Scriver, Christian - Predigt am III. Sonntage nach dem Feste der hochgelobten Dreieinigkeit

Scriver, Christian - Predigt am III. Sonntage nach dem Feste der hochgelobten Dreieinigkeit

Vorbereitung

Ich muss gestehen, dass es eine wunderliche seltsame Rede ist, wenn die Pharisäer in dem heutigen Evangelium sagen: Dieser nimmt die Sünder an. Und wenn nicht wäre eine Heuchelei und Bosheit dabei gewesen, hätte es können damit entschuldigt werden, dass es ihnen ungereimt gedäucht, dass das Licht die Finsterniss aufnehme und der Allerheiligste sich mit den Sündern vergesellschafte. Noch mehr aber wird es wunderlich und seltsam klingen, wenn ich sagen werde: Die Sünder nehmen diesen nicht an. Denn wer sollte meinen, dass die meisten Menschen so gar thöricht und verblendet sein sollten, dass sie denjenigen nicht aufnehmen sollten, in welchem unsere ganze Seligkeit bestehet. Wir wollen uns freuen, dass der Sohn Gottes darum in die Welt kommen ist, dass er die Sünder wolle annehmen, und wollen mit grosser Zuversicht zu ihm nahen und ihn annehmen.

Text: Evang. Luc. 15,1-10.

Eingang

Man findet vielerlei Leute, die ihr eigen Bestes nicht verstehn und dafür das Aergste leicht erwählen, als da sind 1. unmündige Kinder und Minderjährige, die wie Kinder reden, wie Kinder klug sind und kindische Anschläge haben. (1. Cor. 13,11.) Ein Kind soll einen Apfel erwählen und ein Goldstück fahren lassen, es ist begierig, ein Messer zu haben, es will ungezwungen sein und nach seinen Willen leben, es will zur Schule nicht gehen u.s.w. Denselben hat nun Gott der Herr die Aeltern zu Vormündern gesetzt, die müssen ihr Bestes wissen, und haben sie es schwer zu verantworten, wenn sie ihnen nicht wohl fürsehen. Dergleichen sind zum Zweiten einfältige, unerfahrene Leute. Da könnte man nun fragen, warum Gott nicht Allen gleichen Verstand und Klugheit gegeben habe? Ich antworte hierauf: Gleichwie in dem menschlichen Leibe unterschiedene Gliedmaassen sind mit unterschiedenen Verrichtungen versehen, welche doch alle ihren besonderen Wohlstand und Nutzen haben; gleich wie Gott einem Kraut und Gewächse nicht alle Kräfte gegeben, sondern einem jeden besondere: also sind auch in menschlicher Gesellschaft unterschiedene Gaben und Kräfte, nach welchen ein Jeder, was ihm anvertraut ist, verwaltet. Solches ist darum geschehen, dass ein Jeder seinem Nächsten dienen soll mit der Gnade und Gabe, die er empfangen hat. (1. Petri 4,10). Es sollen demnach Diejenigen, welche vor Andern hoch gesetzt und mit Gaben angesehen sind, gedenken, dass sie dermaleinst werden müssen Rechenschaft davon geben. Ich war des Blinden Auge und des Lahmen Fuss, sagt Hiob, ich war ein Vater der Armen, und welche Sache ich nicht wusste, die erforschte ich (Hiob 19, 15,16). Es erzählen die Alten dieses Falls ein schönes Lehrgedicht, dass einstmals ein Blinder und Lahmer sich zusammengesellt, da der Blinde, der sonst an den andern Gliedern seines Leibes gesund war, den Lahmen getragen, der Lahme aber dem Blinden den Weg gezeiget habe. Also muss es mit der menschlichen Gesellschaft beschaffen sein, da muss Einer dem Andern die Hand bieten und helfen, und wird am jüngsten Tage vor den Weisen Rechenschaft gefordert werden, wie sie ihre verliehene Weisheit angewendet haben. Da wird Mancher befinden, dass es ihm besser gewesen, er wäre ein Narr und dabei gottesfürchtig gewesen, als weise, und müsse verdammt werden; - welches vornehmlich Advokaten, Juristen und die im Stande der Obrigkeit sind, in Acht zu nehmen haben, dass sie ihre Weisheit nicht zu bösen Fündlein und Unterdrückung der Armen anwenden. Man könnte zu diesen zählen zum Dritten die Trunkenen, welche sich ganz von Sinnen gesoffen, wie denn die Trunkenheit mit Recht und Billigkeit eine freiwillige Unsinnigkeit genannt wird. Man hat davon klägliche Exempel der Leute, die in der Trunkenheit Das haben geredet und gethan, was sie hernach haben schmerzlich bereut, ihr Lebenlang beklagt, ja oft mit ihrem Leben gebüsst. Desswegen soll man sich vor Trunkenheit hüten, welche man billig könnte des Satans Zaum nennen. Doch soll man dabei in Acht nehmen, dass, da etwa ein Mensch, der für sich sonst fromm ist, diesem Laster zugethan wäre, man mit ihm Geduld habe, und weil er sich selbst nicht besinnen kann, sein Bestes wisse, ihn freundlich ermahne, davon abzustehn und vor der Gefahr und dem Schaden, so daher entstehet, warne. Ich will aber noch das Vierte dazu thun, darüber ihr euch am meisten werdet verwundern, dass unter Diejenigen, die ihr eigen Bestes nicht verstehn, auch gehören die allerklügsten, gelehrtesten und vornehmsten Leute von der Welt, die in den höchsten Ehren, Reichthümern, Gütern und Ergötzlichkeiten leben. Ich will nicht sagen, dass sie nach Gottes gerechten Gerichten also verblendet werden, dass sie das Schlimmste erwählen und mit dem allerweisesten Heiden gestehen müssen: O, ich grösster Thor von der Welt! Sondern nur dieses, dass sie dasjenige, was zu ihrer Seligkeit dient, vernichten und hintan setzen und sich allein um den Leib bekümmern, allein nach zeitlichen Dingen trachten, nicht nach den himmlischen, und sich einen vergänglichen Himmel auf Erden einbilden, den beständigen Himmel aber nicht suchen. Wäre es nicht eine Thorheit, wenn ich in fremde Lande reisen wollte und sammelte auf dem Weg einen Haufen Zahlpfennige? Wäre es nicht eine Thorheit, wenn ein Fremdling, der nur etliche Zeit an einem Orte zubringen wollte, sich daselbst in allerlei Weitläufigkeit nieder liesse? Und dennoch thun Solches die allerklügsten Leute in der Welt. Dass ich’s kurz mache, daraus kann man sehen, dass die Welt ihr Bestes nicht verstehe, weil sie Jesum Christum verachtet, in welchem doch alle unsere Seligkeit bestehet, davon wir aus unserm verlesenen Evangelium dieses Mal unserer Lehrart nach werden zu handeln haben. Gott segne unsre Arbeit um Christi Jesu willen! Amen.

Abhandlung

Ich theile mit der Welt und nehme Jesus mir
Mit seiner Gnade Trost, das Andre lass ich ihr.

Es wird uns in unserm Evangelio zweierlei Art Leute vorgestellt, nämlich die Pharisäer, Schriftgelehrten und erfahrenen, heiligen, geehrten Leute an einem und Zöllner und Sünder, geringe, verachtete, elende Leute am andern Theile. Jene wählen sich die Welt mit ihrer Ehre und Herrlichkeit (denn es waren hochmüthige und geizige Leute, wie die evangelische Geschichte zeugt) und verachten also den armen und schlechten Christum; diese aber nahen sich zu Christo. Wer wollte nicht sagen, dass diese das beste Theil erwählt haben? Sie haben wohl gewählt. Die zerschlagenen und betrübten Herzen wussten am besten, was ihnen gut war; deswegen kommen sie zu Christo, dass sie aus dessen allerheiligstem Munde, als aus einer lebendigen Quelle, Trost und Unterricht für ihre armen Seelen schöpfen möchten zum ewigen Leben. Indessen stehen die hochgeehrten und hochgelehrten Pharisäer und Schriftgelehrten und spotten des Herrn Jesu und dieser armen Sünder; seiner, weil er ein heiliger Prophet sein wollte und zog doch solche offenbare Sünder an sich; ihrer, dass sie ihren Trost bei einem so armen und schlechten Menschen suchten.

Wir haben hier Gelegenheit zu betrachten die Unart des menschlichen Herzens, dass es in seiner höchsten natürlichen Klugheit so albern ist, dass es sich selbst liebt und Christum verachtet; es verlässt sich auf eigene Weisheit und Heiligkeit und lässt Christum Jesum, der uns doch von Gott gemacht ist zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung, fahren, die irrigen und verlorenen Schafe wollen sich selbst weiden, sie wollen nicht wissen, dass sie irrig und verloren sind und vermeinen, sie bedürfen keines Hirten. Die Pharisäer haben noch viele Brüder und Schwestern in der Welt, in deren Augen der Herr Jesus gering ist.

Damit wir aber von dieser Sache etwas eigentlicher mögen handeln, so haben wir zu betrachten 1., wer und was Christus sei? Wir finden nicht allein in unserm Text, sondern auch sonst in der Geschichte unseres Heilandes, dass sich das Volk zu ihm gedrängt, dass es ihm aus allen Städten und Dörfern nachgeeilt, dass ein Jeder ihm hat der Nächste sein wollen, dass ein Jeder ihn hat wollen hören. Lieber, was war die Ursache? Betrachtet man seinen äusserlichen Zustand, so war er schlecht anzusehen, ging in armseliger Knechtsgestalt ohne einiges Gepräge; allein es ist zu wissen, dass er war alle Güte Gottes und gleichsam ein kurzer Auszug aller Gnade Gottes; gleich als wenn Einer aus allen Kräutern und Früchten eine Tinktur machen könnte, welche die Kräfte des Brotes, Weines, der Rosen, Violen, des Zuckers u. dergl. haben: also hat Gott, nach menschlicher Weise zu reden, alle seine Güte in Christum Jesum gelegt, daher ihm die Fülle der Gnaden zugeschrieben wird (Joh. 1,14.16.) und in ihm alle Schätze verborgen liegen (Col. 2,3.); denn es ist das Wohlgefallen gewesen, dass in ihm alle Fülle wohnen sollte (Col. 1,19.). Ein Gefäss kann voll Wassers sein, doch nicht zugleich voll Weines, ein Kasten voll Silbers, doch nicht zugleich voll Brotes. In Christo aber ist alle Fülle, in ihm ist Alles, was zu unserer zeitlichen und ewigen Wohlfahrt dient. Sein Mund ist voll Holdseligkeit, Süssigkeit und Freundlichkeit; seine Hände voll Kraft und Hülfe; seine Augen voll Lichtes und Lebens; seine Ohren voll Erbarmens; sein Herz voll Liebe, Gnade, Weisheit und Gütigkeit. Gleich wie, wenn die Bienen Honig riechen in einer Blume, sie haufenweise hinzu fliegen, also kommen auch die betrübten Seelen häufig zu dem Herrn Jesu, der Blume im Thal. Er war von holdseligen Lippen, welche von Honig gleichsam troffen; daher geben alle Zeugnis von ihm und wunderten sich der holdseligen Worte, die aus seinem Munde gingen. (Lucas 4,24.). Sie müssen sagen: Es hat nie kein Mensch so geredet, wie dieser Mensch (Joh. 7,46.). Daher wird er uns in der hl. Schrift auf’s freundlichste beschrieben. Jesaias sagt von ihm: Das zerstossene Rohr wird er nicht zerbrechen und das glimmende Docht wird er nicht auslöschen. (Jes. 42,3.) Er ist gesandt, den Elenden zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu predigen den Gefangenen eine Erledigung, den Gebundenen eine Oeffnung, zu predigen ein gnädiges Jahr des Herrn. (Jes. 61,1.2.) Er wird genannt aller Heiden Trost (Hagg. 2,8.), die Sonne der Gerechtigkeit, welche das Heil (die Seligkeit) unter ihren Flügeln führt (Mal. 4,2.), das Brot des Lebens, der Weg, die Wahrheit und das Leben, das Licht der Welt, der gute und getreue Hirte, unser Gnadenstuhl, unser Friede und Friedefürst, unser Fürsprecher und Fürbitter bei Gott, unser ewiger Hoherpriester und Opfer, unsere Gerechtigkeit und ewiges Leben. In unserm Text beschreibt er sein Amt recht lieblich, dass er gesandt sei von Gott, die Sünder selig zu machen, die verlorenen und verirrten Schäflein zurecht zu bringen. Kurz, es ist in keinem Andern die Seligkeit, es ist auch kein anderer Name (oder Person) den Menschen gegeben und vorgestellt, darinnen sie sollen selig werden, als Jesus, wie er selbst sagt: Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.

Hieraus ist nun leicht zu ersehen, warum die armen, kranken, betrübten und elenden Leute und Sünder so häufig zu Christo gekommen sind. Gleich wie sich bei einem Gesundbrunnen zu versammeln pflegen kranke und mit allerlei Gebrechen behaftete Leute, also laufen sie auch häufig zu Christo, der da ist der rechte Lebensbrunnen, welcher Kraft hat, von allen Sünden zu reinigen. Wir sehen hiebei, was die Ursach gewesen, warum sich die Sünder also zu Christo gehalten, und warum noch jetzt Alle, welche selig werden wollen, an ihn sich halten müssen und ihm im wahren Glauben anhangen, wie der Apostel sagt, er verachte Alles um Christi willen und achte es Alles für Schaden und Dreck, er wisse Nichts, als Jesum Christum den Gekreuzigten; er wolle Alles gern verlassen, wenn er nur Christum gewinnen und behalten könne. Es haben so viele Märtyrer Alles der Welt gelassen, und wenn sie Jesum gehabt, sind sie fröhlich aus der Welt abgeschieden. Es ist nämlich das Gnadenreich der Himmel, dessen Sonne und Wonne Christus Jesus ist, die Kirche ist ein Acker, in welchem Jesus, der theure Schatz, verborgen liegt, die Gnade Gottes ist die süsse Milch, welche die gläubigen und bussfertigen Seelen ernährt und erhält, die Brust aber ist der Herr Jesus, das Wort Gottes ist ein güldener Ring, dessen Edelstein Jesus ist, das ewige leben ist aller Gläubigen einige Hoffnung und einiger Trost, die Thür aber, welche zu demselbigen führt, ist Jesus; Jesus ist Alles in Allem (Col. 3,11). Wer Jesum hat, der hat Alles, wer den nicht hat, der hat Nichts. Jesus ist der gläubigen Seele Paradies, eine Freude des Himmels, eine Lust der Engel, ein Schatz der Menschen, eine Quelle des Lebens, ein Brunnen aller Weisheit, eine Freude des Herzens, ein Trost der Betrübten, eine Hoffnung der Traurigen, eine Zuflucht der Verlassenen, eine Hilfe in allen Nöthen.

Lasset uns ferner betrachten, 2, was es sei zu Christo sich nahen, sich zu ihm halten und im Glauben ihm anhangen, davon wir so oft hören? Ich sehe, dass hierin ihrer Viele irren und der grösste Theil sich selbst betrüge. Deshalb müssen wir zeigen, was dieses für eine Zunahung sei. Anfangs ist dieses gewiss, dass wir mit Christo müssen vereinigt werden. Christus macht uns gerecht und selig, nicht von Weitem und Aussen, als die Sonne vom Himmel her auf Erden wirket, sondern Christus in unsern Herzen durch den Glauben wohnend ist unsere Gerechtigkeit und Seligkeit. So müssen wir nun in Christo und Christus in uns sein als eine Speise, als ein Licht in einer Leuchte, als die Seele im Leibe; wir müssen Christo anhangen, nicht allein als eine Pflanze, die sich um einen Baum windet, sondern als der Epheu, der mit seinen Fäserlein den Saft aus des Baumes Rinde sauget. Wir müssen zu Christo nahen als Simeon, welcher ihn nicht allein auf seine leiblichen Arme nahm, sondern auch geistlicher Weise im Glauben hielt; gleich wie das blutflüssige Weiblein den Herrn Jesum anrührte, also, dass sie alsbald die von ihm ausgehende Kraft empfand; gleich wie die bussfertige Sünderinn dessen Füsse küsste, gleich wie Johannes an der Brust Jesu lag und lauter Liebe aus derselben sog. Gleich wie nämlich in unserm Evangelio gesagt wird, dass alle Sünder zu ihm genaht, also müssen wir im Geist mit gesammten Haufen Christum umringen, ein Jeder soll wünschen, ihm der Nächste im Glauben und in der Liebe zu sein; - welches denn im brünstigen Geist besser kann empfunden, als mit Worten gesagt und erkläret werden. Damit wir es etwas deutlicher sagen, so heisst sich zu Christo nahen nach ihm im Geist sich sehnen, zu ihm stets seufzen, nach seiner Erkenntnis, nach seiner Liebe und Gnade hungern und dürsten, ihn in seinem Worte mit fleissiger Nachforschung suchen, in seinem hochheiligen Nachtmahl ihn mit Freuden annehmen und aus ihm Leben, Trost, Geist und Kraft für seine Seele schöpfen. Wenn ihn zu einer Quelle komme und mich dürstet, so habe ich nicht genug daran, dass ich sie gesehen, und wie die Bächlein aus derselben so lieblich daher rauschen, sondern ich begehre sie auch zu kosten und meinen Durst zu löschen. So geht’s hier auch zu, da muss man nicht damit vergnügt sein, dass man von Christo hört, und von desselbigen Leiden, Wunden, Blut und Verdienst Wissenschaft hat, sondern muss auch desselbigen im Glauben geniessen; wir müssen so nahe zu Christo kommen, als die glühenden Kohlen zu den andern ausgelöschten Kohlen kommen und dieselben nach und nach auch entzünden und glühend machen. Wir müssen unser Herz an Christi Herz hängen, dass es mit Christi Trost, Kraft, Geist und Leben erfüllet werde, gleich wie ein Kind an seiner Mutter Brüsten lieget und aus denselben nicht allein Milch zu seiner Nahrung, sondern auch zugleich mit derselben die Mässigkeit und Kräfte, ja zugleich der Mutter Art und Gemüth nimmt. Welches Alles ich darum sage, auf dass ich lehren möge, dass nicht Alle, die sich christlichen Glaubens und Namens rühmen, Christo auch angehören und seiner zur Seligkeit geniessen, und zwar aus ihrer eigenen Schuld, weil sie es bei dem blossen Wissen bewenden lassen.

Wir haben zu betrachten 3., was diese Zunahung zu Christo für Nutzen habe. Es ist unmöglich, dass man sich zu Jesu nahen soll und ohne Nutzen wieder von ihm weggehen. Wenn ich eine Rose genau an die Nase halte, so empfinde ich alsbald ihre Kraft; und wie sollte nicht eine gläubige Seele die Kraft Christi empfinden? Er nimmt die Sünder auf, er tröstet sie kräftiglich, er versichert sie durch sein Wort und seinen heiligen Geist der Gnade Gottes, der Vergebung der Sünden und des ewigen Lebens, als wir an den Exempeln des alten Simeon, der im Frieden aus dieser Welt abfuhr, nachdem er diesen Heiland gesehen, der bussfertigen Sünderinn, welche Vergebung der Sünden verlangte, so bald sie zu diesen Füssen sich niedergelassen hatte, wie auch der heiligen Märtyrer und anderer sterbenden Leute sahen, welche ihrer Seligkeit kräftiglich versichert worden, also, dass sie mit lachendem Munde zur Marter gegangen und den Tod mit grosser Begierde verlangt haben. Man findet in der heiligen Schrift Exempel, dass das Volk Essen und Trinken vergessen und dem Herrn Jesu nur zuhört; wie auch Maria ihrer selbst und aller ihrer Geschäfte vergass, als sie zu seinen Füssen sass und seiner holdseligen Hauspredigt zuhörte.

Dieses habe ich zu dem Ende anführen wollen, weil heutiges Tages der meiste Theil der Menschen die Gottseligkeit und die rechtschaffene Erkenntnis nicht achtet, weil die Meisten vermeinen, man sei dessen nicht gebessert; die Welt gäbe Freude, Ehre, Lust, Nutzen und Ergötzlichkeit, das Christenthum aber Nichts, als Schwermuth, Mühseligkeit und Traurigkeit. Es ist nicht also, mein Mensch, Jesu bringt solche Ehre, dass sich die heiligen Engel über uns verwundern und uns mit Freuden anschauen und uns dienen; Jesus bringt Freude, die Gläubigen haben ihr Gastmahl bei ihm, ihren Wein, ihre Trunkenheit. Weißt du Nichts davon? Was ist’s Wunder? Weiss doch ein Kind auch nicht, was für Ergötzlichkeit in den Büchern steckt, die ein erwachsener und gelehrter Mensch wohl zu nützen und seine Freude darin zu suchen weiss.

Lasset uns demnach hieraus lernen: 1. dass uns an der Gemeinschaft mit Christo mehr gelegen sei, als an der ganzen Welt, und dass wir nach unserm Reimspruche, wenn wir mit der Welt theilen sollten, Alles müssten gern fahren lassen und Christum behalten. Worauf eines Menschen zeitliche Glückseligkeit stehet, daran ist ihm hoch gelegen, aber am allermeisten an Dem, worauf seine ewige Wohlfahrt steht. Ich kann die Welt haben ohne Christum und seine Gnade, aber nicht den Himmel; ich kann glückselig sein auf Erden ohne die Gemeinschaft mit Christo, aber selig kann ich ohne dieselbe nicht werden. Die weisen Leute in Indien baten auf eine Zeit von dem hochmüthigen Alexandro Magno, nachdem er so viel Sieg und Reichthum erlangt hätte, dass er sie möchte unsterblich machen. Lasset uns von der Welt, so in ihren Schätzen Ehre, Reichthum und Wollust pranget und damit prahlet, die ewige Glückseligkeit begehren, und wenn sie solche nicht geben kann, erkennen, dass alle ihre Güter eitel sind. Ich bin ein Mensch, ich habe eine unsterbliche Seele und bin die Ewigkeit zu erlangen geboren, daher mir nichts rechtschaffene Freude und Friede schaffen kann, als was ewig ist. Gehet hin, ihr Weltkündiger, zu euern Fürsten und gnädigen Herren und bittet sie, dass sie euch die Versicherung der Vergebung der Sünden und eurer Seligkeit geben sollen. Suchet ihr Geizigen in euern Schätzen, ob ihr Dieses darin finden könnt. Weil es denn nun nicht geschehen kann, so kommet doch zu Christo Jesu,. dem Friedefürsten und Herzog des Lebens, und zu dem Schatze seines Blutes. Die Gelehrten erkennen, dass im Tode ihre Wissenschaft und Gelehrsamkeit eitel sei, die Reichen befinden, dass in der letzten Todesnoth ihr Reichthum und ihre Güter nichts mehr vermögen, die Wollüstigen gestehen, dass alsdann die weltliche Ehre, Freude und Herrlichkeit keinen Trost geben kann, und warum suchen sie denn nun nicht das Alles in Christo Jesu? O, wie elende Leute sind es, die ausser der Gemeinschaft mit Christo leben und sterben, deren doch heutiges Tages so Viele sind! Ihr seid Christen ohne Christus! Ihr seid, wer ihr wollet, hoch oder niedrig, reich oder arm, prächtig gekleidet oder schlecht, ihr heisset, wie ihr wollet, Kaiser, König, Fürst, Edelmann, Bürger, Bauer, Bettler, ihr seid wer ihr wollet, Feldmarschall, General, Oberster, Hauptmann, Musketier, bis auf den Profoss und Steckenknecht, seid ihr nicht wahrhaftig mit Christo vereinigt, wo ihr nicht durch wahre Busse seid zu Christo gekommen, wo ihr nicht in Christo lebet, in Christo wachset und durch Christum nach der Seligkeit trachtet, so seid ihr verloren, verdammte Leute über’m Haufen.

Weil aber der meiste Theil vermeint, dass er Christo angehöre, weil er die Historia von Christo weiss, so lasset uns 2, unsern Glauben und unsere Erkenntnis prüfen, ob sie rechtschaffen sind. Man kann aber Solches am Besten wissen, wenn man die Früchte ansieht, welche aus dem Glauben und der Vereinigung mit Christo herkommen. Wer dem Herrn anhanget, spricht der Apostel des Herrn, der wird ein Geist mit ihm (1. Cor. 6,17), das ist, er wird nicht allein seines Blutes zur Gerechtigkeit, sondern auch seines hl. Geistes zur Heiligung theilhaftig, wie der Apostel abermals sagt: Welche Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch sammt den Lüsten und Begierden. Die Bekehrung und Zuwendung zu Christo erfordert vorher eine Entledigung und Entschüttung von allem sündlichen Wesen. Die Zöllner und Sünder in unserm Evangelio kamen zu Christo, nicht dass Christus ein Sündendiener würde, und dass sie aus seiner Lehre und seinem Leben gleichsam einen Mantel und eine Decke machen sollten, damit sie ihre Untugenden und Sünden bedeckten, sondern, dass sie Trost für ihre geängstigten Gewissen suchten und anfahn sollten, künftig nach dem heiligen Willen Gottes heilig und gottselig zu leben. Es sind demnach vergebliche Gedanken, dass ein Mensch, der in muthwilligen Sünden lebt, vermeinet, dass er Christo anhange, die Gottlosen trösten sich vergebens mit diesem Evangelio und andern lieblichen evangelischen Texten, von welchen Lutherus sagt, es sei immer Schade, dass solche treffliche, tröstliche und fröhliche Predigt ein gottloser und frecher Mensch hören solle, weil hier Christus redet von bussfertigen Sündern, welche sich ihre Sünden herzlich leid sein lassen und Frieden in Christo Jesu suchen.

Lasset uns lernen, 3, dass das Christenthum und die Gottseligkeit nicht eine vergebliche, nichtige Sache sei, darin weder Saft noch Kraft zu finden ist. Haben nicht so viele tausend Seelen vergnügten Trost, Freude und Friede in Christo Jesu gefunden? Es ist aber eine innerliche, geistliche Seelenfreude; was dieselbe vermögen, und wie durchdringend sie sei, ist aus den Schmerzen der Seele abzunehmen, welche sich bei angefochtenen Personen befinden.

Wir müssen uns aber auch in Acht nehmen 4. einen Trost für alle gottseligen, bussfertigen Herzen. Wer ist unter euch, der Gott von Herzen fürchtet, der nach der Gnade Gottes, nach der Vergebung der Sünden und der Gerechtigkeit Jesu Christi verlange? Euch ist diese Verheissung gescheh’n, euch gehöret Christus, die Seligkeit, die Gnade Gottes und die Vergebung der Sünden zu. So kommt nun her, ihr zerschlagenen Herzen, tretet her zu Jesu, der euch ganz zu eigen gegeben ist. Die Welt ist uns eine unbekannte Stadt und unser Leben eine Wallfahrt. Wir thun heute abermals eine Tagereise in die Welt: wo wollen wir einkehren? Ach, bei wem sonst, als bei Dem, der die Sünder aufnimmt, bei dem getreuen Hirten, der nicht ein einiges Schäflein will zurück lassen. Lasset euch die Grösse und Menge eurer Sünden nicht abschrecken, Jesus und seine Liebe ist grösser, als dieselben sind. Der Blutstropfen Jesu, die er um eurer Sünde willen vergossen hat, sind mehr, sein Verdienst ist wichtiger; dieser nimmt die Sünder auf, nicht die kleinen allein, sondern auch die grossen.

Du sprichst: Ach, wenn ich gewiss wüsste, dass Christus mich anginge! Ich antworte: Wenn du in dir befindest einen Abscheu vor der Welt und der Sünde und hingegen ein herzlich Verlangen zu Jesu und seiner Gerechtigkeit, wenn du Lust hast zu denjenigen Mitteln, welche dein Heiland verordnet hat zu seiner Vereinigung und Gemeinschaft, wenn du Lust hast zum Worte Gottes, zum Sacrament und Gebet, wenn du einen Eifer bei dir verspürst um Gottes Ehre und Lust zu guten Werken, so zweifle nicht, dass du in der Gemeinschaft mit Christo stehst. O selige Gemeinschaft! Jesus allein vergnüget uns. Als Elias vermeinte, dass er nun genug gelebt und gethan, was er zur Ehre Gottes habe thun können, sagt er: Es ist genug! (1. Kön. 19,4). Wenn wir mit Jesu in der Gemeinschaft stehen, so können wir wohl mit Recht sagen: Es ist genug! Hungert mich, mein Jesus ist mein Brot; dürstet mich, mein Jesus ist mein Trank; begehre ich Kleider, Jesus ist mein Kleid; streite ich, Jesus ist mein Schild; werde ich vor Gottes Gericht gefordert und beschuldigt, Jesus ist mein Fürsprecher; bin ich traurig, Jesus ist meine Freude; werde ich angefochten, Jesus ist mein Friedensschild; bin ich arm, Jesus ist mein Reichthum mit seiner Gnade; wenn ich Alles verliere, so finde ich in Jesus Alles; sterbe ich, Jesus ist mein Leben; muss ich im Grabe verfaulen, Jesus ist meine Auferstehung. Nun Welt, so nimm hin Alles, was du willst und kannst. Ich behalte Jesum, daran genüget mir.

Ich theile mit der Welt und nehme Jesum mir
Mit seinem süssen Trost, das And’re lass ich ihr.

Dem dreieinigen, ewigen Gott, Vater, Sohne und heiligem Geiste sei Lob, Ehre, Preis und Dank gesagt jetzt und in alle Ewigkeit. Amen.

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