Quandt, Emil - Die biblische Lehre vom Heiligen Geist - Einleitung.

Das heilige Fest der Pfingsten ist nahe. Es ist das Hochfest des Heiligen Geistes. Es ist das Fest der Feier jenes großen göttlichen Wunders, das weiland am fünfzigsten Tage nach Ostern zu Jerusalem geschah, da ein Brausen vom Himmel erscholl als eines gewaltigen Windes und das Haus erfüllte, da die Jünger Jesu saßen, und sie alle voll wurden des Heiligen Geistes und fingen an zu predigen mit andern Zungen, nachdem der Geist ihnen gab auszusprechen. Aber das Pfingstfest ist noch mehr als bloß ein Fest feiernder Erinnerung an ein großes Wunder vergangener Zeiten. Es ist auch ein Fest des Gebets und der Bitte um den Heiligen Geist, ein Fest der Anrufung des Heiligen Geistes, dass er kommen, wiederkommen möge, die dürren Herzen zu erquicken durch seine heiligen Ströme. Und Pfingsten ist noch mehr. Es ist auch eine selige Feier der neuen Ankunft, des neuen Einzugs des Heiligen Geistes in die einzelnen betenden Herzen, in die ganze betende Kirche; denn so wir, die wir doch arg sind von Natur, können unsern Kindern gute Gaben geben, wie vielmehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten.

Eine so große, erhabene Feier ist die Feier der Pfingsten - und doch ist es Tatsache, dass an keinem Hochfeste die Kirchen so leer sind, als gerade zu Pfingsten, dass an keinem Hochfeste im Allgemeinen die Herzen weniger lebhaft bewegt sind als am Feste des Heiligen Geistes. Vielen von denen, die sonst auf die Bedeutung einer christlichen Festfeier näher eingehen, erscheint Pfingsten wie einem Wanderer, der Vieles gesehen, eine denkwürdige Kapelle auf hohem Berge erscheint; er steht wohl von ferne vor ihr still, aber er gibt sich nicht die Mühe, die Anhöhe hinaufzusteigen und in sie einzutreten, sondern er zieht, nachdem er sie flüchtig angeblickt, seine Straße weiter.

Diese traurige Erscheinung hängt zusammen mit dem großen Schaden Josephs im modernen Christentum. Die Namenchristen unsrer Tage suchen ein Glück ohne Sittlichkeit; wenn's hoch kommt, eine Sittlichkeit ohne Religion; wenn's sehr hoch kommt, eine Religion ohne Christentum. Es ist nur ein kleines Häuflein, das wirklich das Christentum sucht und will und liebt. Von diesem kleinen Häuflein aber suchen und haben die Meisten ein Christentum ohne den Heiligen Geist. Etliche rühmen sich ihres Christentums und sind doch nur Christen des ersten Artikels: sie glauben an Gott den Vater, allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde; sie bekennen, dass, was sie sind und was sie haben, von oben kommt, vom Vater des Lichts, von dem alle gute und vollkommene Gabe kommt; sie sind gerührt von der Güte des Allmächtigen und befleißigen sich, vor seinem Angesichte ein ehrbares Leben zu führen. Das ist ihr ganzes Christentum; es gibt fromme Juden und fromme Heiden, die diese Art von Christentum ohne Christus auch haben. Andere sind weiter vorgedrungen und bis in den zweiten Artikel unsers allerheiligsten Glaubens gekommen: ihre Sündhaftigkeit ist ihnen unverborgen, und die durch Jesum Christum geschehene Erlösung ist ihnen teuer. Aber wenn die Frage an sie herantritt, die einst St. Paulus gewissen Jüngern zu Ephesus vorlegte: „Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, da ihr gläubig geworden seid?“, so antworten sie nicht viel anders als jene: „Wir haben auch nie gehört, ob ein Heiliger Geist sei!“

Wo es also steht, ist es allerdings nicht zu verwundern, dass das heilige Pfingstfest im Ganzen und Großen sehr kühl gefeiert wird. Denn wie sollen sie feiern, was sie nicht lieben? Wie sollen sie erbitten, was sie nicht kennen? Wie sollen sie Ehrenpforten bauen einem Gaste, dem sie nicht huldigen? Es ist nicht zu verwundern, dass das Hochfest des Heiligen Geistes so wenig Teilnahme findet, aber es ist tief zu beklagen, denn es steht ja nimmermehr so, als ob für das Leben und Sterben das Christentum ohne den Heiligen Geist irgendwie ausreichend wäre, als ob der dritte Artikel des christlichen Glaubens ein Zusatz wäre, dessen man ohne Schädigung seiner Seele entraten könnte. Nicht ein Zusatz ist der Artikel vom Heiligen Geiste, sondern ein Fundamentalartikel christlicher Erkenntnis und gottseligen Lebens. Denn wie Niemand. zum Vater kommt, es sei denn durch den Glauben an den Herrn Jesum Christ, so kann Niemand Jesum einen Herrn heißen ohne durch den Heiligen Geist. Auch das innigste, wohlgemeinteste, kenntnisreichste, tatenvollste Christentum ist ohne den Heiligen Geist doch nur wie das Wasser in den Krügen auf der Hochzeit zu Cana, die die Diener bis an den Rand mit Wasser gefüllt hatten; ohne den Heiligen Geist bleibt alles Christentum schlechtes Wasser; erst wenn der Heilige Geist darüber kommt, wird das Wasser verwandelt in perlenden, goldenen Wein.

Darum gilt es für Alle, denen es wirklich ein Ernst ist mit ihrem Christentum, sich um den Heiligen Geist wohl zu bekümmern, ihn so nah als möglich kennen zu lernen, ihn ins Herz zu bitten, vor ihm in tiefster Seele zu huldigen. Die nachfolgenden Betrachtungen über den Heiligen Geist wollen solchen Christen dienen, die aus der Unklarheit über den dritten Artikel herauskommen und zu dem Heiligen Geiste in ein lebendiges Verhältnis treten möchten. Das andächtige Nachdenken über den Heiligen Geist wird aber auch für diejenigen nicht überflüssig sein, deren Glaubensleben durch Gottes Gnade schon im dritten Artikel wurzelt. Denn wer wollte sich doch selber schätzen, dass er es schon ergriffen hätte? Auch das geheiligteste Christentum ist keine abgeschlossene und fertige Sache. Man muss im wahren Christentum wer weiß wie oft von vorne anfangen und darf es sich nicht verdrießen lassen, den Grundbegriffen christlicher Wahrheit immer wieder von Neuem nachzudenken.

Wir widmen dem Nachdenken über den Heiligen Geist sieben Abende, indem wir nacheinander auf dem Grunde der Heiligen Schrift betrachten:

1) die Persönlichkeit des Heiligen Geistes;
2) den Ruf des Heiligen Geistes;
3) das Licht des Heiligen Geistes;
4) die Frucht des Heiligen Geistes;
5) den Beistand des Heiligen Geistes;
6) den Tempel des Heiligen Geistes;
7) die Sünde wider den Heiligen Geist.

Der Heilige Geist aber wolle selber uns mit seinem Lichte erleuchten, dass wir ihn erkennen und die Größe seiner Kraft, zum Heile unserer Seelen und zu Lobe seiner herrlichen Gnade. Amen.

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