Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - XXIII. Von dem Gespräche Jesu Christi, des Heiligen Geistes und der Engel mit der auserwählten Seele.

Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - XXIII. Von dem Gespräche Jesu Christi, des Heiligen Geistes und der Engel mit der auserwählten Seele.

Welches Gespräch ist freundlicher als eines Vaters, lieblicher als einer Mutter, holdseliger als eines Bräutigams, anmutiger als eines Bruders? Antwort: Das Gespräch Christi mit der auserwählten Seele.

So thront die auserwählte Seele selig im wonnevollen Anschauen Gottes bei ihrer Hochzeit an der Himmelstafel. Wir wollen aber etwas näher hinzutreten und dem herzlichen Gespräche zuhören, wie Christus Jesus seiner allerliebsten Braut freundlichst zuredet, und die Rede vollendet, die Er schon im Hohenliede zu ihr getan.

„Du bist allerdings schön, meine Freundin, und ist kein Flecken an dir. Komm, meine Braut, vom Libanon! Komm vom Libanon, gehe herein, tritt her von der Höhe Amana und von der Höhe Senir und Hermon, von den Wohnungen der Löwen und von den Bergen der Leoparden. Du hast Mir das Herz genommen mit deiner Augen einem, und mit deiner Halsketten einer“ (Hohel. 4, 7-9.). Du warst freilich in Sünden empfangen und geboren und durch den Fall Adams und Evas aufs schmählichste entstellt. Ich aber habe dich zum Heilbrunnen getragen und daselbst mit meinen Händen abgewaschen und von aller Unreinigkeit durch mein Blut gesäubert. Ich habe dir den alten hässlichen Rock deines Leibes ausgezogen, in den Kasten des Grabes beigelegt und dagegen das weiße Kleid angelegt. Darum bist du allerdings schön, meine Freundin, und ist kein Flecken der Sünde an dir. Du bist kommen, meine Freundin, vom Libanon. Vom Libanon bist du kommen. Du bist hereingegangen. Herein bist du getreten von der Höhe Amana und von der Höhe Senir und Hermon; von den Wohnungen der Löwen, die dich verfolgten und von den Bergen der Leoparden, die dich hassten. Du hattest Mir das Herz genommen mit deiner Augen einem und mit deiner Halsketten einer, dass Ich verließ die Stadt der Ewigkeit und die heilige Gesellschaft der Engel und kam auf Erden. Um deinetwillen musste der Heiland von einer Sünderin, der Vater von der Tochter, der Herr von der Magd, der Bräutigam von der Braut, der Schöpfer von der Kreatur, Gott von einem Menschen, der Sohn von einer Jungfrau, Jesus von der Maria, und der von Ewigkeit war, in der Fülle der Zeit geboren werden. Du hattest Mir das Herz genommen, dass Ich den Leib zerstören ließ, welchen der Heilige Geist in der Werkstätte der keuschen Jungfrau aufs schönste und herrlichste erbaut hatte. Du hattest Mir das Herz genommen, dass Ich, die Wahrheit, von den Lügnern Mich fangen; Ich, die Weisheit, von den Narren Mich verspotten; Ich, die Unschuld, von den Buben Mich geißeln; Ich, der Herr der Herrlichkeit, von den Knechten Mich verspeien; Ich, das Leben, von des Todes Kindern Mich umbringen ließ. Nun sollst du bei Mir ruhen eine kleine Zeit, bis die Zahl deiner Brüder erfüllt sein wird. Dann will Ich auch deinen Leib von der Erde auferwecken, dir wieder geben und dich samt ihm ewig behalten.

Darauf wird der Herr seine allerliebste Seele küssen mit dem Kuss seines Mundes. Und sobald die auserwählte Seele denselben empfindet, verlässt sie sich gleichsam selbst in plötzlicher Veränderung und wird verwandelt in des Bräutigams göttliches Bild. Er küsst sie - und die Flamme der Erkenntnis erleuchtet sie, und das Feuer der Liebe entzündet sie, so dass sie dem himmlischen Bräutigam einzig und allein anhängt und ihr Geist mit Ihm ein Geist wird.

Nun hebt sie an, sich demütig zu entschuldigen, wie sie dem Herrn Christus mit ihrer Augen einem das Herz nicht genommen, sondern wie er es selbst durch seine Gütigkeit verloren und durch seine Gnade sich habe nehmen lassen, und bricht endlich in diese Worte aus: „O Herr Jesu! wie schön und lieblich bist Du hier in Deinem seligen Reich. Dort wurdest Du in einer elenden Herberge geboren; der Stall war Dein Palast; die Krippe Deine Wiege; Heu und Stroh Dein Bett; Spinngewebe Deiner Kammer Zier; arme Hirten Deine Gäste. - Dort wurdest Du von Herodes gejagt, dem elenden Wurme, Du, vor dem sonst des Meeres Wogen wichen und die Felsen erbebten. Und wie ein unschuldiges Lamm den wilden Wölfen, den grimmigen Löwen, den grausamen Tigern in den Rachen geworfen wird, so wurdest Du, heiliges Lamm, in die Hände der Heiden und Sünder überantwortet, und wurdest mit Stricken gebunden, mit Dornen gekrönt, mit Geißeln zerschlagen, mit Nägeln durchbohrt, mit Lanzen durchstochen. Und das hat die Liebe gemacht. Sie hat Dir das Herz genommen; sie hat Dich aus dem Himmel getrieben, in den Leib der jungfräulichen Mutter geschlossen, an das irdische Tageslicht gebracht, in harte Bande geführt, an das Kreuz geheftet und endlich gar in das Grab gelegt.“

Jetzt aber bist Du allerdings schön und ist kein Flecken an Dir. „Du bist in meinen Augen, wie eine Weintraube aus dem Garten Engeddi (Hohel. 1, 13. 14.), wie der Turm Davids, daran tausend Schilde hangen, allerlei Waffen der Helden (Hohel. 4, 4.). Fragt mich, ihr heiligen Engel, was mein Freund sei vor andern Freunden; ich will euch antworten: Mein Freund ist weiß und rot, auserkoren unter viel Tausenden. Sein Haupt ist wie das feinste Gold, seine Augen sind wie Taubenaugen an den Wasserbächen, mit Milch gewaschen und stehen in der Fülle. Seine Wangen sind wie die wachsenden Würzgärtlein; seine Lippen wie Rosen, die von fließender Myrrhe triefen; seine Hände wie güldene Ringe voll Türkissen; sein ganzer Leib wie rein Elfenbein mit Saphiren geschmückt. Seine Beine sind wie Marmorsäulen, gegründet auf goldenen Füßen, Seine Gestalt ist wie Libanon, auserwählt wie Zedern. Ein solcher ist mein Freund; mein Freund ist ein solcher, o ihr Bürger Jerusalems (Hohel. 5, 9-16.).“

Wie könnten doch der auserwählten Seele andere Gedanken beikommen, als dass Milch und Honig fließe unter der Zunge des himmlischen Bräutigams? so süß ergießt sich von derselben die Zuneigung des Gemütes.

Wir wollen aber noch weiter zuhören, wie Gott der Heilige Geist das Buch des Lebens aufschlägt und der auserwählten Seele den Namen zeigt, der hineingeschrieben, ehe der Welt Grund gelegt worden. Wie er die auserwählte Seele erinnert, er sei dabei gewesen, als sie um Christi willen zum Zeugnis vor Könige und Fürsten geführt worden. Er habe Licht ihrem Verstande, Freiheit ihrem Willen, Freudigkeit ihrem Angesichte, Stärke allen ihren Kräften verliehen und habe sein Wort auf ihre Zunge gelegt, dass sie sich nicht gefürchtet, sondern die Wahrheit des Evangelii mit Heldenmut bekannt habe, und sei nunmehr, weil sie bis ans Ende beharret, selig geworden.

Endlich werden die heiligen Engel hinzutreten, der Braut Jesu Christi Glück wünschen und ihren jetzigen Stand weit über den vorigen erheben und hochpreisen. Dort habe sie gewohnt in Armut, hier throne sie in vollem Reichtum; dort habe sie gelebt in Verachtung, hier prange sie in voller Herrlichkeit; dort habe sie gelegen in Ohnmacht, hier stehe sie in voller Macht; dort habe sie erlitten Hunger und Durst, hier werde sie gespeist mit himmlischem Manna und getränkt mit den Strömen der lebendigen Wasser.

Es werden weiter die Engel zur auserwählten Seele sagen, wie sie nach Auferstehung der Leiber mit denselben Augen, mit welchen sie die Armut in diesem Leben gesehen, in dem ewigen Leben schauen werde die unaussprechliche Majestät Christi, die wunderschöne Gestalt der Heiligen, das himmlische Gebäu des ewigen Zions. Wie sie in denselben Händen, mit denen sie hienieden Almosen gegeben, trage den Palmzweig ewigen Friedens, und wie ihr derselbe eine schönere Zierde verleihe als das Schwert den römischen Kaisern, das Zepter den persischen Königen, der Herrscherstab den assyrischen Fürsten. Wie sie mit ihren Ohren vernehmen werde das nie gehörte himmlische Saitenspiel, welches auf mancherlei Instrumenten, in mancherlei Chören, mit mancherlei Stimmen von Engeln und Auserwählten ohne Unterlass ertöne.

Vornehmlich aber ist es gar tröstlich, dass die Schutzengel vor allen andern hinzutreten und der allerliebsten Braut Christi erzählen, wie oft sie die größten Gefahren abgewendet, von denen die auserwählte Seele nichts gemerkt habe. Dem Moses zum Beispiel erzählen sie, wie weislich sie das Kästlein verwahrt, dass es von den Fluten des Nils nicht fortgeführt und von den Krokodilen nicht gefunden worden. Dem Joseph erzählen sie, wie sie den Ruben gestärkt, den andern Brüdern Widerstand zu leisten; dem Daniel, wie sie den Löwen die Rachen gestopft; dem David, wie sie die Schleuder regiert; dem Elisa, wie sie den Syrern die Augen wunderbar geblendet haben. Gewiss wir Menschen können nicht immer merken, wann wir in Gefahr geraten. Und wer kann die heimlichen Stricke sehen, welche der Satan so meisterlich gelegt? doch werden wir es erfahren, wann wir im sicheren Hafen des ewigen Lebens angelandet sind. Herr Jesu! Als die Kinder Israel in das gelobte Land ziehen wollten, schickten sie Kundschafter voraus, dasselbe zu erforschen. Meinen Leib kann ich nicht erheben; aber meine Andacht will ich gen Himmel in das verheißene Vaterland senden. Jene brachten bei ihrer Rückkehr Weintrauben, Granatäpfel und Feigen mit sich. Diese Dinge will ich den Kindern Israel lassen; dagegen gib mir, Herr Jesu, Frieden im Gewissen und Freude im Herzen. Herr Jesu! der Du in der Wüste geredet hast in den Ohren der Kinder Israel; rede in der Wüste dieses Lebens mit mir in meinem Herzen, auf dass ich im himmlischen Jerusalem von Deinen Worten in Ohren und im Herzen erfüllt werde! Amen.

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