Melanchthon, Philipp - Am fünfzehnten Sonntage nach Trinitatis. Evangelium Matth. 6, 24-34.
In diesem Evangelium ist hohe Weisheit niedergelegt. Es ist schier unmöglich, die Fülle der erhabenen Wahrheiten gebührend auszusprechen, welche der Herr in demselben umfaßt hat. Die Weisheit Gottes redet hier. - Es verbreitet sich aber der Inhalt unsers Textes zunächst über folgende, hochwichtige, die vielfachste Anwendung im Leben findende Wahrheiten: Zuerst redet er von der allgemein herrschenden Sorge um die sinnlichen Lebensgüter, über welcher die Menschen die ewigen versäumen, und spricht in dieser Beziehung einen sehr schmerzlichen Vorwurf und Tadel aus. Er enthält aber auch auf der andern Seite einen sehr süßen Trost für die Frommen. Als der König Demetrius von den Atheniensern den Göttern beigezählt zu werden begehrte, traten Viele, welche durch diese entehrende Forderung sowohl, als auch durch die niedrige Schmeichelei Derer, die ihr beistimmten, empfindlich gekränkt wurden, voll tiefen Unwillens solchem schimpflichen Ansinnen entgegen. Da sprach der Redner Demades zu den Athenern: „Sehet wohl zu, daß ihr nicht, in dem ihr den Himmel vertheidigt, die Erde verliert,“ Das war das Wort eines Höflings; aber wahrlich, es ist dieß auch der gemeinsame Wahn des größten Theils der Menschen, dem gemäß sie um des Zeitlichen willen das Ewige hintansetzen. Nur geschieht das nicht auf eine und dieselbe Weise. Es ist aber zu beklagen, daß der Mensch ein so armseliges, gebrechliches, schwaches Geschöpf, um so unzuverlässiger, flüchtiger Dinge willen, Gott nachsetzt, da er doch nicht weiß, ob er den nächsten Augenblick noch leben, ob er die zeitlichen Güter, wornach er vor Allem trachtet, in deren Besitz er sein Glück setzt, an denen sein Herz haftet, nur noch eine Stunde genießen werde. Solchen irdischen, fleischlichen, gottesvergessenen Sinn rügt und tadelt diese Predigt Christi; sie enthält aber auch auf der andern Seite wohlthätigen Trost für alle Die, welche Gefahren und Mühen um Gottes willen bestehen. Endlich schließt sie einige wichtige Lebensregeln daran, indem sie mit den Worten endigt: „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach Seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches Alles zufallen.“ Und diese wollen wir kürzlich entwickeln. -
Es gibt eine gewisse Barbarei der Sitten. Sie ist Eins mit einem ungeregelten, unordentlichen Leben, welches zu dem geregelten, ordentlichen in einem Gegensatze steht, wie der Teufel zu Gott. In dem, was göttlich, ist Regel und Ordnung, es stimmt mit der Norm des Gesetzes überein; das Teuflische hingegen ist regellos, und außer der Norm der göttlichen Ordnung. Diese Wahrheit ist ganz in dem Ausspruch begriffen: „Sünde ist Gesetzlosigkeit.“ Der Mensch soll nach Regel und Gesetz leben. Gott hat aber dem Menschen eine Regel eingeschaffen; Er hat Seine Weisheit in ihn gesenkt, „daß sein Leben einer beharrlichen Regel unterworfen sei, daß er eine Ordnung habe.“ Gott hat Alles nach Ordnung gemacht, gleicherweise will Er, daß der Mensch nach Ordnung lebe, und hat ihm zu dem Zwecke nicht nur ein natürliches Licht verliehen, sondern dazu noch Sein Wort gefügt; Er hat Sich uns geoffenbart, und die Lehre des Gesetzes und des Evangelium uns gegeben, „daß wir regulariter sein sollen, daß wir nicht hingehen wie ein Hund oder unfläthig Viehe; wiewohl das Viehe dennoch auch bei seiner Regel bleibet,“ nur daß ein Thier mehr, das andere weniger einer bestimmten Ordnung folgt. - Der Mensch aber hat seine bestimmte Regel am Worte Gottes, und aus natürlicher Erkenntniß. Das göttliche Wort soll sein die Leuchte unsrer Füße; durch das Wort soll das Leben geregelt werden. Das gehet auch die Jugend an, denn der Psalm spricht: „Wie wird ein Jüngling seinen Weg unsträflich gehen? Wenn er sich hält nach Deinen Worten.“ (Ps. 119,9.) Es handelt dieser ganze Psalm von dem einen Gebote: Der Mensch lebe nach Gesetz und Regel, und Regel soll ihm das Wort Gottes sein. Barbarei aber „heißt das unordentliche Wesen, das ihr in vielen Menschen sehet, das keine Weise und Maß hat.“ Sie ist etwas Teuflisches; denn der Teufel ist der Urheber der Unordnung und Verirrung; Gott hingegen will, „daß wir in einem ordentlichen Thun leben sollen.“ In jener sittlichen Barbarei lebt, „der da mit einem wilden, tollen, unsinnigen Kopf fort fahrt,“ der da lebt ohne Recht und Gesetz, zügellos und ohne Bande der Zucht; „muß nur Alles wild und unfläthig sein, mit Fressen und Saufen und roher Wollust, mit Pochen, Scharren und was einem solchen Narren in den Sinn kommt.“
Welches ist aber die oberste und vornehmste Regel für unser Leben? Es ist keine andere, als die: „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes - so wird euch das Uebrige Alles zufallen.“ Oder wenn wir noch einige andere deutlichere Aussprüche dazu nehmen wollen, so ist die oberste und vornehmste und allgemeinste Lebensregel: „Uebe eine gute Ritterschaft. - Halte Glauben und ein gutes Gewissen!“ (1. Tim. 6, 12. vergl. mit 1, 18.) Hierin liegen die Regeln, die wir täglich vor Augen haben sollen. „Es Ist viel daran gelegen, daß sich ein Mensch gewöhne, sein Leben nach einer festen Regel und Norm zu ordnen:“ Die Grundlage aller Regeln aber ist das in den zehn Geboten ausgesprochene Gesetz. „Das ist die höchste und fürnehmste Regel.“ Das Gesetz muß hinwiederum durch das Evangelium gedeutet werden. „Da kommt denn die oben aufgestellte Regel: Uebe eine gute Ritterschaft,“ u. s. w. Diese bedarf einer ausführlichem Erklärung. Die zweite Regel ist also: Der Glaube wird durch das Evangelium bestimmt; das gute Gewissen durch das Gesetz. Die dritte Regel: Die zehn Gebote enthalten die Vorschriften in Ansehung des Berufs. - Sie stellen verschiedene Berufsarten und Stände auf. Da sind bei jedem Gebote die einzelnen in Betracht kommenden Tugenden, und eben so die entgegen stehenden Fehler einzuschließen. Der, welcher nicht arbeitet, macht fremdes Eigenthum zu seinem Raube, und ist ein Dieb; „er muß stehlen, wie wir sehen, wie es zugehet. Wer will mehr verzehren, denn sein Pflug kann ernähren, der muß zuletzt verderben, und vielleicht am Galgen sterben.“ - Die vierte Regel ist: Diene treu deinem Beruf, und laß dich nicht von Ungeduld oder Verzweiflung überwältigen. - Die fünfte Regel heißt: Erflehe und erwarte von Gott im Vertrauen auf den Sohn, Beistand, gesegnete Erfolge und das ewige Leben. „Diese fünf Regeln merket;“ steckt sie an die fünf Finger! „Das ist eben auch die Predigt Christi an diesem Ort: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon; sorget nicht; - trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes; - es ist genug, daß ein jeglicher Tag seine eigne Plage habe.“ Wenn das Herz nicht durch den Glauben aufgerichtet und befestigt und auf Gott gestützt ist, „wo es nicht zu Gott steht,“ da ist ein ungeregeltes Leben, da ist das Herz ein unstät erregtes Meer; - „es siedet und wallet in ihm selbst, und fleußet hin und her.“ - Auf eine gar merkwürdige Weise wechselt im menschlichen Herzen die Ebbe und Fluch von unstäten Gedanken, Plänen, Gefühlen. Was ist unbeständiger als das Menschenherz? Ist's doch wie ein Meer, da ein Sturm den andern jagt. Bald wird es von Liebe, bald von Haß, bald von Schmerzen, jetzt von Furcht, jetzt von Hoffnung gewaltsam aufgeregt. Ganz geringfügige Dinge sind es, welche die heftigsten Gemüthsbewegungen hervorbringen können. „Ein gering Ding ist es, das einen großen Menschen hoch betrüben kann.“ - Von dieser Unstätigkeit des menschlichen Herzens, von diesen heftigen Aufregungen, Bekümmernissen, Aengsten, welche aus verschiedenen Berührungen mit der Außenwelt und aus andern Ursachen hervorgehen, redet Christus. Das menschliche Herz kann nicht ruhig sein, wenn es nicht auf Gott sich stützt, wenn es nicht in Ihm, als seinem Grunde, ruht. - Wenn dort Moses Gott bittet, daß Er Sich ihm zeigen wolle, auf dass er Ihn schaue, so heißt ihn Gott auf einem Felsen, d. i. auf Christus fußen. Jesaias spricht: „Ein gottlos Herz kann keinen Frieden haben.“ (Jes. 48, 22.) Dieses bekannte Wort läßt sich vielfach anwenden. So ist das menschliche Herz, wenn es außer Gott ist, „wenn es nicht in den Regeln stehet und gehet, von denen ich geredet habe.“ Wenn der Mensch nicht jene Regeln zur Richtschnur seines Lebens macht, dann wird er von Sorgen um Unterhalt, äußern Schutz und Sicherheit, guten Namen und viele andere Dinge gepeinigt, die Einem angelegen sind. Ein Hausvater, der Weib und Kind hat, und kein Brot im Hause, dem wird bange.“ Wenn der einsichtsvolle Bürger sich mit Krieg und den vielfachen Gefahren desselben umgeben, wenn er die Nothwendigkeit der Auswanderung, des traurigen Herumirrens auf fremdem Boden und das damit verbundene Ungemach vor sich sieht, da müssen wohl die peinlichsten Gefühle sein Inneres erfüllen. - Der weise und treue Pfarrer kann bei allgemeinen Gefahren nicht anders, als von den mannichfaltigsten Besorgnissen für seine Kirche ergriffen werden. Er beobachtet das Wüthen der Fürsten, die seltsamen Bestrebungen und Absichten Vieler. Der will diese, jener eine andere Reformation vornehmen. Er sieht die wüthenden Kämpfe der öffentlichen Lehrer, die Wankelmüthigkeit des großen Haufen, „ daß er nicht weiß, wo er bleiben soll, wofern er nicht auf Gott gegründet ist.“
Solche Sorgen und Bekümmernisse müssen wir im Auge haben, wenn wir von dieser Predigt Christi reden wollen, die auch jene von uns oben als die vierte aufgestellte Regel in sich schließt: Diene treulich deinem Beruf, und laß dich nicht von Ungeduld und Verzweiflung überwältigen. An diese schließt sich der in der fünften Regel ausgesprochene Trost: Erflehe und erwarte Beistand von Gott, u. s. w. Durch unsre ganze Lebenszeit ziehen sich so manche und zwar große Widerwärtigkeiten; es treten Hindernisse und schwere Anfechtungen ein, die unsere Berufsbahn hemmen; „da fehlt's an Nahrung, da an andern Dingen.“ Der Eine seufzt unter dieser, ein Anderer unter einer andern Last. Hier beut nun Christus uns Trost, und sagt: „Sorget nicht! - es ist genug, daß ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe.“ Das sind Worte des Trostes, gegen die Ungeduld und Verzweiflung gerichtet. Gegen die Ungeduld, weil Viele, durch Schmerz und Ungeduld überwältigt, ihren Beruf verlassen; - gegen die Verzweiflung; denn Mancher denkt: Was willst du thun? Du bringst nur Unruhe und Verwirrung über das Land und gewinnst Nichts dabei. Es ist die größte Thorheit, seine Kraft an Bestrebungen zu setzen, bei welchen man keinen Erfolg erwarten kann, sondern nur gehässiger Beurtheilung sich aussetzt. Sokrates sagt, er habe Staatsgeschäfte geflohen, weil er gesehen, daß der Staat nur unter großen Unruhen, blutigen Kämpfen und Verbannungen einer Verbesserung fähig sei. Seht da, in welcher stürmischen Unruhe sich die befinden mögen, die „viel prakticiren,“ um ihre Macht zu befestigen und sie auf alle Weise zu behaupten. Der Papst1) erregt einen Krieg in Italien, um dem Concilium auszuweichen. Die Absichten des Einen sind denen des Andern schroff entgegen gerichtet. - Das sind Alles stürmische Bewegungen im Innern; „dieselben Leut' kennen nicht die Regel: “„Es ist genug, daß ein jeglicher Tag seine eigne Plage habe.“„ Die große Angst läßt sie nicht ruhen, sondern sie häufen Unheil auf Unheil.“ - Gegen solches Alles beut Christus uns Seinen Trost. „Wir sind ja arme elende Leut';“ dennoch ist einem Jeden ein bestimmter Wirkungskreis angewiesen; wir sollen lehren und lernen; der öffentliche Beamte soll die ihm Untergebenen regieren; der Hausvater soll seiner Familie vorstehen, und auf seinem Posten bleiben, „er muß nicht davon laufen, wenn's Wetter kommt,“ wie Viele thun. Gegen dieß Alles ermahnt der Herr: „Sorget nicht für den andern Morgen!“ ob auch an demselben die Früchte eurer Arbeit, und Unterhalt und Gesundheit gesichert sein werden. Was soll ich denn nun thun? Wie kann ich jene Sorgen fern von mir halten? Hier kommt die Regel: „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes; - euer himmlischer Vater weiß, daß ihr deß Alles bedürfet.“ - Magst du auch in einer aufgeregten unheilvollen Zeit nicht aller Beunruhigung dich entschlagen können, nur laß den Muth nicht sinken; tritt ihr gekräftigt durch die göttliche Aufforderung und Verheißung entgegen: „ Befiehl dem Herrn deine Wege, und hoffe auf Ihn; Er wird's wohl machen.“ (Ps. 37, 5.) Das ist die fünfte Regel. „Ihr dürft nicht anders gedenken; es kann kein Mensch Ruhe haben, außer wenn zu Gott seine Zuversicht steht,“ wie Paulus sagt: „Der Friede Gottes regiere in euren Herzen.“ (Kol, 3,15.) Das meinte ich, wenn ich als oberste Regel und Richtschnur des Lebens aufstellte: Uebe eine gute Ritterschaft, - halte Glauben und ein gutes Gewissen; d. h., befleißige dich einer reinen Erkenntniß Gottes, daß du wissest, wie Er will, daß du Ihn fürchten, und Ihm glauben sollst, daß Er um des Sohnes willen uns zu Gnaden annehmen, erhören, leiten und regieren will. „Da gehört die ganze Glaubenslehre dazu.“ Ferner: Habe ein gutes Gewissen, erwäge, welche Pflichten du üben sollst. Das zeigen die zehen Gebote. „Ein Jeglicher hat sein Amt;“ die Hausmutter, daß sie ihre Kinder wohl erziehe, und in ihrem Hauswesen nach Kräften walte. Andere Pflichten hat der Gatte, andere der Rathsherr, andere der Geistliche, andere der Zuhörer, andere der öffentliche Staatsdiener, u. s. w. Welchem Beruf du auch angehörest, führe ihn mit Treue und Gewissenhaftigkeit; laß nicht durch schmerzliche Erfahrungen oder Ungeduld und Verzweiflung dir den Muth zur Ausdauer rauben. Aber wie mag ich, sprichst du, wie mag ich den Unmuth abwehren, und bei so vielen Hindernissen und Widerwärtigkeiten die Hoffnung nicht aufgeben? Darauf antwortet fünftens der Trost: Erflehe und erwarte von Gott Rath und Hilfe! Das ist auch die Regel im Psalm: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf Ihn; Er wird's wohl machen.“ Dieß stehet auch hier: „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes;“ - „es ist genug, daß ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe.“ Auf sie weist die Schrift in vielen ähnlichen Stellen dich hin, wenn sie spricht: „Wirf dein Anliegen auf den Herrn!“ (Ps. 55, 23.) „Ihr wisset, daß eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn“ (1. Kor. 15, 58.) „Die auf den Herrn hoffen, werden nicht fallen, sondern ewiglich bleiben, wie der Berg Zion.“ (Ps. 125, 1.) - -
Dieser Regeln wollen wir stets eingedenk sein, die tiefe Weisheit Gottes, die sie enthalten, beachten, und unser Leben beharrlich denselben gemäß einrichten. „Es ist hier eine hohe Philosophie,“ wenn man Philosophie die hohe Weisheit nennen will, welche für alle Philosophen Gegenstand der Forschung ist. Denn was thun sie Anderes, als daß sie eben jene wichtige Frage über die Widerwärtigkeiten des Lebens verhandeln, und das möglichst beste Mittel dagegen suchen, „und kommen endlich dahin: Das Schicksal bestimmt das Leben, nicht die Weisheit; werden irre und wissen nicht, wie sie drinnen sind.“ - Keine Philosophie mag Den heilen, der feig und verzagt vor den Mühen und Widerwärtigkeiten des Lebens zurücktritt. Wir in der Kirche aber haben das Gebot Gottes und seine Verheißungen. Diese heißen uns treu unsern Beruf erfüllen, und den Erfolg Gott anheim stellen, gewiß, daß Er ihn zu unserm Besten lenken werde. - Su diesem Vertrauen berechtigt uns die Geschichte der wunderbaren Erhaltung der Kirche und ihrer erhabenen Zeugen in den gefahrvollsten Zeiten und Umstanden. - Wollte man aber einwenden, es fordere das Gebot: „Sorget nicht,“ etwas Unmögliches, und sei darum nicht als verpflichtend zu betrachten, so würde dem zu entgegnen sein, daß die Befolgung desselben mit Hilfe Gottes allerdings möglich, ist. Nicht als ob man überhaupt von keiner Sorge berührt werden dürfe. Eine solche Vollkommenheit würde man von dem Menschen, eben weil er Mensch ist, vergeblich erwarten. Wir sollen uns nur nicht von den borgen überwältigen lassen, sondern dieselben durch den Glauben beherrschen, und sie dem Vertrauen auf Gott, der Erwartung seiner Hilfe und dem Gehorsam gegen Ihn unterordnen. Gott will, daß wir Seiner Gegenwärtigkeit und Kraft in unserer Schwachheit uns bewußt werden sollen. Christus setzt hinzu: „Der morgende Tag wird für das Seine sorgen,“ ö. h., gibt es dennoch Etwas zu leiden, so vermehrt nicht unnütz eure Noth. Plautus sagt: „Wenn Einer einen guten Muth hat, wird ihm das Unglück nicht halb so schwer;“ - aber „n redet davon als ein guter Zechbruder.“ - Ihr seht, wie viel im Kranken Seelenstärke vermag, und wie sehr hingegen Sorge und Bekümmerniß die Kraft des Herzens bricht, wenn wir uns, der Borschrift Gottes entgegen, peinigenden Besorgnissen überlassen. „Traurigkeit,“ spricht Sirach (30, 25.), „löstet viele Leute, und dienet doch nirgend zu.“ Wir sollen eben in der Noth Gott unsern Gehorsam bewähren, nach dem Worte: „Demüthiget euch unter die gewaltige Hand Gottes“ (1. Petr. 5, 6.), und nicht durch Hingabe in die Traurigkeit, oder durch Zweifel und Verläugnung des Glaubens unsere Noth häufen. Davon redet hier Christus, und wenn Er hinzu setzt: „Es ist genug, daß ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe,“ so meinet Er damit, daß du in der Gegenwart, in deinem Berufe getreu, die Erfolge Gott überlassend, nicht „Uebel durch Nebel“ vertreiben wollen, sondern an der gegenwärtigen Noth dir genügen lassen, und nicht noch mehr Uebel herbeiziehen sollst. „Es ist gemein, daß wenn Einer anhebt irre zu werden aus Sorge und Bekümmerniß, so thut er Eins über das Ander.“ So will David, nachdem er die Gattinn eines Andern sich ungerechter Weise zugeeignet, diese Verirrung verbessern, und läßt den Urias umbringen, damit die Sache verborgen bleiben sollte. „Man soll's nicht inne werden; ja es ist sehr wohl corrigiret!“ - Nicht zu zählen sind die Verirrungen, zu welchen die Menschen wegen gehoffter oder gefürchteter Möglichkeiten sich hinreißen lassen, die doch nie wirklich werden. Drum soll eben ein Jeder in der Gegenwart thun, was recht ist, und sich weder durch thörichtes Hoffen oder Fürchten von seinem Berufe oder irgend einem guten Vorhaben abziehen, noch seinen Muth in den Schmerzen gegenwärtiger Uebel untergehen lassen. Kämpfen sollst du vielmehr mit deinen Schmerzen, und dich aufrichten im Glauben an den Sohn Gottes, und überzeugt sein, daß Er für dich sorgt, daß Er am Steuer sitzt, und als Beschützer und Helfer mit in diesem Nachen ist. „Su allen Zeiten“ spricht Irenäus, „war “„das Wort“„ bei dem Geschlecht der Menschen.“ Stets ist Er der Hüter Seiner Kirche gewesen, wie Er selbst spricht: „Niemand wird Mir Meine Schafe aus Meiner Hand reißen.“ (Joh. 10, 28.) Durch solchen Trost wollen wir uns bei den jetzigen Gefahren ermuthigen, und auf dem Felsen, Christus, stehend, der Hilfe Gottes harrten.
Das Wort „Mammon“ bedeutet Reichthum. Die Frage, ob es erlaubt sei, Reichthum zu erstreben, ist zu bejahen; nur muß solches Streben ein geordnetes Streben sein. „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ Du sollst Gott mehr lieben, mehr fürchten, Ihm mehr vertrauen, als irgend einem Geschöpfe. Dann, nach Gott und in der rechten Ordnung, magst du auch Reichthum suchen, eben so Nahrung und Unterhalt, guten Namen und alle äußern Lebensgüter; Alles nach Gott und in der gehörigen Ordnung, so daß du nicht gegen das Gebot Gottes sündigest, und des Glaubens verlustig gehest. Darum steht hier das Wort: Gott und dem Mammon dienen, gleich als wollte Christus sagen: der Mammon soll nicht ein deinen wahren Herrn bestreitender Herr über dich sein. Er will nicht die Betriebsamkeit und den Fleiß in der Erwerbung der Mittel zum Unterhalt beschränken, es soll aber Furcht und Liebe Gottes, Glaube und Hoffnung auf Ihn ein reines helles Licht darüber verbreiten. Deßhalb wird auch gesagt: „Euer himmlischer Vater weiß, daß ihr deß Alles bedürfet.“ - „Gott weiß wohl, daß wir müssen Hüttlein haben und für unsre kleine Kinder warme Stuben“ u. s. w.; das gibt Gott auch, wiewohl auch Züchtigungen nicht ausbleiben. Aber Er ist auch in Seinem Zorne Seiner Barmherzigkeit eingedenk, und lindert und mildert dieselben, wenn wir Ihn, wie Er es will, anrufen. Auch in dieser Beziehung heißt es hier: „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes,“ u. s. w. Hierin ist die ganze Lehre des Evangelium, Erkenntniß, Furcht, Verehrung Gottes, Hoffnung, Glaube, Gebet zusammengefaßt. „So wird euch solches Alles zufallen,“ d. h., ihr werdet Wohnung, Unterhalt, äußern Frieden, Gesundheit haben. Und kommt auch ein Leiden, trägt's geduldig, und bittet Gott, daß Er es lindere. Vermehrt eure Roth nicht selbst, „es wird wohl kommen ohne das.“ -