Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 30. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 30. Psalm.

Dieser Psalm führt die Ueberschrift, daß er sei eine Danksagung für die Einweihung des Hauses Davids. Als David König geworden war über ganz Israel und in Jerusalem wohnte, da sandte Hiram, der König von Tyrus zu ihm, mit dem Anerbieten, ihm ein Haus von Cedern zu bauen. Als das Haus fertig war, wäre es David unmöglich gewesen, dieses Haus, das der HErr ihm gebaut hatte, ohne Gott zu beziehen. Er konnte es nicht anders beziehen, als wenn es geweiht war durch Gottes Wort und Gebet, denn. Alles wird geheiligt durch Gottes Wort und Gebet. Und dieses Weihegebet ist eben dieser Psalm. Was David hier in seinem Hause thut, das haben zu allen Zeiten alle frommen Christen auch gethan an ihren Häusern, ehe sie dieselben bezogen; ein Haus, wenn es fertig war, uneingeweiht zu beziehen, war etwas Unerhörtes. Und ich möchte auch gar nicht in einem solchen Hause wohnen, das nicht mit Gottes Wort und Gebet geweiht worden wäre; ich müßte ja jeden Augenblick fürchten, daß der Zorn und Fluch Gottes es niederschlüge und träfe mich mit als Verfluchten in einem verfluchten Hause; denn' der Segen Gottes kann ja in einem ungeweihten Hause nicht einkehren. Daß diese Sitte der Einweihung allgemein war in alter Zeit, das könnt ihr heute noch lesen an den Häusern; die Sprüche, die da stehen über dem Eingange, sind in der Regel die Texte, über die bei der Einweihung gepredigt wurde; oder es ist ein Gesangbuchsvers z. B.: Mit Gott in einer jeden Such' den Anfang und das Ende mach'; mit Gott ist Alles wohlgethan, drum fang dein Werk im Namen Jesu an; oder auch: Unsern Ausgang segne Gott, unsern Eingang gleicher maßen, segne unser täglich Brot, segne unser Thun und Lassen, segne uns mit sel'gem Sterben und mach uns zu Himmelserben rc. Diese schöne Sitte hat in neuerer Zeit, Gott sei's geklagt, fast ganz aufgehört. Die Leute bauen und beziehen ihre Häuser, ohne sie mit Gottes Wort und Gebet einzuweihen, es ist den Leuten jetziger Zeit ganz gleich, ob sie mit Gott oder ohne Gott ihr Haus beziehen; den meisten fällt dieses gar nicht einmal ein, die es aber noch thun, scheuen sich doch diese Sprüche an ihr Haus schreiben zu lassen. Warum? Die Welt möchte darüber spotten und höhnen, sie möchte daraus sehen, daß Christen in dem Hause wohnen, und das muß ja verborgen bleiben. O der elenden Menschenfurcht! Wüßte ich nicht gewiß, daß mein Haus geweiht wäre, ich würde es noch nachträglich weihen, um in einem Segenshause zu wohnen. Dieser Psalm ist eine Danksagung für Alles, was Gott David in seinem ganzen bisherigen Leben gethan hat; und es ist ja ganz natürlich, daß er, wenn er nun in oder vor seinem fertigen Hause steht, an Alles denkt, was vor dem Bau geschehen ist, und läßt sein ganzes bisheriges Leben an sich vorüber gehen, welches mit dem Bau gleichsam einen Abschluß gefunden hat. Und als er daran denkt, was der HErr ihm Alles gethan hat, bricht er in Lob und Dank aus; es umfassen diese Worte sein ganzes bisheriges äußeres und inneres Leben. Da steht David vor seinem Cedernhause in seiner großen Hauptstadt Jerusalem, er hat nun einen festen Platz, eine Wohnung gefunden und denkt an die vergangenen Tage, da er zehn Jahre lang in der Wüste umhergejagt wurde, und keinen Ort fand, wo er ruhig sein Haupt hätte hinlegen können, sondern in den Klüften und Höhlen sich verbergen mußte. Damals verfolgten ihn seine Feinde, jetzt ist er befreit von allen Feinden, damals war er im Elend und in der Angst, jetzt hat ihn Gott empor gehoben auf den königlichen Thron. Da steht er nun und ruft: Ich preise Dich, HErr, denn Du hast mich erhöhet, und lässest meine Feinde sich nicht über mich freuen. Das ist es, was ihm zuerst auf dem Herzen liegt und zum Dank bewegt: Der wunderbare Sieg über seine Feinde und die Umwandlung seines Lebens. Vorhin war er ein Verbannter, jetzt hat er ein Haus, vorhin war er ein Verfolgter, jetzt ist er ein Gebieter, vorhin war er verachtet, jetzt ist er herrlich; da muß er den HErrn preisen, er kann gar nicht anders. Er hat aber noch mehr zu danken: HErr, mein Gott, da ich schrie zu Dir, machtest Du mich gesund. Als sündiges Menschenkind ist David auch der Krankheit unterworfen, er hat auch sein Theil an der Sünde, und deshalb auch am Uebel und an der Krankheit, als Folge der Sünde. Wären wir keine Sünder, so hätten wir auch keine Krankheit, aber als Sünder müssen wir die Krankheit tragen, auch der allergesundeste Mensch kriegt davon sein Theil ab; darum auch ein Mann wie David, der ein Knecht Gottes ist. David ist also krank gewesen, was fing er denn nun an, um von seiner Krankheit befreit zu werden? Schickte er etwa nach Bethlehem, Babylon oder Damaskus und ließ die Doktor's zusammen rufen? Das verstehen meisterhaft die jetzigen Christen. David hat keinen Schritt aus dem Hause gethan, sondern er brauchte bloß das einfache, wohlfeile Mittel: Er betete zu seinem Gott. Der war sein Arzt, der ihn noch niemals im Stiche gelassen, sondern jedesmal geholfen hat. In unserer Zeit, der Zeit des Unglaubens, ist es bereits so weit gekommen, daß die ganze Welt schreit: Das heißt Gott versuchen, wenn ein Mensch krank ist und läßt keinen Arzt rufen, sondern betet zu Gott. Die Leute sagen zwar, daß sie auch beten, aber das ist in der Regel nicht wahr; und wenn es etliche auch noch thun, so ist doch stets der Doktor Nummer 1 und der liebe Gott erst Nummer 2. Zuerst wird zum Arzte gelaufen, und hinterher vielleicht noch zum lieben Gott. Wenn es die Leute noch so machten, daß sie in ihrer Krankheit zuerst sich im Glauben zu Gott wendeten, und dann meinetwegen auch einen Arzt rufen ließen, das ließe ich mir noch gefallen; aber das greuliche Volk unsrer gottlosen Zeit macht es gerade umgekehrt. Es heißt weiter: HErr, Du hast meine Seele aus der Hölle geführt, Du hast mich lebendig behalten, da die in die Hölle fuhren. Nicht bloß in leiblicher, sondern auch in geistlicher Noth sucht David Errettung bei dem HErrn. Diese Noch kommt ebenfalls von der Sünde. Steckt ein Mensch in solcher Both, und die Sünden sprechen das Urtheil: Du bist ein verlorner und verdammter Mensch, dann ist's, als ob die Hölle schon ihren Rachen aufgethan hätte, ihn zu verschlingen. Da giebt es nur eine Hülfe, den HErrn HErrn; denn ein Doktor kann da nicht helfen, und Medicin für Vergebung der Sünden giebt es nicht; nur allein der HErr kann helfen. Da schreit der Mensch zu Gott, als ob er im Wasser läge, und die Wasserwogen über sein Haupt zusammen schlügen, und er jeden Augenblick ertrinken müßte, denn die Sündennoth ist keine gemalte, sondern die schrecklichste, die es giebt. Wer darin steckt, schreit so lange als er kann: Ach, HErr, die Wasser gehen mir bis an die Seele! und ob zehn Menschen dabei stünden und wollten einem solchen den Mund zu halten und sagen: Schreie doch nicht so! es hülfe nichts. Man schreit so lange, bis man Hülfe erlangt hat, oder bis das Wasser den Mund schließt. Und der HErr sendet auch in der Noth Hülfe zur rechten Zeit. David hat in seiner Sündennoth zum HErrn geschrieen, und hat von Ihm Vergebung der Sünden empfangen, darum ist nun sein Herz fröhlich, preiset und lobet Gott. Denn wer so schreit zu dem HErrn, der wird es erfahren: Du hast mich lebendig behalten, da die in die Hölle fuhren. Ja, er ist nicht damit zufrieden, sondern er fordert auch alle Heiligen auf, die dieselbe Gnade wie er, erfahren haben, mit ihm Gott zu preisen, Seinen Namen zu verherrlichen: Ihr Heiligen, lobsinget dem HErrn, danket und preiset Seine Heiligkeit. Und warum preist denn David mit allen Heiligen den HErrn? Weil des HErrn Zorn nicht lange währt. Das ist die selige Erfahrung, darüber ist das Herz voll Jubel, Preis und Lob. Gottlob, daß Sein Zorn nur einen Augenblick währet, wer könnte den auch lange aushalten? Der Zorn Gottes ist wie ein verzehrend Feuer, er brennt durch Mark und Bein; von ihm sagt David an einem andern Ort: Ich gehe krumm und sehr gebückt, die Hand des HErrn liegt auf mir Tag und Nacht, daß mein Saft vertrocknet, wie es im Sommer dürre wird. So schrie David, als der Zorn Gottes auf ihn lag. Aber auch dieser Augenblick scheint einem noch zu lange, dünkt einem eine halbe Ewigkeit zu sein, so daß man wohl zehn Mal ausrufen muß: Hüter, ist die Nacht schier hin! Aber wenn wir die Gnade erst haben, dann ist's nur einen Augenblick. Ach, welch' eine selige Erfahrung ist es aber, wenn man erfährt, wie es hier heißt: Den Abend lang währet das Weinen, aber des Morgens die Freude. O köstliches Wort! Der HErr hat ja nicht Lust am Tode des Sünders, sondern will, daß er sich bekehre und lebe; der HErr hat Lust zum Leben. Ja, weine nur, du betrübte Seele, es dauert nicht lange, der HErr wendet dein Weinen und du wirst bald die Freude erfahren. Denn ein Weib, wenn sie gebieret, hat sie Angst; wenn sie aber geboren bat, denkt sie nicht mehr an die Angst, um der Freude willen, daß der Mensch zur Welt geboren ist. Ebenso, wenn der Mensch Vergebung der Sünden empfangen hat, vergißt er die Traurigkeit der Buße, denn Gottes Angesicht hat sich wieder zu ihm gewandt. Das ist schön, wenn man dies erfahren hat; aber wer solche Gnade von dem HErrn empfängt, der muß sich vor Eins in Acht nehmen, nämlich: Daß er nicht sicher wird. Denn wenn man Gottes Gnade empfangen hat, meint man oft über alle Berge weg zu sein. Davon sagt David: Ich aber sprach, da mir's wohl ging: Ich werde nimmermehr darnieder liegen. Denn, HErr, durch Dein Wohlgefallen hast Du meinen Berg stark gemacht; aber da Du Dein Antlitz verbargest, erschrack ich. Hat man so viel Barmherzigkeit vom HErrn empfangen, ist es so gleichsam mit vollen Sprüngen in den Himmel gegangen, dann meint man, es könne einem nicht mehr fehlen, man könne nimmermehr darnieder liegen. Da heißt es: Ich habe so reichlich die Gnade meines Gottes empfangen, habe geschmeckt wie freundlich der HErr ist, ich habe Vergebung der Sünden, Er hat alle Angst von mir weggenommen, hat Sein Wohlgefallen mir zugewandt, wer sollte mir nun etwas anhaben? Mit einem Male ist der Schatz des göttlichen Wohlgefallens weg, der HErr verbirgt Sein Angesicht, und der eben noch auf den Höhen schwebend rühmte: Der HErr hat meinen Berg stark gemacht, muß nun klagen: Ich habe Gottes Gnade verloren. Denn was den Menschen oft zur Verzweiflung bringen will, ist, daß man immer wieder Versehen macht, daß man immer wieder thut, was man so oft gelobt hat zu lassen. Da heißt es denn: Nun gehe nur nicht wieder hin zum Heiland, du darfst dein Angesicht nicht mehr zu Ihm erheben. O da sei auf deiner Hut, daß dich der Teufel nicht so weit bringe, an Gottes Gnade wankend zu werden, was er so gern erreichen möchte; denn er ist sehr geschäftig, die Gedanken des Zweifels einzuflößen, daß du sprichst: Ich wage es nun nicht mehr zu Gott zu gehn, Er hat mich verstoßen und will nichts mehr von mir wissen. Das ist der Teufel, folgst du dem, dann ist's um dich geschehn, dein Weg führt in die Hölle. Was ist daher zu thun, um sich vor Sicherheit zu hüten? Was David hier thut: Ich will, HErr, rufen zu Dir, dem HErrn will ich flehen. Das ist das einzig rechte Mittel in aller Noth, Er kann allein helfen. So muß der Mensch es machen, und nicht nachlassen im Gebet. Aber dabei werden Stunden der Verzweiflung kommen, in denen man glaubt, daß man zur Hölle und zum Tode geht; dann ruft die Seele: Was ist nütze an meinem Blute, wenn ich todt bin? Wird Dir auch der Staub danken, und Deine Treue verkündigen? Da fühlt sich der Mensch verdammt, verloren nach Leib und Seele, er kann seinen Mund nicht mehr aufthun zum Lobe Gottes, selbst nicht nach der Auferstehung, denn die Gottlosen können nur fluchen und schreien. Was ist da für ein Rath, aus der Angst zu kommen? Wiederum kein anderer, als Beten. Rufen, flehen um Gnade, das hilft allein, Gnade, Gnade ist das Wunderwort, welches alle Wunden heilt; Gnade, die gar kein Verdienst hat, Gnade, die als Bettler vor Gott steht. Das Geschrei um Gnade dringt durch die Wolken zum Herzen Gottes. Darum kann David schließen: Du hast mir meine Klage verwandelt in einen Reigen; Du hast meinen Sack ausgezogen, und mich mit Freuden gegürtet, auf daß Dir lobsinge meine Ehre, und nicht stille werde. HErr, mein Gott, ich will Dir danken in Ewigkeit. Das Schreien um Gnade giebt Sieg, und David kann errettet fröhlich rühmen; seine Klage hat sich in den herrlichsten Sieg verwandelt, sein Herz ist voller Freude: Ich weiß ja, daß ich selig werde. Darum wollte ich Dich preisen und rühmen, nicht bloß hier, sondern auch in der ewigen Seligkeit. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/harms_l/harms-der_psalter/harms_l_psalm030.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain