Frommel, Max - Am Sonntage Quasimodogeniti.
(Konfirmationsrede.)
„Dient dem Herrn mit Freuden, kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken.“ So will ich euch grüßten, meine teuren Kinder, hier im Hause des Herrn an diesem Tage, der für euch ein hoher Festtag eures Lebens ist. Ihr wollt eurem Gott begegnen, denn wo es recht steht, da hat es heute Morgen in eurem Herzen geheißen: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen,“ und Gott will euch begegnen hier an seinem Altar. Er ist euch begegnet an eurer Wiege und hat euch so holdselig gegrüßt in der heiligen Taufe; er ist euch seitdem nachgegangen, und sein Auge hat über euch gewacht, und sein Mund hat zu euch geredet in seinem Wort, und seine Hand hat euch geleitet in eurem Leben. Er ist euch sonderlich begegnet in der schönen Zeit des Unterrichts, den ihr in den unvergesslichen Wochen als in einem Bethanien zu Jesu Füßen empfangen habt. Da hat er an eure Türe geklopft, da hat er euch seine Stimme hören lassen, als ihr vernahmt von den Schätzen des Hauses Gottes, von den Geheimnissen des Himmelreichs, von der Liebe des Vaters, von der Gnade Jesu Christi und von der Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Heute nun will euch der Herr begegnen in seinem Sakrament und will euch speisen mit seinem Leib und tränken mit seinem Blut. Hier in dieser Begegnung eures Herrn liegt die tiefste Weihe des Tages, hier liegt die Freude eines rechten Konfirmanden, wenn es in seinem Herzen heißt: „Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten und bringen zu deinem heiligen Berge und zu deiner Wohnung, dass ich hineingehe zum Altar Gottes, zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist, und dir, Gott, auf der Harfe danke, mein Gott.“
Lasst mich's vergleichen dem Gang hinein ins Heiligtum: Da ist Vorhofsfreude, dass ihr heraufgekommen seid festlich geschmückt, geleitet von euren lieben Eltern und Paten, umgeben von euren Geschwistern und Gespielen, empfangen von der feiernden Gemeinde, die sich mit euch freut. Aber es geht aus dem Vorhof ins Heilige: das ist die Erneuerung eures Taufgelübdes, da ihr dem Herrn euch geloben wollt zu treuer Nachfolge das Bekenntnis eures Glaubens gleichsam der goldene Leuchter, das Gelübde eines heiligen. priesterlichen Wandels vor Gottes Angesicht gleichsam der goldene Tisch mit den Schaubroten, und das Gebet, das aus euch und über euch aufsteigt, gleichsam der goldene Rauchaltar. Aber dann geht's hinein ins Allerheiligste: ihr wollt hier knien und singen mit den Seraphim: „Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll! Gelobet sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, Hosianna in der Höhe!“ Ihr wollt besprengt werden mit dem Blut des Neuen Testaments und inne werden die selige Nähe des Gottes, der euch zu Kindern angenommen hat. Hier ist die Höhe des Tages, o, lasst alles Andere unten bleiben und kommt hinan zu diesem Sabbat und Ruhestation oben auf dem Gipfel des Berges, da euer Gott euch begegnen will.
An diesem Tage lasst mich euch denn zurufen ein Wort aus dem Munde eures guten Hirten, eine Frage, die er heute an euch richtet, und auf die ihr ihm klare und wahre Antwort geben sollt. Joh. 6, 66-69.
Von dem an gingen seiner Jünger viele hinter sich und wandelten hinfort nicht mehr mit ihm. Da sprach Jesus zu den Zwölfen: Wollt ihr auch weggehen? Da antwortete ihm Simon Petrus: Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt, dass du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“
Vernehmt denn aus diesem Texte: Des Herrn Frage an euch und Eure Antwort an Ihn.
I.
Es liegt eine wehmütige Gewalt in der Frage, die der Herr tut. Dort auf dem Berge in der Wüste hat er die fünf Tausend gespeist, als er mit seinen segnenden Händen ihnen das wunderbare Brot brach, und das Volk hatte gerufen: „Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll.“ Am andern Tage hatte das Volk in Scharen ihn gesucht, und er hatte ihnen gepredigt von seiner Liebe, wie er gekommen sei, dass sie das Leben und volle Genüge hätten, und seine Rede gipfelte in dem Spruch: „Ich bin das Brot des Lebens.“ Als er aber fortfuhr, ihnen zu sagen von seiner zartesten, höchsten Liebe, dass er geben würde sein Fleisch und Blut für das Leben der Welt, da sprachen sie: „Das ist eine harte Rede, wer kann sie hören?“ Brot der Erde hatten sie gesucht, das Brot des Himmels verachteten sie, und so heißt es im Anfang unsers Textes: „Von dem an gingen viele seiner Jünger hinter sich zurück und wandelten hinfort nicht mehr mit ihm.“ Er sah ihnen nach, wie sie ihm finster den Rücken kehrten, wie sie davongingen hinab in die Nacht, in die Schatten des Todes, und sein Auge blickt herüber auf das Häuflein der Zwölf, und wehmütig fragt sie die ewige Liebe: „Wollt ihr auch weggehen?“
Teure Kinder, diese Frage stellt der gute Hirte auch an euch, und er hat Grund zu dieser Frage. Es ist noch heute wie einst. Er sah einst, wie die Juden ihn zum Könige machen wollten, und sah, wie sie Steine aufhoben, um ihn zu töten; er hörte sie Hosianna rufen, und ihm brachen die Tränen dabei aus den Augen; er hatte zehn Aussätzige geheilt, aber nur Einer kehrte zurück, um zu danken, und wehmütig fragte er: „Wo sind aber die Neune?“ Er sah, wie Tausende ihn umringten und seiner Rede lauschten, und unter dem Kreuz verließen ihn Alle. Wie einst, so sieht er vom Thron in seiner Kirche Viele zu ihm kommen, und Viele, Viele sieht er wieder umkehren und von ihm gehen. „Viele sind berufen, aber Wenige sind auserwählt.“
Meine lieben Söhne und Töchter, es haben schon Manche da gestanden, wo ihr steht, und haben hier am Altare dem Herrn die Treue gelobt und sind wieder umgekehrt und haben die Welt und ihre Lust erwählt. Von wie Manchem mag es in seiner Lebensbeschreibung heißen: „Von dem Tage seiner Konfirmation an ging er hinter sich zurück und wandelte hinfort nicht mehr mit Jesu.“ Sie nennen's gemeiniglich Fortschritt, was Johannes in unserm Text als den eigentlichen Rückschritt bezeichnet: „Sie gingen hinter sich zurück.“ Denn Jesu nachfolgen das ist der wahre Fortschritt; und nicht mehr mit Jesu wandeln das ist der wahre Rückschritt, zurück in die Sünde, in die Welt, in die Nacht.
Darum fragt euch heute der Herr die Frage: „Wollt ihr auch weggehen?“ Er ruft aber die Frage auch dort hinein in die Gemeinde, in die Schar derer, welche heute hier eure Konfirmation mitfeiern. Ihr alle, die ihr hierhergekommen seid, das Bekenntnis und Gelübde dieser Jugend unserer Gemeinde zu hören, gedenket selbst alle heute des Tages eurer Konfirmation, greift in euren Busen und fragt euch: Wie hat's denn mit mir gestanden seit dem Tage meiner Konfirmation? Ist's Rückschritt gewesen oder Fortschritt, Wandel mit Jesu oder Verlassen seiner Fußtapfen? Und wenn dort der Eine oder Andere bei dieser Frage beschämt die Augen niederschlägt und bekennen muss: Ach, es stand oder steht bei mir nicht mehr so wie einst, wo ich so selig zum Altare ging - wem unter euch so ums Herz ist, der stelle sich doch heute wieder im Geiste hier unter die Schar dieser Kinder, da ja der Herr sagt: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Reich Gottes kommen,“ der bekenne heute mit ihnen und gelobe heute mit ihnen neue Treue, so werdet ihr alle dort in der Gemeinde heute wahrhaft Konfirmation feiern und Konfirmationssegen empfangen, mehr denn einst.
Weil aber dem so ist, so hat der Herr Grund zu der Frage an euch, ihr lieben Söhne und Töchter: „Wollt ihr auch weggehen?“
II.
Auf Jesu Frage sollt ihr denn mit Petrus antworten: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Und wir haben geglaubt und erkannt, dass du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Ja, wohin? Zur Welt? Ist denn aber der Welt Freundschaft nicht Gottes Feindschaft? Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele! Wohin sollen wir gehen? Zu den Götzen? Augenlust, Fleischeslust, hoffärtiges Wesen macht das glücklich? macht das selig? „So Jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters.“ Die Liebe macht glücklich, Gottes Liebe macht selig. Aber fleischlich gesinnt sein ist der Tod, geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede“. Ohne tiefe, wahre Gemeinschaft mit Gott gibt es keine wahre Freude, keinen Frieden, und alle Kreaturen vermögen nicht den heißen Durst unserer Seele zu stillen nach dem unendlichen, nach dem lebendigen Gott. Wohin sollen wir gehen? „Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für.“ Die ganze Welt ohne Gott ist nichts als Tod und Nacht, und alle Kreaturen ohne Gott haben Gift für mich statt Honig. Gott selbst aber ist ein heiliger Richter, vor den ich als Sünder nicht kommen darf und den ich fürchten muss in einem bösen Gewissen, das dann erschüttert klagt: „Wo soll ich hingehen vor deinem Geist, und wo soll ich hinfliehen vor deinem Angesicht? Führe ich gen Himmel, siehe, so bist du da, bettete ich mich in die Hölle, siehe, so bist du auch da. Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde mich doch deine Hand daselbst führen und deine Rechte mich halten. Wohin sollen wir gehen? Zu dir, Herr Christ, alleine, du hast Worte des ewigen Lebens.“ Der Herr hat ein Wort, das heißt: Evangelium, frohe Botschaft für verlorene Sünder, die Botschaft lautet: Vergebung der Sünden das ist das Wort voll ewigen Lebens. Darum weil Christus Vergebung hat, darum ist gut sein bei ihm, darum ist sein Wort Lebenswort, und seine Taufe ist Wasser des Lebens, und sein Abendmahl ist Lebensmanna und Speise und Trank des ewigen Lebens.
Ihr alle, liebe Söhne und Töchter, werdet in eurem Leben an Scheidewege kommen, wo ihr entweder zur Rechten oder zur Linken gehen müsst und der Herr euch fragen wird: Wohin wollt ihr gehen?, antwortet ihm: „Zu dir, Herr Christ, alleine. Zeig du mir deine Wege und lehr mich deine Steige.“ Und es werden Stunden über euch kommen, von denen ihr bis jetzt wohl kaum eine Ahnung habt, Stunden der Angst, des Leids und der Tränen, wo die Wasserwogen über euch gehen werden und die Fluten daher rauschen, dass hier eine Tiefe und da eine Tiefe brausen wenn dann die bange Frage in eurer Seele aufsteigt: Herr, wohin sollen wir gehen? so soll die Antwort wiederum lauten: „Zu dir, Herr Christ, alleine. Gib du mir ein Herz, das sich genügen lässt an deiner Gnade.“ Und so ihr ihm willig folgt, wohin er euch führt, wird er euch sprechen lehren: „Herr, wenn ich nur dich habe, frage ich nichts nach Himmel und Erde, wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.“ Endlich aber kommt ihr alle an einen dunklen Weg, den ihr ganz allein gehen müsst, auf welchem euch Niemand von den Euren geleiten kann und ihr nichts von Allem, was euch auf Erden lieb war, mitnehmen könnt. Dann tritt zum letzten Mal die Frage an euch heran: Wohin sollen wir gehen? Und Gott verleihe euch, dass ihr, wenn auch nur mit zitternden Lippen und schwacher Stimme, die Antwort stammelt: „Zu dir, Herr Christ, alleine. Du, Herr, bist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.“ Dann wird er euch auf seinen treuen Hirtenarmen durch das finstere Todestal tragen, hinein in des Vaters Haus, wo die vielen Wohnungen sind, und ihr werdet also daheim sein bei dem Herrn allezeit.
Wohlan, teure Kinder, so oft der Herr euch fragen wird: „Wollt ihr auch weggehen?“ so antwortet ihm: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“, und so oft er zu euch sagen wird wie zu seinen Jüngern: „Kindlein, bleibt bei mir“, so betet: „Bleibe bei uns, Herr.“ Wo Solches in dem Herzen vorgeht, da ist die Konfirmation ein seliger Tag des Begegnens, da ihr ihm begegnet mit eurem Taufgelübde und er euch begegnet mit seinem heiligen Mahl. Die Petrusantwort auf die Jesusfrage, die töne aus eurem Herzen zu ihm empor, wie sie sich ausspricht in dem Liede:
Ich bin dein, sprich du darauf dein Amen,
Treuster Jesu, du bist mein;
Drücke deinen süßen Jesusnamen
Brennend in mein Herz hinein.
Mit dir Alles tun und Alles lassen,
Mit dir sterben und in dir erblassen,
Das sei bis zur letzten Stund
Unser Wandel, unser Bund.
Amen.