Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Epheser in 34 Predigten - Siebzehnte Predigt.
Tu mir auf die schöne Pforte,
Führe mich in Zion ein;
Ach, wie wird an diesem Orte
Meine Seele selig sein!
Hier ist, Gott, dein Angesicht,
Hier ist lauter Trost und Licht.
Gott hat uns in den Aposteln Wegweiser gegeben. Wenn die Frage ist, was wir zu glauben, was zu tun, was zu hoffen haben, so lasst uns diese Männer fragen, die mehr als sonst irgendein Mensch von Gott erleuchtet waren, daher wir in ihren Schriften einen Schatz haben, der mehr wert ist als alle andern Schätze dieser Welt. Und nicht bloß durch ihre Worte, sondern auch durch die Tat haben die Apostel von der Wahrheit gezeigt, denn sie haben ihr Zeugnis durch mannichfaltige Leiden und zuletzt sogar durch ihren Tod besiegelt. Darum wiederhole ich, was ich vor acht Tagen gesagt: Ihr lieben Christen, nimmermehr weicht ab von der Apostel Lehr. Ich sage das nicht bloß zu euch, sondern auch zu mir selber, der. ich das Evangelium verkündige, und zu Allen, die das evangelische Lehramt in der Kirche führen. Was sind wir anders als Nachfolger der Apostel? Sie haben uns den Weg gebahnt, auf dem wir wandeln, sie haben auch den Grund gelegt, auf dem wir bauen: wehe uns, wenn wir einen andern Weg wandeln wollten, als den der Apostel, und auf einem andern Grunde bauen, als auf dem der Apostel! Lasst uns doch einmal fragen, was wir von unserem Amt zu halten und wie wir es anzusehen haben. Nicht nur für mich und meine Mitarbeiter tut es not, dies zu wissen, sondern auch für euch alle, unter denen wir unser Amt führen.
Wir legen unserer Betrachtung zugrunde das Wort
Ephes. 3, V. 7 -12: Des Evangeliums Diener bin ich geworden, nach der Gabe aus der Gnade Gottes, die mir nach seiner mächtigen Kraft gegeben ist, mir, dem Allergeringsten unter allen Heiligen, ist gegeben diese Gnade, unter den Heiden zu verkündigen den unausforschlichen Reichtum Christi, und zu erleuchten Jed ermann, welche da sei die Gemeinschaft des Geheimnisses, das von der Welt her in Gott verborgen gewesen ist, der alle Dinge geschaffen hat, auf dass jetzt kund würde den Fürstentümern und Herrschaften in dem Himmel, an der Gemeinde, die mannichfaltige Weisheit Gottes, nach dem Vorsatz von der Welt her, welchen er ausgeführt hat in Christo Jesu. unserem Herrn, durch welchen wir haben Freudigkeit und Zugang in aller Zuversicht, durch den Glauben an ihn.
Es war zuvor gesagt, Gott habe gewollt, dass die Heiden Miterben seien und Miteinverleibte und Mitteilnehmer an der Verheißung, durch das Evangelium. War es nun nicht zunächst und vornehmlich Paulus, durch den Gott dies ins Werk setzte? Er hatte ja mehr als alle andern das Amt eines Heiden Apostels bekommen. Darum kann er es nicht lassen, dieser ihm von Gott zu Teil gewordenen Gnade zu gedenken. Was er nun sagt von seinem Amt, das ist wie ein göttliches Licht, worin alle die, welche das Lehramt in der Kirche führen, ihren Beruf erkennen können. Lehre uns denn, Heiliger Geist, lehre uns durch das Wort deines Apostels,
Wie wir das Amt der Verkündigung des Evangeliums anzusehen haben.
Fragen wir:
1. welches ist die Herkunft, 2. welches die Verkündigung, und 3. welches der Zweck dieses Amtes?
1.
Paulus nennt sich einen Diener des Evangeliums: „dass ich ein Diener geworden bin“, wie er auch anderswo sagt: Wer ist Paulus? Wer ist Apollo? Diener sind sie, durch welche ihr seid gläubig geworden (1 Kor. 3). Er will also nicht für einen Herrn gelten, sondern lediglich für einen Diener und Knecht. Als seinen Herrn sieht er das Evangelium an, die herrliche Botschaft, dass alle, die an Christum glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben sollen. Ist doch auch diese Botschaft nicht von ihm ausgegangen, sondern von Gott, der den Paulus und seine Genossen bloß bestellt hat, dass sie als Boten den Frieden durch die Welt tragen sollen. Sonst ist der Mensch seines Wortes Herr, und wie er will, so redet er. Aber nimmt er das Wort von dem Gekreuzigten und Auferstandenen, das Wort von der Gnade und von der Vergebung der Sünden, das Wort von der Hoffnung des ewigen Lebens in seinen Mund, so muss er sich beugen unter dieses Wort und sprechen: Hier ist göttliche Majestät. Da darf er nicht mehr seine eigene Vernunft reden lassen und noch weniger sein Fleisch und Blut, sondern was Gott auf seine Zunge legt, das soll er sagen, ohne zuzusetzen und abzuziehen. So ist's noch jetzt mit Allen, die das evangelische Lehramt in der Schule und in der Kirche führen: Diener sind sie eines Worts, das nicht von Menschen erdacht und gemacht, sondern vom Himmel herab gegeben ist, desselben Worts, das auch Paulus, Petrus, Johannes und die übrigen Apostel gepredigt haben. Daher fordert nicht von uns, dass wir sagen, was euch etwa angenehm zu hören ist, ein Evangelium, eingerichtet nach dem Zeitgeist und nach dem Unglauben der Kinder dieser Welt. Nein, Christen, wie ein Säemann seines Herrn Diener ist, der zu ihm sagt: das sollst du säen und da und so: also auch ich und Meinesgleichen haben zu säen, was unser Herr und Heiland in unsern Säekorb geschüttet hat. Ich weiß wohl, dass das nicht nach jedermanns Sinn und Gefallen ist wie viele z. B. sind, die ihre Ohren zuhalten möchten, wenn von der Sünde oder von dem Blut Christi, das die Sünden tilgt, oder wenn von der Hölle und der höllischen Verdammnis die Rede ist! aber ich weiß auch, dass ein Tag kommt, wo der Herr zu seinem Diener sagt: Tue Rechnung von deinem Dienst! Darum will ich jedes Mal, wenn ich auf der Kanzel, oder am Altar, oder am Taufstein, oder am Krankenbett, oder am Grabe, oder sonst zu reden habe, erst an die Tür des Evangeliums klopfen, und was dieser mein Herr mir zu sagen befiehlt, das will ich sagen, die Leute mögen sauer dazu sehen oder süß. Euch aber rate ich, dass ihr das Wort hinnehmt, nicht als ein Wort von mir, sondern, was es denn auch in Wahrheit ist, als ein Wort von Oben, das uns Alle in die Hölle bringen wird, wenn wir ihm nicht wollen gehorsam sein.
Diener des Wortes sind wir, zunächst wir, die wir das Lehramt führen. Und wie sind wir nun zu diesem Dienst gekommen? Paulus sagt: es ist eine Gnadengabe Gottes, mir verliehen nach der Wirksamkeit seiner Macht. Also von der Gnade und Macht Gottes leitet er sein Amt her. Wenn er zurückblickt in die Zeit, wo er noch ein pharisäischer Eiferer war, der die Gemeinde Christi verfolgte und verwüstete; wenn er einen Blick in sein Inneres tut, wo er das Fleisch findet, das wider den Geist gelüstet (Röm. 7): ach, da weiß er Gottes Gnade nicht genug zu rühmen, die ihn aus dem Verderben errettet und ihm einen so hohen Beruf verliehen hat; da kommt er sich geringer vor als selbst die Geringsten, nicht nur unter den Aposteln, sondern unter allen Christen; da ruft er aus: nur dem allergeringsten aller Heiligen ist gegeben diese Gnade! Konnte da nun noch von Verdienst und Würdigkeit die Rede sein? Nein, das Bekenntnis musste lauten: ich bins nicht wert, hab's auch nicht verdient. Wie aber war es nun möglich geworden, aus jenem Saulus einen Paulus zu machen, der ausgestattet war mit einem so hohen Maß von Erkenntnis und Glauben, Kraft und Mut, und der als ein auserwähltes Rüstzeug des Herrn unter den Heiden wirkte? Das hatte er nicht erlangt durch eigene Kraft, Entschluss und Fleiß, sondern durch die Macht Gottes, wie sie sich äußerte und wirksam war zu seiner Umwandlung und Bekehrung. Blickt auf die Wunder, die Gott an ihm tat auf jener Reise nach Damaskus und nachher, so wisst ihr, woher seine Tüchtigkeit gekommen ist. Wohl Allen, die ihr Amt führen in der Demut des Apostels Paulus! Ich weiß wohl, es gibt tausend Menschen, die sich schämen würden, wenn sie den Schulmeister- oder Priesterrock anziehen und Christi Geheimnis verkündigen sollten vor Jung oder Alt, und namentlich in der protestantischen Kirche sind unter den Reichen und Vornehmen nur Wenige, die den Dienst am Evangelium wählen; aber wer dies Amt verwaltet und es kennt nach seiner Bedeutung und nach seiner Herkunft, der kann sich dieses Amts nicht schämen, sondern muss Gottes Gnade preisen, die es ihm verliehen hat. Ich mich dieser evangelischen Botschaft schämen, mein Gott? Weiß ich doch, dass ich hätte ein Landstreicher werden können, wenn deine Gnade es nicht verhindert und gesagt hätte: Ich will dir das Beste geben, das ich habe, das Amt der Friedensbotschaft unter den Menschen. Christen, mag Jeder seinen Beruf für groß und göttlich halten, ich halte auch den meinigen dafür, und sage: durch Gottes Gnade bin ich, das ich bin. Wer dies Amt führt, der blicke, wie Paulus, in sein Herz und in seine Vergangenheit, so muss er die Gnade Gottes preisen, die ihn gemacht hat zu dem, was er ist. Und ist nicht auch die Tüchtigkeit zu diesem Amte von Gott? Ja, wie die Schrift sagt: Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott, der uns tüchtig gemacht hat, das Amt zu führen des Neuen Testaments (2 Kor. 3). Wäre es ein Amt des Buchstabens, so ginge es schon aus eigener Kraft; aber es ist ein Amt des Geistes. Ohne Glauben und inneres Leben lässt es sich nicht segensreich führen: wer aber gibt den Glauben und das Leben? „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft und Kraft an Jesum Christum, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann.“ Ohne den heiligen Geist geführt, wäre es ein Brunnen ohne Wasser, eine Wolke ohne Regen: wer aber gibt mir den heiligen Geist? Der ihn den Aposteln gab, der gibt ihn auch mir. In Summa, Gottes Macht, von deren Wirken und Walten unsere Vergangenheit in tausend Wundern zeugt, hat uns zu Dienern des Evangeliums gemacht. Das ist das Amt, welches wir führen, ein Dienst am Evangelium und ein Gnadengeschenk des allmächtigen Gottes.
2.
Aber was ist nun das, was wir verkündigen? Paulus sagt: den unausforschlichen Reichtum Christi. Wollte das Jeder zu Herzen nehmen, der das christliche Lehramt führt!
Es sind Viele, die sich selbst predigen, nämlich ihre eigene Vernunft und Weisheit. Aber es soll sein wie wir singen: Liebster Jesu, wir sind hier, dich anzuhören dich, der du nicht nur der Taufende bist bei der Taufe und der Speisende beim Abendmahl, sondern auch der Prediger bei der Verkündigung des Evangeliums. Wir, die wir das Lehramt führen, sollen nur der Mund Christi sein, und sagen: wir lehren und predigen, doch nicht wir, sondern Christus, der in uns ist. Der Herr will in seiner Kirche Alles selbst tun, er will auch der Prediger sein und zugleich die Predigt. Wenn das nicht wäre, so wollte ich alle die entschuldigen, welche Verächter der Kirche und Schule sind, denn was brauchten sie sich sonderlich um die Örter zu bekümmern, wo nichts geboten würde als menschliche Weisheit und Lehre? Nun aber muss es heißen: wer das Gotteshaus verachtet, der verachtet Christum, weil er selbst es ist und sein Reichtum, der verkündigt wird. Wir verkündigen auch den Reichtum Christi. Sagt doch, wer ist reich, wenn es nicht Christus ist? In ihm wohnt ja die ganze Fülle der Gottheit wesentlich (Kol. 2), und von ihm geht diese Fülle über auf die Gemeinde. Was habt ihr als Christen, das ihr nicht von Christo empfangen hättet, und was fehlt euch, das ihr nicht bei ihm finden könntet, bei ihm, dem Eingeborenen, der voller Gnade und Wahrheit ist? Ist's Erkenntnis Gottes oder Gerechtigkeit, ist's Gerechtigkeit oder Friede, ist's Friede öder Kindschaft, ist's Kindschaft oder Freudigkeit, ist's Freudigkeit oder Trost, ist's Trost oder Hoffnung, ist's Hoffnung oder Leben, ist's Leben oder Seligkeit, oder welchen Namen es sonst haben mag: diesen ganzen geistlichen Segen an himmlischen Gütern finden wir bei Christo, darum es auch heißt (Ephes. 1): Gelobt sei Gott und der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der uns mit diesem Reichtum gesegnet hat. Wer hätte nun wohl diesen Reichtum Christi entdecken und der Welt bieten können, wenn er nicht in und mit Christo erschienen wäre? Er heißt unerforschlich, weil kein Mensch mit seiner eigenen Kraft und Vernunft ihn hätte ausspüren und ans Licht bringen können, sondern er ewig unentdeckt und ein Geheimnis für die Welt geblieben wäre, wenn nicht die Liebe des himmlischen Vaters ihn in Christo offenbart hätte. Denn wie viel Wahres und Schätzbares es auch gibt, dem wir durch unser Sinnen, Denken, Grübeln auf die Spur kommen können, so hat doch Christus mit dem Schatz seiner Weisheit und Erkenntnis, mit dem Schatz seiner Gnade und seines Friedens, mit dem Schah seines Lebens und seiner Seligkeit - dieser Christus hat uns weder von der Natur noch von der Vernunft, sondern allein von Gott offenbart werden können. Jetzt freilich liegt dieser Schatz vor uns ausgebreitet und ist kein Geheimnis mehr, aber wir müssen, wenn wir ihn anblicken, mit dankbarem Herzen rufen: Gelobt sei Gott, der diese Schätze vor uns ausgebreitet hat!
Das nun ist die Verkündigung, worauf wir mit unserem Lehramt angewiesen sind. Wir verkündigen euch die Veranstaltung des Geheimnisses, das von ewigen Zeiten her in Gott verborgen gewesen ist, der Alles geschaffen hat. Es ist also nicht eine Wahrheit von gestern und heute, sondern sie war schon, ehe die Erde und die Sonne und die ganze Welt geschaffen wurde. Diese Veranstaltung, die Gott zu unserer Seligkeit in Christo getroffen hat, hat er schon beschlossen, als er die Welt zu schaffen beschloss. Es wäre nicht möglich gewesen, die Welt zu erlösen, wo nicht der allliebende Gott den Erlösungsplan schon zu Anfang mit in die Schöpfung aufgenommen hätte. Darum schuf er Alles und schuf's so, dass, wenn die Zeit erfüllt wäre, der ganze große Reichtum in Christo offenbar würde. In dem Plan der Schöpfung lag der Plan der Erlösung eingeschlossen, und in dem ersten Wort „Es werde!“ lag auch schon das zweite Wort „Es werde!“ das Gott sprach, als die Welt durch Christum erlöst werden sollte. Was wäre auch die Schöpfung ohne das nachfolgende Werk der Erlösung, das Gott mit ihr zugleich beschloss? Es ist wahr, die Erde mit ihren Bergen und Tälern, mit ihren Äckern und Wiesen, mit ihren Flüssen und Meeren ist ein schönes Werk; schöner noch ist die Sonne und das ganze Heer der Sterne, die Gott an den Himmel gepflanzt hat wie Vergissmeinnicht in seinen Garten. Wer kann das Alles ansehen, ohne dass er den großen Meister lobt, der dies wunderbare Haus gebaut hat! Aber wenn es nun so gebaut wäre, dass unser Erlöser nicht darin Platz und Wohnung hätte finden können; wenn Christus fehlte mit seinem Kreuz und Evangelium und mit dem ganzen Schatz seiner himmlischen Güter: fehlte dann dem Hause nicht sein schönster Schmuck? Was hälfen uns die Bäume und die Berge und die Sterne, wenn wir in dem Schöpfungshause als verlorene und verdammte Sünder wohnten, die keinen Frieden hätten, während sie lebten, und keine Hoffnung, wenn sie stürben? Das Beste in der Welt ist doch das Himmelreich, und das Schönste in der Welt die neue Kreatur in Christo. Mit Christo kann man in einer Wüste wohnen und doch selig sein; ohne Christum könnten wir in Kanaan leben und würden doch die Welt ein Jammertal nennen. Seht, das hat der treue Gott schon von ewigen Zeiten her bedacht, und darum hat er die Welt so geschaffen, dass, wenn nun die Sünde in sie einbräche, schon im Voraus für Rettung und Hilfe gesorgt wäre. Darum auch die Schrift sagt, Gott hat Alles in Christo und durch Christum und für Christum geschaffen. Ist denn nun das, was wir euch verkündigen, etwas so Geringes, dass es wenig oder gar kein Interesse für euch haben kann? Nein, wir verkündigen euch ja Christum, dies Licht der Welt, das nicht gestern angezündet ist, um morgen wieder auszugehen, sondern für das die Welt der große Leuchter ist, den Gott gemacht hat eben für dies Licht, und hat das Licht darauf gestellt, dass es darauf brenne in alle Ewigkeit; wir predigen euch Christum, der Schätze für euch hat, nicht die von Motten und Rost gefressen werden, sondern durch die ihr reich werdet in Gott und reich bleibt, auch wenn euer Fleisch und Blut nichts mehr hat als das Leichenhemd.
3.
Und nun lasst uns denn drittens fragen, wozu diese Verkündigung dienen soll. Der Apostel sagt: mir ist gegeben diese Gnade, unter den Heiden zu verkündigen den unerforschlichen Reichtum Christi. Er war mit seiner Predigt vornehmlich angewiesen auf die Heidenwelt, und er hielt es für eine sonderliche Gnade, dass er von Gott berufen war, das evangelische Licht in die Finsternis der Heiden zu tragen, wie er denn auch getan hat, von Jerusalem bis nach Illyrien, gegen 400 Meilen weit. Und nicht bloß den Heiden brachte er das Licht, sondern auch den Juden, sei es in den Schulen, die er immer zuerst besuchte, oder in den Häusern, wo er zu ihnen fam. Darum preist er die Gnade, die ihm verliehen sei, Alle zu erleuchten. Da hört ihr nun, was es mit dem christlichen Lehramt auf sich hat. Es hat den Zweck, zu erleuchten Alles, was in der Finsternis ist, und das geschieht durch das helle Licht des Evangeliums, welches Gott durch Christum angezündet hat. Erkennt doch darin die Freundlichkeit eures Gottes, welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1 Tim. 2, 4). Was ist das menschliche Herz ohne das Evangelium? Ein Haus ohne Sonne, eine Kammer ohne Licht. Weder könnt ihr Christum erkennen noch den Vater, zu dem Niemand ohne Christum kommt, noch das Heil für eure Seele, noch den Weg zu diesem Heil, wo ihr euch nicht durch das Evangelium belehren lasset über die Veranstaltung des Geheimnisses, das in Christo offenbar geworden ist. Aber öffnet Ohr und Herz dem Evangelium, so fällt ein schönes, helles Licht hinein, worin ihr eure Sünde und Not erkennt, aber auch die große Gnade Gottes, die eurer Sünde und Not ein Ende machen will. Dazu sind die Diener des Evangeliums, dass sie öffnen sollen die Augen der Blinden, und die Gefangenen aus den Gefängnissen führen, und die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker (Jes. 42). Ist euch das Evangelium gleichgültig, das euch zu Christo führt? Aber bedenkt doch, dass Christus unser Herr ist, in welchem wir haben die Freudigkeit, und den Zutritt in Zuversicht durch den Glauben an ihn. Was wird also durch das Evangelium in uns gewirkt? Zunächst der Glaube, der das offene Auge ist, womit wir unser Heil erkennen, und die offene Hand, womit wir die Gerechtigkeit ergreifen, die vor Gott gilt (Röm. 3, 22). Was wird durch diesen Glauben gewirkt? Eine kindliche Zuversicht, und mit dieser die euch bekannte Freudigkeit, die wir haben gegenüber unserem Gott, der uns, die Glaubenden und die im Glauben zuversichtlich Vertrauenden, nicht verderben und verdammen, sondern als seine lieben Kinder halten und einst zu sich aufnehmen will in den Himmel. Ist uns nun die Sünde vergeben und verdammt uns nicht mehr unser Herz, so ist ja verschwunden alle Furcht vor Gott und seinem Gericht, und unser Herz drängt uns zu Gott hin, zu dem wir nun auch den Zutritt haben, den wir bereits kennen, nämlich das Recht und die Freiheit, vor ihm zu erscheinen, wenn wir wollen und was wir bitten, das nehmen wir von ihm (1. Joh. 3, 21). Wollt ihr denn das Amt verachten, das Gott verordnet hat, damit ihr erleuchtet werdet und durch den Glauben zu Christo kommt?
Und wenn ihr es verachten wolltet, so wisst, dass selbst die Engel im Himmel es nicht verachten. Es ist nicht nur für die Menschen, sondern sogar für die Engel angeordnet. Mir ist, sagt Paulus, die Gnade gegeben, unter den Heiden zu verkündigen den unerforschlichen Reichtum Christi, damit nun den Obrigkeiten und Gewalten im Himmel durch der Kirche kund würde die mannichfaltige Weisheit Gottes. Also selbst die Engel sollen und wollen Schüler des Evangeliums sein, und lernen aus dem, was vorgeht in dieser Welt? Ja, Christen, wie gering auch unsere Erde ist, wenn man sie bloß als einen Stern unter den Sternen betrachtet, so ist sie doch wiederum groß und hat durch Christum den höchsten Rang bekommen unter den Lichtern des Himmels. Dass Gott auf ihr offenbart ist im Fleisch und das geistliche Schöpfungswerk vollbracht hat durch sein Leiden, Sterben und Auferstehen, das gibt unserer Erde einen so hohen Rang, und macht sie zur Hochschule für die Engel und zu einem Golgatha für die ganze Welt. Sagt nicht die Schrift, dass durch Christum versöhnt sei Alles, das im Himmel und auf Erden ist? Es ist wahr, die seligen Engel Gottes bedürfen der Versöhnung nicht ; aber doch gehören sie zu den lebendigen Sternen des von Christo gegründeten Tempels, der bis in den Himmel reicht. Werden nun wir verherrlicht durch dies Werk, so werden sie es auch, weil sie Miteinverleibte und Mitgenossen der Himmel und Erde umfassenden Gemeinde Christi sind. Daher hat der Herr sie auch hineingezogen in sein Werk, und sie haben von Anfang an tätigen Anteil genommen an den großen Taten Gottes auf Erden, wie geschrieben steht Hebr. 1: Sind sie nicht allzumal dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit? Lest das Evangelium, so findet ihr sie bei Bethlehem, wo sie den Hirten die Geburt Christi verkündigen, findet sie bei Christo in der Wüste und in Gethsemane, findet sie an seinem Grabe und auch später bei seinen Jüngern. Von ihnen wird bezeugt, dass sie sich freuen über den Sünder, der Buße tut (Luk. 15), und dass sie den Erlöser um seines siegreichen Todes willen preisen und sprechen: Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit (Offb. 5, 13). - Könnt ihr euch nun noch wundern, dass auch die Augen der Engel auf das Werk gerichtet sind, das der Erlöser vollbracht hat in der Welt? Wie selig auch ihr Herz ist in der Liebe Gottes, und wie sehr auch ihre Erkenntnis unser Wissen übertrifft, so sind sie gleichwohl, was die Geschichte des Reiches Gottes auf Erden betrifft, noch Schüler, und die Weisheit Gottes, wie sie in der christlichen Kirche waltet und große Wunder tut, stillt nicht nur ihr Verlangen, das Geheimnis Christi zu schauen (1 Petri 1, 12), sondern mehrt mit ihrer Erkenntnis auch ihre Seligkeit. Darum ist der ewige Vors sag, den Gott vollführt hat in Jesu Christo, nicht nur darauf berechnet, dass wir erleuchtet würden, sondern es soll auch den überirdischen Geistern, die im Himmel und unter dem Himmel sind, kund werden die mannichfaltige: Weisheit Gottes. Welche Weisheit ist gemeint? Paulus denkt vor Allem an die wunderbare Fügung Gottes, wonach das Evangelium, da es von Israel verworfen wurde, zu den Heiden kam, damit, wenn die Fülle der Heiden eingegangen wäre, es zuletzt wieder zu Israel kommen möchte. Schien es nicht von der Berufung Abrahams an bis auf Christum der Plan Gottes zu sein, dass von der Gemeinde in Israel aus alle Völker der Erde gesegnet werden sollten? Ja, der Gang der Geschichte, wie das Wort der Propheten, deutete darauf hin. Auch dass unser Erlöser nicht über die Grenzen des Hauses Israel hinaus wollte mit dem Evangelium, schien anzudeuten, dass an der Bekehrung Israels das Heil der ganzen übrigen Welt hinge. Nun aber wurde Christus von dem auserwählten Volke verworfen, und so war's, als müsste an der Herzenshärtigkeit dieses Volkes der große Heilsplan Gottes scheitern. Israel schien verloren zu sein, und mit Israel die ganze Welt! Da aber nun offenbarte sich die große, oder, wie es im Grundtexte heißt, die viel-mannichfaltige Weisheit Gottes, dass er, damit dennoch beide gerettet würden, sowohl Israel als auch die Heidenwelt, nun das Evangelium unter den Heiden verkündigen, und diese, ohne dass er sie erst an die Beschneidung und an das Gesetz band, aufnehmen ließ in sein Himmelreich. Hatte Israel nicht der Fels werden wollen, worauf Gott das Heil der übrigen Welt gründete, so musste nun die unter den Heiden gegründete Kirche der Fels werden, worauf künftig auch das Heil Israels gegründet werden soll. Dies Geheimnis der Liebe und Weisheit Gottes, das jetzt ans Licht trat, war es, das besonders den Heidenapostel Paulus mit Bewunderung erfüllte, und er redet oft mit Begeisterung davon in seinen Briefen. War doch auch er vornehmlich das Werkzeug Gottes, wodurch diese Weisheit nicht nur der Welt, sondern auch den Engeln kund werden sollte. Und in der Tat, die Erfolge seiner Wirksamkeit waren so groß, dass selbst die Engel im Himmel mit Freuden hinblicken konnten, auf die durch ihn vollbrachten großen Taten Gottes unter den Heiden. Hunderte von Gemeinden des Herrn Blüten unter den Heiden auf, alle lebendige Zeugen der Weisheit Gottes, alle ein Wunder nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Engel im Himmel. So aber ist es fortgegangen bis auf diesen Tag und wird fortgehen bis ans Ende der Welt. Das Amt der Verkündigung des Evangeliums muss dienen, nicht nur zur Erleuchtung aller derer, die auf Erden, sondern selbst zur Erleuchtung derer, die über und unter der Erde sind. Sind wir Diener des Evangeliums es auch nicht, welche die Engel belehren, so sind es doch die Taten der Weisheit Gottes, die durch uns ausgeführt werden in der Kirche, wie Paulus sagt: durch der Kirche wird den Engeln die Weisheit Gottes kundgetan. Wie muss das uns, die der Herr zu Dienern seines Wortes berufen hat, heben, fördern, begeistern in unserer Wirksamkeit! Noch immer waltet ja die Weisheit Gottes, diese milde Sonne, die immer dieselbe bleibt, und doch so mannichfaltig ist in den tausendmal tausend verschiedenen Wirkungen, die sie unter den Christen tut. Selbst eines einzigen Christen Leben ist ein Buch, das taufend Wunder Gottes erzählt. Wir aber sind nun die Werkzeuge dieser Weisheit Gottes, und das lehrt uns Paulus die Wirkung unseres Tuns geht über die Erde, geht über den Sirius hinaus. Es ist nach dem ewigen Vorsatz Gottes ein ununterbrochener lebendiger Verkehr zwischen der Erde und dem Himmel, zwischen dem Reiche der Lebendigen und dem Reiche der Toten. Die Geister der höheren Welt sind Zeugen dessen, was auf Erden geschieht, und was wir wirken, das ist auch für sie ein Brunnen der Erkenntnis und der Seligkeit. Wollt denn ihr, unter denen ich wirke, nicht das Wort Gottes annehmen, so tröst ich mich damit, dass es zu den Engeln geht. Vielleicht, wenn das Gotteshaus von Menschen leer ist, ist es dennoch angefüllt von der Bodendecke bis an den Fußboden. Sehen die Geister auf Gottes Werk: warum sollten sie nicht hören auf Gottes Wort? Wer will beweisen, dass das gepredigte Wort nicht auch dazu dienen könne, Geister des Totenreichs aus ihrem Gefängnisse zu führen? Nähme Gott die Decke der Leiblichkeit von unsern Augen weg, so würden wir wohl Viele in unserer Nähe sehen, die jetzt unserem Fleisch und Blut verborgen sind1).
Aber „durch der Kirche“ sagt Paulus, und das soll uns erinnern, dass wir mit unserem Berufe zunächst an die Menschen gewiesen sind, wie denn auch das Werk der Erlösung vor Allem ein Werk für die Menschen ist, daher der Apostel, nachdem er der Engel gedacht hat, denen die Weisheit Gottes kund werden soll, sofort daran erinnert, dass Christus zunächst uns gegeben ist, dass wir in ihm die Freudigkeit und den Zugang haben durch den Glauben an ihn. Daher sei das unsere erste Sorge, dass wir den Menschen zum Glauben verhelfen und zur Kindschaft, dass wir des Herrn Werk auf Erden fördern, damit wir so auch den Engeln im Himmel Freude bereiten. Ihr aber, liebe Christen, vergesset nicht, dass Gott eben in euch den Engeln eine Freude bereiten will. Verachtet nicht das Evangelium und dessen Verkündigung. Das Evangelium ist von Gott, und herrlich ist sein Inhalt, denn es verkündigt euch den unerforschlichen Reichtum Christi; herrlich ist sein Ziel, denn es will euch erleuchten, will euch die Freudigkeit und den Zugang verschaffen, will an euch die mannigfaltige Weisheit Gottes offenbaren, die auch den Engeln im Himmel kund werden soll.
Nehmt denn das Wort mit Freuden an,
Das aus verlornen Sündern
Euch alle umgestalten kann
Zu lieben Gotteskindern.
Der Engel Lust und Freude ruht
Auf Jeglichem, der Buße tut.