Collmann, K. - Das apostolische Glaubensbekenntnis und seine Bestreiter

Collmann, K. - Das apostolische Glaubensbekenntnis und seine Bestreiter

von

K. Collmann, Professor.

Leipzig
Akademische Buchhandlung (W. Faber)
1893.

Wir leben in einer Zeit, in der die Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung wanken. Eine weitverbreitete Partei bezeichnet es geradezu als ihr Ziel, die ganze staatliche und wirtschaftliche Ordnung umzustoßen und eine ganz neue Weltordnung herbeizuführen. Es handelt sich dabei zunächst um irdische, weltliche Verhältnisse, um die Interessen des vierten Standes, aber wie nie ein großer geistiger Kampf die Religion unberührt gelassen hat, so steht auch im Mittelpunkte des heutigen Geisterkampfes die Religion. Die neue Weltordnung beruht auf einer neuen Weltanschauung. Die alte d. i. die christliche Weltanschauung verträgt sich nicht mit ihr. Das Christentum, die Kirche muss vernichtet werden, das ist die, wenn auch oft unter der Phrase, die Religion solle Privatsache sein, verborgene, doch zu Zeiten deutlich genug ausgesprochene Losung. Die neue Weltanschauung ist freilich kein Erzeugnis der Sozialdemokratie, sie ist in den gebildeten und besitzenden Klassen, sie ist von der modernen ungläubigen Wissenschaft hervorgebracht worden. Die Sozialdemokratie zieht nur die praktischen Folgerungen aus dem, was die Herren der Wissenschaft gepredigt und die aufgeklärten Männer des Geldes und des Genusses mit Behagen nachgesprochen haben. Es ist eine entsetzliche, aber unzweifelhafte Tatsache, dass Tausende und Abertausende in unserem Volk, Gebildete und Ungebildete, mit der Religion völlig gebrochen haben und der Gottesleugnung und dem Materialismus verfallen sind. Es gibt freilich noch viele, die nicht alle Religion wegwerfen, die sich eine gewisse Religiosität bewahren, die noch Christen sein und heißen wollen und doch mit dem geschichtlichen Christentum nichts anzufangen wissen und an dem Glauben der christlichen Kirche den ärgsten Anstoß nehmen. Als ein Vertreter dieser Richtung ist von Egidy durch sein Schriftchen „Ernste Gedanken“ eine Zeitlang zu einer gewissen Berühmtheit gekommen. In seiner Art wohlgemeint, ist doch das Schriftchen ungemein oberflächlich und entbehrt alles tieferen Verständnisses für den christlichen Glauben, dass es dennoch eine Zeitlang solches Aufsehen gemacht hat, erklärt sich aus der weiten Verbreitung ähnlicher Gedanken unter den Gebildeten. Die Bewegung, die Egidy zu einer Reform der Kirche in seinem Sinne angeregt hat, ist bereits im Sande verlaufen. Aber bedenklicher ist es, wenn die, welche zu Wächtern der Kirche berufen sind, wenn Pastoren das Heiligtum antasten und öffentlich gegen den allgemeinen Glauben der Christenheit auftreten. Das ist aber geschehen; ein junger Württemberger Pfarrer hat erst seiner Gemeinde, dann seiner Oberbehörde erklärt, er könne das apostolische Glaubensbekenntnis nicht verlesen, weil er in vielen Sätzen Anstoß nehme; er ist seines Amtes enthoben worden. In viel gröberer Weise hat sich ein badischer Pfarrer über das apostolische Glaubensbekenntnis ausgelassen, er ist im Amte verblieben, hat in der badischen unierten Landeskirche, die ja ein festes Bekenntnis nicht besitzt, auch offenbar viele Gesinnungsgenossen, der dortige Oberkirchenrat hat denn auch einen Erlass gegeben, der nicht gehauen und gestochen ist. Noch viel größere Bewegung aber haben die Äußerungen hervorgerufen, die ein hochangesehener Professor in Berlin, Harnack, getan hat. Eine Anzahl Studenten der Theologie haben sich an ihn um Rat gewandt, weil sie beim Kirchenregiment um Abschaffung der Verlesung des Apostolikums im Gottesdienst einkommen wollten, und er hat ihnen zwar davon abgeraten, aber zugleich ausgesprochen, das apostolische Glaubensbekenntnis enthalte eine Anzahl Sätze, an denen ein gereifter, an dem Verständnis der Schrift und an der Geschichte gebildeter Christ Anstoß nehmen müsse, hat es für eine dringende Aufgabe der Kirche erklärt, das apostolische Glaubensbekenntnis zu verbessern. Wird auch der Kampf, der darüber entbrannt ist, sich wohl bald wieder legen, so ist doch diese Antastung des ältesten allgemeinen Bekenntnisses der Christenheit durch einen angesehenen Theologen, der keineswegs zu den Ungläubigen gehören will, ein ernstes Zeichen der Zeit ein Vorzeichen kommender Stürme, und darum halte ich es für heilsam, ein Wort von der Bedeutung des Apostolikums wider seine Bestreiter zu sagen.

Als die Nachricht von dem Auftreten des Professor Harnack durch die Zeitungen ging, da gab man der Sache vielfach den Anstrich, als ob es sich um neue geschichtliche Forschungen und Entdeckungen dieses Gelehrten handele. Das sogenannte apostolische Glaubensbekenntnis, so hieß es, rühre nicht, wie man gemeint habe, von den Aposteln her, sondern stamme erst aus dem 8. oder 9. Jahrhundert, und das ganze Ansehen dieses Bekenntnisses werde dadurch erschüttert. Solches Gerede erklärt sich nur aus der Oberflächlichkeit, mit der man in weiten Kreisen kirchliche Dinge zu behandeln pflegt. Das Ansehen des apostolischen Glaubensbekenntnisses in unserer evangelisch-lutherischen Kirche beruht nicht auf seiner angeblichen apostolischen Herkunft, sondern darauf, dass es die Summa der apostolischen Predigt in knappem, meist der heiligen Schrift entnommenem Ausdruck unübertrefflich wiedergibt. Allerdings war man im Mittelalter der Meinung, das Bekenntnis rühre wörtlich von den Aposteln her, und schon im 6. Jahrhundert erzählte man allgemein, die Sage ist sogar viel älter, sie taucht bereits im 4. Jahrhundert auf, als die Apostel auseinander gegangen wären, oder gar schon alsbald am ersten Pfingstfest, nach der Ausgießung des heiligen Geistes, hätten sie das apostolische Glaubensbekenntnis in der Art verfasst, dass sie der Reihe nach jeder einen Satz gesprochen hätten, Petrus: Ich glaube an Gott den Vater, Allmächtigen, Schöpfer Himmels und der Erden, Andreas: Und an Jesum Christum, seinen eingebornen Sohn, unsern Herrn, Jakobus: Der empfangen ist von dem heiligen Geist, geboren aus Maria der Jungfrau, Johannes: Gelitten unter Pontio Pilato, gekreuzigt, gestorben und begraben … und so fort, bis Matthias geredet habe: Und ein ewiges Leben. Dass diese Sage, die den apostolischen Ursprung zudem sehr mechanisch fasst, unbegründet sei, hat man schon in der Reformationszeit gewusst, und die evangelische Kirche hat darauf nie einen Wert gelegt. Man lehrt es allgemein in den Schulen und im Konfirmandenunterricht: Wir nennen das Bekenntnis apostolisch, nicht weil wir glaubten, es rührte so, wie es ist, von den Aposteln her, sondern weil sein Inhalt apostolisch ist, oder weil es in kurzen Worten die Summa der apostolischen Predigt enthält. Wie es sich aber mit der Entstehung dieses Bekenntnisses verhalte, darüber haben zwei hervorragende lutherische Theologen gründliche Forschungen angestellt, Gerhard von Zezschwitz, zuletzt Professor in Erlangen, und vor allem der erst im vergangenen Jahre heimgegangene Professor in Christiania Karl Paul Caspari, ein getaufter Jude, aber einer der gelehrtesten und tüchtigsten gläubigen Theologen unseres Jahrhunderts. Was Harnack darüber in seiner Streitschrift „Ein Kampf um das Apostolikum“ gesagt hat, beruht wesentlich auf den Forschungen dieser Männer. Es ist aber ganz und gar unrichtig, dass das apostolische Glaubensbekenntnis erst im 8. oder 9. Jahrhundert entstanden sei, es ist auch irreführend, wenn man sagt, es sei im 4. oder 5. Jahrhundert entstanden. Der Hauptsache nach ist es uralt, seine Entstehung reicht sicher bis in die apostolische Zeit, es sind nur nach und nach etliche Zusätze hinzugefügt, die meist bloß erklärender Art sind. Es war nämlich von uralter Zeit her das Taufbekenntnis, das vor der Taufe dem Täufling feierlich mitgeteilt und bei der Taufe von ihm bekannt wurde, und es ist erwachsen aus dem Taufbefehl Jesu: Tauft sie in den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes und der darauf ruhenden Taufformel; nach den drei Personen ist es ja deutlich in die drei Teile gegliedert, die wir die drei Artikel nennen. Von dem Täufling verlangte man naturgemäß ein kurzes Glaubensbekenntnis, zunächst nur, dass Jesus der Christ oder der Sohn Gottes sei; bald aber fasste man die Hauptstücke der apostolischen Predigt in ein kurzes Bekenntnis, und wir finden schon im Neuen Testament deutliche Anklänge an ein solches. Wenn Paulus 1. Tim. 6,12 den Timotheus an das gute Bekenntnis, das er vor vielen Zeugen abgelegt habe, erinnert, so ist das wohl kaum anders als von seinem Taufbekenntnis gemeint, und wenn er hinzufügt: „Ich gebiete dir vor Gott, der alle Dinge lebendig macht, und vor Jesu Christo, der unter Pontius Pilatus bezeugt hat ein gutes Bekenntnis,“ und im 2. Timotheusbrief (2,8) in ähnlichem Zusammenhang sagt: „Halte im Gedächtnis Jesum Christum, der auferstanden ist von den Toten“, und später (4,1): „So bezeuge ich vor Gott und Christo, der zukünftig ist zu richten die Lebendigen und die Toten“, so erinnert das auffallend an unser Bekenntnis. Nehmen wir dazu Stellen wie 1. Kor. 15,3 ff.: „Ich habe euch zuvörderst gegeben, welches ich auch empfangen habe. dass Christus gestorben sei für unsere Sünden nach der Schrift, und dass er begraben sei, und dass er auferstanden sei am dritten Tage nach der Schrift“, oder 1. Petri 3,18.22: „Sintemal auch Christus einmal für unsere Sünden gelitten hat und ist getötet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist welcher ist zur Rechten Gottes in den Himmel gefahren“, so scheinen auch sie an ein formuliertes Bekenntnis zu erinnern. Nach alle dem kann es nicht zweifelhaft sein, dass bereits in der apostolischen Zeit ein bestimmtes Taufbekenntnis entstanden ist, das die Haupttatsachen des christlichen Glaubens enthielt.

So finden wir denn auch bei den unmittelbaren Schülern der Apostel, wie bei Ignatius von Antiochien und Polykarpus von Smyrna, die in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts wirkten, deutliche Beziehungen auf dies Bekenntnis, und Justinus der Märtyrer bezeugt um 139 n. Chr. ausdrücklich, dass die Täuflinge bei der Taufe ihren Glauben an die Wahrheit der apostolischen Lehre bekennen, und wenn er dabei erwähnt, die Taufe geschehe auf den Namen des Vaters des Alls, Gottes des Herrn, und auf den Namen Jesu Christi, der unter Pontio Pilato gekreuzigt sei, und des heiligen Geistes, der durch die Propheten geweissagt habe, so ist auch darin eine deutliche Beziehung auf den Inhalt dieses Taufbekenntnisses unverkennbar.

Die hervorragendsten Kirchenlehrer aber, die am Ende des 2. und am Anfang des 3. Jahrhunderts wirkten, Irenäus, Tertullian und Origenes, bezeugen auf das bestimmteste, dass dies Taufbekenntnis auf die Überlieferung der Apostel zurückgehe. Von den Aposteln her wird die Regel der Wahrheit, die der Täufling bei der Taufe empfängt, durch die auf einander folgenden Ältesten oder Bischöfe bewahrt, sagt Irenäus, der noch von den Schülern der Apostel den Unterricht empfangen hatte, und dasselbe bezeugen Tertullian und Origenes. Sie führen die Formel dieses Bekenntnisses zwar nicht wörtlich an, weil sie bereits als ein Geheimnis galt, das den Ungläubigen nicht preisgegeben werden durfte, und in seinem Wortlaute den Täuflingen erst unmittelbar vor der Taufe mitgeteilt wurde, aber dennoch können wir aus ihren Schriften nach ihren einzelnen Angaben dies Bekenntnis vollständig zusammenstellen, und wir kennen auch seinen Wortlaut, wie er bereits vor dem Jahre 150 in Rom lautete. Die römische Gemeinde, die einzige im Abendlande, die von Aposteln gegründet war, bewahrte diese Formel unverändert mit großer Treue durch Jahrhunderte hin, und wie Tertullian ausdrücklich von Afrika bezeugt, empfingen sie von ihr die andern abendländischen Kirchen. In dieser Formel haben wir im wesentlichen das von den Aposteln her überlieferte Taufbekenntnis; sie lautet aber folgendermaßen: „Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, und an Jesum Christum, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, der geboren ist von dem heiligen Geist aus Maria der Jungfrau, gekreuzigt unter Pontio Pilato und begraben, am dritten Tage auferstanden von den Toten, sitzt zur Rechten des Vaters, von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten, und an den heiligen Geist, eine heilige Kirche, Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches.“

Es bedarf keiner weiteren Ausführung, dass dies Bekenntnis im wesentlichen unser apostolisches Glaubensbekenntnis ist. Dieses enthält freilich eine Reihe von Zusätzen, aber sie sind meist nur natürliche Ergänzungen oder genauere Fassungen. Manche dieser Zusätze sind uralt, wie gleich im 1. Artikel die selbstverständlichen, aber für Heiden notwendigen Worte: „Schöpfer Himmels und der Erden“, die nach Tertullians Zeugnis schon im zweiten Jahrhundert in Afrika im Taufbekenntnis standen und ebenso im Morgenland schon früh allgemein aufgenommen wurden, auch die Schlussworte des dritten Artikels, die erst einen rechten Abschluss geben „und ein ewiges Leben“ waren im Morgenland schon früh allgemein hinzugesetzt. Der Satz „empfangen vom heiligen Geist, geboren von Maria der Jungfrau“ drückt dasselbe nur etwas genauer aus, was das alte Bekenntnis mit den Worten sagt: „geboren von dem heiligen Geist aus Maria der Jungfrau“, und ebenso ist es nur ein vollständigerer Ausdruck, wenn statt „gekreuzigt unter Pontio Pilato und begraben“ gesagt wird „gelitten unter Pontio Pilato, gekreuzigt, gestorben und begraben“. Die spätesten Zusätze sind „niedergefahren zur Hölle“ und „Gemeinschaft der Heiligen“. Der erste erscheint im vierten Jahrhundert schon häufig, der letzte zuerst um 400; auch sie aber enthalten unzweifelhaft von der Schrift bezeugte Tatsachen. In Rom hielt man, wie wir gehört haben, sehr streng und treu an dem alten Wortlaut fest; dort bekannte der Täufling seinen Glauben stets vor der ganzen Gemeine, und darum konnte nicht leicht etwas daran verändert werden. Anderwärts war man freier; besonders im Morgenland machte man allerlei Zusätze gegen die Irrlehrer, und als im Kampf gegen die Arianer das sogenannte Nicänische Symbol entstand, wurde es im Morgenland das Taufbekenntnis, und die morgenländische Kirche vergaß das alte apostolische Symbol, sie kennt es auch heute nicht. Dagegen hielt man es im Abendland als Taufbekenntnis fest; doch wurden die vorhin angeführten Zusätze allmählich allgemein angenommen. In Südgallien bekam es um 450 seine jetzige Gestalt, und diese wurde zuletzt auch in Rom angenommen.

Das ist in kurzen Zügen, was wir über die Entwicklung des apostolischen Glaubensbekenntnisses wissen, und es ist das nach unzweifelhaft, dass es in der Hauptsache wirklich aus der apostolischen Zeit stammt, wenn es auch nicht wörtlich von den Aposteln zusammengestellt und vorgeschrieben ist, dass es das älteste und ehrwürdigste Bekenntnis der Kirche ist, zu dem sich die ganze Kirche auf Erden bekennt; denn auch die morgenländische Kirche erkennt ja seinen Inhalt vollständig an. Diesen Inhalt aber bilden nicht Lehren, sondern Tatsachen, die Tatsachen der Erlösung, die Tatsachen des Heils, welche die apostolische Predigt bezeugt, und zwar in der knappsten Form, in biblischen Worten, einfach und schlicht, aber in ihrer Einfachheit und Schlichtheit wahrhaft großartig. Darum ist es und bleibt es das eigne Bekenntnis der Gemeinde, darum eignete es sich vortrefflich wie zur Grundlage des Unterrichts, den die Täuflinge empfingen, so zum Taufbekenntnis, in dem diese bei der Taufe ihren Glauben bekannten.

So hat denn auch die abendländische Kirche das apostolische Symbolum durch das ganze Mittelalter hin als Taufbekenntnis und als Grundlage des Unterrichts beibehalten. Seitdem die Kindertaufe allgemeine Sitte geworden war, bekannten es die Paten, und sie übernahmen damit neben den Eltern die Pflicht, das Kind dies Bekenntnis zu lehren. Wenn es herangewachsen zur Beichte zugelassen werden sollte, dann musste es neben dem Vaterunser und den Beichtfragen auch das apostolische Glaubensbekenntnis auswendig wissen, und schon Karl der Große verordnete, dass niemand zur Beichte und zum heiligen Abendmahl zugelassen werde, der diese Stücke nicht inne habe. Welchen Wert aber die mittelalterliche Kirche auf dies Bekenntnis legte, und wie sie es als das eigentliche Grundbekenntnis betrachtete, zeigt sich darin, dass es täglich außer an Sonn- und Festtagen, wo man das Nicänische Bekenntnis gebrauchte im öffentlichen Gottesdienst - freilich in lateinischer Sprache bekannt wurde.

Diese bedeutsame Stellung im kirchlichen Leben aber hat die Kirche der Reformation dem apostolischen Glaubensbekenntnis nicht geraubt, sondern sie hat es vielmehr erst recht in den Mittelpunkt des kirchlichen Lebens gestellt. Die evangelisch-lutherische Kirche hat sich im Konkordienbuch zu diesem Bekenntnis als dem ältesten der ökumenischen d. i. allgemein anerkannten Bekenntnisse zuerst vor allen bekannt und damit ihre Einheit mit der alten katholischen und apostolischen Kirche bezeugt. Aber sie hat es auch im kirchlichen Gebrauche zu ihrem eigentlichen Hauptbekenntnis gemacht. Luther hat ihm zunächst seine uralte Bedeutung als Taufbekenntnis gelassen. Es ist nach Luthers Taufbüchlein das Bekenntnis des Glaubens, das die Paten für das Kind bekennen, und in dem sie es zu erziehen geloben, und so ist es in der ganzen lutherischen Kirche geblieben bis auf diesen Tag, und die Paten bekräftigen mit ihrem Ja das Bekenntnis zu diesem Glauben und das Versprechen, in ihm die Kinder zu erziehen. Wie es aber in der alten Kirche dem Taufunterricht und in der mittelalterlichen Kirche dem Beichtunterricht zu Grunde lag, so hat Luther es erst recht zum Mittelpunkt des Unterrichts der getauften Kinder gemacht, indem er es in seinen großen wie kleinen Katechismus aufgenommen und das Hauptstück vom Glauben als den Mittelpunkt des ganzen Katechismus in die Worte dieses Bekenntnisses gefasst hat. Er hat es uns aber doppelt lieb und wert gemacht durch seine unübertreffliche Erklärung im kleinen Katechismus. Damit lehrt er einen jeden Christenmenschen die großen Taten Gottes, die das Bekenntnis ausspricht, sich selber aneignen; er lehrt mich im Glauben fassen und begreifen, was mir Gott der Vater, was mir Gott der Sohn, was mir der heilige Geist ist und sein und werden soll. Mit dieser einfältigen und doch so meisterhaften Erklärung Luthers ist uns das apostolische Glaubensbekenntnis die Grundlage der eigenen Glaubenslehre in Schule und Konfirmandenunterricht geworden und wird es bleiben, so lange die evangelisch-lutherische Kirche auf Erden Gottes Werk ausrichtet. Als die evangelische Kirche später in der Konfirmationshandlung einen Abschluss des Unterrichts der getauften Kinder einführte, durch den sie ihnen den Zutritt zum heiligen Abendmahl gewährte, und in dem sie sie anhielt, ihren Taufbund zu bekräftigen, da konnte sie nicht anders, als das Glaubensbekenntnis ihnen in den Mund legen, das bei ihrer Taufe von ihren Paten für sie bekannt war, und so legen denn die Kinder dies Bekenntnis feierlich bei ihrer Konfirmation ab, und wer von uns denkt nicht, wenn er aus dem Munde der Kinder dies einstimmige Bekenntnis vernimmt, tief ergriffen an die Stunde, wo er es auch einst aus bewegtem Herzen mitbekannt und bei diesem Glauben bis an sein Ende zu bleiben gelobt hat? Aber darum ist es nicht etwa bloß das Bekenntnis der Kinder, über das der gereifte und erfahrene Christ mehr und mehr hinauswüchse, sondern es ist das Bekenntnis der Kirche, in das er mehr und mehr hineinwachsen, und das er in immer tieferem Verständnis und festerem Glauben täglich betend bekennen soll. Wenn Luther sagt, dass er, obwohl ein alter Doktor, täglich den Katechismus bete und an ihm lerne, so meint er an erster Stelle den christlichen Glauben, und was man von der heiligen Schrift sagt, dass ein Lamm darin waten und ein Elefant darin schwimmen könne, das gilt auch vom apostolischen Glauben: der einfältigste Christ sieht darin den Ausdruck seines Glaubens, seinen Halt und Trost im Leben und Sterben, und der größte christliche Gelehrte schöpft die Tiefen des Geheimnisses nicht aus, die darin enthalten sind, und bekennt, dass er es nimmer auslerne. Darum lehrt uns auch Luther im Katechismus, dass wir täglich am Morgen, wenn wir aufstehen, und am Abend, wenn wir uns niederlegen, den Glauben d. i. das apostolische Glaubensbekenntnis beten sollen. An jedem Sonntage aber das ist die Ordnung unserer Kirche bekennt die Gemeinde als ihr Ja und Amen auf die Verkündigung des Evangelium den apostolischen Glauben, und damit sie das selber mit einstimmigem Munde vermöge, hat Luther es in den uns allen wohl vertrauten Gesang gefasst, den wir so manchmal im Gottesdienst gesungen. Überschauen wir diese großartige Bedeutung des apostolischen Bekenntnisses in unserm kirchlichen Leben, ist es denn zu viel gesagt, dass Luther, dass unsere Kirche es in den Mittelpunkt des kirchlichen Lebens wie des einzelnen Christenlebens gestellt hat?

Und nun gegen dieses älteste Bekenntnis der Christenheit, zu dem die evangelische Kirche sich allezeit ebenso mit ganzem Herzen bekannt hat, wie die gesamte Christenheit auf Erden, sind inmitten der deutschen evangelischen Kirche die heftigsten Angriffe gerichtet, und es ist von Pfarrern verlangt worden, dass eine vorgeschriebene Vorlesung im Gottesdienst, bei der Taufe, die Verpflichtung der Konfirmanden darauf abgeschafft werde, es hat ein angesehener Professor der Theologie in Berlin es als dringende Aufgabe der evangelischen Kirche erklärt dies Bekenntnis zu verbessern, weil ein gereifter, an dem Verständnis des Evangeliums und an der Geschichte gebildeter Christ Anstoß an mehreren Sätzen des Apostolikums nehmen müsse. Die Gegner sind ja freilich unter sich nicht einig, die einen verwerfen im Grunde das ganze Apostolikum abgesehen vielleicht vom 1. Artikel - die andern, wie Professor Harnack, wollen es nur in einzelnen Stücken verbessert haben.

Der Anstoß an dem Bekenntnis hat seinen Grund freilich nicht etwa darin, dass es mit der heiligen Schrift nicht übereinstimmte, sondern eben darin, dass es der heiligen Schrift vollkommen entspricht. Was der eigentliche Hauptanstoß ist, können wir von Egidy hören, der zwar nicht ausdrücklich vom Apostolikum redet, aber es doch offenbar im Auge hat. Ihm ist das eigentliche Ärgernis, dass Christus ein Gott sein solle nach der Lehre der Kirche; das ist freilich sehr verkehrt ausgedrückt, denn es lautet, als ob die Kirche drei Götter lehrte. Aber allerdings ist es die Kernfrage, um die es sich zwischen Glauben und Unglauben handelt, ob Jesus wahrhaftiger Gott ist, vom Vater in Ewigkeit geboren, und auch wahrhaftiger Mensch, von der Jungfrau Maria geboren. Nun nennt das apostolische Bekenntnis den Herrn Jesus zwar nicht ausdrücklich Gott, aber es nennt ihn den eingebornen Sohn „Gottes, unsern Herrn“, und damit meint es dasselbe. Denn unser „Herr“ heißt Jesus nicht im Sinne eines menschlichen Herrn, sondern in demselben Sinne wie Gott; es ist der alttestamentliche Name Gottes - Adonai, der Herr, der im neuen Testament auf Jesum übertragen wird. Die Bezeichnung „eingeborener Sohn“ aber stammt aus dem Evangelium Johannis, sie wird nirgends sonst im neuen Testament gebraucht. Was sie aber bei Johannes bedeutet, das sagt uns sein Zeugnis, das Wort d. i. der Sohn Gottes sei im Anfang vor der Weltschöpfung gewesen, sei bei Gott und selber Gott gewesen (Joh. 1,1), und Jesu eigene Worte bei Johannes: „Ehe denn Abraham ward, bin ich“ (Joh. 8,58) und „Verkläre mich du, Vater, mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war“ (Joh. 17,5) und das ist nichts anderes, als was Luther bekennt: „Wahrhaftiger Gott, vom Vater in Ewigkeit geboren“. So hat es auch die Kirche von Anbeginn verstanden. Der früher genannte Apostelschüler Ignatius sagt mit Vorliebe: „Unser Gott Jesus Christus“, und zu derselben Zeit schon bezeugt der heidnische Schriftsteller Plinius, die Christen sängen Christo Loblieder als einem Gott. Wer aber in Christo einen bloßen Menschen sieht, der kann natürlich auch nicht glauben, dass er vom heiligen Geist empfangen, dass er auferstanden ist von den Toten, aufgefahren gen Himmel und von dannen wiederkommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten. Egidy sagt: „Ich soll glauben, dass Jesus Christus durch einen andern Vorgang Mensch wurde, als wir alle geworden sind, und das zu glauben ist unmöglich. Ebenso unmöglich ist es zu glauben, dass ein wirklich toter Mensch zum Leben erwacht, und ebenso unmöglich ist es zu glauben, dass eine Wolke vom Himmel niedersteigt, einen Menschen in sich aufnimmt und in den Äther führt.“ Er erklärt alle Wunder der Bibel für Unwahrheiten. Das ist gar nicht verwunderlich. Es ist richtig: das alles ist unmöglich zu glauben für den natürlichen Menschen; das ist nichts neues, der Apostel Paulus sagt schon: „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes“. Ja, das ist der Standpunkt von vielen Tausenden in der Christenheit, und mit Vernunftsgründen können und wollen wir auch nicht ihnen die Wahrheit beweisen: den Glauben lehrt allein der heilige Geist, wie Luther sagt: „Ich glaube, dass ich nicht aus eigner Vernunft, noch Kraft an Jesum Christum glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der heilige Geist heiligt und erhält mich im Glauben“. Wenn nun ein Mensch sagt: Das kann ich nicht glauben, und darum kann ich kein Glied der Kirche, kann ich kein Christ sein so ist das ehrlich und vollkommen richtig geredet. Aber wunderlich ist es, wenn Leute wie Egydi kommen und sagen: „Nein! ich bin doch ein Christ, ich habe sogar das allein wahre Christentum!“ wenn solche Leute als Reformatoren der Kirche auftreten wollen und fordern: „Die Kirche soll diese Lehre aufgeben, dann will ich mich mit ihr aussöhnen“. Wenn die Kirche das aufgibt, dann gibt sie sich selbst auf, dann hört die Kirche, dann hört das Christentum auf. Denn das ist der eigene Kern des Christentums: die Erlösung durch Jesum Christum, den menschgewordenen Gottessohn, der für unsere Sünden gestorben und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt ist. Das kann, wer hören und verstehen will, 1. Kor. 15 vom Apostel Paulus hören. Man sagt freilich, der Kern des Christentums sei die Liebe zu Gott und dem Nächsten. Aber die Liebe ist nur die Frucht dieses Glaubens; dieser Glaube hat durch alle Jahrhunderte hin sich durch die Liebe tätig bewiesen, und ohne diesen Glauben ist weder je diese Liebe vorhanden gewesen, noch wird sie je ohne ihn vorhanden und wirksam sein. Wer die Frucht haben will, der muss auch die Wurzel nehmen; die Wurzel aber der wahrhaftigen Liebe zu Gott und den Menschen ist der Glaube an Jesum Christum d. h. nicht irgend ein Fürwahrhalten, eine Überzeugung, ein Erkenntnis, sondern ein persönliches Verhältnis zu dem lebendigen Christus. Ein solches aber kann der nicht haben, der nur einen toten Jesus kennt, und wäre er auch der vortrefflichste Mensch gewesen.

Aber Professor Harnack in Berlin bekennt sich ja zu einem lebendigen Christus. Er sagt selbst, dass es sich um die Person Christi heutzutage handele, und er bekennt von dieser Person Christi, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist oder der Gottmensch, das ist Fundament und Eckstein des Christentums. Er bekennt auch, dass Jesus auferstanden ist von den Toten, sitzt zur Rechten Gottes, wiederkommen wird zu richten die Lebendigen und die Toten, wenigstens wendet er gegen diese Glaubenssätze nichts ein. Nun, wenn das ist, dann sind wir wohl in der Hauptsache einig, und wenn Harnack meint, es fehlte dem Bekenntnis einiges, es müsse einen vollständigen Bericht von Jesu Leben, wie er von Johannes getauft sei, umhergezogen sei und gepredigt, und die Kranken gesund gemacht habe, enthalten und eine Darstellung von seiner Persönlichkeit geben, so mag man das wohl für eine sonderbare Liebhaberei halten, es ihm auch zugute halten, dass er an einzelnen Ausdrücken mäkelt, aber gefährlich scheint das nicht zu sein. Aber es muss ja wohl doch nicht so sein, denn Harnack bezeichnet die Verpflichtung der Geistlichen auf das Apostolikum als einen Notstand der Kirche, der dringend beseitigt werden muss. Harnack muss also gewichtige Anstöße an dem Bekenntnis nehmen, und wenn wir fragen welche? so ist es vor allem die übernatürliche Geburt Jesu und schließlich Gottheit. Aber wie ist das möglich? Harnack nennt ihn ja den Gottmenschen? Ja, das ist die Kunst der neueren Theologie, die klaren Worte der heiligen Schrift und des Bekenntnisses in ihrem Sinne umzudeuten. Harnack nennt Jesum zwar den Gottmenschen, aber er versteht darunter etwas ganz anderes als die Kirche, und das deutet er wohl auch an, wenn er seinen früher angeführten Worten hinzufügt: „Der Ausdruck (Gottmensch) stammt aus der griechischen Theologie, aber der Gedanke ist evangelisch“. Freilich der Gedanke ist evangelisch - aber ist auch das evangelisch, was Professor Harnack sich darunter denkt? Gottmensch heißt ihm nämlich „der Mensch, in dem Gott erkannt und begriffen wird“. Wohl ist Jesus der, in welchem Gott erkannt wird, niemand hat Gott gesehen, der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündigt (Joh. 1,18) und wer ihn sieht, der sieht den Vater (Joh. 14,9) - aber damit ist der Begriff „Gottmensch“ wie ihn die Kirche versteht, nicht erschöpft, sondern er bedeutet ihr, dass Christus ist wahrhaftiger Gott, vom Vater in Ewigkeit geboren, und auch „wahrhaftiger Mensch, von der Jungfrau Maria geboren“. Aber das ist Jesus Christus für Harnack nicht, sondern er ist für ihn ein Mensch, mag sein ein sündloser Mensch, vom heiligen Geist erfüllt und mit Gott innerlich eins, wie kein andrer Mensch, aber nicht wahrhaftiger Gott. Er ist ihm ein Mensch, der leibliche Sohn Marias und Josephs, erzeugt und geboren wie wir, und das soll, wie er behauptet, die ursprüngliche Lehre der Apostel, insbesondere des Paulus gewesen sein. Paulus wisse nichts von der übernatürlichen Geburt Jesu, von der Matthäus und Lukas erzählen; diese Erzählung sei eine erst später entstandene Sage. Und was ist der Beweis dafür? Paulus nenne ihn stets den „Sohn Davids nach dem Fleisch“, „aus dem Samen Davids“. Aber sagen denn das die Evangelisten nicht auch: führen sie nicht zum Zeugnis seiner Abstammung von David trotz seiner übernatürlichen Geburt die Geschlechtsregister Jesu an (Matth. 1,1 ff. und Luk. 3,23 f.)? Ja, darin sieht Professor Harnack aber auch einen Widerspruch, und nach seiner Meinung sind die Evangelisten - man verzeihe den Ausdruck - so dumm gewesen, dass sie den Widerspruch zwischen ihrer Erzählung und den Geschlechtsregistern nicht gemerkt haben. Auch die Kirche hat diesen argen Widerspruch nicht gemerkt, und schon Ignatius nennt Jesum unseren Herrn, der wahrhaftig aus Davids Geschlecht nach dem Fleische abstammt, den Sohn Gottes, nach dem Willen und der Kraft Gottes von der Jungfrau geboren (an die Smyrnäer 1), und an einer andern Stelle sagt er (an die Epheser 18): „Unser Gott Jesus Christus ward im Leibe getragen von Maria nach der Veranstaltung Gottes, zwar aus dem Samen Davids, aber aus dem heiligen Geist“. Aber Paulus soll ja anderer Meinung gewesen sein? Warum sagt er dann wohl (Gal. 4,4): „Als aber die Zeit erfüllt ward, da sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weib?“ Warum nennt er nur das Weib und fügt nicht hinzu: und gezeugt von einem Manne? Doch wohl, weil er der Propheten Jesaia und Micha gedachte, die auch nur von dem Weibe, von der Jungfrau reden, die den Immanuel, den Messias gebären solle (Jes. 7,14, Micha 5,1), aber von einem Manne nichts wissen. Wenn er ferner von Jesu (Röm. 1,3 f.) sagt, dass er geboren sei von dem Samen Davids nach dem Fleisch und kräftiglich erwiesen ein Sohn Gottes nach dem Geist der Heiligkeit und (Phil. 2,6) bezeugt, dass er, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein, sondern sich äußerte und Knechtsgestalt annahm, so wird das wohl auch besser mit Matthäus und Lukas und - setzen wir hinzu - mit Johannes und mit der Lehre der Kirche, als mit Professor Harnack stimmen. Es hat ja freilich im zweiten Jahrhundert eine jüdische Sekte gegeben, die den Herrn Jesum für einen bloßen Menschen, den Sohn Josephs und der Maria erklärte. Die Kirche hat dies von Anbeginn für eine Irrlehre erklärt, nach Professor Harnack aber haben diese Irrlehrer, die die Kirche von sich ausgestoßen hat, allein die Lehre der Apostel bewahrt! Doch genug davon, es sind nicht wirkliche Ergebnisse geschichtlicher Forschungen, sondern es sind vorgefasste Meinungen der Herren Gelehrten, aus denen diese wie andere angebliche Widersprüche der heiligen Schrift folgen. Es ist eben mit Egidy zu reden unmöglich, solche Dinge zu glauben - sonst müsste ja wohl ein Geschichtsforscher wie Harnack stutzig werden, wenn er zugestehen muss, dass der Glauben an die übernatürliche Zeugung Jesu schon am Anfang des zweiten Jahrhunderts in der Kirche unerschütterlich feststand.

Ganz ähnlich steht es mit einer andern Ausstellung Harnacks, nämlich der an dem Satz „aufgefahren gen Himmel“. Auch das soll nicht zur „ältesten Verkündigung“ gehören. Diese habe angenommen, dass Jesus alsbald mit seiner Auferstehung zur Rechten Gottes erhöht sei. Dass er noch 40 Tage nach seiner Auferstehung auf Erden geweilt habe, wie die Apostelgeschichte erzählt, sei erst eine später aufgekommene Erzählung. Zum Beweis dafür, dass dieser Bericht nicht allgemein anerkannt sei, führt Harnack an, dass nach einer anderen Erzählung Jesus gar 18 Monate noch auf Erden geblieben sei. Das sieht so aus, als ob diese Angabe mindestens ebenso glaubwürdig sei wie der Bericht des Lukas. Professor Harnack weiß freilich recht gut, dass das eine Erfindung ist, die Gnostiker - heidnische Irrlehrer, mit denen die Kirche Jahrhunderte lang im heftigsten Kampfe lag - für ihre Zwecke gemacht haben. Sie ist also, wie Professor Cremer ihm mit Recht entgegenhält, nicht mehr wert als die Narrheit, die ein gewisser Brennecke im Anfang dieses Jahrhunderts ausgeheckt hat: der schrieb ein Buch, worin er bewies, dass Jesus noch 27 Jahre leibhaftig auf Erden gelebt habe. Wir glauben nicht nötig zu haben, mit dem angeblichen Ergebnis der neueren Theologie, dass Paulus und vielleicht auch Johannes nichts von einer sichtbaren Himmelfahrt Jesu gewusst hätten, uns zu beschäftigen. und weisen unsere Leser nur beispielsweise auf Epheser 4,10 hin, wo Paulus sagt: „Dass er aber aufgefahren ist, was ist es, als dass er hinuntergefahren ist in die untersten Örter der Erde“, auf Joh. 6,62. „Wenn ihr nun sehen werdet des Menschen Sohn auffahren dahin, da er zuvor war“, auf 1. Petri 3,22 „Welcher ist zur Rechten Gottes gen Himmel gefahren“ und auf den Hebräerbrief, z. B. Hebr. 4,14: „Dieweil wir dann einen großen Hohenpriester haben, Jesum, den Sohn Gottes, der gen Himmel gefahren ist.“

Von einer Reihe anderer Sätze behauptet Harnack, die alte Kirche habe sie anders verstanden, als wir sie verstehen; wir müssten sie umdeuten, wenn wir sie beibehalten wollten. Die Kirche hat aber durch die Aufnahme dieser Sätze, wie „niedergefahren zur Hölle“ und „Gemeinschaft der Heiligen“, oder den Zusage „katholisch“ d. i. allgemein zu „Kirche“ nur in der heiligen Schrift bezeugte Tatsachen oder Wahrheiten aussprechen wollen. Wenn man diese Aussage zeitweise nicht recht verstanden hat, wie ja manche Stücke des Glaubens, vor allem die Rechtfertigungslehre, von der alten Kirche nur unvollkommen erfasst worden sind, so ist das für uns nicht maßgebend; wir erklären sie im Sinne der heiligen Schrift.

Doch wäre es zu weitführend und hätte wenig Nutzen, wenn wir auf die Ausführungen Harnacks zu allen diesen Punkten eingehen wollten. Wir lassen uns an dem hauptsächlichsten genügen, das ist der Satz: „Ich glaube an den heiligen Geist“. Harnack behauptet, der heilige Geist bezeichne hier nicht eine Person, sondern eine Kraft und Gabe. Diese Behauptung bestreitet also die Lehre der Kirche von der heiligen Dreieinigkeit. Die Vorstellung, dass der heilige Geist eine Person sei, sagt Harnack, komme vor dem vierten Jahrhundert nicht vor, im zweiten Jahrhundert sei sie nicht nachweisbar. Allerdings ist die Kirche über die Persönlichkeit des heiligen Geistes erst allmählich zu größerer Klarheit gekommen, aber Harnacks Behauptung geht viel zu weit, und vor allem beweist sie nicht, dass der heilige Geist in der heiligen Schrift und in unserm Glaubensbekenntnis nur als eine unpersönliche Kraft und Gabe Gottes gefasst werde. Schon der Wortlaut des Bekenntnisses spricht dagegen. Wenn es heißt: „Ich glaube an den heiligen Geist“ gegenüber dem „ich glaube an Gott den Vater“ und „an Jesum Christum“ (bei den folgenden Bestimmungen fehlt das Wörtchen an, da heißt es: eine heilige Kirche, Vergebung der Sünden usw.), so zeigt das, dass der heilige Geist als ein drittes in Gott dem Vater und dem Sohn gegenübergestellt wird, wie man theologisch sagt, als die dritte Person der Gottheit. Ganz geradeso aber ist es in der Taufformel: „Tauft sie in den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes“, und wenn Paulus sagt 1. Kor. 13,13: „Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen“, und Petrus 1. Petri 1,1 beginnt: „Nach der Vorsehung Gottes des Vaters durch die Heiligung des Geistes zum Gehorsam und zur Besprengung des Blutes Jesu Christi“, so finden wir da dieselbe Gegenüberstellung der drei. Vor allem aber wird in den Abschiedsreden Jesu bei Johannes der heilige Geist als der andere Tröster deutlich von Jesu als eine andere Person unterschieden. Wenn Harnack aber behauptet, es sei nicht nachweisbar, dass diese Idee des Johannesevangeliums auf diese Vorstellung vom heiligen Geist eingewirkt habe, so scheint er zu vergessen, dass schon im zweiten Jahrhundert ein heftiger Streit, der montanistische, über den Tröster stattgefunden hat. Die Unterscheidung der drei Personen ist in der Kirche also von Anfang vorhanden gewesen, wenn auch das Wort Person und das Wort Dreieinigkeit in der Bibel und im apostolischen Glaubensbekenntnis nicht vorkommt.

Endlich muss ich noch ein Wort sagen von dem Satz: Auferstehung des Fleisches, weil Harnack u. a. den Ausdruck Fleisch angefochten haben. Man beruft sich dabei gern auf Luther, und allerdings meint Luther im großen Katechismus, dass es besser deutsch heißen würde: Auferstehung des Leibes oder Leichnams, weil wir Deutschen bei dem Wort Fleisch gleich an die Scharren d. i. an die Fleischerbank dächten; er fügt aber hinzu: „doch liegt nicht groß Macht daran, so man dies Wort recht versteht“, und wie wenig Gewicht er darauf legt, geht daraus hervor, dass er das Wort nicht bloß im apostolischen Glauben stehen gelassen hat, sondern auch im Glaubenslied sagt: das Fleisch soll auch wieder leben. Dass ein Missverständnis dieses Wortes nicht zu fürchten ist, bedarf nicht vieler Worte; jedes wohlunterrichtete Schulkind weiß, dass der Leib der Auferstehung nicht grobstoffliches Fleisch wie unser jetziger Leib, sondern ein verklärter geistlicher Leib, ähnlich dem verklärten Leibe Christi sein wird. In Wirklichkeit verbirgt sich hinter dem Anstoß an diesem Wort häufig dieselbe Irrlehre, um derentwillen die Kirche von Anfang diesen so zu sagen groben Ausdruck gewählt hat. Man will nicht eine wirkliche leibliche Auferstehung anerkennen, sondern nur ein Fortleben der Seele. Es ist aber auch nicht wahr, dass der Ausdruck unbiblisch sei. Das Wort Fleisch wird in der Bibel in sehr verschiedenem Sinne gebraucht, und so auch wie hier in dem Sinne von Leib. Wenn Paulus 1. Kor. 15 sagt: „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben“, ein schon im zweiten Jahrhundert von Irrlehrern angeführtes Wort, so beweist das gar nichts gegen die Auferstehung des Fleisches; denn Fleisch und Blut bezeichnet hier wie sonst den Menschen, wie er von Natur ist; der kann Gottes Reich nicht erben. Aber in demselben 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes hält Paulus den Leugnern der Auferstehung, die von einer Auferstehung des Leibes nichts wissen wollten, weil sie sich unter Leib nur etwas grob Stoffliches denken konnten, Vers 39 ff. entgegen: „Nicht ist alles Fleisch einerlei Fleisch, sondern ein anderes Fleisch ist der Menschen, ein anderes des Viehes, ein anderes der Fische, ein anderes der Vögel, und es sind himmlische und irdische Körper also auch die Auferstehung der Toten - es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich“ usw. Hier braucht er also mit Beziehung auf die Auferstehung das Wort Fleisch von der wirklichen Leiblichkeit, und grade so braucht er Fleisch und Leib als gleichbedeutend, 2. Kor. 4,10.11, wo er mit Beziehung auf die Auferstehung das eine Mal sagt, das Leben Jesu werde an unserm Leibe offenbar, das andre Mal, es werde an unserem sterblichen Fleische offenbar. Es ist also klar, dass der Ausdruck „Auferstehung des Fleisches“ vollkommen biblisch ist, und gar kein Grund vorhanden, ihn zu ändern, und wir in unserer Zeit, wo man die biblischen Worte so gerne gegen ihren Sinn umdeutet, werden so gut wie die alte Kirche gerade die Auferstehung des Fleisches festhalten und betonen.

Es war meine Absicht zu zeigen, welchen Schatz uns Gott in dem apostolischen Glauben gegeben hat, und wenn ich das einigermaßen erreicht hätte, wäre mein nächster Zweck erfüllt. Zwar gründet sich unser Glaube nicht auf dies Bekenntnis der Kirche, sondern auf die heilige Schrift, und dann ist er lebenskräftig und siegesfähig, wenn er aus der eigenen Lebenserfahrung von dem Elend unserer Sünde und der Gnade unseres Herrn Jesu Christi erwachsen ist. Aber das Apostolikum ist unmittelbar aus der heiligen Schrift geflossen, und es ist das älteste Zeugnis der Kirche von der Erfahrung, die sie unter des heiligen Geistes Leitung von der Gnade des Evangeliums gemacht hat. Darum hat unsere Kirche es unter ihre Bekenntnisse an erster Stelle aufgenommen und verpflichtet ihre Diener, ja alle ihre Glieder auf dies Bekenntnis. Kein Diener der evangelisch-lutherischen Kirche kann und darf anders predigen, als dies Bekenntnis bezeugt, und ein jedes Glied unserer Kirche hat in ihm eine kurze Norm, daran er prüfen kann und soll, ob sein Pfarrer ihm das wahre Evangelium Jesu Christi predigt. Aber wie wir an diesen Glauben zu halten bei unserer Konfirmation gelobt haben, so sollen wir dies Bekenntnis auch zur Stärkung unseres Glaubens fleißig brauchen, täglich es beten und betend in unsern Herzen bewegen, wie Luther es getan und uns gelehrt hat. Wir werden gleichen Segen wie er davon erfahren. Wir haben das heutzutage doppelt not, denn niemals ist die Täuscherei und Verführung falscher Menschenweisheit mächtiger gewesen. Sie ist mächtig auf den Universitäten und macht die jungen Theologen irre an dem Glauben der Kirche, sie dringt vielfach auch in die Gemeinden und verwirrt die Einfältigen und fängt die Klugen. Da ist es doppelt notwendig, dass auch die Glieder der Gemeinde Rechenschaft zu geben wissen von ihrem Glauben und fest und klar gegründet sind in der Lehre des heiligen Evangeliums. Wir gehen unzweifelhaft einer Zeit der Sichtung und Scheidung entgegen, wo der Unglaube versuchen. wird, die Herrschaft in der Kirche zu erlangen und sie zu zerstören. Die Kirche Christi wird nicht untergehen: die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Wohl aber wird es sich darum handeln, ob wir zu denen gehören, die da weichen und verloren gehen, oder zu denen die da bleiben und die Seele erretten. Darum gilt es, dass wir die Mahnung uns gesagt sein lassen: Lasst uns halten an dem Bekenntnis, an dem Bekenntnis der Propheten und Apostel, an dem Bekenntnis der gesamten Christenheit, an dem Bekenntnis unserer evangelisch-lutherischen Kirche!

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/c/collmann/collmann_-_apostolikum.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain