Kapff, Sixtus Carl von - Anweisung zum Beten - IV. Beleuchtung des Gebetes aus dem alten Bunde.
Was bisher über das Gebet gesagt worden, das wird am anschaulichsten, wenn wir uns in den Tempel des alten Bundes versehen. Was wir da sehen, das ist Vorbild auf den Gottesdienst aller gläubigen Christen, d. h. auf ihr Gebet und Gebetsleben, worin das geistig vorgehen muss, was im Tempel zu Jerusalem äußerlich sichtbar war.
Die drei Hauptteile, die zu dem alttestamentlichen Gottesdienste gehörten, waren der Tempel, die Priester und die Opfer. Diese drei Mittel und Bilder der Vereinigung GOttes mit seinem Volke stellte Jesus in sich dar, und deswegen müssen auch die Glieder an dem Leibe Jesu Tempel, Priester und Opfer des lebendigen GOttes sein und sind es durch das Gebet.
Petrus sagt in seinem ersten Brief, Kap. 2, 5.: Baut euch als die lebendigen Steine zum geistlichen Hause und zum heiligen Priestertum, zu opfern geistliche Opfer, die GOtt angenehm sind, durch Jesum Christum. Hier werden die an Christum Gläubigen ermahnt, Tempel, Priester und Opfer GOttes zu werden. Wie Jesus (Joh. 2, 21.) seinen Leib den wahren Tempel GOttes nannte, so soll sein geistlicher Leib, seine Gemeine, auch ein Tempel sein. So sagt Paulus 2 Kor. 6, 16.: Ihr seid der Tempel des lebendigen GOttes, wie denn GOtt spricht: Ich will in ihnen wohnen und in ihnen wandeln. Und Ephes. 2, 20. nennt er Christum den Eckstein, auf welchem der ganze Bau ineinandergefüget wächst zu einem heiligen Tempel in dem HErrn, zu einer Behausung GOttes im Geist. Priester aber heißen die Gläubigen 1. Petri 2, 9. (königliches Priestertum) und Offenb. 1, 6.5, 10., so wie Christus nach dem Brief an die Hebräer unser ewiger Hohepriester ist. Aber wie er zugleich das größte Opfer ist (Ephes. 5, 2.), so sind auch die Seinigen heilige Opfer (Röm. 1, 12.), denn sie müssen ihm opfern alle Kräfte ihres Leibes und Geistes, sie müssen mit ihm sterben, um mit ihm und für ihn zu leben.
Dieser Gottesdienst wird bei Christen geübt hauptsächlich durch das Gebet. Und was dazu gehöre, das zeigt im Vorbild der Gottesdienst des alten Bundes.
Der Tempel hatte drei Hauptteile, Vorhof, Heiligtum, Allerheiligstes. Der Vorhof war der Weg zum Heiligtum, die Vorbereitung. Was im Vorhof geschah, war notwendig, damit die Priester ins Heiligtum gehen durften. Im Heiligtum, als in der Nähe GOttes, stiegen die Gebete auf mit dem heiligen Räucherwerk. Aber vor den Thron GOttes ins Allerheiligste durfte kein Mensch treten, nur Einmal des Jahres der Hohepriester mit dem Blut der Versöhnung. Für Christen ist der Vorhang zerrissen, sie dürfen ins Allerheiligste eintreten, der HErr will ja nicht bloß unter, sondern in ihnen wohnen. Für Christen gibt es daher nur zwei Teile: Heiligtum und Vorhof, das heißt Gebet und Bereitung dazu.
Was die Bereitung oder der Vorhof zu dem Heiligtum, in dem GOtt wohnt, sei, das sehen wir aus dem, was im Vorhof geschehen musste. Da stand unter freiem Himmel der große Brandopfer-Altar und zwischen ihm und dem Heiligtum das eherne Becken. Dieses war gefüllt mit Wasser und die Priester mussten sich darin baden und waschen, ehe sie in das Heiligtum traten. So dürfen wir in das Heiligtum der Gebetsgemeinschaft mit dem HErrn nur dann eintreten, wenn wir ablegen allen Schmutz der Sünde und wollen uns erneuern lassen im Geist unseres Gemüts, wie die Priester nach dem Waschen die heiligen Kleider anlegten. Diese priesterlichen Kleider haben wir in der Gerechtigkeit Christi, und diese Gerechtigkeit hat er uns erworben durch sein großes Versöhnungsopfer. Nur in der Kraft dieses Opfers können und dürfen wir ins Heiligtum GOttes treten, wie die Priester es durften nur in der Kraft der Opfer, die auf dem großen Brandopfer-Altar gebracht wurden. Die hauptsächlichsten Arten der Opfer waren Brandopfer, Sündopfer und Dankopfer. Nur wenn diese von den Priestern und von den Gliedern des Volks pünktlich verrichtet und dargebracht wurden, nur dann stand der Zugang ins Heiligtum offen. So können wir nur dann recht beten, wenn in unsern Herzen das geschieht, was durch die Opfer auf dem großen Altar angedeutet wurde.
Die Brandopfer mussten ganz verbrannt werden, so dass auch die Priester nichts davon genießen durften. Solcher Art waren die täglichen Brandopfer. Alle Morgen und alle Abende musste ein Lamm geopfert und ganz verbrannt werden. Das zeigt an, wie wir mit Allem, was an uns ist, uns dem HErrn hin geben und nichts Eigenes behalten sollen. Und dazu sollten besonders der Sabbat und die heiligen Festzeiten gesegnet sein, daher am Sabbat zwei Lämmer und an den hohen Festen viele Opfertiere als Brandopfer dargebracht werden mussten. So soll unsere Hingabe an den HErrn, unser Gebet besonders eifrig und auch der Zeit nach länger sein an Sonn- und Festtagen. Aber das Feuer von dem Brandopfer durfte ewig nicht verlöschen, Tag und Nacht mussten die Priester die heilige Opferflamme unterhalten (3 Mos. 6, 12. 13.). So soll das heilige Feuer der Andacht in unsern Herzen nie verlöschen, nicht bloß ein kurzes, bald vorübergehendes Opfer: soll unser Gebet sein, sondern wie Paulus gebietet: Betet ohne Unterlass. Der Priester, der über die Unterhaltung des Feuers zu wachen. hatte, brauchte nicht immer daneben zu stehen, er konnte andere Geschäfte dabei verrichten, wenn nur das Feuer nicht erlosch. So können wir allerlei Geschäfte treiben, brauchen nicht immer die Hände gefaltet zu haben, wenn nur das Flämmlein der Gebetsstimmung nicht erlöscht. Und wie der Priester von Zeit zu Zeit das Feuer nährte und Holz nachlegte, so müssen wir von Zeit zu Zeit kräftiger zum HErrn aufblicken und so das Andachtsfeuer nähren.
Außer dem Brandopfer mussten auf dem großen Altar auch Dankopfer gebracht werden, und wenn einem Israeliten eine besondere Freude zu Teil geworden war, oder wenn er nur überhaupt von Dank gegen GOtt erfüllt war, so brachte er einen Ochsen, eine Kuh, Schaf oder Ziege als Dankopfer dar. Solche Dankopfer müssen auch von uns dargebracht werden. Ja, wie das Heiligtum verschlossen geblieben wäre, wenn nicht auch die Dankopfer auf die rechte Weise wären gebracht worden, so können wir nur dann recht beten, wenn unser Herz von Dank gegen den HErrn erfüllt ist. Je mehr man dankt, desto gesegneter ist das Gebet. Deswegen sagt der 51ste Psalm V. 23.: Wer Dank opfert, der preist mich, und da ist der Weg, dass ich ihm zeige das Heil GOttes. Deswegen kann man oft, wenn man nicht recht beten kann, sich damit helfen, dass man anfängt zu danken, dann öffnet sich die verschlossene Himmelspforte. Und wenn du nicht zu danken weißt, so danke, dass du ein Mensch bist und kein Tier, ein Christ und kein Heide, danke, dass du noch Luft einatmen, Wasser trinken, des Lichts dich erfreuen darfst. Du bist ja doch der keines wert in dir selbst. - Solches demütige Danken wird dich beten lehren.
Die wichtigsten Opfer aber waren die Sündopfer. Sie schlossen eigentlich erst die Pforte des Heiligtums auf, sie mussten den Priestern und dem Volk das Recht und die Freiheit geben, vor dem HErrn zu erscheinen. Für sich waren sie dessen nie wert um ihrer Sünde willen. Aber das Blut der Sündopfer heiligte sie vor dem HErrn. So musste auch der Hohepriester, ehe er am großen Versöhnungstag ins Allerheiligste ging, ein Sündopfer für sich und die Priester bringen, und nur in der Kraft dieses Opfers durfte er ins Allerheiligste und die Priester ins Heiligtum treten, zu erscheinen vor dem HErrn. Ja, das große Versöhnungsopfer am Versöhnungstag musste dienen zur Versöhnung, Heiligung, Weihe für das Allerheiligste, das Heiligtum, den Altar, die Priester und alles Volk der Gemeine (3 Mos. 16, 33.). Also Alles, selbst das Heiligste war entweiht durch die Sünden des Volkes, und nur das Versöhnopfer gab dem Tempel, dem Gottesdienst, den Priestern und dem Volk wieder den Zustand, in dem sie sein sollten, d. h. die Gerechtigkeit, die vor GOtt gilt.
Ebenso ist es heute noch. Nur haben wir das letzte und größte aller Opfer, die Kraft, Vollendung und das Ziel aller Opfer, Jesum Christum, welcher mit Einem Opfer in Ewigkeit vollendet hat Alle, die geheiligt werden durch den Glauben an ihn. Nur dieses Opfer gibt uns ein Recht, vor Gott zu treten. Wie daher der Israelite vor allen Dingen sein Sündopfer herzubringen und die Hände auf sein Haupt legen und die Sünde bekennen musste, so müssen wir unsere Sünden bekennen, uns des Todes schuldig geben und das Verdienst unseres ewigen Versöhnungsopfers in lebendigem Glauben uns völlig aneignen. So allein, wenn das Blut Jesu Christi uns rein macht von aller Sünde, dürfen wir hineintreten in das Heiligtum und dürfen beten im Namen unseres Hohepriesters. Im alten Bunde durfte in das Heiligtum kein Mensch vom Volk, sondern allein die Priester, aber Christus weihet durch sein Versöhnopfer Alle, die in sein Leben eingehen, zu Priestern des lebendigen GOttes, in der Kraft seines ewigen Hohepriestertums dürfen wir Alle in das Heiligtum, ja selbst in das Allerheiligste hineingehen und dürfen treten vor den Gnadenthron GOttes.
Wenn aber die Priester in das Heiligtum gingen, so war ihnen geboten (3 Mos. 10, 9.), sie dürfen zu selbiger Zeit keinen Wein noch starke Getränke trinken, auf dass sie nicht sterben. Alle sinnliche Freude und Genuss, auch wenn er sonst nicht unerlaubt ist, taugt nicht vor dem HErrn, aller Rausch irdischer Lüste aller Art, Vergnügungssucht, Fleischlichkeit überhaupt ist ein Gräuel vor dem HErrn. Nur die reines Herzens sind, werden GOtt schauen, nur solche kommen in ihrem Gebet ins Allerheiligste.
Ja, sie sollen selbst das Allerheiligste sein, weil GOtt in uns wohnen will. Und so muss in diesem unserem innerlichen Heiligtum geschehen, was in dem sichtbaren geschah. Dort stand auf der einen Seite der goldene Schaubrottisch, auf dem die heiligen zwölf Brote nach der Zahl der Stämme Israels lagen. Sie wurden in goldenen Schalen mit Weihrauch von den Priestern bei Anbruch des Sabbats ausgelegt und blieben die ganze Woche über liegen als ein beständiges Dankopfer. So soll unser Herz mit all seinen Kräften beständig dem stets gegenwärtigen HErrn in heiligem Danke geweiht sein. Auf der andern. Seite stand der goldene Leuchter mit seinen sieben Lampen, welche immerfort brennen mussten, als Vorbild, wie im Heiligtum GOttes keine Nacht der Sünde sein dürfe, sondern Licht, stets brennendes Feuer der Andacht, welches Licht wirket der Heilige Geist, der nach Offenb. 5. dargestellt wird als die sieben Geister GOttes, gesandt in alle Lande. Und in Der Mitte war der goldene Räucher-Altar, auf welchem die Priester alle Morgen und Abend das heilige Räucherwerk anzünden mussten. Dieser aufsteigende köstliche Rauch, dessen Wohlgeruch das ganze Heiligtum erfüllte, ist das eigentliche Bild der aus uns aufsteigenden Gebete. Das Fener auf dem Räuchaltar durfte aber nur Fener vom Brandopferaltar sein. So taugt vor GOtt nur das Gebet, das aus völliger Hingabe an ihn fließt (Offenb. 8, 3-5.).
Im Allerheiligsten stand die Lade des Zeugnisses mit den zehn Geboten GOttes und darauf der Gnadenstuhl oder der Thron GOttes. GOtt wacht über seinem Gesetz, und Erfüllung des Gesetzes allein gibt das Bürgerrecht in seinem Heiligen Staate.
Dieses Allerheiligste sind einerseits die Gläubigen, weil GOtt in Jesu Christo durch den heiligen Geist in ihnen wohnen will, andererseits aber ist es der Himmel als der herrliche Wohnsitz GOttes, wo Christus sitzt zur Rechten des Vaters und vertritt uns. Vor diesen Thron GOttes dürfen alle Gläubigen treten, weil Christus sie gesalbt hat zu Priestern. Die Priester mussten opfern, beten, segnen; das ist auch das Geschäft der Gläubigen, sie opfern sich selbst und die Welt, sie beten für sich, ihr Haus, für die Gemeinde des HErrn und für die Welt, und dadurch sind sie ein Segen.
Die Priester hatten heilige Gewänder von reiner weißer Farbe mit prächtigen Gürteln. Solche Kleider des Heils und Rock der Gerechtigkeit ist für uns die Gerechtigkeit Jesu Christi. In dieser allein können wir priesterlich dienen, d. h. beten.
Die Priester mussten aber besonders geweiht sein zu ihrem Amt, welches geschah durch das heilige Salböl und durch das Blut ihres Opfers, mit dem sie besprengt wurden am rechten Ohrknörpel, am Daumen der rechten Hand und großen Zehen des rechten Fußes, auf dass sie hören, wirken und wandeln sollten auf, in und für Gott. So sollen wir gesalbt sein mit dem Öl des Heiligen Geistes und begeben unsere Glieder GOtt zu Waffen der Gerechtigkeit - alles das durchs Gebet.
Der Hohepriester aber trug über seiner überaus köstlichen und herrlichen Kleidung das Brustschildlein, worin er auf zwölf Edelsteinen die Namen der Kinder Israel auf dem Herzen trug. So trug Jesus die ganze Menschheit durch brünstige Fürbitte auf priesterlichem Herzen und darin sollen wir seine Jünger sein. Auch hatte der Hohepriester ein goldenes Stirnblatt vorn an seiner Kopfbedeckung, und darauf stand geschrieben: die Heiligkeit des HErrn. So sollen wir dem HErrn ganz und gar geheiligt sein dadurch, dass die Heiligkeit Christi uns mitgeteilt ist, und sich in uns abspiegelt, dass wir verklärt werden in sein Bild von einer Klarheit zu der andern.
Während des Gottesdienstes erschallte im Tempel die heilige Musik, und die Lobgesänge der Leviten priesen den GOtt Israels. So soll das in Christo versöhnte Herz stets heiter und fröhlich sein und das Gebet Pauli erfüllen Ephes. 5, 9.: Redet untereinander von Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem HErrn in eurem Herzen und saget Dank allezeit für Alles GOtt und dem Vater in dem Namen unseres HErrn Jesu Christi.