Disselhoff, Julius - Die Geschichte König Davids, des Mannes nach dem Herzen Gottes - Dritte Predigt. Die erste Sendung des Gesalbten aus der Stille in den Streit.
1. Sam. 17, 1-50.
Als David zum Streiter Gottes ausgesondert war, kehrte er, wie wir sahen, zu seiner Herde, in die Verborgenheit zurück, um dort ungestört und unzerstreut seine Salbung in sich wirken zu lassen. Danach wurde er berufen, am Hofe Sauls das stille, liebliche Friedenswerk des Saitenspiels zu treiben. So hat der Herr vor David auch seinen Knecht Moses und nach ihm seinen Knecht Saulum vor der sauren Arbeit den Segen ruhiger Zurückgezogenheit und stiller Sammlung genießen lassen.1) Denn er, der weiß, was für ein Gemächte wir sind, deckt nach seiner Liebe die jungen Pflanzen seiner Hand im Reiche der Gnade, wie der Natur mit sorgsamer Hand, um sie vor Hitze, Frost oder zerstörenden Stürmen zu behüten. Doch ist es nicht sein Wille, dass sie immerdar weich und zart bleiben. Sind sie erstarkt, so müssen Hitze, Frost und Stürme auf sie einwirken, damit ihre Früchte zur Reife kommen. Aus der Stille und Ruhe führt der Herr seine Jünger zur rechten Zeit in die Arbeit und in den Streit. David musste, wie die verlesene Geschichte uns gezeigt hat, Hirtenstab und Harfenspiel lassen, um in der Gefahr der Schlacht Schleuder und Schwert zu gebrauchen. Wir begleiten ihn auch dorthin.
Die erste Sendung des Gesalbten aus der Stille in den Streit.
I. Er sucht nicht in Vermessenheit aus der Stille in die Gefahr des Streites zu eilen, aber er geht getrost, wenn er gesendet wird.
II. Er sucht im Streit nicht das Seine, sondern allein die Ehre seines Herrn und das Heil seines Volkes.
III. Seine einzige Waffe ist der Glaube an den lebendigen Gott und dessen Sache, und diese Waffe ist sein Sieg.
I.
Es war eine große Gefahr über Israel hereingebrochen. Die Philister voll eingewurzelten Hasses gegen das Volk Gottes, hatten ihre Heere zum Streit versammelt und sich zwischen Socho und Aseka, im Stamme Juda (Jos. 15, 35.), also im Herzen des gelobten Landes gelagert. Wohl hätte das Volk des Herrn auch bei dieser Gefahr getrost sein können. Schon der Ort, wo ihre Feinde standen, war geeignet, sie mit siegendem Glaubensmute zu erfüllen. Denn gerade bis Aseka hatte einst Josua die Amoriter zurückgeworfen, bis Aseka hatte der Herr einen großen Hagel vom Himmel auf seine Feinde fallen lassen, um für Israel zu streiten. (Jos. 10, 10. 11.) Aber dessen gedachte Niemand mehr. Der Glaube war dahin. Jeder sah nur auf das schwache Herz in seiner Brust und auf die gebrechlichen Waffen in seiner Hand. Die Gefahr wuchs noch. Denn aus dem Lager der Philister trat ein Riese hervor, in dem alle Feindschaft wider Gott und sein Volk gleich: sam persönlich geworden war. Das ist jener Goliath, dessen Größe, Kraft und Rüstung uns so ausführlich und lebendig geschildert werden, dass er uns von unserer frühen Kindheit an als der Inbegriff aller Furchtbarkeit, wie alles Gotteshasses bekannt ist. Er forderte zu einem Einzelkampf auf; denn zwischen einzelnen Persönlichkeiten muss im Grunde immer der Kampf zwischen Gott und seinen Feinden ausgefochten werden. „Ich habe, rief der gepanzerte Riese, heutigen Tages dem Heere Israels Hohn gesprochen. Gebt mir einen und lasst uns mit einander streiten!“ So weit war es gekommen, dass dem Samen dessen, der mit Gott selbst gekämpft und obgelegen hatte, jetzt dieser Unbeschnittene Hohn sprechen konnte, und nicht Einer da war, der ihm das Maul zu stopfen wusste. Denn „da Saul und ganz Israel diese Rede des Philisters hörten, entsetzten sie sich und fürchteten sich sehr.“ Vierzig Tage lang kam der Riese morgens und abends und sprach Israel Hohn. Wer sollte helfen? Wohl war Einer da, den Gott sich ersehen hatte. Es war David, wie wir wissen. Aber als der Streit begann, hatte ihn Saul wieder zur Herde seines Vaters zurückgeschickt, weil er vermeinte, den Harfenspieler im Streit nicht gebrauchen zu können. David war in Gehorsam zurückgekehrt, wiewohl ihm sein Herz brennen mochte, mitzueilen. Auch als seine drei ältesten Brüder, Eliab, Abinadab und Samma, mit Saul in den Krieg zogen, kam kein vermessener Wunsch in seine Seele, sich hervorzudrängen und den wenig ruhmvollen Hirtenstab wegzuwerfen, und im Kampf sich Lorbeeren zu gewinnen. Wohl hätte der Gedanke nahe gelegen: „Das Wichtigere geht dem Unwichtigeren vor! Es ist besser, dass ich die wenigen Schafe meines Vaters, als dass ich Israel im Stich lasse.“ Aber dem Manu nach dem Herzen Gottes waren solche treulose und hoffärtige Reden fremd. Wie hätte er auch siegen können, wäre er mit einer Untreue in den Kampf gezogen!
Gott der Herr wachte über seinem untreuen Volke und seinem treuen Knechte. Als seine Stunde geschlagen hatte, wusste er seinen Gesalbten auf jene gewöhnliche und geräuschlose Weise hervorzuziehen, in der er seinen Rat schon so oft ausgeführt hat. Als nämlich Isais drei älteste Söhne schon einige Zeit vor dem Feinde lagen, sprach der besorgte Vater zu seinem Sohne David: „Nimm für deine Brüder dieses Epha Sangen, d. h. diesen Scheffel gerösteten Weizen, und diese zehn Brote, und lauf in das Heer zu deinen Brüdern, ob es ihnen wohl gehe. Und diese zehn frische Käse bringe dem Hauptmann!“ Da machte sich David des Morgens frühe auf und ließ die Schafe dem Hüter und trug und ging hin, wie ihm Isai geboten hatte, nicht in stolzem Waffenschmuck, sondern, wiewohl er der zum König Gesalbte war, in Knechtsgestalt, einen Sack über den Schultern. Aber als er nun einmal nach dem Gebote seines Vaters im Heere Israels war, da brach auch das Feuer der Liebe für seinen Herrn und sein Volk in mächtigen Flammen aus seinem Herzen hervor. „Wer ist, rief er, der Philister, dieser Unbeschnittene, der den Zeug, (d. i. das Heer) des lebendigen Gottes höhnt!“ Er hörte - das hatten alle Andere nicht vermocht, - im Hohne des Philisters einen Hohn gegen den lebendigen Gott, (V. 26.); Das fraß ihm sein Herz ab. Gerade als ob uns Gott absichtlich darauf habe aufmerksam machen wollen, dass David nicht hochmütig und vermessen die Herde verlassen, und sich ein wichtigeres, ehrenvolleres Arbeitsfeld gesucht habe, ist uns eine Nebengeschichte aufbehalten. Denn Eliab, Davids ältester Bruder, hörte ihn reden mit den Männern und ergrimmte mit Zorn wider David und sprach: „Warum bist du herab gekommen und warum hast du die wenigen Schafe dort in der Wüste verlassen? Ich kenne deine Vermessenheit wohl und deines Herzens Bosheit. Denn du bist herabgekommen, dass du den Streit siehst.“ David antwortete: „Was habe ich denn nun getan? Ist mir's nicht befohlen?“ ( 28. 29.) Das Bewusstsein, nicht selbstgewählte Wege zu gehen, sondern gesandt zu sein, gibt ihm guten Mut. Er wendet sich von Eliab gegen einen Anderen, lässt sich vor den König bringen und spricht: „Es entfalle keinem Menschen das Herz um, deswillen; dein Knecht will hingehen und mit dem Philister streiten!“ Seht da, meine Freunde, wie David. die rechte, gottgefällige Mitte zu halten weiß zwischen dem Worte: „Was deines Amts nicht ist, da lass deinen Vorwitz!“ und zwischen dem andern: „Wer da weiß Gutes zu, tun und tut es nicht, dem ist es Sünde!“ wie er still und demütig harrt, bis er gesendet wird, dann aber auch nicht träge ist, was er tun soll, sondern brünstig im Geist, seine Hand mutig ans Werk legt! So ist's nach dem Herzen Gottes.
Wenn wir uns in diesem Spiegel betrachten, müssen wir wohl mit Tersteegen bekennen;
„Bald folgt man Gott nicht nach,
bald läuft man vor zu heftig,
Der Eine ist zu träg, der andre zu geschäftig!“
Aber setzen wir auch betend hinzu:
„Herr, wär' ich Dir nur so, wie mir ist meine Hand, So dünkt mich, hätt' ich wohl den rechten Mittelstand.“ Wie die Hand nicht selbst die Arbeit wählt, aber wenn der Wille sie ihr anweist, frisch und fröhlich zugreift, so soll auch ein Knecht Gottes sich nicht gelüsten lassen, nach eigenem Wunsch und eigener Wahl sein Werk und sein Amt sich auszusuchen, sondern er soll demütig auf den Wink und Willen seines Herrn achten, von ihm sich senden lassen, und dann getrost und rüstig und mit freiwilligem Herzen auszurichten, was ihm befohlen ist. Oder habt ihr die Geschichte Simonis Petri vergessen, der bereit war, mit Jesu zu sterben, ohne dass Jemand solches von seiner Hand forderte, und dann dreimal leugnete und schwur: „Ich kenne den Menschen nicht!“ Zu arbeiten und zu streiten gibt's viel in unserer betrübten Zeit. Ich sprach schon früher davon, wie Gottlosigkeit und Sittenlosigkeit ihr freches Maul gegen den lebendigen Gott schier weiter noch auftut, als vordem Goliath. Wir Alle sind als gesalbte Christen berufen, gegen diesen Riesen des Weltgeistes zu kämpfen. Aber wie machen wir's? Ist es nicht so, dass wir, getrieben von eitler Ehre, den stillen Posten, der uns angewiesen ist, verlassen möchten, um uns in hoffärtiger Selbstvermessenheit in eine Arbeit hineinzudrängen, in welcher die Ehrsucht mehr Nahrung findet, wo mehr Ansehen und Anerkennung oder Herrschaft zu erwerben ist? Die Fälle sind zu häufig, wo Gott seinem hochmütigen Knecht in das Gewissen rufen muss: „Warum hast du dein niedriges, aber dir anbefohlenes Amt verlassen, sehnst dich wenigstens mit deinem Herzen aus der ruhmlosen Stille heraus und fliegst mit deinen Begierden dahin, wo dein Stolz sich blähen könnte? Mensch, ich kenne deine Vermessenheit wohl und deines Herzens Bosheit!“ Meine Mitstreiter, es ist uns Allen heilsam, still und demütig die Schafe zu hüten und Säcke zu tragen, ich meine, in der stillen, unbedeutendsten, lästigen Arbeit die uns anvertraut ist, treu und gern auszuharren, so lange es Gott gefällt! Wer vorläuft, der läuft an. Wer sich ungerufen in die Gefahr begibt, kommt darin um. Dasselbe Herz, welches in seiner Vermessenheit gern größere, nützlichere, wichtigere, ehrenvollere Taten verrichten möchte, ehe es berufen wird: dasselbe trotzige Herz wird, wenn Gott wirklich eine schwere, gefahrvolle Arbeit ihm auflegen will, sehr verzagt und feige. Die vordem so schnellen Knie sind plötzlich müde, die starken Hände schlaff und matt. Nur wer sein Ohr gegen die Stimme des vermessenen Herzens verstopfend, in Demut auf den Ruf Gottes hört und sich allewege fröhlich und unerschütterlich auf das Wort steift: „Ist mir's denn nicht befohlen?“ nur der geht gehorsam und gläubig dahin, wohin er gesendet wird, und wär's durchs rote Meer, oder nach der gottlosen Stadt Ninive. Er braucht dann nicht mit Gewalt zu seiner Arbeit getrieben zu werden. Er sieht und hört selbst, was für den Herrn und die Brüder zu tun ist, und greift das Werk, wenn auch mit Zittern, so doch mit Freuden an, müsste er auch in die Dornen und Disteln, ja selbst in die Skorpionen greifen, wie Hesekiel (Hes. 2, 6.), oder einem neuen Goliath das große Maul stopfen!
Wir kehren zu David zurück.
II.
Was hat David getrieben, dass er den Streit mit dem Riesen so feurig suchte? War es die Lust nach Ehre, Ansehen und Ruhm? das Streben und Geizen nach hohen Dingen? Es ist eine Stelle in unserer Geschichte, welche uns auf diesen Argwohn bringen könnte. Denn David fragte: „Was wird man dem tun, der diesen Philister schlägt, und die Schande von Israel wendet?“ Die Antwort war: „Wer ihn schlägt, den will der König sehr reich machen, und ihm seine Tochter geben und will seines Vaters Haus frei machen in Israel.“ Verrät die Frage Davids nach dem Lohne nicht Ehrsucht und Eigennutz? Ja! auch David, der Mann nach dem Herzen Gottes, ist einen Augenblick versucht worden, in seine lauteren, vom Heiligen Geiste gewirkten Triebfedern einen unlauteren Geist, in seine Arbeit für Gott und sein Volk eigene Ehre und eigenen Nutzen miteinzumengen. Aber er hat die Versuchung gründlich überwunden. Denn nachdem er den Riesen besiegt hatte, und nun Reichtum, Ehre und des Königs Tochter mit Recht sein war, hat er mit keinem Worte, nicht einmal in Gedanken, dieses Recht für sich in Anspruch genommen. Sein Herz war los von dem herrlichen stolzen Preise. Obwohl. Saul ihm seine älteste Tochter Merob anbot sprach David in großer Uneigennützigkeit und Demut: „Wer bin ich? Und was ist mein Leben und Geschlecht meines Vaters in Israel, dass ich des Königs Eidam werden sollte?“ (Kap. 18, 18.) Und als Saul ihm später seine jüngere Tochter Michal fast aufdrängen wollte, war David so fern davon, diesem Wunsche Sauls entgegen zu kommen, dass die königlichen Diener diesen ehrenvollen Antrag ihm erst hinterbrachten. Und auch da noch antwortete David: „Dünkt euch das ein Geringes, des Königs Eidam sein? Ich aber bin ein armer, geringer Mann!“ (18, 23.) Wenn wir zuerst in solchen Taten die Uneigennützigkeit und Demut des Riesenbesiegers deutlich erkannt haben, dann erscheinen uns auch seine gewaltigen Worte in umso hellerem Lichte, in denen er es vor aller Welt kund tut, dass er in den gefahrvollen Streit ziehe, „auf dass die Schande von Israel genommen werde (V. 26) und alles Land inne werde, dass Israel einen Gott hat, und dass alle diese Gemeine inne werde, dass der Herr nicht durch Schwert noch Spieß hilft!“ (V. 46. 47.) Der lautere Eifer für die Ehre Gottes und das Heil seiner Brüder ist also der innerste und alleinige Beweggrund der großen Tat Davids. Eigenen Nutzen und eigene Ehre, die als gefährliche Versucher an ihn heranschlichen, trat er siegreich unter die Füße.
Wir müssen jetzt in die geheimen Winkel unseres Herzens blicken, und wollen frei und ohne Schminke bekennen: „Auch wenn der Geist Gottes, die Lust an der Ehre des Herrn und dem Heil der Brüder uns trieb, so hat doch die Lust an eigener Ehre und eigenem Nutzen sich eingemischt und leider häufig die Herrschaft gewonnen.“ Paulus schon musste, über diese Vermengung des Eifers für die Sache des Herrn mit Hoffart und Eigennutz schmerzlich klagen. In Rom, wie Korinth predigten Etliche das Evangelium, nicht um Christi Ehre und des Heils der Brüder willen, sondern um Paulo es zuvorzutun, um sich auch einen Namen und Anhang und sogar Nutzen zu verschaffen. (Phil 1 15 und 2. Kor. 1, 13.) Auch Johannes erzählt von einem gewissen Diotrephes, der, um unter den Christen hochgehalten zu werden, sich voll glühenden Eifers zeigte (3. Joh. 9.) Es ist ein tiefer, das Herz bewältigender Jammer, dass im ganzen Verlauf der Kirchengeschichte, selbst in dem Herzen derer, die für des Herrn Ehre und das Heil ihrer Brüder streiten wollen, dennoch die Lust nach eitler Ehre und eigenem Nutzen mitunterläuft und zu oft den Sieg gewinnt! dass ein Arbeiter vor dem andern hochgehalten und anerkannt sein will! dass Jedem seine Art und Weise der Arbeit und des Kampfes und seine Auffassung vom Reiche Gottes die bessere, wohl die allein wahre ist. Dadurch ist viel Hader und Zank geboren, der Name des Herrn gelästert, das Wachsen und Gedeihen des Reiches Christi gehindert großer und ärgerlicher Anstoß gegeben und das Heil vieler tausend zur Seligkeit berufenen Menschenseelen versäumt worden. So viel Gott mir Augen gegeben hat, die Schäden unserer Tage zu sehen, ist das der Grund des vielen Streitens und der vielen Parteien selbst unter den gläubigen Christen, dass wir nicht rein und ausschließlich des Herrn Ehre und der Brüder Heil suchen. Wer von Euch will sich hier ausnehmen? Und wenn auch Ihr, meine Schwestern, Eure gemeinschaftlichen Arbeiten betrachtet, wollt Ihr nicht schamrot an Eure Brust schlagen und sprechen: „Ich habe die heilige Sache des Herrn mit schändlichem Geizen nach persönlicher Anerkennung befleckt!“ Forthin aber tue Niemand etwas durch Zank oder eitle Ehre! Es werde endlich unser Wahlspruch zur Wahrheit: „Er, der Herr, und seine Ehre muss wachsen; ich aber und meine Ehre muss abnehmen!“ - Wollen wir Knechte und Mägde des Herrn sein, so muss mit der glühenden Kohle vom Altar Gottes jede angeborene, süße Lust nach Anerkennung, Lob, Ehre, Vorteil aus dem Herzen fortgebrannt werden. Es darf Phantasie und Mund sich nicht mehr zu der eigennützigen Frage austun: „Was wird mir dafür?“ Wir werden zwar, so lange wir in diesem Todesleibe wallen, immer aufs Neue von der Versuchung beschlichen werden, dass auch in unsern heiligsten und reinsten Stunden, vielleicht uns unbewusst, in gröberer oder feinerer Weise unsere eigenen, sündlichen Angelegenheiten in die große und heilige Sache des Herrn Jesu Christi sich verflechten wollen. Aber Gott hat auch uns die Macht gegeben, solche gefährliche Versuchungen zur rechten Zeit zu erkennen und sie mit Ernst von uns zu weisen, wenn wir nur mit David in immer vollerer Wahrheit sprechen können: „Ich weiß, mein Gott, dass du das Herz prüfest und Aufrichtigkeit ist dir angenehm!“ (1 Chr. 30, 17.) Diese zarte, gewissenhafte Lauterkeit und Ausrichtigkeit, die vor jeder Vermischung der eigenen Ehre und des eigenen Nutzens mit der Ehre des Herrn zurückbebt, ist der Schmuck und Ruhm eines David seinen selbstsüchtigen Feinden gegenüber, ist gleicher Maßen der Schmuck und Ruhm eines Paulus, wenn er sagt: „Unser Ruhm ist der, nämlich das Zeugnis unseres Gewissens, dass wir in Einfältigkeit und göttlicher Lauterkeit in der Gnade Gottes auf der Welt gewandelt haben.“ (2 Kor. 1,12.) Und über diesem einigen, rechten Christenruhme wacht er mit solcher heiligen Eifersucht, dass er ausruft: „Es wäre mir lieber, ich stürbe, denn dass mir Jemand meinen Ruhm sollte zunichtemachen!“ (1 Kor. 9, 15.) O meine Mitknechte, dass solche Lauterkeit, solche heilige Furcht vor der Vermischung des Eigenen mit dem, was des Herrn ist, auch unser einiger Ruhm wäre! dass auch wir lieber sterben möchten, als dass wir solchen Ruhm vom Versucher unserer Seelen uns zunichtemachen ließen!
III.
David stand vor Saul. Der sah den Riesen an in seiner Kraft und seine Waffen, und er sah David an, den jungen Hirten, der nur Schäferstab und Saitenspiel gehandhabt hatte, und sprach: „Du kannst nicht hingehen!“ (V. 33.) Dass der Riese den lebendigen Gott höhnte, dass David des lebendigen Gottes Ehre suchte, das legte Saul nicht auf die Waagschale, konnte es freilich auch nicht. David seinerseits sah zwar nicht Mittel und Wege, wie er den Riesen überwinden sollte. Aber das Eine wusste er, dass der Philister den lebendigen Gott höhnte, dass der lebendige Gott seine Ehre keinem Andern geben will, und dass er durch die Salbung zu dem Amte berufen war, Gottes Ehre zu mehren in seinem Volke. Er pochte aus sein Amt. Er erzählte Saul, wie ein Löwe und Bär ein Schaf von der Herde geraubt, wie er, getrieben von seinem Amt, den wilden Räubern nachgelaufen, und ohne zu wissen, wie? beide zerrissen hätte. Dann fuhr er fort: „Der Herr, der mich von dem Löwen und Bären errettet hat, der wird mich auch erretten von diesem Philister.“ Er wollte sagen, so viel besser das Volk Gottes ist, als ein Schaf, um so viel mehr wird der Herr mir helfen, wenn ich, als Hirte seines Volkes, seine zerrissenen Lämmer aus dem Rachen eines ärgern Löwen retten will. Da kam in Sauls Herz eine Erinnerung an seine eigene frühere Zeit, wo er im Amte des Herrn durch die Kraft aus der Höhe Wunderdinge hatte tun können, und er sprach: „Gehe hin, der Herr sei mit dir!“ Doch aber konnte er selbst zu diesem Segenswunsch kein volles Vertrauen mehr hegen. Er meinte, es wäre nötig, dem David einen ehernen Helm auf das Haupt zu setzen, ihm einen Panzer anzulegen, und ihn mit einem Schwert zu umgürten. David war so weit entfernt, die natürlichen Mittel, durch welche Gott helfen kann, zu verachten, oder wissen zu wollen, wie Gott ihm helfen wollte, dass er Helm, Panzer und Schwert aus Sauls Hand nahm. Aber er war solcher Wehr nicht gewohnt. Sie hinderte ihn. Er musste Alles wieder ablegen. Der Sieg sollte ganz und offenbar des Herrn sein. Er nahm seinen Stab und seine Tasche und eilte dem Riesen entgegen, immer noch ohne zu wissen, wie Gott seine Macht beweisen würde, allein darauf vertrauend, dass es ihm an Mitteln nicht fehlte. Als er nun durch den Eichgrund ging, musste er durch den Bach waten, und nahm aus demselben fünf glatte Steine. Da der Philister David sah, verachtete er ihn, denn er war ein Knabe und bräunlich, und sprach: „Bin ich denn ein Hund, dass du mit Stecken zu mir kommst?“ Und fluchte David bei seinem Gott und erhob sich, wie der Text weiter erzählt, in ungemessenem, frevelhaftem Hochmut. Da bricht der demütige und darum mutige Glaube Davids in seiner vollen Herrlichkeit und Macht aus seinem Herzen Hervor Wie ein gewaltig rauschender Strom wogen seine Worte über seine Lippe: „Du kamst zu mir mit Schwert, Spieß und Schild, ich aber komme zu dir im Namen des Herrn Zebaoth, des Gottes des Heeres Israels, den du gehöhnt hast. Heutiges Tags wird dich der Herr in meine Hand überantworten, dass alles Land inne werde, dass Israel einen Gott hat, und dass alle diese Gemeinde inne werde, dass der Herr nicht durch Schwert und Spieß hilft; denn der Streit ist des Herrn, und Er wird euch geben in unsere Hände!“ Er legte einen Bachkiesel in die Schleuder, und dies Steinlein musste genug sein, den Ruhmredigen für immer zum Schweigen zu bringen. Denn dem Herrn ist es gleich, durch viel oder wenig helfen. Es gefällt ihm aber, seine gewaltigsten Feinde durch unscheinbare verächtliche Mittel zu fällen, damit öffentlich erscheine, wie gar nichts alle Menschenkinder vor ihm sind, ja, dass sie vor ihm weniger wiegen, denn gar nichts! - „Der im Himmel wohnt, lacht ihrer; der Allerhöchste spottet ihrer!“ Wahrlich, das ist ein heiliger Spott, dass der Allmächtige keine größere Anstalten macht, selbst einen Goliath zu stürzen, als dass er einen Hirtenknaben einen Stein schleudern lässt. Wohl mag da David triumphierend und lobpreisend singen: „Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast du eine Macht zugerichtet um deiner Feinde willen, dass du vertilgst den Feind und den Rachgierigen!“ (Ps. 8, 3.) Dann nahm David des Philisters eigenes Schwert und hieb ihm sein Haupt ab. Da aber die Philister sahen, dass ihr Stärkster tot war, flohen sie. Denn die Legionen der Feinde Gottes sind immer feige, wenn ihre Häupter gestürzt sind. - Es ist hier überschwänglich erfüllt, was der Herr schon durch Moses verheißen hat: „Euer fünf sollen hundert jagen, und euer hundert sollen zehntausend jagen!“ (3 Mos. 26, 8) und was danach durch Josua geredet ist: „Euer Einer wird tausend jagen, denn der Herr, euer Gott, streitet für euch.“ (Jos. 23, 10.)
Hat David durch ein Steinchen seinen riesigen Feind überwunden, so wird, den Feinden zum Spott, der große, Alles überwindende Davidssohn auch nur mit einem Stein verglichen. Denn nachdem Nebukadnezar die gegen Gott kämpfenden Mächte der Welt im Bild eines riesigen Mannes. erblickt hatte, sah er, dass ein Stein herabgerissen ward ohne Hände. „Der schlug das Bild an seine Füße und zermalmte sie. Da wurden mit einander zermalmt das Eisen, Ton, Erz Silber und Gold, und wurden wie Spreu auf der Sommertenne, und der Wind verwehte sie, dass man sie nirgends mehr finden konnte. Der Stein aber, der das Bild schlug, ward ein großer Berg, dass er die ganze Welt füllte.“ (Dan. 2, 34 - 35.) Das ist derselbe Stein, von dem der Herr sagt: „Wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen, auf welchen er aber fällt, den wird er zermalmen.“ (Matth. 21, 44.) - Schwach, arm, unbewaffnet, verachtet müssen die Jünger Christi für ihren Meister in den Streit ziehen. „Siehe, spricht der Herr, ich sende euch, wie Lämmer mitten unter die Wölfe!“ Wie soll ein Lamm vor dem Wolf sich retten, ja viel mehr noch, wie soll ein Lamm den Wolf überwinden? „Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der Herr heute an euch tun wird. Der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein!“ antwortete schon Moses, (2 Mos. 14, 13. 14.) und der Herr selbst sagt zu seinen schwachen, wehrlosen Sendlingen: „Sorgt nicht, wie oder was ihr reden sollt. Denn ihr seid es nicht, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet!“ (Matth. 10, 19-20.) Er macht sein Wort im Munde seiner gläubigen Kinder noch fort und fort zu einem Schleuderstein oder zu einem widerhakigen Pfeil oder zu einem Schwerte, womit er seinen Feinden beizukommen weiß.
Ich bin noch immer voll heiligen Erstaunens, wenn ich daran denke, wie ich nach der Rückkehr aus dem Morgenlande in Athen auf dem Richtplatz stand, wo man einst den Apostel Paulus, den Mann vom schwachen Leibe und verächtlicher Rede (2 Kor. 10, 10) hingeschleppt hatte. Von dort aus sieht man noch jetzt eine solche Fülle von Herrlichkeit, von zertrümmerten heidnischen Marmortempeln und Götzenbildern, dass die Seele fast überwältigt wird. Und doch ist die heutige Pracht nur noch ein Schemen der früheren. Da also stand der verachtete Jude Paulus, der „Lotterbube,“ wie man ihn nannte, vor einem gewaltigeren Riesen, als vordem David. Er hatte nichts, als das Wort von seinem Herrn. Das warf er fröhlich und mutig gegen die Heidenwelt. Nur ein Ratsherr wurde anfangs besiegt und ein Weiblein und etliche mit ihnen. (Apostg. 17,34.) Aber bald war die ganze Riesin Athen und die noch gewaltigere Riesin Roma dazu vom Wort des Herrn überwunden! - „Der Herr hilft nicht durch Schwert und Spieß!“ wie David rühmt, und: „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.“ (Sach. 4, 6.) Wer war denn Luther, der Mönch, der Bergmannssohn, dass er dem Goliath der Menschensatzungen einen tödlichen Streich beibrachte, da doch viele mächtige Kaiser die dreifache Krone nicht hatten wankend gemacht! Liebe Gemeinde, es gibt keine Waffen im Streit für Christi Reich, als den lebendigen Glaube an den lebendigen Gott und seine Sache, aber dieser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat, die riesige Welt. David konnte im Panzer, Helm und Schwert Sauls nicht einmal gehen, viel weniger mit ihnen kämpfen. Das ist die Wirkung des Glaubens an den lebendigen Gott. Man kann mit allen andern fleischlichen Waffen und Wehren nichts beginnen. Man fühlt, sie hindern nur, wirft sie fort und zieht in den Streit, angetan mit dem Helm des Heils und dem Panzer der Gerechtigkeit Christi, und mit dem Schilde des Glaubens zur Wehre in der Linken, und dem Schwerte des Geistes, welches ist das Wort Gottes, in der Rechten. „Die Waffen unserer Ritterschaft sind nicht fleischlich, sondern mächtig vor Gott, zu verstören die Befestigungen, damit wir verstören die Anschläge und alle Höhe, die sich erhebt wider das Erkenntnis Gottes.“ (2 Korinth. 10, 4. 5.) Der Herr ist der rechte Kriegsmann. Mit ihm werfen wir fröhlich Panier auf.
Mit ihm wollen und müssen wir als wehrlose Lämmer mitten unter die Wölfe ziehen.
Er führt seine Boten
Durch Land und Meer,
Reicht ihnen zum Kampfe
Nicht Schwert, nicht Speer,
Und Häuptern und Busen
Nicht Helm, noch Schild,
Denn Schwert und Helm
Ist des Meisters Bild,
Das blutige, bleiche,
Das Gotteslamm,
Das segnend hänget
Am Kreuzesstamm,
Davon singen und sagen
Wir hell und heiß,
Bis zu Füßen ihm lieget
Der Erde Kreis.
Alle, die ihr dem Herrn dient, glaubt nur an den lebendigen Heiland, und lasst diesen Glauben in der Liebe tätig sein, so werdet auch ihr überwinden, so furchtbar auch der Weltgeist jetzt sich rüstet, um dem Häuslein des Herrn Hohn zu sprechen, und, als ein gieriger Wolf, Hirten und Herde zu verschlingen. Auch ein Wörtlein aus dem schwachen Frauenmunde, ihr Mägde Christi, kann dann wie ein Schleuderstein einem Riesen in den Kopf fahren und alle seine bisherigen Ansichten über den Haufen werfen. Selbst wer auf dem Siechbette liegt, kann ein gewaltiger Streiter für Christum sein. Moses war nicht in der Schlacht gegen die Amalekiter. Er saß fern davon auf einem Berge. Und er allein hat doch die Schlacht gewonnen.
Aber zum Schluss tut's not, dass ich noch Ein Wort. von dem riesigen Gottesfeinde in uns selbst rede. Ihr selbst habt es erlebt, hoffe ich, dass oft ein Wort aus einem schwachen Munde wie von ungefähr in euer Herz geflogen ist, und den Goliath aufsteigender Hoffart oder sich erhebenden Stolzes oder Zornes oder Neides oder anderer fleischlicher Lüste und. Begierden niedergeschmettert hat. Aber dieser Philister in uns, dieser Gottesfeind, der den lebendigen Gott höhnt und lästert, erhebt immer wieder sein stolzes Haupt und tut immer wieder sein freches Maul auf. Ein Mittel nur überwindet ihn: der lebendige Glaube an den, der den Sünder aus Gnaden selig macht, die mutige Zuversicht, dass wir Recht haben gegen. unsern Widersacher, und dass, da unsre Rettung und Befreiung von den Feinden die Ehre des Herrn, und unsre Sache seine Sache ist, er auch für uns streiten und siegen wird, nach der teuer werten Verheißung Johannis, dass der, welcher in uns ist, mächtiger ist, als der in der Welt ist.
Doch es ist genug. Ihr habt nun gesehen, wie der Gesalbte Gottes zum ersten Mal für seinen Herrn und sein Volk in den Streit gezogen ist und gesiegt hat. Ihr saht ihn, nicht hoffärtig sich hervordrängen, aber getrost und freudig gehen, als er gesandt wurde. Ihr saht ihn, der einen Augenblick durch eigene Ehre und eigenen Ruhm versucht ward, rasch überwinden, also, dass er im Kampf nur des Herrn Ehre und seines Volkes Heil suchte. Ihr saht ihn endlich alles Vertrauen auf Menschenkraft und Menschenmittel hinwerfen, und sich ganz dem Glauben in die Arme legen und durch ihn herrlich überwinden. Das Alles saht ihr, und habt darin eine dritte Antwort auf die Frage: Wer ist der Mann nach dem Herzen Gottes?
Ich aber frage dich wiederum: „Bist auch du ein Mann nach dem Herzen Gottes?“ Amen.
Der Heiland und sein Knecht.
Es ist mir nicht verholen,
Mein Knecht, du bebst und bangst!
Hab ich dir's nicht befohlen?
Wozu die Furcht und Angst?
„Ich steh, wie vor dem Riesen,
Herr, ein Kindlein steht!“
Hab ich dir nicht gewiesen,
Wer mit dem Kindlein geht?
„Herr, in der Wölfe Mitte
Bin ich ein wehrlos Lamm.“
Flieh in die sichere Hütte
An meines Kreuzes Stamm!
„Herr, Herr, vergib mein Zagen,
Mach mich zum Lamm, zum Kind!
So will den Kampf ich wagen,
Weil ihn dein Arm gewinnt!“