Körber, Emil - Siehe, das ist Gottes Lamm! - Die glorreiche Wiederkunft Christi.

Körber, Emil - Siehe, das ist Gottes Lamm! - Die glorreiche Wiederkunft Christi.

(II. Advent 1873.)

Text: Luk. 21, 25-36.

Und es werden Zeichen geschehen an der Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Leuten bange sein und werden zagen, und das Meer und die Wasserwogen werden brausen. Und die Menschen werden verschmachten vor Furcht und vor Warten der Dinge, die kommen sollen auf Erden; den auch der Himmel Kräfte sich bewegen werden. Und alsdann werden sie sehen des Menschen Sohn kommen in der Wolke, mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, so seht auf, und hebt eure Häupter auf, darum, dass sich eure Erlösung naht. Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht an den Feigenbaum und alle Bäume. Wenn sie jetzt ausschlagen, so seht ihr es an ihnen, und merkt, dass jetzt der Sommer nahe ist. Also auch ihr, wenn ihr dies alles seht angehen, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist. Wahrlich, ich sage euch: Dies Geschlecht wird nicht vergehen, bis dass es alles geschehe. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht. Aber hütet euch, dass eure Herzen nicht beschweret werden mit Fressen und Saufen, und mit Sorgen der Nahrung, und komme dieser Tag schnell über euch; Denn wie ein Fallstrick wird er kommen über alle, die auf Erden wohnen. So seid nun wacker allezeit, und betet, dass ihr würdig werden möget, zu entfliehen diesem allen, das geschehen soll, und zu stehen vor des Menschen Sohn.

Ein schönes, uns Allen wohlbekanntes Lied hebt also an:

Die Gnade sei mit Allen,

Die Gnade unsers Herrn,
Des Herrn, dem wir hier wallen
Und sehn sein Kommen gern.

In diesem kleinen Verse sind zwei große Hauptstücke des Christentums enthalten, einmal: wir wallen dem Herrn und dann: wir sehen sein Kommen gern. Ja, meine Lieben, so ist es. Das Leben eines Christen besteht eigentlich darin, dass er dem Herrn wallt; das heißt: er lebt nicht mehr sich selbst, sondern dem, der für ihn gestorben und auferstanden ist, so dass bei ihm zutrifft, was Paulus sagt: Ich lebe, doch nicht ich, Christus lebt in mir; und was ich noch lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich dargegeben hat. So wallt ein Christ dem Herrn und bringt ihm Leib und Seele dar als ein lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer. Aber zu diesem dem Herrn geweihten Leben kommt noch ein zweites bei den rechten Jüngern Jesu: sie sehen sein Kommen gern. Es heißt bei ihnen nicht nur: „unser Wandel ist im Himmel,“ sondern auch: „von dannen wir warten unseres Heilandes Jesu Christi,“

Wir warten dein, o Gottessohn,
Und lieben dein Erscheinen;
Wir wissen dich auf deinem Thron
Und nennen uns die Deinen.
Wer an dich glaubt, erhebt sein Haupt
Und siehet dir entgegen,
Du kommst uns ja zum Segen.

Wenn wir nun freilich in die Christenheit hineinsehen, so finden wir vom Warten auf die Zukunft unsres Herrn Jesu Christi im Großen und Allgemeinen nicht viel. Es ist vielmehr Mode geworden unter den Christen nach der Art jenes bösen Knechtes im Gleichnisse zu leben, der im Herzen spricht: Mein Herr kommt noch lange nicht! und fängt an seine Mitknechte zu schlagen, isst und trinkt mit den Trunkenen. Ach, was fragen die meisten Christen nach dem Kommen des Herrn Jesu! Sie wallen dem Herrn nicht, sie weihen ihr Leben ihm nicht; und so sehen sie auch sein Kommen nicht gern. Im Gegenteil führt die Menge der Christen wohl dieselbe Sprache, wie jener leicht fertige Lebemann, der, als ein Prediger am 2. Advent herzlich in der Kirche gebetet hatte, Gott möge den Tag der glorreichen Zukunft seines Sohnes Jesu Christi bald kommen lassen, beim Herausgehen aus der Kirche spottend sagte: Meinetwegen hätte der Pfarrer sich die Mühe sparen können; mir wird die Zeit nicht zu lang!“ Nun er bekam von einem schlichten Bauersmann die treffende Antwort: Glaub's euch wohl, lieber Herr; dem Mastvieh in meinem Stall wird die Zeit auch nicht lang!“ Ja wenn nur recht viel Geld kommt, Reichtum, Ehre, Wohlleben, Gesundheit und gute Tage, dann kann der Herr Jesus den meisten Christen bleiben zur Rechten des Vaters, so lange er will. Er soll weder im Tode zu ihnen kommen, noch in seiner glorreichen Zukunft. Mein Herr kommt noch lange nicht, das ist das Losungswort ihres Lebens. Und Andere gehen noch weiter und sprechen: Er kommt gar nicht! Ja er ist einmal in die Welt gekommen auf demselben Wege wie alle Menschen; aber er hat auch den Weg alles Fleisches gehen müssen und wurde ins Grab gelegt, aus dem er weder auferstanden noch gen Himmel gefahren ist. Jesus wird nicht wieder kommen: also spricht der Unglaube in fleischlicher Sicherheit.

Aber, meine Lieben, der Glaube spricht anders, die Kirche spricht anders, unser Text spricht anders, die ganze Bibel spricht anders. Alsdann werden sie sehen des Menschen Sohn kommen in der Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit.“ Jesus wird wiederkommen, das steht unerschütterlich fest. So wahr er Gottes Sohn ist, so wahr er gestorben, auferstanden, gen Himmel gefahren ist und zur Rechten des Vaters sitzt: so wahr wird Jesus wiederkommen, und zwar sichtbar, dass ihn alle Augen sehen, in großer Kraft und Herrlichkeit, zum Gericht über die gottentfremdete Welt und zum Heil für die Seinen. So reden wir denn heute von der glorreichen Wiederkunft Christi.

I. Er kommt zum Weltgerichte,
Zum Fluch dem, der ihm flucht;

II. Mit Gnad und süßem Lichte
Dem, der ihn liebt und sucht.

III. Ach komm, ja komm, o Sonne,
Und hol uns allzumal
Zum ewgen Licht und Wonne
In deinen Freudensaal.

O großer Heiland, lass uns am Tage deiner herrlichen Zukunft nicht zu Schanden werden. Komm in unsre Herzen mit deinem Geist des Glaubens und der Liebe; dann wirst du uns einst nicht zum Gericht und Fluch kommen, sondern mit Gnad und süßem Lichte, und uns zum ewigen Licht und Wonne in deinen Freudensaal heimholen. Amen.

I. Er kommt zum Weltgerichte, zum Fluch dem, der ihm flucht.

Es gehört zu den schwersten Aufgaben des Predigers, vom Gericht zu reden; und ist der Prediger weichen und zarten Gemütes, so wird diese Aufgabe doppelt und dreifach schwer. O wie köstlich ist es, von der Lieblichkeit und Leutseligkeit Gottes unseres Heilandes zu erzählen, von dem Aufgang aus der Höhe, der die kranke Welt besucht hat, dass er erscheine denen, die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Wie köstlich ist es, von dem Sünderheiland zu predigen, der gekommen ist, zu suchen und selig zu machen was verloren ist, zu trösten alle Traurigen und zu heilen die zerstoßenen Herzen. Ja davon zu reden und zu zeugen ist für einen evangelischen Prediger Lust und Wonne; das sind für ihn Freuden- und Weihestunden. Aber schwer, sehr schwer wird ihm sein Amt, wenn er reden muss vom Gericht. Und doch ist auch dies seine heilige Pflicht. Denn die ganze Bibel weist unwidersprechlich klar hin auf einen Tag des Gerichts, auf den Tag des Zornes und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes, welcher geben wird einem Jeglichen nach seinen Werken: nämlich Preis und Ehre und unvergängliches Wesen denen, die mit Geduld in guten Werken trachten nach dem ewigen Leben; denen aber, die da zänkisch sind und der Wahrheit nicht gehorchen, gehorchen aber der Ungerechtigkeit, Ungnade und Zorn; Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die da Böses tun!

Von dieser Trübsal und Angst, welche hereinbricht über die gottentfremdete Welt am Tag der herrlichen Wiederkunft Christi, redet unser Text in den Worten: Es werden Zeichen geschehen an der Sonne, Mond und Sternen; und auf Erden wird den Leuten bange sein und werden zagen; und das Meer und die Wasserwogen werden brausen; und die Menschen werden verschmachten vor Furcht und Warten der Dinge, die da kommen sollen auf Erden; denn auch der Himmel Kräfte werden sich bewegen.“ was muss das für ein Tag sein, da Himmel und Erde in Bewegung gesetzt werden durch die Allmacht Gottes! Die Sonne verkehrt sich in Finsternis, und der Mond verwandelt sich in Blut, und die Sterne verlieren ihren Schein; das Meer braust, wallt und tobt, die Wasserwogen erheben sich; alle Elemente erregen und bewegen sich, um zu verkündigen, dass des Menschen Sohn kommt in Macht und Herrlichkeit. Und wie sieht es in den Herzen der glaubenslosen Welt aus? Der Unglaube und Leichtsinn wird ihnen gründlich vergehen. Das Lachen wird zum Weinen, die Freude zur Traurigkeit; den Leuten wird es bange werden, sie werden zagen, ja sie werden verschmachten vor Furcht, dass ihnen das Herz zerspringen will vor Angst. Ach was muss das für ein schrecklicher, furchtbarer Tag sein, wenn auf der ganzen Welt haushoch und berghoch die Angst liegt, bange Todesbeklemmung, ratlose Verzweiflung; wenn Berge der Gewissensangst die Menschen umringen und sich auftürmen himmelhoch, also dass kein Auge mehr glänzt vor Freude, kein Mund mehr lacht, keine Zunge mehr scherzt, kein Fuß mehr tanzt, sondern Angst, nichts als Angst, Todesangst, Todesschweiß bedeckt die Welt, die den Herrn verworfen hat; und der Angstruf ertönt von den Lippen des Königs wie des Bettelmanns: „Ihr Berge, fallt über uns, und ihr Hügel, deckt uns vor dem Angesichte des, der auf dem Throne sitzt, und vor dem Zorn des Lammes; denn es ist gekommen der große Tag seines Zorns, und wer kann bestehen?“ Ja er kommt zum Weltgerichte, zum Fluch dem, der ihm flucht! Ach dass es auch dahin kommen muss mit der Erde, die einst ein Paradies Gottes war, ein Lustgarten voll himmlischer Freude; und nun am Tag des Gerichtes wird sie mit Angst bedeckt wie mit Wogen des Meeres! Ach dass es dahin kommen muss mit den Menschen, die Gott zur Freude, Seligkeit und Herrlichkeit berufen hat; und nun mündet die Menschengeschichte und Weltentwicklung bei einem großen Teil der Menschen aus in ein unermessliches Angstmeer, ja in den Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt. Daran ist die Sünde Schuld, der Unglaube, der Gottes Wort nicht als Wahrheit anerkennt und Christum, den eingebornen Sohn Gottes, nicht als Heiland, Retter und Seligmacher annimmt.

Aber nun könnte Jemand sagen: Bange machen gilt nicht; es sind schon viele Menschen gestorben und haben den Tag der Wiederkunft Christi zum Gericht nicht erlebt, und werden noch viele sterben, ohne ihn zu erleben. Man braucht also keine Angst zu haben, sich nicht zu fürchten vor diesem Tag. Höre als Antwort: Jeder Mensch erlebt in gewissem Sinn den Tag der Wiederkunft Christi, nämlich an seinem Sterbetage, dem, wie es leider nur zu wahr ist, niemand entgeht. Das ist auch ein Kommen des Herrn, wenn die Seele vom Leibe scheidet; da kommt der Herr entweder zum Gericht und zur Verdammnis oder zum Heil und zur Seligkeit. Willst du nun, dass er dir nicht zum Gericht komme, dass an deinem Sterbetage nicht Verzweiflung und Höllenangst über dich falle, sondern dass du im Frieden von hinnen fahrest: o sieh, so muss es dir jetzt in der Zeit, so lange es heute heißt, einmal angst und bange werden um deine Seligkeit; du darfst nicht gleichgiltig in den Tag hineinleben, als ob man im Schlaf in den Himmel käme und das Seligwerden sich von selbst verstünde. Nein, die ernste Frage muss in dir aufsteigen: Was muss ich tun, dass ich selig werde? Und die Antwort soll dir auch nicht fehlen, ich will sie dir gleich jetzt geben: Tue Buße, und glaube an das Evangelium! Glaube an den Herrn Jesum Christ, so wirst du und dein Haus selig; verlasse die breite Straße der Welt und Sünde, geh ein durch die enge Pforte und wandle auf dem schmalen Pfad, der zum Leben führt. Dann kommt dir der Herr nicht zum Gericht, weder an deinem Sterbetage noch an dem Tag seiner herrlichen Zukunft, sondern er kommt vielmehr

II. mit Gnad und süßem Lichte dem, der ihn liebt und sucht.

„Wenn aber dies anfängt zu geschehen, so seht auf, und hebt eure Häupter auf, darum, dass sich eure Erlösung naht.“

O meine Freunde, was sind das für herrliche, köstliche Worte, welche der Heiland zu seinen lieben Jüngern und getreuen Nachfolgern spricht, zu der Gemeinde, die ihn kennt und liebt und an ihn von Herzen glaubt. Für sie kommt er nicht zum Gericht, sondern mit Gnad und süßem Lichte dem, der ihn liebt und sucht. Ihnen gilt es: wenn dies anfängt zu geschehen, so seht auf!“ Wenn Himmel und Erde erschüttert werden, wenn das Meer tobt und wallt und die Wasserwogen brausen, wenn die Welt mit ihren Kindern in Todesangst und Verzweiflung zu Boden blicken und in dunkler Schwermut in sich hineinstarren muss: so darf und soll Gottes Volk, die Kirche Jesu, aufsehen und gen Himmel schauen. Wohl stehen dunkle Wetterwolken am Himmel, der Donner des göttlichen Gerichtes rollt und die Blitze zucken; aber den Gläubigen und auserwählten Jüngern Jesu kommt der Herr nicht als Richter, sondern als Freund und Bräutigam, als Erretter, Erlöser und Seligmacher,

Ihr Freund kommt vom Himmel prächtig
Von Gnaden stark, von Wahrheit mächtig;
Ihr Licht bricht an, ihr Stern geht auf.
Darum seht auf, und hebt eure Häupter auf.“

Die Welt muss freilich das Haupt sinken lassen, das hochmütige, eitle, hoffärtige Haupt, das schuldbeladene Haupt, das trotzige Haupt, bis in den Staub und Kot der Erde, ja bis in die Hölle hinunter. Ihr Hochmut wird nun gebrochen, ihre Selbstvergötterung wird nun zu Schanden, ihr stolzer Nacken wird gebeugt. Aber Gottes Volk, die Jünger des Herrn dürfen und sollen das Haupt aufheben. Denn sie sind erlöst und versöhnt durch das Blut Jesu Christi, ihr Gewissen ist frei von Schuld, sie haben Vergebung der Sünden und schmecken den Frieden Gottes, der höher ist denn alle Vernunft; wer will sie verdammen? Auch keine Trübsal, kein Leid wird sie mehr niederdrücken und beschweren, kein Kummer wird mehr am Herzen nagen, keine Träne mehr fließen; alle Last, alle Sorge, aller Jammer ist vorüber; die mit Tränen säten, werden mit Freuden ernten.

„O seht auf und hebt eure Häupter auf, darum, dass sich eure Erlösung naht. Seht an den Feigenbaum und alle Bäume; wenn sie jetzt ausschlagen, so seht ihr an ihnen und merkt, dass jetzt der Sommer nahe ist. Also auch ihr, wenn ihr dies Alles seht angehen, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist.“ Freilich ist das Reich Gottes schon jetzt vorhanden, inwendig in den Herzen; aber dann, beim Kommen des Herrn, wird es nach außen hervorbrechen in Macht und Herrlichkeit. Jetzt ist es ein Kreuzreich; dann wird es ein Reich des Sieges und Triumphes sein. Jetzt haben die Christen Passionszeit; dann feiert die Kirche Ostern; dann kommt die unaussprechliche Frühlings- und Sommerfreude der himmlischen Seligkeit und Herrlichkeit, die Zeit der Erquickung vom Angesicht des Herrn, da das Herz sich freut und die Gebeine grünen, da die Sonne der ewigen Lust und Wonne am wolkenlosen Himmel über den Häuptern der Seligen strahlt und nimmer untergeht. Denn die Erlösung naht sich, ist da. Wohl sind die Christen schon vor der Wiederkunft des Herrn Erlöste und Versöhnte, aber mit der glorreichen Zukunft Jesu Christi kommt die ganze und völlige Erlösung nach Leib und Seele. Die, welche schon im Herrn entschlafen sind und der Seele nach selig daheim bei dem Herrn, werden nun auch dem Leibe nach erweckt und gehen hervor aus ihren Kammern mit dem herrlichen Auferstehungsleib; und die Lebenden werden verwandelt werden. Ja auch durch die Erde geht ein Auferstehungsodem. Auch die Kreatur wird frei werden vom Dienst des vergänglichen Wesens zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Das Sabbatjahrtausend der Erde bricht an mit der Fülle seiner geistlichen und leiblichen Segnungen, bis endlich ein neuer Himmel und eine neue Erde sein werden, und es heißen wird: Siehe da eine Hütte Gottes bei den Menschen, und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein. Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen; und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerzen wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. O meine Lieben, Jesus kommt, Jesus kommt! und zwar mit Gnad und süßem Lichte dem, der ihn liebt und sucht. So kommt er für seine Kirche am Ende der Tage.

Aber auch schon jetzt, wenn er beim Sterben die Seinigen heimholt ins Vaterhaus. Während die Welt im Tode händeringend und verzweifelnd das Haupt sinken lassen muss, weil es abwärts geht: so darf der Christ auch im Tode aufsehen, über Tod und Grab hinübersehen und das Haupt erheben, darum, dass sich seine Erlösung naht. So hat ein Stephanus mitten unter den Steinwürfen seiner Peiniger und Mörder den Himmel offen gesehen, und die Herrlichkeit Gottes, und Jesum zur Rechten Gottes stehen, bereit seine Seele in Empfang zu nehmen; und er rief an und sprach: Herr Jesu, nimm meinen Geist auf! Und jene Märtyrerin Cäcilia sagte: Ich sterbe nicht, nur mein Elend stirbt. So gibt es, seit die Kirche auf Erden steht und Jesus mit Gnad und süßem Lichte zu den Seinigen im Tode kommt, unzählige Beispiele eines seligen Sterbens. Eines noch anzuführen kann ich mich nicht enthalten. Philipp Ludwig, Graf zu Hanau und Rheineck, lag im August 1612 auf dem Sterbebette. Am Abend des 7. August ließ er, nachdem er von den Seinigen Abschied genommen, alle Türen öffnen und sprach zweimal laut: Macht alle Türen auf und lasst alle meine Leute kommen, dass sie sehen, wie ich so fröhlich sterbe, und sich meines Exempels trösten. Am Sonntag den 9. August hob er am frühen Morgen die Augen und das Haupt auf und rief mit heller Stimme: Nun bin ich einmal erlöst! Jetzt läutete man in der Altstadt zur Predigt, und als ihm da der Prediger Appelius zusprach: „Diese Glocke ruft jetzt Euch zu dem himmlischen Engelgesang; jetzt werden Sie mit den Engeln Gottes zu Chore gehen“, sprach der Sterbende sogleich: „Wohlan, so lasst uns singen!“ und fing mit fröhlicher Stimme den Engelgesang an: „Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr.“ Alle Anwesenden stimmten ein. Nach diesem stimmte er an: Der Tag, der ist so freudenreich.“ Endlich begehrte er auch den 116. Psalm: „Das ist mir lieb, dass Gott mein Hort“, den er noch schwach mitsang. Gleich danach ging seine Seele still und selig von dannen, und schwang sich auf zu den seligen, lichten Höhen, da man in Ewigkeit aufsieht und das Haupt erhebt, um Gott zu schauen von Angesicht zu Angesicht.

Heißt es da nicht, im Herrn Geliebte: Jesus kommt mit Gnad und süßem Lichte dem, der ihn liebt und sucht? O möchte der Herr, wenn unser legtes Stündlein schlägt, so auch zu uns kommen! Aber da muss es auch in unsrer Seele heißen:

III. Ach komm, ja komm, o Sonne, und hol uns allzumal zum ew'gen Licht und Wonne in deinen Freudensaal!

Rechte Christen tragen eine Sehnsucht und ein Verlangen nach dem Herrn in sich. So oft sie hören: Siehe, ich komme bald! spricht ihr Herz: Amen, ja komm Herr Jesu! Wenn ihnen vom kommen des Herrn gepredigt wird, so ergreift sie keine Furcht und Bangigkeit, sondern vielmehr große Freude; sie wissen, dass sie hienieden Fremdlinge und Pilgrime sind und keine bleibende Stätte haben; darum suchen sie die zukünftige Stadt, deren Baumeister Gott ist, und trachten nach dem, das droben ist, da Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Sie schauen auf ihrer Reise zur stillen Ewigkeit oft und viel auf nach den Wohnungen des ewigen Lichts und der seligen Wonne, nach dem Freudensaal des Himmels, da ewige Freude über ihrem Haupte sein wird.

Da wir aber, so lange wir auf Erden wallen, stets in Gefahr sind, vom Irdischen bestrickt zu werden, beschwerte Herzen zu bekommen, einzuschlafen, müde und matt zu werden im Wachen und Beten, so gibt uns der Herr zum Schluss eine ernste Mahnung: Hütet euch, dass eure Herzen nicht beschwert werden mit Fressen und Saufen und mit Sorgen der Nahrung, und komme dieser Tag schnell über euch; denn wie ein Fallstrick wird er kommen über alle, die auf Erden wohnen. So seid nun wacker allezeit und betet, dass ihr würdig werden möget zu entfliehen diesem Allen, das geschehen soll, und zu stehen vor des Menschen Sohn.“ Lasst doch diese Ermahnung euch recht zu Herzen gehen, meine Lieben! Hütet euch vor den zwei großen Feinden des Christen, welche schon viele, die einen guten Anfang im Christentum gemacht hatten, zu Fall gebracht haben. Diese Feinde sind fleischliches Wohlleben und Sorgen der Nahrung. „Darum hütet euch, dass eure Herzen nicht beschwert werden mit Fressen und Saufen.“ Ach wie viele, die den Namen Christi tragen, liegen an dieser Sünde krank darnieder. Fleischeslust, gutes Essen und Trinken, das ist ihr höchstes Gut, ihr Bauch ist ihr Gott. Wenn sie nur recht zu essen und zu trinken haben, und die Lüste ihres Fleisches befriedigen können, dann sind sie wohl zufrieden. Höheres, Himmlisches, Ewiges wünschen sie nicht. Aber vor der Gefahr des fleischlichen Wohllebens sind auch die Christen nicht sicher, die im Glauben und in der Liebe Christi stehen. Ja ihnen gerade sagt der Heiland: hütet euch! Hütet euch, dass ihr nicht in eine gemütliche Fleischesruhe und Fleischespflege verfallt, was auch auf eine feine Art geschehen kann, ohne dass man gerade in eine grobe und gemeine Unmäßigkeit des Essens und Trinkens versinkt. Ich bin überzeugt, dass Manches unter uns in dieser Gefahr steht, indem es viel zu viel auf seine leiblichen Bedürfnisse verwendet und dieselben auf alle nur erdenkliche Art pflegt und großzieht. O mein Christ, dadurch wird dein Herz beschwert wie mit einem Bleigewicht, dass es am Boden liegt, an der Erde klebt, und dein Geist sich nicht frisch und fröhlich zu Gott aufschwingen kann. Hüte dich!

Aber auch vor den Sorgen der Nahrung! Es ist merkwürdig, dass der Herr dieselben in eine Linie mit der Unmäßigkeit im Essen und Trinken stellt. Von den Sorgen der Nahrung wird das Herz gleichfalls beschwert. Darum hüte dich! Trachte am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird dir das Übrige alles zufallen. Lass die Sorge ums Himmelreich, um die Seligkeit deine erste und höchste Sorge sein, so nimmt dir der Herr die leiblichen Sorgen ab und sorgt für dich. Sprich nicht ängstlich: Es ist eine teure, schwere Zeit; was werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden? Solche ängstliche Fragen und Sorgen geziemen den Heiden. Du aber, o Christ, bete und arbeite und tue deine Pflicht; das Übrige wird der Herr machen, wie er es feierlich versprochen hat. Er nährt die Vögel unter dem Himmel und kleidet die Lilien auf dem Felde; sollte er das nicht vielmehr dir tun? o du Kleingläubiger!

Was sorgst du dich in deinem Sinn
Und grämst dich Tag und Nacht?
Nimm deine Sorg und wirf sie hin
Auf den, der dich gemacht!
Sorgen kommt dem Schöpfer zu,
meine Seele sucht nur Ruh!

Ruhe in Gott, Ruhe in Christo, dem Heiland der Welt. O da ist Ruhe, süße, sanfte, stille, selige Ruhe! Er wird Alles wohl machen. So lasst uns denn allezeit wacker sein und beten, dass wir würdig werden mögen, zu entfliehen dem Allem, das geschehen soll, und zu stehen vor des Menschen Sohn. Ja komm, ach komm, o Sonne, und hol uns allzumal zum ewigen Licht und Wonne in deinen Freudensaal.

Amen.

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