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11. Feierabend und Sonntagmorgen.

Es ist etwas Schönes um den Feierabend, aber es gehört ein feierliches Herz dazu. Wie aber soll man ein feierliches Herz haben, wenn man den Tag über durch tausend Sorgen und Mühen gegangen ist und nun am Abend todtmüde sich den Schweiß vom Angesicht wischt? O nun ja, der Christ könnte ja trotz alledem sich durch des Tages Hitze hindurch die Feier des Herzens retten, wenn er seine Sorgen immer auf den Herrn würfe und mitten in den Mühen seine Seufzer aufwärts schickte. Aber welcher Christ thut das immer, und bei wem ist der alte Adam ganz ertödtet? Auch Christen haben öfters recht unfeierliche Feierabende.

Der hohe Herr, der am Sonnabend die Hauptstadt verlassen, in welcher er sich die Woche hindurch mit den Sorgen des Regiments geplagt hatte, und nun abgespannt in seinem Landhause saß, hatte einen solchen unfeierlichen Feierabend. Es heißt irgendwo zu Anfang eines alten Liedes: Wunderseliger Mann, welcher der Stadt entflohn. Er war der Stadt entflohn, aber wunderselig war er nicht, sondern matt und mißgestimmt. Da wird ihm in spätester Abendstunde noch ein Officier gemeldet, der ihn in der Stadt nicht mehr getroffen hatte und ihm auf’s Land nachgereist war; er habe ihn, so lautete die Anmeldung, in einer äußerst wichtigen Angelegenheit zu sprechen. Seufzend ließ der hohe Herr den Angemeldeten eintreten. Was der Officier vorzubringen hatte, war allerdings eine ungemein wichtige Angelegenheit, aber – doch nicht für den Staat, sondern nur für den Officier; er trug dem hohen Herrn eine Bitte vor in einer eiligen Sache, die ihm an andern Stellen schon abgeschlagen war, die er aber nun hoffte an höchster Stelle noch erfüllt zu sehn. Allein der Inhaber dieser höchsten Stelle, angegriffen wie er war, fand es im höchsten Grade zudringlich, daß man ihm seine wohlverdiente Feierabendruhe um einer Privatangelegenheit willen störte; er wies den Bittsteller mit ziemlich dürren Worten ab, und dieser fuhr entmuthigt zur Stadt zurück.

Kaum war er fort, als es dem hohen Herrn sein christliches Gewissen sagte: So war’s nicht recht; eure Lindigkeit lasset kund sein allen Menschen! Er ließ seine Gedanken hierhin und dorthin gehen; die innere Stimme redete ihm immer dasselbe darein. Wie hatte er sich auf den erquickenden Schlaf der Nacht gefreut! Aber er schlief wenig in der Nacht, und der wenige Schlaf war sehr unerquicklich.

Der Tag des Herrn bricht an. Der hohe Herr läßt seinen Wagen vorfahren und fährt – wohin? In die Kirche? Nein, dazu ist’s noch zu früh. Er fährt in die Stadt, hält vor dem Hause des Officiers, eilt zu demselben in’s Zimmer und spricht zu dem Erstaunten: „Verzeihen Sie mir! ich habe gestern Abend unrecht gegen Sie gehandelt; Ihre Bitte ist erfüllt!“ Dann hat der hohe Herr Sonntag gefeiert, einen wunderschönen, erquicklichen Feiertag gehabt.

Daß sie von Fehlern übereilt werden, das passirt allen Christen, sonderlich wenn ihre Nerven unter schweren Tageslasten gelitten haben; aber daß sie ihre Fehler bald hinterher erkennen und – bekennen, auch vor den Menschen bekennen, gegen die sie gefehlt haben, das soll leider nicht allen Christen passiren, sondern viele sollen meinen, daß Nervenabspannung alles Mögliche erlaubt und alles Mögliche entschuldige. Aber eure verstimmten Nerven werden euch am Tage des Gerichts nicht entschuldigen. Wer einmal einen letzten seligen Feierabend und einen ewigen Feiertag haben will, der muß auch für unfeierliche und verdrießliche Stimmungen rechtschaffene Buße thun.

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