit genießt und gebraucht, also soll auch keine Zeit, keine Stunde noch Augenblick hingehen, dass er nicht den lieben Gott in seinem Herzen und Gedächtnis gegenwärtig habe.“

Desgleichen schreibt auch Joh. Ludw. Vives in seinem Buch von der Wahrheit des christl. Glaubens gar trefflich hiervon: „Das beste und edelste Werk des menschlichen Willens ist in der Liebe. Die Liebe aber hat Lust und Begierde, dass sie den geliebten Schatz an sich bringe und seiner genieße. Und wenn solches des Menschen Wille erlangt, als dann ruht er und ist ihm wohl dabei. Wie nun dasjenige ist, das er liebt und zu gebrauchen begehrt, also wirds ihm ein Gut sein und also wird er auch selbst gesinnt sein müssen. Vollkommen wohl kann ihm nicht sein, er genieße denn des allerbesten Gutes, welches im Stande ist, die Breite seiner Liebe oder seiner Begierde zu sättigen und zu erfüllen. Nun kann aber nichts, denn allein Gott, solche seine Begierde erfüllen. Denn alle anderen Dinge, nach denen des Menschen Wille und Streben auch wohl hingereizt und hingelenkt werden kann, sind zu schwach, zu kurz, zu unbeständig und zu gering. Darum ist ihm vollkommen wohl allein in dem Genuss Gottes und in der Vereinigung mit ihm. Alle anderen Güter können uns nicht sättigen; sie verschwinden uns unter der Hand und zerrinnen, so dass das rechte Gut, welches wir suchen, nicht darin begriffen sein kann. So kann auch unsere Vereinigung mit Gott in diesem Leben nicht die Beschaffenheit haben, dass wir dadurch vollkommen selig wären. Darum ist ein anderes Leben nötig, darin sie vor sich geht. Denn in diesem Leben können wir wegen der Finsternis unseres Fleisches unseren lieben Gott nicht so völlig erkennen noch lieben, als wohl vonnöten wäre. Wir werden von solcher Erkenntnis und von solcher Liebe abgezogen durch den Leib, wenn ihn hungert oder dürstet, oder wenn er schläfrig, krank, mit Schmerzen behaftet oder müde ist. So genießen wir auch nicht vollkömmlich solcher Güter Gottes; ja je heißer allhier die Liebe ist, desto heftiger werden wir mit dem Stachel der Begierde gequält. Aber wenn wir den Leib abgelegt haben, und wenn er dermaleinst wird verwandelt und verklärt sein: alsdann werden wir viel heller sehen und viel stärker lieben, mit Gott aufs engste vereinigt sein und seiner unaussprechlichen Güter vollständig genießen.“

Wir können dem ganzen Geheimnis, wie Gott ist Alles in Allem, fein nachdenken, wenn wir die menschlichen fünf Sinne und die innerlichen Seelenkräfte ordentlich nach einander vornehmen und in Gottes Wort nachforschen, wie sie der liebe Gott alle mit seinem Wesen und mit fröhlichem Genuss seiner großen unaussprechlichen Güte lieblich fülle und erquicke.

1. Gott ist das schönste Gut, welches die Auserwählten in jenem Leben sehen

Was zunächst die Augen anlangt, so ist einmal gewiss, dass die Auserwählten im himmlischen Paradies den lieben Gott von Angesicht zu Angesicht sehen, nicht im dunklen Wort, wie hier auf Erden, sondern in seiner ganzen Majestät und Herrlichkeit, ohne Vorhang und Decke. Sie schauen die hochwürdigste Dreifaltigkeit mit aufgedecktem Angesicht und sehen den Vater im Sohn, den Sohn im Vater und den heiligen Geist im Vater und Sohn. Auch schauen sie die persönlichen vereinigten Naturen in Christo, wie das Wort ist Fleisch geworden und wie die Fülle der Gottheit in JEsu, der Jungfrau Maria Sohn, leibhaftig wohnt. Sie sehen seine Herrlichkeit, die er hatte bei seinem himmlischen Vater, ehe denn der Welt Grund gelegt war (Joh. 17,5). Sie wandeln in dem Licht seines Angesichts, sind fröhlich über seinem Namen und herrlich in seiner Gerechtigkeit. So ist auch da keine Nacht, und sie bedürfen keiner Leuchte, noch des Lichts der Sonne. Denn Gott der Herr erleuchtet sie und seine Herrlichkeit scheint über ihnen, dass sie in seinem Licht das Licht sehen und werden davon herzlich erfreut, erquickt und gesättigt, dass sie nichts Höheres zu sehen begehren (Offenb. 22,5).

Die Königin vom Reich Arabien preist die Männer und Knechte selig, die allerwege vor Salomo standen und seine Herrlichkeit sahen (1 Kön. 10,8). Der König Ahasverus tröstet sein betrübtes Gemahl, die gottselige Esther, und da er sie freundlich ansah und fragte: was ist dir Esther? ich bin dein Bruder, fürchte dich nicht! antwortete sie: „da ich dich ansah, däuchte mich, ich sähe einen Engel Gottes; darum erschrak ich vor deiner großen Majestät, denn du bist sehr schrecklich und deine Gestalt ist ganz herrlich“ (Stücke in Esther 4,8-12). Aber was ist solche Herrlichkeit gegen die Herrlichkeit des ewigen himmlischen Vaterlandes, welches Gott als ein Vater der Barmherzigkeit und Gott alles Trostes von allem Zorn und Schrecken rein gefegt und mit eitel Sicherheit und Freuden erfüllt hat, lässt sich von Angesicht zu Angesicht daselbst aufs Allerlieblichste sehen und lacht seine Kinder freundlich an mit allen heiligen Engeln, dass sie auch nur für einen Augenblick solcher Herrlichkeit nicht die ganze weite Welt nehmen würden?

O wie herzlich hat den heiligen Augustin nach diesem Licht verlangt, dass er Gott von Angesicht zu Angesicht in Freuden anschauen möchte! „Das Licht auf Erden, sagt er, das an die Schranke des Raumes gebunden ist, das mit der Zeit abnimmt, das mit Eintritt der Nächte sich ändert und das wir mit den Tieren gemein haben: - das ist im Vergleich mit jenem allerhöchsten Licht nicht für ein Licht, sondern für eine Nacht zu halten. du allerältestes Licht, welches vor allen anderen Lichtern auf den heiligen Bergen der ewigen Tage geleuchtet hat und dem alle Dinge bekannt und offenbar waren, ehe denn sie ihren Anfang nahmen; o Licht, das du hasst allen Makel und bist das allerreinste und allersauberste Licht - sage mir was hast du für eine Lust an dem Menschen? Was hat das Licht für eine Gemeinschaft mit der Finsternis? Wo hast du mich bereitet zu einem würdigen Heiligtum Deiner Majestät, dass du zu mir einkehrst und deine Freude an mir hast? Wenn wir werden zu dir kommen, o du Brunnen der Weisheit, du unermessliches, du ewig brennendes Licht, dass wir dich nicht als durch einen Spiegel, sondern von Angesicht zu Angesicht sehen - alsdann wird unseres Herzens Wunsch gänzlich erfüllt werden. Denn es wird von außen nichts vorkommen, das man begehre, ohne Dich allein, HErr, Du höchstes Gut, der Du wirst sein der Lohn aller Gottseligen und ihre Ehrenkrone, wie auch die ewige Freude über ihren Häuptern, dass Du sie befriedigst inwendig und auswendig mit Deinem Frieden, welcher höher ist denn alle Vernunft. Da werden wir Dich recht sehen, da werden wir Dich recht lieben, da werden wir Dich recht loben.“

„Denn bei Dir ist die lebendige Quelle und in Deinem Licht werden wir sehen das Licht. Was ist das aber für ein Licht? Es ist ein unermesslich Licht, ein geistlich Licht, ein unbegreiflich Licht, ein unvergänglich Licht, ein ewig brennendes Licht, dahin Niemand kommen kann, ein unerschaffen Licht, ein Licht der Wahrheit und ein göttlich Licht, welches auch der Engel Augen erleuchtet, welches die schöne Jugend der Heiligen erfreut, welches ist ein Licht aller Lichter und eine lebendige Quelle. Solches Alles bist Du, HErr mein Gott. Denn Du bist das Licht, in welchem wir werden sehen das Licht, d. h. Dich werden wir sehen in Dir selbst und in dem hellen Schein Deines Antlitzes, wenn wir Dich werden sehen von Angesicht zu Angesicht.“

„Was heißt aber Dich sehen von Angesicht zu Angesicht - sonst, als was der Apostel zur Erklärung sagt: erkennen gleich wie ich bin erkannt worden? Ich werde Deine Wahrheit und Deine Herrlichkeit, das ist Dein Antlitz, erkennen. Ich werde erkennen des Vaters Gewalt, des Sohnes Weisheit und des heiligen Geistes Gnade, dazu der allerhöchsten Dreifaltigkeit einiges und unzerteiltes Wesen.“

„Solche Erkenntnis und Anschauung Gottes ist das allerhöchste Gut, ist aller Engel und aller Heiligen Freude. Ja Gott sehen ist der Lohn des ewigen Lebens, eine Herrlichkeit der himmlischen Geister, eine ewige Freude und eine rechte Ehren-Krone. Es ist das wahre Kleinod der Seligkeit, eine wahre Ruhe, eine inwendige und auswendige Freude. Zudem ists ein Paradies Gottes, ein himmlisches Jerusalem, ein seliges Leben, eine Fülle der Seligkeit, eine ewige Freude und der edle Friede Gottes, der alle Erkenntnis übersteigt und den die Welt nicht kennt.“

„Darin steht eben die rechte völlige Seligkeit und des Menschen vollkommene Herrlichkeit, dass er sehe das Antlitz seines Gottes, dass er Den sehe, der Himmel und Erde gemacht, der auch ihn geschaffen, erlöst und herrlich gemacht hat. Diesen seinen Schöpfer wird er sehen und ihn sichtbar erkennen, er wird ihn mit herzlicher Liebe umfangen, er wird ihn lebend besitzen in alle Ewigkeit. Denn Er, Gott selbst, wird sein das Erbteil seines Volkes; Er wird sein das Erbe seines heiligen Volkes, das er erlöst hat; Er wird sein ihr Heil, und ihre Vergeltung. Ich bin, sagt er (1 Mos. 15,1), dein sehr großer Lohn. Wie denn auch sonst große Herren große Geschenke zu verehren pflegen.“

„Ja wahrlich, HErr mein Gott, Du bist sehr groß über alle Götter, und Dein Lohn ist ein großer Lohn. So groß Du bist, so groß ist auch Dein Lohn; sintemal Du nichts Anderes bist, denn Selbst der Lohn. Du bist derjenige, der uns krönt, und bist selbst die Krone; Du bist derjenige, der da verheißt, und bist selbst die Verheißung. Du bist der Vergelter und das Geschenk; Du bists, der da lohnt, und bist selbst der Lohn des ewigen Heils. So bist Du nun, Herr mein Gott, mein Kröner, meine Krone und der Kranz meiner Hoffnung, strahlend in großer Herrlichkeit. Du bist mein Licht, das erfreut, ein Licht das erneuert, und ein Zierrat, der schön schmückt. Du bist meine Hoffnung, Du bists, nach dem alle Heiligen von Herzen verlangt.“

„Dich sehen, lieber Gott, das ist ein vollkommener Lohn, eine vollkommene Vergeltung und eine vollkommene Freude, deren wir warten. Und das ist das ewige Leben. Darum, wenn wir Dich, den wahren, lebendigen, allmächtigen, unsichtbaren, unumschriebenen und unbegreiflichen Gott, und Deinen eingeborenen Sohn, der mit Dir gleiches Wesens von Ewigkeit her ist, unsern HErrn Jesum Christum, welchen Du zu unserem Heil in die Welt gesandt hast in Kraft des heiligen Geistes; wenn wir also Dich, mein Gott, dreifaltig in Personen und einig im Wesen, Dich den allein heiligen Gott, ohne welchen kein anderer Gott ist, sehen werden: erst dann werden wir ganz haben, was wir jetzt noch suchen: das ewige Leben. Ja die ewige Herrlichkeit, welche Du bereitet hast denen, die Dich lieben; behältst sie denen, die Dich fürchten, und wirst sie geben denen, die Dein Antlitz immerdar suchen.“ So weit St. Augustinus.

2. Gottes Stimme ist das Allerfröhlichste, was seine Auserwählten im Himmel hören.

Es erfüllt aber Gott auch die Ohren seiner Auserwählten, und seine Stimme ist das Allerlieblichste, was sie hören. Denn sie hören Freude und Wonne, wie der Herr selbst redet (Ps. 51,10) und Friede predigt seinem Volk und seinen Heiligen (Ps. 85,9). Und diese seine holdselige Stimme ist die allerherrlichste Musik, also dass keine Harfen, Trompeten, Posaunen, Pauken, Pfeifen, Lauten, Zithern, Zimbeln, kein Saitenspiel, keine noch so wohllautenden Instrumente, keine noch so schöne Orgel so königlich die menschlichen Ohren erfreuen können, als die allerfreundlichste Stimme Gottes, damit er sich wie ein ewiger Vater, wie ein himmlischer Bräutigam und wie ein rechter Seelentröster in jener Welt hören lässt.

Was kann tröstlicher lauten als wenn der himmlische Vater selbst redet und seine Kinder tröstet wie einen seine Mutter tröstet? Wenn der Vater sein väterlich Antlitz sehen lässt in dem Sohn und redet durch den Sohn, und sagt zu einem jeglichen Auserwählten: also habe ich dich geliebt, dass ich dir meinen eingeborenen Sohn gab! Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu Mir gezogen aus lauter Güte. Du bist mein teurer Sohn und mein trautes Kind. Du bist ein Zweig meiner Pflanzung und ein Werk meiner Hände, mir zum Preis (Jerem. 31). Durch Christum, meinen Sohn, habe ich dich erwählt vor Grundlegung der Welt, und durch denselbigen habe ich dich zur Kindschaft verordnet gegen Mich selbst, nach dem Wohlgefallen meines Willens, zu Lob meiner herrlichen Gnade, durch welche ich dich angenehm gemacht habe in dem Geliebten, dass du seist heilig und unsträflich vor Mir in ewiger Liebe (Eph. 1,4-6). O du mein liebes Kind, Ich bin dein rechter Vater und Erlöser. Von Alters her ist das mein Name (Jes. 63,16). Du sollst dich nun ewiglich freuen, und fröhlich sein über dem was ich schaffe. Dich soll fortan weder hungern noch dürsten, und keine Hitze noch Sonne soll dich stechen. Nun soll der Himmel jauchzen und die Erde sich freuen, und die Berge sollen mich mit Jauchzen loben über dem dass ich dich tröste (Jes. 49,10.13).

Desgleichen muss es wunderlieblich zu den Ohren eingehen, da Christus, sitzend in des Vaters Schoß, selbst spricht: Ich habe aus großer Liebe mein Leben für dich gelassen. Ich habe dich als einen Gefangenen dem höllischen Riesen abgenommen, ich habe dich als den Raub des Starken losgemacht, und allhier in meines Vaters Hause, da viele Wohnungen sind, hab ich dir die Stätte bereitet und dich zu mir genommen, dass du nun seist, wo ich bin. Ich habe mich mit dir verlobt in Ewigkeit; Ich habe mich mit dir vertraut in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit (Hosea 2,19). Ich will dir die Treue und Gnade halten, die ich deinen Vätern vorlängst geschworen. Darum freue dich und sei fröhlich von ganzem Herzen! Ich habe dich erlöst aus der Hölle und vom Tod errettet. Den Tod habe ich verschlungen ewiglich und wische alle Tränen von deinem Angesicht (Hos. 13,14; Jes. 25,4.8.9). Nun soll sich dein Herz freuen und deine Freude soll Niemand von dir nehmen. Nun will ich dich recht leiten zu dem lebendigen Wasserbrunnen (Offenb. 7.) und dir schaffen Schmuck, Freudenöl und schöne Kleider. Nun sollst du essen und trinken und fröhlich sein, und vor gutem Mut jauchzen. Und deinen Namen bekenne ich allhier vor meinem Vater und seinen Engeln, dass du siehst, wie dich mein Vater ehre, darum dass du mir gedient hast und mir nachgefolgt bist!

Also muss auch des heiligen Geistes Stimme wundersüß und wundertröstlich sein, da diese seine Worte gehört werden: Dein Leib, deine Glieder und dein Geist sind mein Tempel und meine Ruhe ewiglich. Hier will ich wohnen, denn es gefällt mir wohl. Ich bin dein Tröster, dein Siegel und das Pfand deiner ewigen Erlösung und deines ewigen Lebens, der Geist der Gnaden und des Gebetes, der Geist der dich lebendig gemacht hat, der Geist des Vaters und des Sohnes, der Geist der Weisheit und der Offenbarung, wie „das Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgeht des Morgens ohne Wolken, da vom Glanz nach dem Regen das Gras auf der Erde wächst“ (2 Sam. 23, 4). Ich erforsche alle Dinge, auch die Tiefe der Gottheit, und offenbare dir es, dass du weißt, wie reichlich du von Gott begnadigt seist. O Lätare7) nun! freue dich sehr und jauchze, denn ich nicht bin ein knechtischer Geist, dass du dich abermal fürchten müsstest, sondern ein kindlicher Geist (Röm. 8,15) und lasse meine Frucht in dir sehen durch eitel Liebe, eitel Freude, eitel Frieden, eitel Freundlichkeit und Gütigkeit!

Was tut nun die triumphierende Christenheit gegen diese allerholdseligste Stimme ihres Gottes? Zion hört es, sagt David (Ps. 97,8), und ist froh, und die Töchter Juda sind fröhlich darüber, dass Gott redet in seinem Heiligtum. Sie hört die Stimme ihres Freundes, der anklopft, und preist seine Kehle, dass sie süß und ganz lieblich sei, und seine holdseligen Lippen, dass sie seien wie Rosen, die mit fließender Myrrhen triefen.

3. Gott ist das höchste Gut, davon man im Himmel redet.

Darum ist denn auch der Mund der seligen Zioniten8) voll Lachens und ihre Zunge voll Rühmens (Ps. 126), dass nichts im ganzen Himmel vorkommt, was sie, die triumphierenden Christen, so hoch erheben, preisen, rühmen und ehren, als den starken allmächtigen Gott, ihren ewigen Vater, und JEsum Christum, ihren ewigen Bräutigam, und Gott den heiligen Geist, ihren ewigen Tröster. Ihr Herz ist voll Freuden und brennt von vollkommener Liebe gegen die ganze heilige Dreifaltigkeit. Und wes ihr Herz voll ist, dessen geht der Mund über, dass sie mit fröhlicher Stimme unseren Gott ewiglich loben.

Wir danken Dir, Gott, sagen sie, wir danken Dir und verkündigen Deine Wunder (Ps. 75,2). Groß und wundersam sind Deine Werke, Herr, allmächtiger Gott; gerecht und wahrhaftig sind Deine Wege, Du König der Heiligen (Offenb. 15,3). Deines Lobes ist der Himmel voll und Deiner Ehre ist die Erde voll (Habak. 2,14). Gott, Du bist unser Heil, und wir sind sicher und fürchten uns nicht. Du bist unsere Stärke, unser Psalm und unser Heil. Mit Freuden schöpfen wir nun Wasser aus dem Heilsbrunnen und danken Dir, Herr, und verkündigen Deinen Namen, wie der hoch ist (Jes. 12,2-4). Wir loben Dich in Deinem Heiligtum, wir loben Dich in der Veste Deiner Macht. Wir leben Dich in Deinen Taten; wir loben Dich in Deiner großen Herrlichkeit. Wir loben Dich mit Posaunen, Psaltern und Harfen. Wir loben Dich mit Pauken und Reigen; wir loben Dich mit Saiten und Pfeifen. Wir loben Dich mit hellen Zimbeln, wir loben Dich mit wohlklingenden Zimbeln (Ps. 150).

4. Gott ist im Himmel ein Baum und Wasser des Lebens.

So schmecken sie auch, die seligen Auserwählten, wie freundlich der Herr sei; sie essen vom verborgenen Manna und werden trunken von den reichen Gütern seines Hauses. Ja Er tränkt sie mit Wollust als mit einem Strom. Esst, sagt er, meine Lieben, und trinkt, meine Freunde, und werdet trunken; esst das Gute, dass eure Seele in Wollust fett werde (Jes. 55,2).

Dieser fröhlichen Stimme folgen sie und sitzen mit Abraham, Isaak und Jakob und allen gottseligen Patriarchen ewiglich zu Tisch. Sind daher ewig schön, lieblich und allezeit trunken, nicht von irdischem Wein, daraus ein unordentlich Wesen folgt, sondern voll heiligen Geistes und voll vom Wasser des Lebens, dass sie vor Freuden jauchzen, singen, springen, jubilieren, triumphieren. Ihre Seele lobt den Herrn, und ihr Geist freut sich Gottes, ihres Heilandes. Reden unter einander von Psalmen und geistlichen Liedern, singen und spielen dem Herrn in ihrem Herzen (Kol. 3,16). Und weil Er ja selbst ist ihr Manna, Himmelsbrot und Wasser des Lebens, so bekommen sie davon immerdar neue Kraft, als ob er sie mit Blumen erquickte und mit Äpfeln labte, dass sie wie die Adler verjüngt werden und von keinem Sterben noch Krankheit wissen.

Wer will uns aber nun sagen, wie solch Essen und Trinken in jenem Leben zugehe? Wahrlich, es ist ein tief Geheimnis, das sich in diesem Leben nicht lässt ergründen. Wir müssen damit warten, bis wir in jene Welt kommen und alles gegenwärtig selbst erfahren.

Doch können wir ihm etlichermaßen nachdenken, wenn wir lassen das Wort Gottes unserer Füße Leuchte und das Licht auf unserem Weg sein. Denn einmal ist gewiss, dass „den Leib Christi geistlich essen und sein Blut geistlich trinken“ in diesem Leben nichts Anderes ist, denn an Christum glauben und ihn. mit herzlichem Vertrauen ergreifen, so dass er durch den Glauben. in uns wohnt und lebt. Nun aber hört in jenem Leben der Glaube samt der Hoffnung auf und bleibt allein die Liebe. Daraus folgt, dass im Himmel „Gottes Güte schmecken, essen und trinken“ nicht kann verstanden werden von dem Genießen im Glauben, sondern nur von einem Genießen, welches geschieht in feuriger Glut der reinen inbrünstigen Liebe. Denn statt des Bauchs und der irdischen Speise, welche dort abgeschafft sind, lässt Gott sich selbst von den Kindern des Lichts mit vollkommener herzlicher Liebe umfangen, und durch solche seine Liebe macht er sie der Süßigkeit seiner wesentlichen Liebe und seines lieblichen Wesens also teilhaftig, als gäbe und reichte er aus großer Leutseligkeit sich selbst zu schmecken, zu essen und zu trinken, und wirkt dadurch himmlische Kraft und Freude in ihnen. So schmeckt ihnen denn auch unser lieber Gott so lieblich, so süß und so angenehm, dass sie dafür keiner leiblichen Speise noch irdischen Tranks, keiner Konfekte, keines Weins noch irgend welcher vergänglichen Erquickung begehren. Gott allein ist ihre allersüßte Speise und ihr süßester Trank, wie Augustin sehr lieblich hiervon schreibt und sein herzliches Verlangen dahin richtet. „O HErr mein Gott, sagt er, Du süße Liebe, lass doch meinen Leib Dich essen und alle meine Glieder mit dem süßen Trank Deiner Liebe erfüllt werden, und gib meinem Herzen, dass es hiervon dichte ein feines Lied. O mein Gott, Du bist mein Honig und Milch, mein süßer Honig und meine weiße Milch. Du bist die rechte Speise für alle, die geistlich stark sind. Lass mich doch in Dir wachsen und zunehmen, dass ich Dich mit starkem Mund essen möge. Du bist mein Leben, das ich lebe; Du bist meine Hoffnung, darüber ich halte; und meine Herrlichkeit, die ich zu erlangen begehre. O Gott, halte Du mir mein Herz, regiere mir meine Sinne, lenke mir meinen Verstand, richte auf meine Liebe, erhebe mein Gemüt, und ziehe den Mund meines durstigen Geistes hinauf zu den himmlischen Wasserströmen!“

Also ist unser lieber Gott nicht allein das Schönste im Himmel, welches die Augen sehen, das Fröhlichste, das die Ohren hören, und das Lieblichste, davon mit menschlichen und engelischen Zungen geredet wird; sondern er ist auch das Allersüßeste und Allerlieblichste, welches sie schmecken.

Wie nun der große König Himmels und der Erde seine unaussprechliche Gütigkeit genießen lässt, also findet er an seiner himmlischen Braut, was ihm wiederum auch ist wie eine angenehme Speise, wie Milch, wie Honig und wie ein süßes Opfer, aus großer inbrünstiger Liebe gegen sie. Das ist das Lobopfer und die Farren9) ihrer Lippen, wie auch ihr ganzes Herz, mit reinen Liebesflammen durchfeuert und dermaßen zu ihm gerichtet, dass sie, die auserwählte Braut, allerwege in ihm wallt, in ihm lebt, in ihm wohnt, ruht, frohlockt und ihm so wohlgefällig dient, als reichte sie ihm ihre Brüste und gäbe ihm Honig zu essen und Milch zu trinken. Und dies ist das rechte Freudenmahl, davon die Braut in dem Hohenlied rühmt: „Ich sitze unter dem Schatten, dessen ich begehre, und seine Frucht ist meiner Kehle süß. Er führt mich in den Weinkeller, und die Liebe ist sein Panier über mir. Er erquickt mich mit Blumen und labt mich mit Äpfeln; denn ich bin krank vor Liebe (Hohel. 2,3-5).“ Dagegen ergötzt sich der himmlische Bräutigam auch wiederum an ihr und spricht: Deine Brüste, meine Schwester, liebe Braut, sind lieblicher denn Wein und der Geruch deiner Salbe übertrifft alle Würze. Deine Lippen sind wie triefender Honigseim, Honig und Milch ist unter deiner Zunge. Ich habe meine Myrrhen samt meinen Würzen abgebrochen; ich habe meines Seims samt meinem Honig gegessen; ich habe meines Weins samt meiner Milch getrunken„ (Hohel. 4,10,11; 5,1),

5. Gott ist im Himmel ein Geruch des ewigen Lebens.

Weiter ist der Name Gottes in seinem himmlischen Paradies auch wie eine ausgeschüttete Salbe, edler, kräftiger und lieblicher, denn kein Freudenöl, keine Myrrhen, keine Aloe noch Kezia10) (wie in der Schrift solche Gerüche gerühmt werden) sein mag. Dazu köstlicher als der Balsam, welcher vom Haupt Aarons in seinen Bart und Kleid herabfloss und von edlen Spezereien, als Myrrhen, Zimt, Kalmus, Kasten und ÖL von Ölbäumen nach der Apotheker-Kunst bereitet war (2 Mos. 30,23 ff.). Er ist ein Geruch des ewigen Lebens und lässt seine gute Salbe ewiglich riechen. Und wie er der allerlieblichste Geruch für seine Kinder ist, also sind sie ihm wiederum mit ihrer heiligen Liebe ein köstlicher, süßer Geruch und Rauchopfer, und riechen ihm lieblicher denn im alten Testament alle Spezereien von Balsam, Stackten, Galban11) und reinem Weihrauch zusammengemengt und nach der Apothekerkunst bereitet, dass es hieß das allerheiligste Rauchwerk.

Wendet sich der König, sagt die Schrift, so gibt seine Narde alsbald den lieblichen Geruch, und sind seine Kleider wie eitel Myrrhen, Aloes und Kezia, seine Backen wie die wachsenden Würzgärtlein der Apotheker, und seine Lippen wie Rosen die mit fließender Myrrhen triefen. Desgleichen übertrifft die himmlische Braut mit ihrem Geruch alle Würze. Ihre Kleider sind wie der Geruch Libanons, ihr Gewächs wie ein Lustgarten von Granatäpfeln, mit edlen Früchten, Zypern mit Narden, Narden mit Safran, Kalmus und Zimt, mit allerlei Bäumen des Weihrauchs, Myrrhen und Aloes, mit allen besten Würzen. Wie ein Garten-Brunnen, wie ein Born lebendiger Wasser, die vom Libanon fließen.“ So kommt auch der heilige Geist immer dazu, steht auf wie ein Nordwind und kommt wie ein Südwind, und weht durch den himmlischen Lustgarten, dass seine Würze ewiglich triefen„ (Hohel. 4,11-16). Mit solchen verblümten Worten redet die Schrift von diesem Geheimnis. Dabei wollen wir es bleiben lassen, bis wir seinen rechten Verstand im ewigen Leben erreichen.

6. Gott lässt sich im Himmel von seinen Kindern. aufs Lieblichste fühlen.

Noch kommt dazu, dass unser lieber Gott als ein Wort des Lebens sich auch im Himmel fühlen lässt, indem er seine auserwählte und triumphierende Christenheit daselbst recht herzt, küsst sie mit dem Kuss seines Mundes und spricht: „Ich bin dein Schild und habe dich in meine Hände gezeichnet. Ich stärke dich und helfe dir auch. Ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit (Jes. 41,10). Meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen (Jes. 54,10). Ich bin eine feurige Mauer um dich her und bedecke dich unter dem Schatten meiner Hände, dass Wonne und Freude dich ergreifen und Trauern und Seufzen ferne von dir seien (Zach. 2,5). Darum setze mich wie ein Siegel auf dein Herz und wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn meine Liebe ist stark wie der Tod, und ihr Eifer ist fest wie die Hölle. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn, dass auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen, noch die Ströme sie ersäufen“ (Hohel. 8).

Nicht aber geht dies Herzen, Küssen und Fühlen leiblicherweise zu, weil ja Gott als ein Geist nicht wie die erschaffenen Körper gefühlt wird. Sondern es ist ein tief und doch sehr lieblich Geheimnis, davon wir nach Anleitung der Schrift mit menschlichen Worten reden, und nehmen unsere Vernunft gefangen, dass wir den rechten Verstand desselben sparen bis in jenes Leben, da wir es vollkommen verstehen und in Wahrheit erfahren werden.

Aber doch freuen sich über diesen allerfreundlichsten, ewig währenden Kuss die Auserwählten im Herrn, und ihre Seele ist fröhlich in dem lebendigen Gott. O wohl mir, sagt das himmlische Heer, die auserwählte Braut, zu ihrem Ehren-König und ewigen Bräutigam: dass ich habe den Mann, den Herrn. Ich lasse Dich nicht, Du Herrscher der ganzen Welt und Ausgang von Ewigkeit, der Du mich aus großer Liebe zu Dir gezogen hast. Darum folge ich Deinem Wort und setze Dich wie ein Siegel auf mein Herz und wie ein Siegel auf meinen Arm. Und weil ich Dich habe, HErr mein Gott, mein Heil, meine Stärke und mein Psalm, so frage ich nichts nach Himmel und Erde; denn Du bist mein und ich bin Dein, bin auch gewiss und in alle Ewigkeit mit Deinem heiligen Geiste versichert und verpfändet, dass mich Niemand kann aus Deiner Hand reißen.

Und dieser himmlische Umgang, diese selige Liebes-Gemeinschaft Gottes mit seinen auserwählten Kindern hört nicht auf, erzeugt auch keine Sattsamkeit noch Überdruss, sondern bleibt immer neu und herrlich, und ist viel zu hoch und wunderbar, als dass sie auf dieser Welt mit menschlichen Sinnen sich fassen und ergründen ließe.

7. Gott ist die Liebe und sättigt im Himmel alle engelische und menschliche Liebe.

Es ist auch nichts vorhanden, das die seligen Einwohner im himmlischen Jerusalem herzlicher lieben könnten, als unseren lieben Gott, der da alle engelische und alle menschliche Liebe mit dem wundertröstlichen Anblick seines lieblichen Wesens zur Genüge sättigen und erfüllen kann. Darum obwohl im Himmel auch eine vollkommene Liebe des Nächsten unter den Kindern des Lichts ist, dass Einer den Anderen liebt als sich selbst, so hat doch die inbrünstige Liebe zu Gott den Vorzug, dass sie ihren allmächtigen Liebhaber über alle Kreaturen aufs höchste erheben und weit vorziehen, dieweil sie alle von ihm herzlich geliebt werden und er sie aus großer Liebe wie stattliche Paläste und sonnenklare Tempel bewohnt.

Die Seele des Menschen ist doch nach Gott gebildet und trägt das himmlische Bild völlig in jenem Leben, so dass sie, wie Augustin sagt, mit dem Sohne Gottes zur hochzeitlichen Freude und zur ehelichen Verbindung sich einlassen, und mit dem König aller` heiligen Engel das süße Joch der Liebe ziehen darf. Diese Liebe zu Gott zwingt alle anderen Kräfte und Bewegungen der Seele unter sich, auf dass sie allein herrsche und das einige höchste Gut, unseren lieben Gott, ergreife und besitze. Also wird die Seele durch Liebe mit Gott vereinigt und die herzliche Liebe und Gegenliebe macht aus den Zweien Einen Geist, und indem die Seele ihren Schöpfer, himmlischen Bräutigam und ewigen Tröster ewiglich liebt, müssen alle Neigungen, alle Regungen, alle Kräfte und alle Gedanken der Seele hierzu dienen und der heiligen reinen Liebe untertänig sein.

8. Gott ist im Himmel das seligste Gut, das die Engel und Menschen mit Freuden erkennen.

Endlich ist Gott mit seiner Weisheit auch das höchste Gut, welches die Kinder des ewigen Lebens zu verstehen begehren, und das sie nach gegebenem Maß auch wirklich erkennen. Denn sie haben da nicht nur die Erstlinge, auch nicht allein den Zehnten, sondern den ganzen Schnitt des heiligen Geistes, dass sie recht sehen und erkennen das Geheimnis der heiligen Dreifaltigkeit, das Werk der wunderbaren Schöpfung, der gnadenreichen Erlösung und der seligsten Heiligung. Es sind die Geheimnisse Gottes ihnen offenbar, denn auch seine heimliche Weisheit und seinen Bund lässt er sie wissen, nicht im dunklen Wort als in einem Spiegel, sondern im Licht der gegenwärtigen himmlischen Offenbarung, mit lebendiger Stimme, dass Keiner mehr dem Anderen sagt, er kenne den Herrn, sondern sie erkennen ihn alle zugleich, beide Kleine und Große.

Und je länger sie die Tiefe der himmlischen Weisheit Gottes mit Verwunderung erforschen und ihr nachdenken, jemehr sie gelüstet, samt allen heiligen Engeln darein zu schauen, werdens nimmer müde, nimmer satt, nimmer überdrüssig; unangesehen, dass solche hohe, tiefe, breite, weite und unermessliche Weisheit nach ihrem unendlichen Abgrund unbegreiflich und unergründlich bleibt, und nicht auszumessen noch zu erzählen ist. Dennoch lässt sie sich etlichermaßen finden, so dass die hocherleuchteten Kinder Gottes soviel aus diesem Abgrund schöpfen und fassen, als ihnen not ist; sehen auch, dass die Tiefe der Gottheit eitel wesentliche Liebe ist, und schauen hinein als in einen Feuerofen, Glut und Brunst solcher Liebe, welche Himmel und Erde füllt. Diesen lieben Gott samt der Tiefe seiner Weisheit und grundlosen Güte erkennen sie gründlich und trauen ihm ewiglich mit großer Freude und Wonne als ihrem allmächtigen Liebhaber.

Seht, liebe Freunde, also ist unser Gott droben Alles in Allem, da er in seinen auserwählten Kindern wohnt und ruht. Er erquickt und erfreut alle ihre Glieder, Sinne, Herz, Mut und Gedanken, und ist das Schönste das die Augen sehen, das Fröhlichste, das die Ohren hören, das Beste, das sie riechen, das Edelste, davon sie reden, das Süßeste, was sie schmecken, das Lieblichste, was sie fühlen, das Freundlichste, was sie lieben, und das Tiefste, dem sie immer nachdenken, obschon dies Sehen, Hören, Schmecken, Reden, Riechen, Fühlen nach unbegreiflicher himmlischer Art geschieht und unser Fleisch und Blut dies große Geheimnis nicht ergründen kann.

Es ist keiner unter den heiligen Vätern, der dieser Seligkeit und verborgenem Gut so fleißig nachgeforscht hat, als der selige Augustin. Derselbe redet hin und wieder so lieblich und so tröstlich hiervon, als hätte er mit St. Paulo im dritten Himmel gestanden und alles augenscheinlich gesehen und erfahren. Darum bittet er so flehentlich, dass doch Gott mit seiner lieblichen Güte ihm alle seine Gedanken, Herz, Mut und Sinn erfüllen, besitzen und erfreuen wolle.

„O lieber Herr, spricht er, lass mich Dich erkennen, gleich wie Du mich erkannt hast. Lass mich Dich erkennen, der Du bist meiner Seele Kraft und Tugend. Erzeige Dich mir, Herr mein Tröster, und lass mich Dich sehen, der Du bist mein Licht und mein Augentrost. Komm, o Du Freude meines Herzens; lass mich Dich lieb haben, Du Leben meiner Seele. Erscheine mir, mein süßer Trost, Herr mein Gott, Du vollkommene Herrlichkeit meiner Seele. Lass mich Dich finden, Du höchste Begierde meines Herzens; lass mich Dich halten, Du ewige Liebe meiner Seele. O lass mich Dich herzen, mein himmlischer Bräutigam, der Du bist meine höchste Frohlockung inwendig und auswendig. Lass mich Dich besitzen, Du ewige Seligkeit; lass mich Dich besitzen, Du seliges Leben, Du höchste Süßigkeit meiner Seele!

Lass mich Dich lieben, HErr, meine Stärke, mein Fels, meine Zuflucht, mein Erlöser. Lass mich Dich lieben, Gott, mein Helfer, mein starker Turm und meine süße Hoffnung in aller meiner Trübsal. Lass mich Dich herzen, Du edles Gut, ohne welches nichts Gutes sein kann. Lass mich Deiner genießen, Du Allerbester. Tue mir auf das Inwendigste in meinen Ohren mit Deinem Wort, welches mehr durchdringt wie ein zweischneidiges Schwert, dass ich höre Deine Stimme. Donnere von oben herab, Herr, mit Deiner großmächtigen und starken Stimme. Das Meer brause und was darinnen ist. Das Feld sei fröhlich und alles was darauf ist. Erleuchte meine Augen, Du unbegreifliches Licht. Schieß Deine Strahlen und zerstreue sie, dass sie nicht sehen die Eitelkeit. Lass sehr blitzen und erschrecke sie, dass man sehe die Wassergüsse, und des Erdbodens Grund aufgedeckt werde (Ps. 18).

Gib mir Augen, Du unsichtbares Licht, die Dich sehen. Schaffe in mir Ruhe, Du Geruch des Lebens, dass ich Dich rieche und dass ich in dem Geruch Deiner Salbe Dir nacheile. Heile mir die Zunge meines Herzens, dass sie schmecke und unterscheide, wie groß und mannigfaltig Deine Süßigkeit sei, Herr, welche Du verborgen und beigelegt hast denen, so in Deiner Liebe völlig sind. Gib mir ein Herz, das an Dich gedenke, ein Gemüt, das Dich liebe, Sinne, die sich Deiner erinnern, rechten Verstand, der Dich ergreife, und Vernunft, welche Dir als dem allerhöchsten Gut stark anhange und Dich weislich liebe, der Du bist die allerweiseste Liebe.

O Gott, dem alle Dinge leben, von dem ich das Leben habe, durch den ich lebe und ohne den ich sterbe, mit dem ich mich erfreue und ohne den ich mich ängsten muss, mein liebstes Leben, dessen ich nimmermehr vergessen kann - sage mir doch: wo bist Du und wo soll ich Dich finden, dass ich möge in mir abnehmen und in Dir zunehmen? Ach sei doch nah meinem. Herzen, nah meinem Mund, nah meinen Ohren, nah mit Deiner Hilfe, denn ich bin krank vor Liebe und muss sterben, wenn ich Dich nicht bei mir habe. Wenn ich nur an Dich gedenke, dann werde ich gleich als vom Tod erweckt.

Dein Geruch erquickt mich und Dein Gedächtnis stärkt mich. Aber satt werde ich erst sein, wenn mir Deine Herrlichkeit wird sichtbar erscheinen. Meine Seele brennt von Liebe und herzlichem Verlangen nach Dir. Wann werde ich doch kommen und vor Dir erscheinen, o Gott meine Freude? Warum verbirgst Du Dein Antlitz? Wo mag er sich doch so verborgen halten, der Schönste, nach dem mich so sehr verlangt? Deinen Geruch schöpfe ich und lebe davon und erfreue mich daran, Dich aber sehe ich nicht. Ich höre Deine Stimme und werde lebendig. Aber warum lässt Du Dich nicht sehen? Vielleicht sprichst Du: kein Mensch kann mich sehen und lebendig bleiben. Ei mein lieber Herr, so lass mich doch sterben, auf dass ich Dich sehe! Und lass mich Dich sehen, auf dass ich dieser Welt sterbe! Ich will nicht leben, ich will sterben, ich begehre aufgelöst und bei Dir zu sein. Mich verlangt zu sterben, auf dass ich meinen Heiland sehe. Mich verdrießt, länger auf der Erde zu leben, und ich sehne mich danach, mit ihm zu leben im Himmel.

O Herr JEsu Christe, nimm auf meine Seele! O Du meine Freude, ziehe mein Herz nach Dir! O Du meine süße Speise, lass mich Dich essen! Herr mein Haupt, regiere mich; Du Licht meiner Augen, erleuchte mich; Du Gott, mein Psalm, erfreue mich; Du mein Geruch, mache mich lebendig; Wort Gottes, erquicke und labe mich! Du Herr, mein Lob, erfreue die Seele Deines Knechtes und kehre zu ihr ein. Kehre zu ihr ein, Du höchste Süßigkeit, auf dass sie Deine seligen Güter schmecke. Du ewiges Licht, mache Dich auf über sie, dass sie Dich erkenne, und Dich liebe in Ewigkeit! -“

V. Die himmlische Liebe aller Auserwählten unter einander.

Die fünfte Eigenschaft des ewigen Lebens besteht in der Liebe des Nächsten und ist der ersten Eigenschaft, da der himmlischen Liebe aller Auserwählten zu Gott gedacht wird, nahe verwandt; gleich wie das andere Hauptgebot im Gesetz: liebe Deinen Nächsten als Dich selbst! nach Christi Wort dem ersten und vornehmsten Gebot, dass wir Gott lieben sollen, aufs engste verbunden ist.

Denn weil das ewige Leben, wie droben gemeldet, ein Leben ist der freudenreichen Liebe, da Gott seine Kinder herzlich liebt und von ihnen auch herzlich wieder geliebt wird, und weil das Gesetz im Grunde von nichts Anderem handelt als von der Liebe, auch nirgends besser erfüllt wird als im Himmel: so folgt, dass gleichwie die Engel und Menschen daselbst ewiglich mit Gott leben in vollkommener Liebe, also muss auch ihr Leben,. das sie unter einander führen, nichts sein denn eitel Liebe, eitel selige Treue, eitel Freundschaft und eitel ewigwährende Freude, Lust und Herrlichkeit.

1. Wie freundlich und herzlich die Engel und Menschen im Himmel sich unter einander lieben.

Darum, wenn man fragt, was die heiligen Engel und die seligen Menschen droben im Himmel unter einander tun und wie sie leben, so ist die rechte Antwort: es liebt Einer den Anderen als sich selbst. Da wissen sie von keinem Hass, von keinem Krieg, von keinem Hader, von keiner Zwietracht, von keiner Uneinigkeit. Keiner treibt Mutwillen, keiner bläht sich, keiner stellt sich ungebärdig, keiner sucht seinen eigenen Nutzen, keiner erbittert den Anderen, keiner trachtet nach Schaden, sondern sie sind alle mit einander sehr freundlich und sehr liebreich. Es ist unter ihnen eine inbrünstige herzliche Liebe, eine süße Einigkeit, welche ihnen das Herz erfreut und allen Gliedern sanfter tut, als der Tau, der vom Hermon herab fiel auf die Berge Zion (Ps. 133). Denn von dieser ihrer holdseligen Einigkeit ist Gott selbst der Stifter, darum er sie auch mit seinem heiligen Geist ewiglich stärkt und den lieben einträchtigen Kindern mit seinem Segen immer und ewiglich beiwohnt.

Auch sieht man an ihnen eine himmlische Klarheit, dass sie von der majestätischen Einwohnung der heiligen Dreieinigkeit wie die helle Sonne leuchten. Und obwohl Einer vor dem Anderen nach verschiedener Wirkung und den mancherlei Gaben des heiligen Geistes einen Verzug hat - nicht anders wie auch ein Türkis den anderen übersticht, und die Sonne heller scheint als der Mond und der Mond heller als die Sterne und ein Stern größere Klarheit hat denn der andere - : so erhebt sich doch darüber keine Spaltung noch Missgunst, und neidet keiner seinen Nächsten der besonderen Vorzüge halber, sondern sie halten einträchtig zusammen, dass ein Jeder über des Anderen Ehre, Schmuck und Gaben sich eben so sehr erfreut, als wenn es ihm selbst widerfahren wäre, und ein Jeder dem Anderen seine Herrlichkeit von Herzen gönnt und sie ansieht, als wenn sie seine eigene wäre.

2. Wie die Auserwählten im Himmel sich unter einander kennen.

Es ist unrecht, dass man darüber viel Disputierens macht: ob die verherrlichten Kinder Gottes und Bürger im himmlischen Jerusalem sich auch unter einander kennen und Jedermann wisse, wer der Andere sei. Wer wollte doch im geringsten daran zweifeln, zumal die Schrift noch ausdrücklich bezeugt, dass das himmlische Leben lauter Liebe ist? Die Liebe, spricht St. Paulus, hört nimmer auf, so doch die Weissagungen aufhören werden, und die Sprachen aufhören werden, und das Erkenntnis - d. h. das Stückwerk aufhören wird. Hört nun die Liebe nimmer auf, so bleibt sie ewiglich, und wird der Kontrakt der Liebe im ewigen Leben vollkommen fest und unauflöslich gehalten. Was sollte aber das für eine Liebe, Einigkeit und freudenreiche Gemeinschaft der Heiligen sein, wenn keiner den Anderen kennte?

Ist doch aller Liebe Natur und Art, dass sie vor allen die zwei Tugenden in sich fasst, die da heißen: Erkenntnis der Gemüter und Gleichförmigkeit des Willens. Denn wo sich Freunde unter einander lieben, da müssen sie sich ja kennen und einerlei gesinnt sein, damit sie nicht wider einander laufen.

Weil denn die Liebe des Nächsten an keinem Ort in der ganzen weiten Welt so stark, so herrlich und so vollkommen im Schwange geht, als im ewigen Leben, da die seligen Engel und Menschen sich herzlich unter einander lieben und in der Liebe ewiglich bleiben; so folgt unwidersprechlich, dass solche Liebe und solch Leben die Anschauung und Erkenntnis der Personen mit begreift und dass die Engel den Menschen und die Menschen den Engeln, ebenso auch ein Engel dem anderen und ein Mensch dem anderen viel hundert tausendmal besser, genauer und eigentlicher bekannt sein müssen, denn Mann und Weib, Eltern und Kinder, Brüder und Schwestern, Bräutigam und Braut, Nachbarn, Freunde und Blutsverwandte in dieser Welt sich kennen und jemals erkannt haben.

Daselbst erkennt Moses den Eliam und Elias Mosen, obschon keiner den Anderen zuvor in diesem Leben mit leiblichen Augen je gesehen noch leiblich erkannt hat. Desgleichen obwohl der gottselige gläubige Hauptmann zu Kapernaum, welcher in seiner Not Christum ersuchte, der heiligen Patriarchen und Propheten im Fleisch auf Erden nie ist ansichtig geworden: so sieht und kennt er sie doch in jenem Leben, und sitzt mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tisch. Ja darum kennen sich die lieben Engel und seligen Menschen dort alle unter einander, weil sie alle voll sind des heiligen Geistes, dem nichts verborgen ist. Und kann ich hier recht vom Größeren aufs Geringere schließen in der Weise: Ist der heilige Geist in den Auserwählten und wohnt in ihnen als in seinen lebendigen Tempeln mit solcher Kraft und Klarheit, dass sie völlig illuminierte, hocherleuchtete Herzen haben und die Tiefe der Gottheit mit fröhlicher Verwunderung und ewiger Freude erkennen was fürwahr eine große überschwängliche Herrlichkeit ist wahrlich, so müssen sie auch in Gott dem allmächtigen und ewigen Licht sich unter einander kennen. Ja in dem Glanz der Herrlichkeit Gottes muss jeder Engel alle Engel und alle Menschen erkennen. Ebenso muss jeder Mensch alle Menschen und alle Engel - obwohl ihrer viel tausendmal tausend sind - unterschiedlich kennen und einen Jeglichen bei seinem Namen zu nennen wissen.

Kennen sich aber die Auserwählten im Himmel, welche auf. Erden zu den verschiedensten Zeiten gelebt und sich unter einander im Fleisch nie gekannt haben: so können doch bekannte Freunde, als gottselige Eltern und Kinder, Mann und Weib, Bräutigam und Braut, Bruder und Schwester, Verwandte und Nachbarn, welche in dieser Welt bei einander gewesen und in Liebe und Leid sich freundlich zu einander gehalten haben, in jenem ewigen Leben unmöglich einer dem Anderen unbekannt sein.

Ja mit ganzer, voller Wahrheit kann man sagen, dass ihre Bekanntschaft auf Erden nichts als elendes Halbwerk gewesen gegen die selige himmlische Erkenntnis, da sie sich untereinander tausendmal genauer, besser und eigentlicher erkennen, dazu mit inbrünstiger Liebe sich tausendmal stärker lieben und freundlicher umfangen, denn auf dieser Welt Jemand auszudenken im Stande ist. Die Liebe des Nächsten geht da in vollem Schwange und in voller Lieblichkeit, als wallte und wohnte Einer in dem Anderen, und läuft doch keine sündliche Begier, keine unzüchtige Brunst, noch säuische Weltlust und Fleischeslust mit unter. Sondern Alles ist eitel Keuschheit, eitel Zucht, eitel reine Liebe, reine Erkenntnis, Ehre, Heiligkeit und Herrlichkeit. Denn hier auf Erden waren sie noch Sünder, aber dort leben sie und lieben sie sich ohne Sünde. Und in solcher seligen Liebe finden sie ihre Himmels-Freude, und wissen so gar von keiner Zeit, dass ihnen in ihrer großen Freude und Wonne tausend Jahre sind wie Ein Tag.

3. Wie die Gottseligen in jenem Leben so einmütig sind.

Danach folgt. aus der Liebe, dass die Seligen dort auch müssen alle einerlei gesinnt und nicht irgend worin wider einander sein. Was demnach Moses, Enoch, Elias, die Patriarchen, Propheten und Väter des alten Testaments wollen, das wollen die Apostel und Christen des neuen Testaments auch. Gottes Wille geht und leuchtet ihnen allen vor, und nach seinem vorhergehenden Willen ist ihrer aller Wille einerlei Wille und einerlei Meinung, und die ganze Summa solches Willens ist, dass sie Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt, und danach auch Einer den Anderen als sich selbst.

Was nun die Kinder des Lichts einmütiglich wollen, das tun sie einmütiglich, und ihr Herz ist der einmütigen Liebe und einmütigen Freude voll. Und wovon ihr Herz voll ist, davon geht ihr Mund über, so dass sie vom ewigen Leben und von der süßesten Liebe Gottes gegen sie, wie auch von ihrer Gegenliebe zu ihm ohne Unterlass reden, pflegen der Liebe mit holdseligen freundlichen Worten, herzen sich freundlich, halten sich freundlich zusammen, haben freundliche Gespräche, singen und jubilieren ewiglich dem Herrn Zebaoth, danken ihrem Gott, preisen ihren Schöpfer, ehren ihren Vater, rühmen ihren himmlischen Bräutigam, gehorchen alle dem heiligen Geist. So sind sie voll der vollkommenen Liebe zu Gott und voll ungefärbter Liebe gegen den Nächsten, voll aller Ehren und Tugenden, voll Gerechtigkeit, voll Keuschheit, voll Wahrheit, Mäßigkeit, reden allein was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich und wohllautet, und ist etwa eine Tugend oder ein Lob (Phil. 4,8) das lässt sich in ihren Worten und Werken reichlich sehen, hören und merken.

VI. Die wahre Union.

Die sechste und letzte Eigenschaft des ewigen Lebens ist die wahre Union oder die vollkommene Einigkeit und Verknüpfung durch das Band der Liebe. Gott, Engel und Menschen sind da durch den stärksten unauflöslichen Liebes-Bund wie Ein Geist und Ein Leib, sintemal sie alle von der heiligen Dreifaltigkeit sehr lieblich erfüllt werden und sind alle Eins in Gott und Gott Eins mit ihnen, nicht anders wie alle Glieder des Menschen mit dem Haupt Ein Leib sind und sich einträchtig zusammen halten.

Dieser Union gedenkt St. Paulus, da er spricht: Wer dem Herren anhangt, der ist Ein Geist mit ihm. Und: Lasst uns rechtschaffen sein in der Liebe, und wachsen in allen Stücken an Dem, der das Haupt ist, Christus; aus welchem der ganze Leib zusammen gefügt, und ein Glied am anderen hängt, durch alle Gelenke; dadurch eins dem anderen Handreichung tut, nach dem Werk eines jeglichen Gliedes in seiner Maße (Eph. 4,15.16). Und abermal: Gleich wie Ein Leib ist, und hat doch viele Glieder; alle Glieder aber Eines Leibes, wiewohl ihrer viele sind, sind sie doch Ein Leib. Also auch Christus (1 Kor. 12,12). Ich habe ihnen, sagt Christus zu seinem himmlischen Vater, gegeben die Herrlichkeit die Du mir gegeben hast, dass sie Eins seien gleich wie wir Eins sind; ich in ihnen und Du in mir, auf dass sie vollkommen seien in Eins. Und kurz zuvor: Auf dass sie alle Eins seien, gleich wie Du Vater in mir und ich in Dir, dass auch sie in uns Eins seien (Joh. 17).

Oder wunderlieblichen und wundertröstlichen Union, deren allhier mit ganz vortrefflichen Worten gedacht wird! Auf Erden hält man es für eine Freude und Herrlichkeit, und ist auch wirklich eine Lust und gewünschtes Leben, wenn Mann und Weib nach Gottes heiliger Ordnung in keuscher ehelicher Liebe sich lieblich und holdselig vertragen und mit einander wohl begehen, sind Ein Fleisch und Ein Leib; desgleichen wenn Eltern und Kinder aus angeborener, natürlicher Liebe sich halten wie Ein Geschlecht, Bruder und Schwester wie Ein Blut, wenn also die Glieder Einer Familie fest und treu zusammen halten. Aber was sind alle diese Vereinigungen und natürlichen Verknüpfungen gegen die himmlische Union und Hochzeit, da Gott, Engel und Menschen Ein Geist, Ein Leib und vollkommen Eins genannt werden? Wahrlich, diese himmlische Union muss viel tausendmal stärker, köstlicher, teurer und angenehmer sein, denn alle menschlichen Vereinigungen auf Erden sind. Sie muss wahrlich nichts denn eitel herzliche Freude, eitel grundlose Lieblichkeit, eitel unaussprechliche Frohlockung, eitel himmlische Lust in sich begreifen.

Solches können wir abnehmen aus dem edlen Spruch unseres Herrn Christi, da er diese himmlische Union mit einem so prächtigen Namen begabt und heißt sie die Herrlichkeit Gottes.

Hier denkt, lieben Freunde, an die göttliche Herrlichkeit, wie Christus und der Vater Eins sind; alsdann werden wir dem anderen Geheimnis viel näher kommen und die himmlische Einheit der Auserwählten mit Gott um so besser verstehen.

Gott ist die Liebe und nach der Liebe Art in ihm selbst geschäftig wie eine lebendige Quelle, aus welcher eitel Werke der Liebe, als: gebären, geboren werden und im Schoß sitzen, und ausgehen, entspringen und an dem Vater, Sohn und heiligen Geist sich offenbaren. Und weil die wesentliche Liebe an ihr selbst keine wesentliche Trennung leidet, so sind der Vater, Sohn und heilige Geist unangesehen, dass sie unterschiedliche Eigenschaften haben - nicht drei Götter, sondern nur Ein Gott und Ein Wesen in drei Personen. Dies wesentliche Eins ist an sich selbst eitel Herrlichkeit, Freude und Leben, weil es eitel reine Liebe und der ewige Quell der Liebe ist. Zudem ist Christus auch Eins mit dem Vater, nach der ihm gegebenen Herrlichkeit. Denn Er ist nach seiner menschlichen Natur ein Tempel der ganzen Dreieinigkeit, in welchem die ganze Fülle der Gottheit aus unaussprechlicher Wunderliebe nicht ohne große Freude und Herrlichkeit wohnt.

Dies Geheimnis behalt wohl und denke nun weiter nach, was für eine große Herrlichkeit da sein muss, wo Gott, Engel und Menschen Eins sind nicht auf irdische Weise, wie Mann und Weib Ein Fleisch genannt werden, auch nicht wie Eltern und Kinder Ein Geschlecht sind, oder Brüder und Schwestern Ein Blut; sondern so vollkommen Eins, dass diese Vereinigung kann an die Seite gestellt werden der Union, welche Christus mit dem Vater hat.

Es will nämlich unser Herr Christus anzeigen, dass nichts Höheres, nichts Edleres, nichts Lieblicheres, nichts Besseres zu finden sei als der einige Gott, der seinem Wesen nach quellt von ewiger Liebe und ist voll von Werken der Liebe, indem der Vater aus Liebe gebiert, der Sohn aus Liebe geboren wird und der heilige Geist aus Liebe von beiden ausgeht. Nun, will Er ferner sagen, sei nächst dieser Einheit und nächst Seiner Vereinigung mit dem Vater keine Herrlichkeit zu finden, die diesem Geheimnis so nahe käme, als die himmlische Gemeinschaft Gottes mit seinen Auserwählten, Engeln und Menschen, da sie alle durch vollkommene Liebe und Gegenliebe vollkommen Eins sind. Da umfängt unser lieber Gott sehr lieblich alle seine Kinder mit den feurigen Ringmauern seiner inbrünstigen Liebe, dass sie in ihm einmütiglich ruhen und ihn ewiglich loben. Und er wohnt wiederum in ihnen als in seinem Eigentum. Siehe da eine Herrlichkeit, welche die seligen Bürger und Hausgenossen Gottes nicht für die ganze Welt hingeben würden!

St. Paulus vergleicht diese Union einem Leib, der wohl viele Glieder hat, aber doch sind die Glieder alle nur Ein Leib. Also, will er sagen, sind Gott, Engel und Menschen wie Ein Mann oder wie Ein Leib.

Was tun nun die Glieder an einem Leib? Sie hangen aneinander und nimmt sich eins des anderen an, als wäre es sein eigen. Werden die Füße verwundet und beschädigt, so kränkt sich das Herz, als wären die Füße ein Stück vom Herzen. Ist das Haupt schwach, so hat ein jedes Glied Mitleiden, als wäre es selbst das Haupt. Dies Alles kommt daher, dass sie Ein Leib sind und alle von Einer Seele durch und durch bewohnt werden. Also sind die Kinder des ewigen Lebens im himmlischen Paradies auch wie Glieder Eines Leibes mit dem heiligen Geist durch und durch eingenommen. Gott ist das Haupt und sagt von ihnen: sie sind alle mein! wer sie ängstet, der ängstet mich (Jes. 63,9). Desgleichen spricht jeder Mensch: alles ist mein! Gott ist mein! die Patriarchen, Propheten und Apostel, Paulus, Apollo, Kephas, sind alle mein! Also sagt ohne Zweifel auch jeder Engel: Gott ist mein, alle Engel und Menschen sind mein, und ist nichts im Himmel, das nicht mein wäre (1 Kor. 3,21 ff.)

Wo sich Einer erfreut, da erfreuen sie sich alle; und wo einem Menschen oder einem Engel irgend eine Widerwärtigkeit, Elend oder Unfall begegnete (was doch in alle Ewigkeit nimmer geschieht): so würde solches Gott selbst sofort empfinden, als wären ihm seine Augäpfel angetastet; und das ganze Himmels-Heer würde es durch Anregung des heiligen Geistes mit herzlichem Mitleiden fühlen, als ginge es einen Jeden selbst an. Da würden sie, gleich den Gliedern am Leib, alle mit einander trauern, zuspringen, Rettung tun und nicht eher zufrieden sein können, als bis dem Elenden geholfen wäre. Nun hat man solche Gefahr im Himmel ganz und gar nicht zu besorgen. Ich führe es auch nur an, um anzuzeigen, dass die selige Union unseres Gottes und seiner lieben Engel und Menschen im Himmel über alle Maßen stark und mächtig ist und dass sie alle brennen von feuriger Liebe, Liebesflammen, Liebesklarheit und Liebesherrlichkeit.

Da sind die Auserwählten und seligen Menschen einig mit dem allmächtigen lebendigen Gott, dessen Bild sie tragen, und sind ihm gleich, dass sie ihn lieben als ihren Liebhaber, ihn erkennen als ihren Erkenner, und wollen alles was er will; sind weise, gerecht, heilig und unsterblich, wie er auch ist. Auch sind sie ähnlich unserem einigen Erlöser und Seligmacher, und sind mit ihm und durch ihn Kinder Gottes, Priester des Allerhöchsten und herrliche Himmelsfürsten, welche in Christo und mit Christo vor dem Angesicht des Vaters ewiglich erscheinen und tragen die Kronen der Gerechtigkeit.

Einig sind sie in Gott ferner mit den heiligen Engeln. Diesen sind sie auch darin gleich, dass sie keines leiblichen Essens und Trinkens mehr bedürfen, auch nicht auf irdische Weise mehr freien noch sich freien lassen, sondern fühlen mit den Engeln eitel reine himmlische Lust, haben gleiche Freude und gleiche Seligkeit, sehen zugleich das allerlieblichste Angesicht der heiligen Dreifaltigkeit, lieben sich unter einander herzlich, loben ihren Gott einmütiglich und singen ihm das himmlische Freudenlied: Heilig, heilig, heilig ist Gott der HErr Zebaoth!

Desgleichen halten auch die Auserwählten unter sich Einigkeit und sind wie Ein Leib, vollkommen Eins in Gott und einer dem anderen ähnlich, in der Liebe, in der Erkenntnis, im Willen, in der fröhlichen Anschauung Gottes, in der Seligkeit. Einer liebt den Anderen als sich selbst, Einer kennt den Andern als sich selbst, und was Einer will, das will der Andere auch. Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, Patriarchen, Propheten, Apostel und alle Auserwählten sind alle gleich gesinnt, einmütig im heiligen Geist und fröhlich in dem Herrn, sie lieben einmütig das ganze Heer der heiligen Engel als sich selbst, werden auch von den Engeln einmütig wieder geliebt als wären sie Engel, und haben sie, Engel und Menschen, alle einerlei Lust, einerlei Leben und einerlei Seligkeit.

Sie wissen von keiner Traurigkeit, von keiner Trübsal, von keiner Angst, Schmerzen, Übeln noch Krankheit, und klagt Keiner dem Anderen irgend eine Not, Gefahr oder Unfall. Sie sind völlig in der Liebe und Keiner schmäht, beleidigt oder verfolgt den Anderen. So lässt auch Gott den Tod, welcher ist der Sünden Sold, mit seinen Plagen und Wehetagen zum himmlischen Paradies keines Weges hinein brechen. Denn seine Heiligen leben daselbst ohne Sünde und sind mit keinen sündlichen Gedanken, viel weniger mit groben Schanden und Lastern vergiftet.

Zudem fühlen sie keinen Hunger noch Durst, sondern werden mit himmlischen Gütern gesättigt. Und ob wohl sie mit keinem irdischen Brot, Semmel, Bier, Malvasier- noch Champagner-Wein sich speisen und tränken lassen, so essen dennoch die Lieben Gottes zusammen, dass sie satt werden, und trinken dass sie trunken werden, sitzen zu Tisch und sind von Herzen fröhlich. Denn Gott ist selbst ihre Speise und Trank, und kann dem sterblichen Menschen auf Erden keine Speise, kein feines Gebäck, kein köstlicher Trank, kein duftend Rauchwerk so wert und angenehm sein. Gott selbst ist seinen Auserwählten, Engeln und Menschen, hundert tausendmal anmutiger und lieblicher. Er speiset und tränkt sie mit den reichen Gütern seines Hauses. Er füllt sie mit seinem Geist, dass sie unter einander reden von Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singen und spiele dem Herrn in ihrem Herzen, und sagen Dank allezeit für Alles Gott und dem Vater in dem Namen unseres HErrn JEsu Christi.

1)
entleiht, übernimmt
2)
es schien ihm
3)
Stück Brot oder Almosen, das sich herumziehende Kurrendschüler oder Bacchanten ersungen haben; Almosen, Gabe
4)
geformte
5)
umfängt, umarmt
6)
empfängt
7)
freue dich
8)
gläubige Juden des Alten Testamentes
9)
ein geschlechtsreifes männliches Hausrind
10)
Zimtblüte
11)
ein Gummiharz, das in der Parfümerie verwendet wurde
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