Harms, Theodor - Der Heilsweg - Die Reue.
Die Gnade unsers HErrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.
Lasst uns beten: Lieber HErr und Heiland Jesu Christe, der Du alle Mühseligen und Beladenen zu Dir rufst, dass Du sie erquicken mögest mit dem reichen Trost der Vergebung der Sünden, wir bitten Dich, mache uns alle recht mühselig und beladen, dass uns unsere Sünden eine schwere Last werden, die wir mit unserer Kraft nicht tragen können, sondern zu Deinen Füßen niederlegen, dass Du sie uns abnehmest. Du musst Alles in uns wirken, das Wollen und Vollbringen des Guten nach Deinem Wohlgefallen. So musst Du auch in unserm Herzen die rechte Buße wirken, wir können es nicht. Es tut uns wohl bitter weh, als blutarme Sündenwürmer sich vor Dir zu krümmen im Staube, aber gib nur Gnade, dass wir uns gern so tief demütigen und höre dann auf das Schreien unsers Herzens. Erbarme Dich über uns! Unser Herz ist so hochmütig und will sich nicht demütigen, es ist so trotzig und will sich nicht beugen, darum werde Du uns zu mächtig, lass uns den Schrecken Deines Zorns merken, damit wir gründlich zur Buße kommen und Gnade bei Dir finden. Wir bitten Dich, lieber HErr, indem wir Dir unsere Herzen darbieten, Du wollest sie hinnehmen und damit handeln nach Deinem Wohlgefallen. Du willst uns ja alle so gern in den Himmel haben und wir wissen, dass der Weg zum Himmel durch die Hölle der Sündenangst hindurchgeht. So lass uns den Weg durch die Hölle nicht scheuen, wenn wir nur in den Himmel eingehen können. Gib uns Deinen Heiligen Geist, ohne den wir Dein Wort nicht recht betrachten können, auf dass wir es nicht bloß hören, sondern erfahren und bewahren bis ans Ende. Lass uns Dir in heißer Liebe anhangen und Dir treu bleiben, der Du uns zuerst geliebt hast. Erhöre uns um Deines teuren Namens willen. Amen.
Text: 2. Korinth. 7, 10.
Denn die göttliche Traurigkeit wirkt zur Seligkeit eine Reue, die Niemand gereut; die Traurigkeit aber der Welt wirkt den Tod.
Wir kommen heute, meine Lieben, zu dem dritten Stück der Heilsordnung, einem Stücke, welches dem natürlichen Menschen am wenigsten zusagt, vor welchem er sich windet und krümmt wie ein Wurm im Staube und will nicht hinein und nicht hindurch und doch ist es ganz unmöglich, dass wir zum Glauben und ewigen Leben gelangen, wenn wir nicht zur wahren Buße kommen durch den Heiligen Geist. Es geht den meisten Menschen mit der Reue, wie es vielen Kranken geht mit der Arznei. Zum Exempel, der Arzt verschreibt einem Kranken eine recht übel schmeckende Arznei. Da hört man so oft nicht bloß aus dem Munde der Kinder, sondern aus dem Munde der Erwachsenen: Ich kann die Arznei nicht einnehmen, lieber will ich sterben. Und wirklich gibt es solche törichte Leute, die lieber sterben, als dass sie eine bitter schmeckende Arznei einnehmen. So geht es auch vielen Menschen mit der Reue, sie wollen nicht die bittere Seelenarznei, wodurch allein die Seele gesund wird, sie scheuen den Schmerz und lassen es darauf ankommen, was aus ihnen wird. Es geht uns allen, wie den Kindern Israel als sie vor dem roten Meere standen, sie wollten nicht hinein, weil sie meinten, sie müssten darin ertrinken; aber des HErrn Wort machte ihnen eine Straße, dass sie trocknen Fußes hindurchgehen konnten. Wie Israel sich eigentlich gar nicht hätte zu fürchten brauchen, so brauchen wir uns auch nicht zu scheuen, wenn wir vor der Reue stehen, der HErr wird uns den Weg bahnen, dass wir sicher hindurchkommen und nicht zu Grunde darin gehen. Es geht freilich oft sehr ernst dabei zu, man muss es selbst erfahren haben, wenn man einen Menschen, der in der Reue steckt, verstehen will. Fragen wir: Was ist die Reue, davor der Mensch so sehr zurückbebt? so lautet die Antwort aus unserm Text: Die Reue ist die göttliche Traurigkeit, die zur Seligkeit wirkt eine Reue, die Niemand gereut. Schöner können wir die Reue nicht erklären, als wenn wir sie die göttliche Traurigkeit nennen. Wie gelangen wir zu dieser Reue? Durch Gottes Gebote und Gottes Zorn. Gottes Gebote halten uns auf das deutlichste den reinen Spiegel des göttlichen Willens vor die Augen, dass wir uns darin erkennen können bis auf den Grund, wie wir inwendig und auswendig gestaltet sind. Aber nicht allein, dass wir unsere Sünde erkennen, sondern der Heilige Geist, der im Gesetze ist, lässt uns unsere Sünde empfinden und dieses Empfinden ist der bittere Schmerz, der oft den ganzen Menschen übermannt, dass man meint, man könne es nicht ertragen. Das zweite ist der göttliche Zorn, den der HErr dem Übertreter Seiner Gebote droht. Denn es steht geschrieben: Verflucht ist Jedermann, der nicht hält alle Worte dieses Gesetzes, dass er sie tue. Wir dürfen uns nicht eine falsche Vorstellung von Gott machen. Die Ungläubigen machen sich einen Gott, der nicht Gott ist, sondern ein Götze und der Alles nachgibt, was seine Anbeter von ihm verlangen. Denn die Götzen, die die Heiden sich machen, - und die ungläubigen Christen sind nichts anders als Heiden - sehen gerade so aus, als sie selbst. Der Mensch bildet sich seinen Gott nach sich selbst, wie sein eigen Herz ist, so soll seines Gottes Herz sein, wie er selber denkt, so soll sein Gott denken. Es ist gerade umgekehrt mit dem wahrhaftigen Gott und dessen Dienern. Die Diener des wahrhaftigen Gottes richten sich nach Gott und Seinem Worte, aber der Gott oder Götze der Ungläubigen soll sich nach seinen Verehrern richten. Wir kennen den wahren Gott aus der Heiligen Schrift und Er sieht in keiner Weise dem lieben Gott der Ungläubigen ähnlich. Der dreieinige Gott ist ein starker, eifriger Gott trotzdem, dass Er die Liebe ist. Es ist Ihm unmöglich, eine Sünde ungestraft hingehen zu lassen. Er sieht die Sünde in dem rechten Lichte an, nicht bloß als Unrecht gegen das Gesetz, sondern als Teufelei, als Feindschaft gegen Ihn. Darum straft Er sie und sucht sie heim bei jedem, wo Er sie findet, wenn sie nicht gesühnt ist durch das teure Blut Christi. Wenn Jemand das ganze Gesetz hält und sündigt an Einem, so ist er es ganz schuldig. Hättest du alle Gebote gehalten und nur eine halbe Unwahrheit gesagt, so müsste diese halbe Unwahrheit dich ewig verdammen. Mit jeder Sünde vergehen wir uns an Gott selbst. An Dir allein, Gott, habe ich gesündigt und Übel vor Dir getan, sagt König David und es ist auch in der Tat und Wahrheit so, denn Gott hat das Gesetz gegeben. Jede Sünde ist eine Übertretung des Gesetzes Gottes, darum versündigen wir uns mit jeder Sünde an Gott und haben Gottes Strafe, die ewige Verdammnis zu fürchten. Auf jede Sünde, die nicht vergeben ist, muss die ewige Verdammnis folgen. Das fordert Gottes Gerechtigkeit. Wollte Gott, menschlich geredet, durch Seine Liebe sich verleiten lassen, über eine Sünde wegzusehen, so würde Er aufhören Gott zu sein. Seine Ehre und Sein Gesetz fordern es, dass Er jede Sünde strafen muss. Gegen jede Sünde, die wir tun, steht der heilige, majestätische Zorn Gottes, davor sollen wir uns fürchten lernen und wir lernen uns davor fürchten in der Reue. So kommen wir durch Gottes Gesetz zu wahrer Reue und Leid über unsre Sünde, aber es ist ganz natürlich, dass wir erst unsere Sünde erkennen müssen und sie dann empfinden, sodass die Erleuchtung notwendig der Reue vorangeht. In der wahren Reue erkennen und empfinden wir die Sünde als Teufels Werk und Wesen. In der wahren Reue über die Sünde lastet die ganze Schwere der zehn Gebote und des göttlichen Zorns auf unserm Herzen und daher ist es kein Wunder, dass man in solcher Not die Hölle im Herzen hat. Aber ohne solche Höllenangst wird schwerlich ein Mensch zur Seligkeit des Glaubens kommen. Wenn auch die Reue die größte Angst und Qual ist, die ein Menschenherz empfinden kann, so ist sie doch eine der größten Gnadenwirkungen des Heiligen Geistes. Wenn man recht in die Reue kommt, so ist das Herz sehr beschwert und erschreckt und man erkennt, dass man nichts anders wert ist als der Verdammnis. Solche Leute sieht die Welt mit Kopfschütteln an, sie kann es nicht begreifen, dass ein Mensch Tag und Nacht über seine Sünden weinen und zu Gott seufzen kann, sie sagt wohl, der Mensch ist verrückt. Und wirklich ist oft die Not so groß, dass der Mensch den Verstand verliert. Ich habe öfter die Erfahrung gemacht, dass ein Mensch, der in der Buße steckte, wahnsinnig wurde, und dass gläubige Christen nicht wussten, was sie dazu sagen sollten. Aber ich habe es auch erfahren, dass der Heilige Geist nie einen Menschen, der es aufrichtig meint, in der Hölle stecken lässt, wie es denn Gottes Weise nicht ist, ein Werk halb vollendet liegen zu lassen. So kann man ganz unbekümmert sein um solchen Menschen, in dem der Heilige Geist die Reue gewirkt hat, solcher wird gewiss zur Ruhe und zum Frieden in Gott kommen. Die Dauer dieser Reue ist verschieden. Manche finden sich schon nach wenigen Tagen bei dem HErrn zurecht, dass sie sagen können: Ich habe Frieden gefunden; bei andern dauert es monate- und jahrelang und ich kann es mir recht wohl denken, dass Menschen ihr ganzes Leben nicht zum Frieden kommen, sondern erst auf dem Sterbebette, aber dann ganz gewiss. Wir können es dem Heiligen Geist ganz überlassen, wie Er es mit uns machen will. Er sieht auf die Eigentümlichkeit eines jeden Menschen und handelt mit ihm danach, aber nur durch Wort und Sakrament. Bei Manchem geht es rascher, bei Manchem langsamer. Da kommen Leute in die Predigt und haben die Sündenangst noch nie gekannt, aber die eine Predigt packt sie so, dass sie an Leib und Seele verzagen möchten. Bei andern geht es langsamer, aber meist auch gründlicher, wenn sich der Mensch nur der Führung des Heiligen Geistes überlässt. Mag nun der HErr plötzlich einen Menschen in das Meer der Reue hineinwerfen, oder nach und nach hineinführen, so wirkt der Heilige Geist, dass derselbe sich der Gnade Gottes getrösten könne. Darum verdient der Heilige Geist auch den Namen Tröster, denn Er bringt die betrübten Sünder zum Frieden. Nach und nach führt Er immer tiefer in die Reue hinein. Unserer Sünden sind so viel, dass, wenn der Heilige Geist uns alle auf einmal vor Augen stellen wollte, kein Mensch selig würde, wir würden alle in Verzweiflung geraten und uns das Leben nehmen. Das tut der Heilige Geist aber nie, Er kennt das menschliche Herz besser als wir es kennen; Er geht allmählich zu Werke, zeigt eine Sünde nach der andern, eine immer noch schwärzer als die andere. Nun ist freilich ein Unterschied zwischen der Buße dessen, der als ungerechtfertigter Sünder durch die erste Buße hindurch muss und der Buße des gerechtfertigten Sünders; aber im Grunde ist es dasselbe, in beiden Fällen ist es der bittere, verzehrende Schmerz über die Sünde. Ist es im ersten Falle die Masse der Sünden, so kann es im zweiten Falle Eine Sünde sein, die einen quält, dass man meint, man könne es nicht ertragen. Im zweiten Fall ist die Unterlage der Rechtfertigung vorhanden, man weiß zu bleiben mit der Sünde, man geht damit zu Jesu und lässt sie sich vergeben und der Friede des Herzens kann auf die Dauer nicht gestört werden; das fehlt noch im ersten Fall. Darum ist der Heilige Geist sehr treu, dass Er bei den Gläubigen keine Sünde ungestraft hingehen lässt; entweder zeigt Er sie gleich oder zur passenden Zeit, auf dass der Christ stets in der rechten Buße erfunden werde. So kann es nicht anders sein, das Leben des wahren Christen ist ein Leben in der Reue und Buße, wobei aber der Trost der Vergebung der Sünden nicht fehlt. Was sollte aus uns werden, wenn wir nicht in der täglichen Buße blieben? Nichts anders treibt uns hin zum HErrn als die Sünde, alles andere treibt uns weg vom HErrn. Das ist von großer Wichtigkeit für uns alle. Halte es ja Keiner für ein Unglück, wenn er recht herzlich betrübt ist über seine Sünde; ohne solche Reue und Betrübnis kommt Keiner zum HErrn. Es geht uns in dieser Beziehung wie einem Kranken. So lange ein Mensch gesund ist, schickt er nicht zum Arzt, und so lange er hofft ohne Arzt wieder besser zu werden, tut er's auch nicht. So ist's auch im Geistlichen mit uns. So lange wir unsere Sünden nicht erkennen, fällt es uns nicht ein zum Heiland der armen Sünder zu gehen, eben weil wir keinen Heiland nötig haben. Ja, wenn der Mensch zuerst ein klein bisschen von seiner Sünde fühlt, meint er noch immer, er könne sich selbst wohl helfen, es werde noch wieder gut durch eigen Werk. Wer das aber erfährt, dass es keinen Menschen und keinen Engel gibt, der uns die Sündenlast abnehmen, den Sündenschaden heilen und uns von der Hölle erretten kann, der wird zu dem gehen, der allein sich darbietet als der rechte Heiland aller armen Sünder. So treibt die Sünde allein hin zum Heiland und wenn der Heilige Geist nicht die Reue in uns wirkte, wir würden nie zu Jesu kommen. Aber warum ist es denn so, dass der arme Sünder zum Heiland kommen muss? warum ist es nicht umgekehrt, dass der HErr Jesus zu dem armen Sünder geht? warum verlangt das der HErr? Aus dem Grunde, weil der Sünder erst in die äußerste Not hineinkommen muss, also dass er an. sich selbst und an jeder andern Hilfe verzagt. Der HErr Jesus ist gern bereit dem Menschen die Sünde abzunehmen, Er weiß auch, wer ein armer Sünder ist und kommt zu ihm; aber ein armer Sünder, der in seiner Reue sich keinen Rat weiß, weiß das nicht, dass der große Arzt und Wundermann bei ihm steht. Wenn er nur den einen Schritt tut und sich vor Jesu niederwirft auf die Kniee, dann fängt Jesus ihn mit Seinen Gnadenarmen auf und tröstet ihn unbeschreiblich. So soll der Sünder zu Jesu kommen und Jesus kommt zu ihm. Hat der Sünder dem HErrn Jesu seine Sünde gebracht, so erbarmt sich der HErr über ihn. Wohl lässt Er ihn noch lange zappeln, weil Er besser weiß, was das menschliche Herz für ein trotzig Ding ist und dass nichts gefährlicher ist als Ungründlichkeit in der Reue. Dadurch hat sich schon mancher Mensch großen Schaden zugefügt, dass er mit dem äußeren Bekenntnis der Sünde genug zu tun meinte, und ließ es an der rechten Herzensbuße fehlen. Man darf dem Heiligen Geist nicht in das Amt fallen, sondern muss Ihn ruhig wirken lassen. Hilft Er nicht gleich, so soll der Mensch erst recht gründlich in die Buße, damit er dann die Gnade des HErrn in überschwänglichem Maße erfahre. Aber wie kommen wir zur rechten Buße? Der Heilige Geist allein. muss uns dahin bringen, wir können es nicht, sollen Ihm auch nicht dabei helfen. Es gilt hier das Wort: Der Mensch kann sich nichts selbst nehmen, es muss ihm von Gott gegeben werden. Was sollen wir denn tun? Weiter nichts als fleißig Gottes Wort hören und lesen und treulich um den Heiligen Geist bitten; auf andere Weise wird man sie nicht bekommen. Der Heilige Geist wirkt die Reue durch Gottes Wort; also Er allein muss es fertig bringen. Der HErr lässt es den Aufrichtigen gelingen, und wenn viele Menschen nicht zum Frieden kommen können, so mögen sie sich wohl prüfen, ob es nicht an ihrer Unaufrichtigkeit liegt. Wer aufrichtig ist, treulich Gottes Wort gebraucht und fleißig betet, dem gibt der HErr zur rechten Stunde die Reue. Man hüte sich ja davor, dass man oft sich selbst in die Buße hineinarbeiten wolle. Sieht und erfährt man, wie es andern Christenmenschen ergangen ist, die zum Frieden gekommen sind, dann kommt man leicht in die Gefahr, sich selbst in die Buße zu bringen; aber dadurch wird man kein wirklicher Sünder, sondern nur ein gemalter, wie Dr. Luther sagt, der dem HErrn nicht wohlgefällig ist und der sich auch nicht fest auf die Gnade Gottes in Christo gründen kann. Dieses, meine Lieben, kann keinem Menschen erspart werden, weder den großen noch den kleinen, wer selig werden will, der muss die göttliche Traurigkeit haben. Haben denn kleine Kinder, die in der Taufgnade sterben, auch schon Reue und Leid über die Sünde? Ganz gewiss, denn weil sie den lebendigen Glauben haben, so müssen sie auch Reue über die Sünde haben. Aber wie Kinder nicht denken und empfinden wie erwachsene Leute, sondern wie Kinder, so haben sie auch Reue und Glauben als Kinder. Ferner hört man oft aus dem Munde der Christen das Wort: Mir sind meine Sünden noch nie recht groß und schwer geworden. Was soll diesen Leuten geantwortet werden? Ich weiß keine andere Antwort als die: Dann hast du auch noch nie die rechte Reue erfahren und musst den HErrn mit großem Ernst bitten, dass Er dir deine Sünden recht schwer machen wolle. Wenn ein Mensch sagt, ich habe noch nie über meine Sünden geweint, so müssen wir dabei bedenken, dass es Menschen gibt, die auch bei dem bittersten Schmerz des Leibes nicht weinen können, die eine solche harte Natur haben, dass kein Schmerz Tränen aus ihren Augen pressen kann. Nun da schadet's denn auch nicht, dass ihre Augen nicht weinen über ihre Sünden, wenn nur das Herz darüber weint. Wenn aber dein Herz nicht weint über die Sünde, so weiß ich nicht, was ich von deiner Buße halten soll, denn der wahre Schmerz über die Sünde ist so bitter, dass er wohl das Herz zu Tränen bringen muss. Das ist die göttliche Traurigkeit, die Niemand gereut.
Unser Text redet aber noch von einer andern Traurigkeit, welche ist damit gemeint? Das ist die Traurigkeit der Welt und wir können sie nicht besser beschreiben, als wir sie finden beim reichen Mann im Evangelio. Als er in der Hölle und in der Qual war, da empfand er eine Traurigkeit, die furchtbar ist. Er wünschte einen Tropfen Wasser für seine lechzende Zunge, seine Blutsfreunde auf Erden jammerten ihn, dass die doch nicht möchten an diesen Ort der Qual kommen. Darum bat er Abraham, er möchte Lazarum senden, dass er das Äußerste seines Fingers ins Wasser tauche und kühle damit seine Zunge. Aber Abraham antwortet ihm: Du hast dein Gutes empfangen auf Erden und deine Brüder würden sich doch nicht bekehren, wenn auch einer von den Toten auferstünde; sie haben ja Mosen und die Propheten, die lasst sie hören. Ihr seht daraus, wie wenig der reiche Mann von Gottes Wort hielt, wie er dem Berichte eines Menschen mehr zutraut, als der Kraft des göttlichen Wortes. Wir finden aber keine Silbe davon, dass er getrauert habe über seine Sünden, wohl aber trauert er über die Qual; die Strafe tut ihm bitter weh, nicht aber seine Sünde. Seht, so geht es allen Verdammten in der Hölle, sie jammern bis in alle Ewigkeit über die Qual ihrer Strafe, nicht über ihre Sündenschuld. Das ist die Traurigkeit der Welt, wo der Mensch nicht jammert über seine Sünde und den Zorn Gottes, sondern wo er lediglich jammert über die Strafe und diese Traurigkeit wirkt den Tod.
Das ist nun die Lehre der Heiligen Schrift von der Buße, und die Erfahrung eines jeden wahren Christen bestätigt es, dass es so ist, dass dieser Weg allein zu dem HErrn Jesu führt. Die Schrift sagt außerdem, dass dieses Leben als Gnadenfrist uns zugemessen ist. Darum sollen wir unsere Seligkeit schaffen mit Furcht und Zittern, denn es ist dem Menschen gesetzt einmal zu sterben und danach das Gericht. Nie gelangt ein Verdammter in der Hölle zur göttlichen Traurigkeit. Wie köstlich erscheint im Lichte der Reue dieses Leben, wie wichtig jeder Tag, da Keiner über sein Leben verfügen kann. Wie leichtsinnig und wahnwitzig sind die Menschen, die ihre Buße verschieben, die da meinen, es hinge von ihnen ab, ob und wann sie sich bekehren wollten. Es ist, richtig verstanden, ganz wahr, wenn man sagt, ich will mich bekehren; aber viele Christen verstehen den Ausdruck ganz falsch, denn sie meinen, es käme auf ihr Wollen an bei der Bekehrung.
So gehen die meisten Menschen leichtsinnig dahin und der Tod kommt über sie und rafft sie weg ohne Bekehrung. Oder sie werden alt und krank und in ihrem Alter und Schmerzen fangen sie an nach Gott zu fragen, aber nicht in göttlicher Traurigkeit. Sie sehen vielleicht ein, was sie angerichtet haben mit ihren Sünden, sie erkennen, dass sie sich nicht bekümmert haben um Gott und Sein heiliges Wort, nun sitzt ihnen der Tod auf der Zunge, die Angst treibt sie das heilige Abendmahl zu nehmen und wenn sie das getan haben, meinen sie, sei alles gut. Wir dürfen uns durch zweierlei am Krankenbette nicht täuschen lassen. Wenn ein Kranker den Pastor an sein Sterbebett rufen lässt, dass er mit ihm beten und ihn aus Gottes Wort stärken soll und der Kranke nimmt nun, wie es vor Menschen Augen scheint, das Wort Gottes an, dann dürfen wir nicht meinen, dass das schon wahre Buße sei. Bei den meisten Kranken, die sich in den gesunden Tagen nicht bekehrt haben, ist eine solche Bekehrung nur Schein und sie fahren doch zum Teufel. Ist keine wahre Buße da, und das kann man bald merken, ob die da ist oder nicht -, so hat man trotz Pastor, Abendmahl, Lesen und Beten keine Hoffnung des ewigen Lebens. Das zweite, wodurch sich viele Menschen am Sterbebette täuschen lassen, ist, dass ein scheinbar stiller Friede auf dem Angesichte des Verstorbenen sich ausbreitet. Der Mensch hat in den guten Tagen nicht nach Jesu gefragt, er hat der Welt und der Sünde gedient, nun ist er gestorben und seine Gebärden werden nicht unsäuberlich, sein Gesicht ist nicht entstellt, folglich muss er selig geworden sein. Aber das ist ein verkehrter Schluss. Das täuscht oft sehr. Zwar dürfen wir keinen Menschen richten oder verdammen, aber wir dürfen auch nicht nach einem äußeren Zeichen den Schluss machen, der Mensch ist selig geworden. Die Hoffnung kannst du haben, dass einer selig geworden ist, die Befürchtung darfst du aussprechen, dass einer nicht selig geworden ist, aber behaupten darfst du's nicht, damit sündigst du. Niemand geht ein in das ewige Leben, der nicht in wahrer Reue und Buße seinen HErrn gefunden hat.
Nun, meine Lieben, frage sich jeder selbst, wie es mit ihm steht, ob er diese Reue habe und ob er zum Frieden gekommen sei. Ist's bei euch so, dann dankt Gott auf den Knieen und bittet Ihn treulich, dass ihr in der Buße bleibt und nicht aus der Gnade fallet, denn eine Sünde kann oft einen Gläubigen ebenso elend machen als das ganze Sündengewirr in der ersten Buße. Ich habe es oft erfahren in meinem Leben. Einst wurde ich zu einem totkranken Mann gerufen, der seinen Heiland herzlich lieb hatte. Er war in der größten Angst und Not. Was fehlt euch? fragte ich. Da antwortete er: Der Heilige Geist hat mir eine Sünde wieder klar gemacht, über die fast Gras gewachsen wäre. Als junger Mensch bin ich durch die Haide gegangen und habe ein Fünfgroschenstück gefunden, habe es aber für mich behalten, statt es abzugeben. Der Heilige Geist hat mir gezeigt, dass das Sünde ist und ich kann die Sünde nicht wieder gut machen, denn ich habe keine fünf Groschen in meinem Vermögen; diese fünf Groschen brennen als ein Feuer auf meiner Seele. Ich freute mich gar sehr über die zarte Gewissenhaftigkeit dieses Mannes und konnte ihm kraft meines Amtes die Sünde vergeben. Aber er wurde nicht ruhig danach, denn es fehlten ihm die fünf Groschen, die er zum Erstatten gebrauchte. So will ich sie bezahlen in eurem Namen, sagte ich zu ihm. Da wurde er still und zufrieden und Tags darauf war er heimgegangen. So brennt oft eine einzige Sünde auf der Seele. Nun denkt euch, wenn in der Sterbestunde all' die Millionen Sünden aufwachen sollten, die nicht vergeben sind, würden die nicht beißen, wie ein Wurm, der nicht stirbt? würden die nicht brennen, wie ein Feuer, das nicht verlischt? Wer sich das nicht ein bisschen denken kann, der versteht den HErrn nicht, wenn Er von der Höllenqual in einem Menschenherzen redet. Das ist nun der Weg, den wir zu gehen haben, anders können wir nicht zum HErrn Jesu und zum Frieden kommen.
Lasst uns niederknien und beten: Wir armen, elenden, sündigen Menschen kommen vor Dein heiliges Angesicht, lieber Vater im Himmel, und bringen Dir all' unsere Sünde und Missetat, womit wir Dich jemals erzürnet und Deine Strafen zeitlich und ewig wohl verdienet haben. Sie sind uns aber von Herzen leid und reuen uns sehr, und bitten Dich durch Deine grundlose Barmherzigkeit und durch das heilige, bittere, unschuldige Leiden und Sterben Deines lieben Sohnes Jesu Christi, an den wir von Herzen glauben, Du wollest uns armen, bußfertigen Sündern alle Sünden und Missetaten vergeben. Wir geloben Dir auch, dass wir uns durch die Kraft des Heiligen Geistes hinfort ernstlich bessern wollen, sprich Du Dein Ja und Amen dazu. Wir bitten Dich, lieber HErr Jesu, Du wollest um Deiner blutigen Marter und Wunden willen Niemand von uns sterben lassen ohne die wahre Buße und den rechten Glauben, und hast Du uns zum Glauben gebracht, so lass uns in der Buße der gerechtfertigten Sünder beharren. Wollst uns treulich strafen durch den Heiligen Geist und keine Sünde ungestraft hingehen lassen, die wir getan haben. Lass es uns mit keiner Sünde leicht nehmen und hilf uns, dass wir uns davor scheuen, als vor einer giftigen Schlange, wenn es uns auch viel Not macht in diesem Leben. Solche Not ist doch besser als der Jammer an dem Ort der ewigen Qual und Verdammnis. Wir bitten Dich, gib uns die rechte Reue und Buße, damit wir der Sünde los und ledig werden. Du weißt ja, was die Sündenlast ist, hast's selbst erfahren im Garten Gethsemane. Was Du selbst empfunden hast um anderer Sünde willen, davon wollest Du uns, die wir Sünder sind, etwas empfinden lassen um unserer Sünde willen, - der Du uns je und je geliebt hast. Erhöre uns, lieber HErr, um Deines Namens willen. Amen.