Schopf, Otto - Wir müssen durch viel Trübsale in das Reich Gottes eingehen

Schopf, Otto - Wir müssen durch viel Trübsale in das Reich Gottes eingehen

Aus der letzten Predigt von Bruder Otto Schopf, gehalten am 1. Januar 1913, nachmittags 3/4 5 Uhr im Saal der Feien evangelischen Gemeinde in Basel.

Das Schwerste auf dieser Erde ist nach menschlicher Ansicht: Leiden und Trübsal. Es liegt den Kindern Gottes so nahe, andern zu sagen, wie glücklich man beim Heiland ist; ebenso gut sollen wir ihnen nicht verhüllen, daß es in der Nachfolge Jesu auch Trübsale gibt. Der Apostel sagt: „Wir müssen durch viel Trübsale ins Reich Gottes eingehen.“ Dieses Wort geht nur Bekehrte an. Bei uns in Deutschland beurteilt man einen Prediger etwa danach, ob er einen Unterschied macht zwischen Bekehrten und Unbekehrten. Der Herr zieht immer eine Scheidelinie zwischen Bekehrten, lebendigen Gotteskindern und Religionsmenschen. Viele möchten diese Linie verwischen, aber Gottes Gnade ist und bleibt mit Wahrheit verbunden. Ist dir die Gnade das Köstlichste, und übst du darum an andern so viel wie möglich Vergebung?

Ein Kind Gottes kann ohne Kreuz nicht sein; es muß gelitten sein. Manchem kann der Herr noch nicht so viel auflegen. Die in den vordersten Reihen müssen mehr leiden. Kinder Gottes sind anders angelegt als Weltmenschen, und müssen darum mehr in die Tiefe. Es gibt verschiedene Leiden: Leiden um Jesu willen, Leiden um des Nächsten willen, Leiden um der Sünde willen. Durch Trübsale sollen wir bewährt werden. Wenn wir selbst leiden, fühlen wir besser mit; wo wir gelitten, können wir auch andere verstehen und trösten. Ich bin einmal 14 Tage krank gewesen, dann vier Wochen. Aber als ich dann einmal neun Monate aus der Arbeit war, da hatte ich das, was man mit einem Fremdwort Actionsradius nennt, d.h. die Fähigkeit, größere und schwerere Leiden zu verstehen. Für Diakonissinnen sollte eigentlich zur Ausbildung 6 Wochen Kranksein gehören.

Trübsale dienen auch dazu, den Heiland besser kennen zu lernen. Die Freude am Herrn soll in jeder Lage meine Stärke sein, denn ein Kind Gottes hat immer Grund, sich zu freuen. Herr, tue mir die Augen auf, daß ich immer mehr erkenne, was ich an dir habe. Im Sonnenschein lernen wir den Heiland nie so kennen, wie im Leiden; da wird er uns immer köstlicher. In dem Hause meiner Eltern hatten wir so ein Ofenloch, durch das man in den Kamin steigen konnte. Einst war das Kind von Verwandten bei uns. Als es einmal ungezogen war, wurde es in das Ofenloch gesperrt. Es hat sich furchtbar gewehrt. Da hört es plötzlich drinnen auf mit Schreien und Zappeln und ruft: „Ich seh' e Sternle am hellen Tag!“ Durch de3n dunklen Kamin hatte das Kind oben am Himmel ein Sternlein entdeckt. Wie viele Sternlein des Herrn erkennen wir erst im Ofenloch der Trübsal. Da sehen wir auch die Sterne in der Bibel. Darum hinein in die Trübsal; denn wir dürfen auch das Wort erfahren: „Wenn ich schwach bin, so bin ich stark.“ Ehe die Trübsal kommt, hat der Herr schon den Trost bereit.

Ein Kind Gottes soll den Trübsalen nicht ausweichen, auch nicht darin stecken bleiben, sondern hindurchgehen. Jeder Trübsalsweg ist eine Hoffnungsstraße zum Reiche Gottes. Als Gläubige sind wir einerseits schon darin, anderseits noch nicht, aber wir können hineinkommen, wir sind auf dem Weg dazu. Wie köstlich ist es, an die Liebe zu denken, die uns am andern Ende erwartet. Wie herrlich, zu wissen, wir gehen ins Reich Gottes. Jede Welle, jeder Sturm, jede Trübsal bringt uns näher.

Manche meinen, es steht geschrieben: Wir müssen den Trübsalen durchgehen, nein, durch Trübsale ins Reich Gottes gehen. Auch heißt es nicht: Wir müssen durch Trübsale ins Murren, Zweifeln, Klagen eingehen, sondern ins Reich Gottes. Krankheiten und Leiden sind heilsam für die Seele. Psalm 73. Auf dem Glatteis, da fallen die Leute gern. Wenn es immer glatt geht, ist's gefährlich. Wie trostlos sind doch die Menschen ohne Heiland.

Viele gehen durch Trübsale in die Hölle, sie haben hier und dort nichts. Wie schmerzlich ist es, das Leid zu haben, aber den Segen nicht. Der Herr will durch Trübsale die harten Herzen mürbe machen. Er schickt uns schwere Wege, damit wir ins Reich Gottes kommen. Selbst Jesus mußte durch Leiden und Trübsale gehen. Ja, kein Mensch war so allein, niemand hat so gearbeitet, niemand war so verhöhnt, niemand so von Gott verlassen wie er. Aber er ging auch ins Reich Gottes und hat uns den Weg gebahnt: Durch Leiden zur Herrlichkeit!

Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1913

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