Kleinschmidt, Friedrich Emanuel - Der Brief an die Römer - Röm. 3, 31-4, 17.

Kleinschmidt, Friedrich Emanuel - Der Brief an die Römer - Röm. 3, 31-4, 17.

Nachdem der Apostel gelehrt hat, dass wir, die wir alle Sünder sind, nicht durch unsre Werke vor Gott gerechtfertigt werden können, da wir nicht imstande sind, die Forderungen des Gesetzes zu erfüllen, und nachdem er dann darauf hingewiesen hat, dass Gott diejenigen gerecht spricht, die an Jesum glauben, d. h. die ihr Vertrauen auf die Versöhnung im Blute Jesu setzen, gibt er nun den Beweis, dass diese Lehre nicht im Widerspruch stehe mit dem Gesetz und den Propheten. Das hatte er gleich erwähnt, als er sich anschickte, diese neue Gerechtigkeit Gottes näher zu erklären. Da hieß es: Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit Gottes offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten (Kap. 3, 21). Diesen letzteren Ausspruch will er nun erweisen, und darum fügt er der Lehre von der Rechtfertigung aus dem Glauben zunächst die Frage hinzu: Heben wir nun das Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! sondern wir richten das Gesetz auf (V. 31). Wir geben dem Gesetz, d. h. dem ganzen Alten Testament (vergl. Joh. 15, 25), erst seine rechte Bedeutung, indem wir zeigen, dass es bald so, bald so auf Christum und auf den Weg zur Seligkeit durch den Glauben an ihn hinweist. Davon gibt nun der Apostel Beweise. Was sollen wir nun im Hinblick auf diese Wahrheit - sagen von unserm Vater Abraham, dass er gefunden habe nach dem Fleisch? (Kap. 4, 1.) Was gilt von Abraham, meint der Apostel, in Hinsicht auf die Rechtfertigung aus den Werken oder aus dem Glauben? was sagt die Schrift, dass er nach dem Fleisch gefunden habe? was hat er bei seinem Wandel nach dem Fleisch, da er auf sein eigenes Tun verwiesen war, zustande gebracht oder erlangt? Ist er aus den Werken gerechtfertigt worden? Das sagen wir: Ist Abraham aus den Werken gerechtfertigt worden, so hat er Ruhm, aber nicht vor Gott (V. 2), d. h. vor den Menschen ist er vielleicht gerecht erfunden worden, da sie nichts an ihm zu tadeln fanden, wie ja auch Paulus nach der Gerechtigkeit aus dem Gesetz unsträflich gewesen war (Phil. 3, 6); und so hatte Abraham vor den Menschen Ruhm, die nicht so tief sehen, und nicht so viel verlangen, aber vor Gott war er nicht gerecht, der fand an seinen Werken noch viel zu tadeln. Wenn daher die Menschen an Abraham noch so sehr einen Heiligen zu sehen meinten, so dachte doch Gott ganz anders von ihm, denn was sagt die Schrift? fährt Paulus fort (V. 3): Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet. So heißt es 1 Mos. 15, 6. Abraham und Sarai standen beide in einem hohen Alter, und darum meinte Abraham oder wie er damals noch hieß: Abram es könne ihm kein Sohn mehr geboren werden. Da redete der Herr zu ihm in einem Gesicht, hieß ihn hinausgehen aus seiner Hütte, und sprach zu ihm: Siehe gen Himmel und zähle die Sterne, kannst du sie zählen? Und sprach zu ihm: Also soll dein Same werden. Abram glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit (1 Mos. 15, 1-6). Abraham setzte sein Vertrauen auf Gottes Wahrhaftigkeit, Macht und Gnade, denn es war ja eine gnädige Verheißung, und das erklärte Gott nicht für Gerechtigkeit, er rechnete es ihm zur Gerechtigkeit, er erklärte ihn für gerecht, obgleich er es nicht war, er rechtfertigte ihn. Dass dies nun nicht ein Lohn war sondern ein Geschenk aus Gnaden, aus herablassender Freundlichkeit, das sehen wir aus den nächsten Worten des Apostels: Dem aber, der mit Werken umgeht, der Werke tut, um infolge davon anerkennendes Lob und Lohn zu erlangen, dem wird der Lohn nicht aus Gnaden, aus freundlicher, herablassender Gefälligkeit zugerechnet, sondern aus Pflicht, man ist es ihm schuldig, ihn zu belohnen. Dem aber, der nicht mit Werken umgeht (V. 5), der darauf verzichtet, sich einen Lohn von Gott zu verdienen, glaubet aber an den, der die Gottlosen rechtfertigt, d. h. für gerecht erklärt, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit. Der gewaltige Ausdruck des Apostels, dass Gott die Gottlosen gerecht macht, schließt jede Meinung aus, als ob wir, wenn auch nicht durch vollkommene Gesetzeserfüllung, so doch durch ein Werk dass Gott statt dessen von uns fordere, und das wir durch unsere Anstrengung zustande brächten, nämlich das Werk des Glaubens (1 Thess. 1, 3), dass wir durch dies eine Werk gerecht würden vor Gott. Gott wirkt den Glauben in uns, wir schwächen ihn nur und verunreinigen ihn durch unsere Sünde, dennoch rechnet ihn uns Gott zur Gerechtigkeit an. Um der eigenen Gerechtigkeit auch diesen Schlupfwinkel zu verrennen, sagt Paulus, dass Gott nicht die Heiligen, nicht die Gläubigen, sondern die Gottlosen gerecht macht. John Wesley, der Gründer der Gemeinschaft der Methodisten, hörte im Jahr 1737 oder 1738 in Herrnhut einen Vortrag Christian Davids1) an, in welchem derselbe sich auf den eben vorliegenden Spruch bezog, und dabei sagte, wenn wir zu Gott kämen, müssten wir uns nicht auf unsere guten Werke, nicht auf unsere Buße, oder auf unsern Glauben berufen, sondern darauf, dass wir gottlos seien, und dass er ja in Christo die Gottlosen gerecht mache; so könnten wir hoffen, Gnade zu erlangen. Diese Rede machte einen besonderen Eindruck auf John Wesley. Dass wir nicht um unsers Werks des Glaubens willen gerechtfertigt werden von Gott, zeigt auch der nächste Beweis, den uns der Apostel aus dem A. T. vorführt. Nach welcher Weise auch David sagt - fährt er fort (V. 6) - dass die Seligkeit sei allein des Menschen, welchem Gott zurechnet die Gerechtigkeit ohne Zutun der Werke (genau: ohne Werke). Unabhängig von allen Werken erklärt Gott einen sündigen Menschen für glücklich, weil er ihn für gerecht erklärt, und dies Glücklichpreisen schließt die zukünftige Freiheit von allen Leiden, die Errettung aus denselben, die Seligkeit ein, denn wie könnte man jemand glücklich preisen, den schließlich die Verdammnis erwartete? Nun die Worte Davids, in denen er, getrieben durch den heiligen Geist, das Glück dessen preist, den Gott für gerecht erklärt, unabhängig von allen Werken: Selig sind, welchen ihre Ungerechtigkeiten vergeben sind, und welchen die Sünden bedecket sind, selig ist der Mann, welchem Gott keine Sünde zurechnet (V. 7 und 8 f. Ps. 32, 1. 2). Die Worte schließen, wie gesagt, jeden Versuch der Eigengerechtigkeit aus, denn wenn jemand durch Vergebung sündlicher Unwürdigkeit selig wird, da ist selbstverständlich von Verdienst, von eigener Gerechtigkeit nicht die Rede. Wenn aber Gott jemand die Sünden vergibt, so erklärt er damit, dass er ihn als einen solchen ansieht, an dem keine Sünde zu finden ist, d. h. als einen Gerechten, und darum sagt Paulus, dass diese Worte Davids sich auf die Rechtfertigung durch den Glauben beziehen, obgleich die Worte Rechtfertigung und Gerechtigkeit sich nicht in dem Ausspruch Davids finden. Dass aber der Apostel Gerechtigkeit aus dem Glauben und Vergebung der Sünden gleichstellt, ist von großer Wichtigkeit für das Verständnis der Heiligen Schrift. Der Ausdruck: „Gerechtigkeit aus dem Glauben“ ist nämlich dem Apostel Paulus eigentümlich, während der Ausdruck: „Vergebung der Sünden“ in der ganzen Heiligen Schrift häufig vorkommt; er baut uns also eine Brücke, um die Lehre der ganzen Schrift mit dem, was Paulus predigt, in Einklang und in Verbindung zu bringen. Doch hat der Ausdruck: „Vergebung der Sünden“, eine allgemeinere Bedeutung als der Ausdruck: „Rechtfertigung aus dem Glauben“. Man wird einmal für allemal gerechtfertigt, nicht mehr und nicht weniger, und was uns dadurch zuteilwird, das wird uns nicht mehr genommen, ein Gerechtfertigter wird auch selig. Nun gibt es eine Vergebung der Sünden, die dem gleich ist, aber es gibt auch eine andre; einmal eine solche, die der bleibenden Sündenvergebung oft mehr als einmal vorausgeht, dann eine solche, die sogar auch rückgängig gemacht werden kann. Zur Zeit des Alten Testamentes war die Vergebung, in Abrahams Fall sogar die Rechtfertigung, nur eine vorläufige, die wiederholt werden musste; man glaubte an die Vergebung der Sünden, die man bekannte, z. B. bei Darbringung eines Sündopfers; noch nicht an die Vergebung aller Sünden. Und eine solche Vergebung, die uns noch keine Gewissheit der Seligkeit gibt, kommt auch in unsrer Zeit häufig vor, z. B. in der Taufe von Kindern, gewöhnlich auch von Erwachsenen, worauf die bleibende Vergebung die Rechtfertigung, die das Herz fest macht (Hebr. 13, 9), die uns Gewissheit der Seligkeit gibt, noch nachfolgen muss. Danach zu trachten ist umso nötiger, da wir ja nicht wissen, ob die vorläufige Vergebung nicht eine solche ist, die wir mit einem durch die Sünde betrogenen Herzen aufgenommen haben, die uns darum schließlich keinen Nutzen bringt (Luk. 8, 13). Wie sehr sollte uns eine solche Betrachtung dazu antreiben, uns gern zu prüfen, ob wir auch im Glauben stehen, ob wir von Herzen, ob wir in Wahrheit an die Vergebung aller unsrer Sünden glauben. Doch kehren wir nun wieder zurück zu dem, was der Apostel weiter sagt von der Rechtfertigung aus dem Glauben. Es ist seine Absicht, uns aus dem Gesetz, dem A. T., zu zeigen, dass wir ohne irgendeine Zutat von Werken oder sonst etwas, allein aus dem Glauben gerechtfertigt werden, und er will daher weiter beweisen, dass wir nicht nur unabhängig von den Werken, sondern auch unabhängig von der Beschneidung gerechtfertigt werden. Nun diese Seligkeit, schreibt er (V. 9), geht sie über die Beschneidung oder über die Vorhaut? welchem von beiden wird sie zugesprochen? Abraham ist nun ein Beispiel von der Rechtfertigung aus dem Glauben. Wir müssen ja sagen (V. 9), dass Abraham sei sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet. Wie ist er ihm denn zugerechnet (V. 10)? In der Beschneidung oder in der Vorhaut? Ohne Zweifel nicht in der Beschneidung, sondern in der Vorhaut. Die Beschneidung hat nämlich Gott erst später für Abrahams Haus und dessen Nachkommen eingesetzt, nachdem er ihn gerecht fertigt hatte, es ist also klar, dass seine Rechtfertigung unabhängig war von seiner Beschneidung. Doch hatte die Beschneidung eine Beziehung auf die Rechtfertigung, sie sollte ihm ein Zeichen, ein Beweis, eine Besiegelung davon sein, dass er ein von Gott gerecht gesprochener Mann sei. Das Zeichen der Beschneidung empfing er zum Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, welchen er noch in der Vorhaut hatte (V. 11), auf dass er würde ein Vater aller, die da glauben in der Vorhaut, dass denselbigen solches auch gerechnet werde zur Gerechtigkeit, und würde auch ein Vater der Beschneidung, derer, die nicht allein in der Beschneidung sind (V. 12), sondern auch wandeln in den Fußstapfen des Glaubens, welcher war in der Vorhaut unsers Vaters Abraham. Nach der beiläufigen Bemerkung, dass der Ausdruck: unsers Vaters vielleicht auf eine überwiegende Zahl von Juden in der römischen Gemeine schließen lässt, wenn der Apostel nicht schon darauf hinweist, dass Abraham der Vater aller Gläubigen ist, was er eben ausführen will und was gar tröstlich ist, erläutern wir etwas, was V. 11 und 12 aussprechen. Damit Abraham der geistliche Vater sei, sowohl der gläubigen Heiden als auch der gläubigen Juden, ist er in beider Zustand gewesen, erst in der Vorhaut, dann in der Beschneidung, er ist aber der geistliche Vater nur derjenigen Juden, die nicht nur beschnitten sind, sondern auch in den Fußstapfen seines Glaubens wandeln, die wie er glauben an den, welcher die Gottlosen gerecht macht. Der Apostel zeigt, wie weder Vorhaut noch Beschneidung an sich etwas nütze ist, sondern in beiden Fällen werden nur die selig, die wie Abraham glauben, dessen wahre Kinder sie sind, nämlich ein Israel nach dem Geist. Die Seligkeit selbst ist aber dem Abraham nicht als Lohn zugesagt worden, da er unter dem Gesetz stand, sondern sie ist ihm ohne weiteres aus Gnaden verheißen worden, ihm und seinem Samen, denen, die aus Heiden und Juden aus dem Glauben gerechtfertigt würden. Die Verheißung, dass er sollte sein der Welt Erbe (V. 13), ist nicht geschehen Abraham oder seinem Samen durch das Gesetz, sondern durch die Gerechtigkeit des Glaubens. Die Verheißung ist aber dieselbe, von welcher der Heiland sagt: Die Sanftmütigen werden das Erdreich besitzen (Matth. 5, 5), mit Christo herrschen (2 Tim. 2, 12; 1 Kor. 4, 8) in seinem Friedensreich hier auf Erden. Wo aber die vom Gesetz Erben sind, wo das Erbe denen zugeteilt wird, die durch das Gesetz gerecht werden, so ist das, was die Schrift von der Gerechtigkeit aus dem Glauben und von der Verheißung aus Gnaden sagt, zunichte gemacht (V. 14), es ist kein Raum mehr da für dasselbe; denn das Gesetz richtet nur Zorn an (V. 15), es bringt die Sünde, die Übertretung des Gesetzes, zum Vorschein, über die Sünde bricht aber Gottes Zorn herein, denn wo das Gesetz nicht ist, da ist auch keine Übertretung, also regt sich da auch der Zorn Gottes nicht. Darum ist die Erbschaft der Welt richtige Ergänzung zum Anfang von V. 16 - durch den Glauben, auf dass sie sei aus Gnaden, und die Verheißung, dass wir Erben der Welt sein sollen, setzt bleibe allem Samen allen geistlichen Nachkommen Abrahams nicht allein dem, der unter dem Gesetz ist, sondern auch dem, der des Glaubens Abrahams ist, welcher ist unser aller Vater. Wie geschrieben steht (V. 17. 1 Mos. 17, 5): Ich habe dich gemacht zum Vater vieler Völker, der Gläubigen aus Juden und Heiden, vor Gott, dem er geglaubt hat, der da lebendig macht die Toten, und der da ruft dem, das da nicht ist, dass es sei. Es wird uns hier Abrahams Glaube an die Macht und Gnade Gottes in seiner ganzen Einfalt und Festigkeit gezeigt, er traute Gott alles zu, dass er imstande sei alles Tote lebendig zu machen, seinen erstorbenen Leib (V. 19), den zum Brandopfer geschlachteten Isaak; ja wo nichts sei, könne Gott etwas hinstellen, denn nicht nur da er die Welt schuf, sondern fort und fort rufe er dem, das da nicht ist, dass es sei, er fahre noch fort zu schaffen. Wer so, obgleich er sich als Sünder erkennt, von ganzem Herzen auf Gottes Wahrhaftigkeit, Macht und Gnade vertraut, dem wird ein solcher von Gott selbst gewirkter Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet werden, es wird ihm Vergebung aller seiner Sünden und ewige Seligkeit zufallen.

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Einer der mährischen Gründer Herrnhuts.
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autoren/k/kleinschmidt/roemer/kleinschmidt_roemer_5.txt · Zuletzt geändert: von aj
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