21. Eine alte Geschichte vom fröhlichen Christenthum.

Es ist schon lange, lange her und in jener Zeit geschehen, von welcher der nun auch schon längst heimgegangene Sänger von Psalter und Harfe in seinem ersten Liederverse singt: Jüngst war’s öde, niemals öder auf dem Weg nach Kanaan; kaum zog hier und da ein blöder Wandrer schüchtern seine Bahn. Da ist auch einmal ein frischer, fröhlicher Jüngling, der seinen Heiland über Alles liebte, durch das deutsche Vaterland gewandert, um Menschen zu suchen und zu sehen, die auch den lieben Heiland lieb haben, gleichwie Andere durch die Welt reisen, um große Städte und schöne Gegenden zu sehn. Hat er auch nicht Viele gefunden, die es mit dem Jesus von Nazareth hielten, so hat er doch aller Orten ihrer etliche gefunden in allen Ständen und hat sich immer von dem Einen an den Andern weisen lassen und herzliche Freude und Erquickung gefunden in der Gemeinschaft der Siebentausend, die ihre Knie nicht beugten vor den Götzen der Zeit, sondern allein vor dem lebendigen Gott, nach dem Worte: Du sollst anbeten Gott, deinen Herrn, und ihm allein dienen.

Dieweil er nun aber gerne eins nach dem andern von den Kindern Gottes kennen lernen wollte, so hat er sich bei keinem von ihnen sehr lange aufgehalten, sondern hat immer bald, wie Reisende pflegen, seinen Abschied gemacht und ist weiter geeilt. Aber bei Einem ist er viel länger, als bei den Uebrigen geblieben, und zwar bei demjenigen, bei dem er gerade den allerkürzesten Aufenthalt nehmen zu müssen geglaubt hatte, nämlich bei Einem der ein sehr berühmtes Kind Gottes und ein Vater in Christo für Viele war. Denn berühmte Gotteskinder pflegen ja leider das mit berühmten Weltkindern gemein zu haben, daß, weil sie von so vielen Leuten besucht und angelaufen werden, sie für den Einzelnen erschrecklich wenig Zeit übrig haben. Und da will man denn auch nicht gern stören und ist froh, wenn man so einem berühmten Gläubigen auch nur einmal in sein Auge sieht, und einen Gruß seiner Lippen hört, den nähren Umgang aber verspart man sich für den Himmel, wo auch die berühmten Leute Zeit haben, denn die Ewigkeit ist lang. So ungefähr meinte es auch unser reisende Jüngling, als er in die Stadt einzog, wo das theure Rüstzeug Gottes wohnte, an das er von Vielen empfohlen. Abe es kam gar anders, als er gedacht hatte.

Denn nicht nur nahm ihn der Greis sehr freundlich auf, gleichwie das auch bisher die Freunde des Reiches Gottes gethan hatten, sondern nachdem er einmal mit dem Jüngling gesprochen, nicht kurz und abgebrochen, sondern über eine Stunde lang, nöthigte er ihn, ja recht lange bei ihm zu bleiben, so lange als es ihm gefiele. Der Jüngling blieb einen Tag nach dem andern und stillte in den gottseligen Gesprächen, die er mit dem Greise führte, den Durst seiner Seele in vollen Zügen; wollte er dann von dannen ziehn, nöthigte ihn der freundliche Wirth wieder und immer wieder noch einige Tage zu bleiben und redete weiter mit ihm in erquicklicher Wechselrede von dem Einen, was noth ist; endlich aber meinte der Jüngling, trotz aller sich fortsetzenden Nöthigungen doch nun einmal seinen Stab weiter setzen zu müssen und verabschiedete sich unter heißem Dank.

Beim Abschied aber fragte der Jüngling: „O Vater, wie kommt es doch nur, daß Du mich so lange beherbergt hast, da Du doch weniger Zeit hast, als Andere und von so gar vielen Besuchern bedrängt wirst?“ Da antwortete der Greis lächelnd und reichte dem jungen Mann noch einmal die Hand: „O Jüngling, es kommen wohl viele Christen zu mir, und ich brauche nicht wie Du, das Land zu durchziehen, um Kinder Gottes zu finden; aber die bis jetzt zu mir gekommen sind, sie waren immer traurig und ließen den Kopf hängen, wie ein Schilf; in Dir habe ich endlich einmal einen fröhlichen Christen gefunden, darum mochte ich Dich nicht loslassen. Nun segne Dich Gott und geleite Dich weiter und bewahre Dir die jugendliche Freude im heiligen Geist!“

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