Kapff, Sixtus Carl von - Anweisung zum Beten - III. Wie soll man beten?
Andächtig, als in der Gegenwart GOttes bußfertig, demütig, sowohl innerlich im Herzen als auch äußerlich in Gebärden, mit wahrem Glauben, und in dem Namen Jesu Christi.
So lehrt unsere Kirche. Wir wollen ihre Vorschrift genauer betrachten.
1) Andächtig,
als in der Gegenwart GOttes, sollst du beten. Beten heißt mit GOtt reden. Während du mit GOtt redest, darfst du mit nichts anderem reden in deinem Herzen, d. i. an nichts Anderes denken. So Jemand einen irdischen König um etwas bittet, so nimmt er sich zusammen, sammelt seine Gedanken, denkt nur an sein Anliegen, behütet seine Zunge, dass sie nicht töricht rede von anderen Dingen, die nicht hergehören. Musst du das nicht vielmehr vor dem König aller Könige? Wie darf Jemand vor ihm erscheinen, und doch nicht an ihn denken? Ist es nicht die größte Unehre und Beleidigung seiner heiligen Majestät, wenn du so leichtsinnig, zerstreut und flatterhaft vor ihn kommst? Weißt du, wie der HErr die heißt, die sich ihm nahen mit dem Munde und ehren ihn mit den Lippen, aber ihr Herz ist ferne von ihm? Heuchler heißt er sie, und die Hoffnung der Heuchler wird verloren sein, sagt die Schrift. Darum, wenn du betest, sollst du nicht sein wie die Heuchler. Bete, als in GOttes Gegenwart. Es gibt ja keine größere Ehre für dich, als dass der HErr Himmels und der Erden dir gegenwärtig sein will. Dafür sei ihm dankbar, dafür ehre ihn, und Deine Ehrfurcht heilige alle Kräfte deines Geistes, dass alle Irrlichter der irdischen Bilder in dir erlöschen und alle Stimmen aus der Welt und aus deinem Fleisch verstummen, und du vor dem Eintritt ins Heiligtum dich wäscht von aller Unreinigkeit, wie die Priester im Tempel tun mussten.
Wie könntest du beten, wenn alle möglichen Bilder dich nach Morgen und Abend, Mitternacht und Mittag hintreiben, und dein Herz einem Jahrmarkte gleicht, darauf allerlei irdische Gegenstände sich umtreiben? Nur wenn wir die Welt verlassen, kann GOtt sich uns mitteilen, und je mehr wir von uns selbst ausgehen, desto mehr kann GOtt in uns eingehen. Naht euch zu GOtt, so naht er sich zu euch. Dagegen: entfernt ihr euch von GOtt, so entfernt er sich von euch. Entfernt werden wir von ihm durch Alles, was sich zwischen ihn und uns stellt und uns gegenwärtiger ist als er.
Was ist aber zu machen, wenn doch allerlei irdische Dinge zwischen GOtt und uns sich stellten? Schwinge dich im Geist auf Golgatha, und sieh, wie der Sohn GOttes um der Sünde und Welt willen, an der du hängst, sich hat martern und töten lassen. Da siehe, wer du bist und wer er ist und was es ist, dass du beten darfst. Da lass deinen Geist erfüllen von heiligen Bildern, durch welche alle unheiligen verdrängt werden, da lass dich erfüllen mit Reue über deine Sünden, die Jesu solche Martern verursacht haben, da lerne Jesum lieben und dich ihm ganz und gar hingeben.
Um aber auch von außen weniger zerstreut, also andächtiger sein zu können, gebot Jesus: gehe in dein Kämmerlein und schließe die Tür zu. Stille Einsamkeit, wo du allein bist mit deinem GOtt, das ist der beste Ort zum Beten. Die frommen Beter des Volks GOttes stiegen hinauf auf den Söller zuoberst im Hause, und da, fern vom Getümmel des Lebens und vom Geräusch des Hauses, suchten und fanden sie den HErrn. Jesus ging Nachts auf die Berge, und da, unter GOttes freiem Himmel, während Alles schlief und schwieg, da war er in dem, das seines Vaters ist, und lebte in der Geisterwelt und betete für uns. So geh auch du in dein Kämmerlein oder geh hinaus, wo die leuchtenden Gestirne des Tages oder der Nacht dir's leichter machen, in den Glanz des himmlischen Lichtes dich zu versetzen, und wo die Natur dich mächtiger zum Himmel erhebt. Aber überall schließe die Tür zu, schließe dich ab gegen die Außenwelt, dass du allein seiest im Heiligtum, dass du allein mit dem HErrn redest und der HErr mit dir. Hüte dich, dass nicht durch die Türen, dadurch die Außenwelt in uns eingehet, etwas in dich dringe, das dich hindert, mit den Augen des Geistes in die unsichtbare Welt zu blicken; denn das musst du. Schauen musst du, um recht zu beten, schauen den, der da ist der Abglanz von GOttes Herrlichkeit, und das Ebenbild seines Wesens. Vom Allerhöchsten hast du kein Bild noch Gleichnis, aber im Sohne sehen wir den Vater, und den Sohn können wir in seiner verklärten Menschengestalt vor die Augen des Geistes hinstellen und ihn sehen und wie von Angesicht zu Angesicht mit ihm reden. Sich vor Christum hinzustellen und bald in seiner Leidens- und Kreuzgestalt, bald in seiner Herrlichkeit ihn zu schauen, und Alles ihm zu sagen, als stünde der beste, liebste Freund vor uns, das erst heißt: beten als in der Gegenwart GOttes. Mit dem liebsten Freund und mit dem liebsten Vater reden, was gibt es Seligeres, und im Himmel sein, was ist süßer? Und das dürfen wir im Gebet. Das sagt der Eingang des Gebets, das uns Jesus selbst gelehrt hat: Unser Vater in dem Himmel. Wer so aus voller Seele beten kann, der betet in der Gegenwart GOttes, er spricht, wie das zutrauensvolle Kind mit dem Vater. Aber der Vater ist im Himmel, und das Kind geht ihm nach und verlässt die Erde, und findet im Himmel den Vater, und freut sich sein, und dankt ihm und bittet von ihm, was sein Herz begehrt.
Aber ein Kind, das den Vater durch schwere Sünden beleidigt hat, wie darf es den Vater um etwas bitten, wie darf der Sünder bitten?
2) Bußfertig
sollst du beten. GOtt will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe. Das halte ihm vor und sprich mit Daniel: wir liegen vor dir mit unserem Gebet, nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit. Luther begann sein tägliches Gebet mit den Worten: „Lieber himmlischer Vater, ich bekenne es allewege, dass ich allenthalben, wo ich gehe und stehe, inwendig und auswendig, mit Haut und Haar, mit Leib und Seele in das höllische Feuer hineingehöre. Meinethalben ist nichts Gutes in mir, nicht ein Haar auf meinem Haupt, es gehört doch Alles in den Abgrund der Höllen zu dem leidigen Teufel.“ Das heißt bußfertig gebetet. Willst du besser sein als dieser Mann GOttes?
Ohne bußfertigen Sinn gibt es kein rechtes Gebet, und Tausende können gar nicht beten, bloß deswegen, weil sie nicht bußfertig sind. Alles Menschliche ist um der Sünde willen vor GOtt verwerflich, die Sünde verschließt alle Türen zu GOtt, wie Jesaias sagt: Eure Untugenden scheiden euch und euren GOtt voneinander, und eure Sünden verbergen das Angesicht von euch, dass ihr nicht gehört werdet. Buße allein öffnet einen Weg zu GOtt, deswegen sagt er selbst Joel 2.: Bekehrt euch zu mir von ganzem Herzen, mit Fasten, mit Weinen, mit Klagen. Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider, und bekehrt euch zu dem HErrn, eurem GOtt, denn er ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte, und reuet ihn bald der Strafe. Dass man nicht beten könne, wenn man seine Sünde nicht bekennt und Buße tut, sagt David im 32. Psalmen: Da ich meine Missetat wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine. Deine Hand war Tag und Nacht schwer auf mir, dass mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird. Darum bekenne ich dir meine Sünde und verhehle meine Missetat nicht. Ich sprach: ich will dem HErrn meine Übertretung bekennen. Da vergabst du mir die Missetat meiner Sünde.
So lange wir vor GOtt etwas verschweigen wollen, und sei es auch nur das Kleinste, so lange lässt seine Gerechtigkeit unser Herz dürre und vertrocknet, wie dürres Erdreich, das von der Sonne versengt ist, dass kein Grashalm darin aufkommt. Da kannst du oft niederfallen auf deine Knie, und den HErrn suchen, aber du findest ihn nicht, du kannst nicht beten. Du weißt nicht, woher es kommt, aber der Herzenskündiger weiß es: er sieht eine unversöhnte Sünde in dir, eine Sünde, über die du noch nicht Buße getan, ja die du vielleicht noch nicht erkannt oder doch nicht bekannt hast, und dann liegt ein Bann auf dir, wie auf ganz Israel wegen des einzigen Diebstahls Achans, und der HErr muss sein Antlitz vor dir verbergen. Darum lass das Licht seiner Gerechtigkeit dich durchleuchten, prüfe dein Leben vor seinem Richterstuhl, und erkenne auch die kleinste Abweichung als Verrat, der sich mit dem Feinde wiederum einlässt, demütige dich als fluch- und höllenwürdig, und dann aus der Hölle heraus rufe zum Himmel empor, und der Jesus, der für dich gestorben, begraben, zur Hölle gestiegen, auferstanden und gen Himmel gefahren ist, der wird dir der Weg sein und der Zugang zum Vater, in ihm findest du den Vater, und dann kannst du beten.
Wollen wir im Gebet uns erheben zum Himmel, so müssen wir um aller unserer Sünden, auch um der kleinsten, willen Buße getan, ja zur Hölle uns erniedrigt haben. Dies gilt für Bekehrte wie für Unbekehrte. Auch bei Bekehrten kommen ja täglich Sünden vor; deswegen geht auch für sie der Weg zum Gebet hauptsächlich durch Buße, tiefe Neue, herzliches Leid über die Beleidigung des Heilandes, der so unaussprechlich viel für uns getan oder gelitten hat.
Eine Sünde, die wir nicht bekannt haben, an der wir also noch hängen, stört unser Gebet. Je mehr wir dagegen mit allem Sündlichen in uns und an uns dem HErrn uns hingegeben und Alles geopfert haben, desto mehr erhebt der HErr unsern betenden Geist in den Himmel. Wie der Zöllner müssen wir kommen: der Zöllner stand von ferne, wollte auch seine Augen nicht aufheben gen Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: GOtt sei mir Sünder gnädig. Deswegen sollen wir
3) demütig
beten, sowohl innerlich im Herzen als auch äußerlich in Gebärden.
Der Vater der Gläubigen betete für Sodom mit den Worten: Ach siehe, ich habe mich unterwunden, zu reden mit dem HErrn, wiewohl ich Erde und Asche bin. Mensch von Erde! wer bist du, dass du reden darfst mit dem Schöpfer Himmels und der Erden! HErr! was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und das Menschenkind, dass du dich seiner annimmst! Ist doch der Mensch gleich wie nichts, seine Zeit fährt dahin wie ein Schatten. Darum, wenn du vor den HErrn trittst, so komme als solcher, der nichts ist vor ihm, komme wie der verlorene Sohn, und rufe: Vater, ich bin nicht wert, dass ich dein Kind heiße. Siehe es als die größte, unverdienteste Wohltat an, dass du mit GOtt reden darfst, und wenn du mit tiefer Ehrfurcht vor einen hohen Menschen trittst, so komm mit weit größerer Ehrfurcht, Demut und Scheue vor den HErrn aller Herren.
Als der HErr auf dem Berge Sinai das Gesetz gab, da gebot er dem Volk, drei Tage lang sich zu heiligen und zu waschen, und ließ ein Gehege um den Berg machen und gebot: Hütet euch, dass ihr nicht auf den Berg steiget, noch sein Ende anrühret, denn wer den Berg anrühret, soll des Todes sterben. So heilig war der Berg, weil der HErr darauf war. Ia, als Moses hinausstieg, um von GOtt das Gesetz zu empfangen, da bedeckte eine Wolke den Berg, und die Herrlichkeit des HErrn wohnte auf dem Berge Sinai und deckte ihn mit einer Wolke sechs Tage und rief Mose am siebenten Tage aus der Wolke. So lange musste Mose, der heilige Knecht GOttes, vorbereitet und geheiligt werden, um vor dem HErrn zu erscheinen. Und das Ansehen der Herrlichkeit des HErrn war wie ein verzehrendes Feuer (2 Mos. 24, 15-17.). Und als Mose zu ihm sagte, lass mich deine Herrlichkeit sehen, da sprach der HErr: Mein Angesicht kannst du nicht sehen, denn kein Mensch wird leben, der mich sieht (2 Mos. 33, 20.). Da siehst du, wer Er ist und wer wir sind.
In das Allerheiligste im Tempel durfte keine menschliche Seele kommen, nur Einer, der Hohepriester, und nur Einmal des Jahres, und nur mit Blut der Versöhnung. So heilig ist GOtt. Wohl hat Christus den Vorhang zerrissen und den Zugang zum Allerheiligsten geöffnet. Aber nur den Demütigen gibt er Gnade. Nur welche demütig in Christo Jesu Gnade begehren, und außer Christo nichts sein wollen, nur die dürfen vor den Gnadenthron treten, das heißt beten.
Aber wir sollen auch äußerlich in Gebärden demütig sein. Der HErr sprach zu Mose aus dem feurigen Busch: Tritt nicht herzu, ziehe deine Schuhe aus von deinen Füßen, denn der Ort, da du aufstehest, ist heiliges Land. Und Mose verhüllte sein Angesicht, denn er fürchtete sich, GOtt anzuschauen. Die Priester aber, wenn sie in das Heiligtum eintraten, mussten sich waschen und heiligen, und die heiligen Kleider anlegen. Da siehst du äußerliche Gebärden. Der 95ste Psalm aber sagt: Kommt, lasst uns beten, und knien und niederfallen vor dem HErrn, der uns gemacht hat. So betete Salomo, da er den Tempel einweihte, er fiel nieder auf seine Knie vor der ganzen Gemeine Israel, und breitete seine Hände aus gen Himmel und redete mit GOtt. So ging Elias, der große Prophet, auf des Carmels Spitze und bückte sich zur Erde und tat sein Haupt zwischen seine Knie und betete zu dem HErrn. Und nachdem das Feuer auf sein Opfer gefallen war vom Himmel, da fiel alles Volk nieder auf sein Angesicht und sprachen: der HErr ist GOtt, der HErr ist GOtt!
Daniel fiel des Tages dreimal auf seine Knie, betete, lobte und dankte seinem Gott. Wenn du aber meinest, ein Christ habe nicht nötig zu knieen, so schaue hin nach Gethsemane, und siehe, wie der Sohn GOttes
und in ihm die Menschheit - niederknieet und betet. So hielten es seine Apostel und die ganze erste christliche Kirche. Als Paulus an den Ufern von Miletus und später von Tyrus sich verabschiedete von den Christen, da Kniete er mit ihnen allen, auch mit Weibern und Kindern, nieder und betete. Und in seinen Briefen sagte er anstatt „ich bete“, öfters: ich beuge meine Knie. Siehe auch, wie nach der Offenbarung im Himmel die 24 Ältesten, die da sind die Stellvertreter der Menschheit, niederfallen vor dem, der auf dem Stuhle sitzet, und werfen ihre Kronen nieder vor dem Stuhl und beten. Ja, nicht nur auf die Knie, sondern auf das Angesicht warf Jesus sich nieder in Gethsemane, ebenso auch die Ältesten im Himmel und alle Engel (Offenb. 11, 16. 7, 11.).
Hieraus erkenne, wie es auch dir geziemt, kniend zu beten vor dem HErrn, deinem Gott. Nicht, als ob du müsstest: - Jesus sagt: wenn ihr steht und betet du kannst also wohl stehend, auch sitzend und selbst liegend beten, wenn nur das Herz kniet, denn das muss sein und ohne das kannst du nicht recht beten, aber damit das Herz knie, ist es gut und förderlich, wenn auch der Leib knie. Tue das wenigstens, so oft ein besonderer Drang des Geistes dich dazu treibt. Es soll darin kein anderes Gesetz gelten als das Gesetz des Geistes. Der Buchstabe, das bloß Äußerliche, tötet, nur der Geist macht lebendig. Aber so viel ist wahr, dass viele tausend Christen von sich bekennen, ihr Gebet sei viel tiefer und inniger geworden, da sie angefangen, auf die Knie niederzufallen vor dem HErrn. Mache auch die Erfahrung; aus Erfahrung lässt sich hierüber allein reden.
Für das Familienleben aber empfehle ich das Knien weniger, weil da vielleicht in manchem Leib ein Herz ist, das nicht kniet, besonders in Kindern und Dienstboten. Aber wenn du allein, oder ein Bruder mit dir im Kämmerlein betet, dann bringt es gewiss Segen. Vor dem HErrn können wir uns ja nie genug demütigen.
Du magst aber knieen oder nicht, bete nur
4) mit wahrem Glauben
kindlich rufend: Abba, lieber Vater!
Glaube, dass dein Gebet nicht vergeblich, glaube, dass es notwendig ist, und dass es gewisslich erhört wird. Kannst du es keinem Menschen glauben, kannst du es dir selbst nicht glauben, ja hast du lauter „Nein“ dagegen in dir, und kein einziges „Amen“, so glaube es dem HErrn. Er hat verheißen, er wolle neigen seine Ohren auf unser Gebet, und was er verheißen hat, das will er tun, und das müssen wir glauben, oder wir sind nicht wert, Menschen zu heißen. So höre, was sein Wort spricht:
Psalm 50, 15.: Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen. Die Erfüllung dieser Wahrheit bezeugt David Ps. 3, 5.: Ich rufe an mit meiner Stimme den HErrn, so erhört er mich von seinem heiligen Berge; und Ps. 34, 7.: Da dieser Elende rief, hörte es der HErr, und errettete ihn aus allen seinen Nöten; und Ps. 28, 6.: Gelobet sei der HErr, denn er hat erhört die Stimme meines Flehens. Ps. 91, 15. sagt der HErr: Er ruft mich an, so will ich ihn erhören, ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren machen, ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil. Siehe doch, was das Gebet wirket. Deswegen bezeugt Ps. 118, 5.: In der Angst rief ich den HErrn an, und der HErr erhörte mich und tröstete mich; und Ps. 145, 18. 19. heißt es: Der HErr ist nahe Allen, die ihn anrufen, Allen, die ihn mit Ernst anrufen. Er tut, was die Gottesfürchtigen begehren, und hört ihr Schreien und hilft ihnen.
Jes. 65, 24. spricht der HErr: Es soll geschehen, ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich reden. Da siehst du recht in GOttes Vaterherz hinein. Ja, wo ist ein Vater, der so erhört, wie er? Er sagt Jes. 49, 15.: Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie desselbigen vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen; siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet. Und wenn dir deine Sünden wie eine Wolke vorkommen, die dich vor GOtt verbirgt, so höre ihn Jes. 44, 22.: Ich vertilge deine Missetat wie eine Wolke, und deine Sünde wie den Nebel. Kehre dich um, denn ich erlöse dich. Und Jerem. 31, 20. sagt er über das abtrünnige Israel, da es sich bekehren will: Ist nicht Ephraim mein teurer Sohn und mein trautes Kind? denn ich gedenke noch wohl daran, was ich ihm geredet habe, darum bricht mir mein Herz gegen ihm, dass ich mich seiner erbarmen muss. Sollte der GOtt, der so geredet hat, dich nicht erhören? Lies auch Jes. 54. und 55. und wenn du dann noch nicht gläubig beten kannst, so muss es traurig mit dir stehen. Willst du aber wie mit Augen sehen, wie der HErr unser Gebet erhören kann, so lies Mal. 3, 16.: Die Gottesfürchtigen trösten sich untereinander also: der HErr merket es und hört es, und ist vor ihm ein Denkmal geschrieben für die, so den HErrn fürchten und an seinen Namen gedenken. Höre auch noch das Neue Testament: Da sagt der Sohn, dem der Vater Alles übergeben hat, Joh. 14, 13.: Alles, was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun; 15, 7.: Ihr werdet bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren; 16, 24.: Bittet, so werdet ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei; Matth. 7, 8.: Wer da bittet, der empfängt, wer da sucht, der findet, wer da anklopft, dem wird aufgetan; und V. 11.: Wenn ihr, die ihr arg seid, könnet dennoch euren Kindern gute Gaben geben, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel Gutes geben denen, die ihn bitten (und besonders nach Luk. 11, 13. seinen heiligen Geist, um welchen betend wir allemal erhört werden). Lies auch Marc. 11, 11-24., da steht geschrieben: Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubt nur, dass ihr empfangen werdet, so wird es euch werden.
Und wenn du je einmal GOtt dir denken willst oder musst als harten Richter, der dir nicht geben wolle oder könne, so höre, was JEsus sagt Luk. 18.: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor GOtt und scheute sich vor keinem Menschen. Den bat eine arme Witwe um Hilfe, er aber wollte lange nicht, endlich dachte er: weil mir diese Witwe so viele Mühe macht mit ihren Bitten, so will ich sie retten. Höret, was der ungerechte Richter sagte! Sollte GOtt nicht auch retten seine Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte Geduld darüber haben? Ich sage euch: er wird sie erretten in einer Kürze. Deswegen gebietet Jesus, dass man allezeit beten und nicht lass werden solle.
Wenn solche Verheißungen des HErrn dich nicht zum gläubigen Gebet treiben, so bist du kein rechter Christ.
Und wie man um einzelne Gaben bitten dürfe und erhört werde, lehrt Jacobus; 1, 5. gebietet er, man solle um Weisheit bitten, so werde sie gegeben werden, und V. 7.: Wer zweifelt, soll nicht denken, dass er etwas von dem HErrn empfangen werde; 5, 14. ff. gebietet er: Ist Jemand krank, der rufe zu sich die Ältesten von der Gemeine, und lasse sie über sich beten, und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der HErr wird ihn aufrichten, und so er hat Sünde getan, werden sie ihm vergeben sein. Das Gebet des Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist. Wie viel es vermag, ist zu sehen aus Offenb. 8, 3-5. Ein Engel kam und trat zu dem Altar, und hatte ein goldenes Räucherfass und ihm ward viel Räucherwerk gegeben, dass er gäbe zum Gebet aller Heiligen auf den goldenen Altar vor dem Stuhl. Und der Rauch des Räucherwerks vom Gebet der Heiligen ging auf von der Hand des Engels vor Gott. Und der Engel nahm das Räucherfass und füllte es mit Feuer vom Altar, und schüttete es auf die Erde, und da geschahen Stimmen und Donner und Blitze und Erdbeben. Und darnach kamen die Gerichte der sieben Posaunen. Da siehst du, was die Gebete der Heiligen wirken vor Gott. Der fromme Tauler sagt: GOtt ist tausendmal williger zu geben, denn wir zu nehmen, bereiter zu geben, denn wir zu bitten. Das haben von Abraham an alle Gläubigen erfahren.
Wir wollen etliche Beispiele von Gebetserhörung uns vorhalten.
Auf Abrahams Gebete wären fünf Städte begnadigt worden, wenn nur zehn Gerechte, nur zehn betende Seelen darin gewesen wären. Abraham betete für seinen Sohn Ismael, der ein wilder Mensch war, er wurde erhört und Ismael gesegnet. Er seufzte innerlich um einen Sohn von Sarah und er erhielt den Isaak. Hagar, die Magd, schrie und weinte zu GOtt, als ihr Ismael am Verschmachten war und GOtt gab ihr Wasser und erhörte die Stimme des Knaben. Elieser, der Knecht, betete, GOtt möchte ihm eine Frau für seines Herrn Sohn zuweisen und noch an dem selbigen Tage lenkte der HErr alle Umstände nach seinem Wunsch und Willen. So wurde Jakob erhört zur Zeit seiner Trübsal, Rahel und Lea wurden erhört und bekamen Kinder. Und Mose, wie durfte er beten zu dem HErrn, und wie wurde er erhört! Wie mächtig wirkte sein Gebet, dass es (Ps. 106, 23.) für das ganze abtrünnige Volk den Riss hat aufgehalten, GOttes Grimm abzuwenden, auf dass er sie nicht gar verderbte. Und als Amalek stritt wider Israel, da hob Mose seine Hände betend empor, und so lang er das tat, siegte Israel, und als er müde war, da unterhielten Aaron und Hur seine Hände und Amaleks ganzes Volk unterlag. So oft die Kinder Israel zu GOtt schrien in ihren Nöten, so erhörte er ihre Stimme und errettete sie von allen ihren Sünden. Josua betete um Gnade für das Volk, da entdeckte der HErr den Bann Achans und erzeigte seine Hilfe. Josua bat, dass die Sonne stille stehe, und der HErr gehorchte der Stimme eines Mannes und stritt für Israel. Gideon betete um ein Zeichen der göttlichen Gnade, und der HErr ließ nach seiner Vorschrift Tau fallen auf das Fell, das er ausgebreitet hatte, und ringsum keinen, und darnach Tau ringsum und auf das Fell keinen. Manoah betete zu dem HErrn, er möchte seinen Engel zum zweiten Mal erscheinen lassen, und der Engel kam. Hannah betete tief betrübt um einen Sohn, und der HErr gedachte an sie und gab ihr Samuel. Samuel schrie zu dem HErrn für Israel wider die Philister, und der HErr erhörte ihn und ließ donnern einen großen Donner über die Philister desselbigen Tages, und schreckte sie, dass sie von Israel geschlagen wurden. Und wie oft und viel hat David aus der Tiefe gerufen zu seinem GOtt, und wie wunderbar ist er allemal erhört worden, dass er konnte sagen Ps. 6, 10.: Der HErr hört mein Weinen; der HErr hört mein Flehen; mein Gebet nimmt der HErr an.
Salomo betete um ein gehorsames und weises Herz, und der HErr gab es ihm so, dass seines Gleichen nicht war vor ihm und nach ihm, dazu Reichtum und Ehre die Fülle. Assa betete um Hilfe gegen die tausendmal tausend Mohren und der HErr schlug sie, dass sie flohen.
Elias war ein Mensch, gleich wie wir, und betete ein Gebet, dass es nicht regnen sollte, und es regnete nicht auf Erden drei Jahre und sechs Monate; er betete abermals ,und der Himmel gab den Regen und die Erde brachte ihre Frucht (Jak. 5, 17.). In Zarpath war der Sohn der Witwe gestorben, und Elias rief den HErrn an, und der HErr erhörte die Stimme Elia, und die Seele des Kindes kam wieder zu ihm und ward lebendig (1 Kön. 17, 22.).
Hiskiah betete um Hilfe gegen den schrecklichen Feind und Lästerer Sanherib, und in derselben Nacht fuhr aus der Engel des HErrn und schlug im Lager der Assyrer 185.000 Mann, dass am Morgen eitel tote Leichname umherlagen. So ist das Gebet stärker als Waffen. Auch ist es stärker als Arzneien. Hiskia war todkrank, und der HErr sprach: du wirst sterben und nicht lebendig bleiben. Da weinte Hiskia sehr und betete um Errettung. Und der HErr sprach: ich habe dein Gebet gehört und deine Tränen gesehen, siehe, ich will deinen Tagen noch fünfzehn Jahre zulegen.
Daniel betete, und siehe, da kam der Engel Gabriel zu ihm und sprach: da du anfingst zu beten, ging der Befehl aus (von GOtt, dir zu berichten, was geschehen soll), und ich komme darum, dass ich dir's anzeige, denn du bist lieb und wert.
Nun meinest du vielleicht, solch heilige Männer haben wohl erhört werden können, aber einen Sünder, wie dich, könne der HErr nicht erhören. So schaue hin auf Manasse. Er war einer der gottlosesten Könige, also dass der HErr das Heer des Königs zu Assur über ihn kommen ließ, die nahmen Manasse gefangen mit Fesseln und banden ihn mit Ketten und brachten ihn gen Babel. Und da er in der Angst war, flehte er vor dem HErrn, seinem GOtt, und demütigte sich sehr vor dem GOtt seiner Väter und bat und flehte ihn. Da erhörte der HErr sein Flehen und brachte ihn wieder gen Jerusalem zu seinem Königreich (2 Chron. 33, 11-13.).
Und der gottlose Ahab, nachdem er Naboth getötet und überhaupt sich zum Gräuel gemacht hatte, zerriss seine Kleider, als der Prophet ihm schwere Strafgerichte drohte, und fastete und seufzte. Da kam des HErrn Wort zu Elia und sprach: Hast du nicht gesehen, wie sich Ahab vor mir bückt? Weil er sich nun vor mir bückt, will ich das Unglück nicht einführen bei seinem Leben (1 Kön. 21, 29.).
Im Neuen Testament sehen wir eine große Anzahl von Elenden zum Heiland kommen und seufzen um Hilfe. Sie waren keine Heiligen, hatten nichts als zerbrochene Herzen und Leiber, Sehnsucht nach Hilfe und Glauben an den großen Helfer. Und Jesus heilte sie Alle. Durch ihren Hilferuf zogen sie Kraft aus ihm, die Kraft des HErrn ging von ihm und half Federmann (Luk. 5, 17.). Und als er beim kananäischen Weibe sich stellte, als höre er sie nicht, da durften sie nur nicht nachlassen, und da sie ernstlicher und demütiger anhielt, da antwortete er: Dir geschehe, wie du willst. Sie war eine Heidin und wurde nicht verworfen. So war auch Cornelius ein Heide und auf sein Gebet kam ein Engel zu ihm und sprach: Dein Gebet und deine Almosen sind hinaufgekommen in das Gedächtnis vor Gott.
Aus dem Allem erkenne, wie jedes Gebet, wenn es ernstlich ist, Erhörung findet, und wie wahr es ist, was David sagt: Der HErr ist Allen gütig und erbarmet sich aller seiner Werke. Der HErr ist nahe Allen, die ihn anrufen, Allen, die ihn mit Ernst anrufen.
Halte dem HErrn solche Verheißungen und Exempel vor, wenn du anfängst zu beten, berufe dich darauf als auf feste Unterpfänder, um deren willen du Erhörung hoffen dürfest. Wenn du aber nicht gleich erhört wirst, so denke, dass Gott zuerst für den Geist sorgt und dann erst für den Leib, zuerst für die Ewigkeit, dann erst für diese Zeit. Bedenke, dass seine Gedanken und Wege höher sind als die deinigen, so viel der Himmel höher ist, denn die Erde. Wenn er auch das nicht gibt, was wir gerade gebeten haben, so gibt er dagegen etwas viel Besseres und Höheres. Das Gebet um den heiligen Geist wird immer erhört, und damit ist für Alles gesorgt, und der seinen eingebornen Sohn für uns dahingegeben hat, wie sollte er uns mit ihm nicht Alles schenken? Auch vergiss nicht das Wort: Hilft er nicht zu jeder Frist, hilft er doch, wann's nötig ist! Kein einziges Gebet ist verloren, aufgeschoben ist nicht aufgehoben, der Segen kommt, und wenn's erst in der Todesstunde oder erst in der Ewigkeit ist. Deswegen bete immer mit wahrem Glauben, und damit du das kannst, musst du beten:
5) Im Namen Jesu Christi.
Solches gebietet der HErr in seinem letzten Testament, das er den Jüngern und in ihnen der Menschheit gegeben. Joh. 14, 13. sagt er: Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, auf dass der Vater geehrt werde in dem Sohne. 16, 23.: Wahrlich, wahrlich! ich sage euch, so ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er es euch geben. Für diese Worte gibt Johannes in seinem ersten Briefe 5, 14. eine Erklärung: Das ist die Freudigkeit, die wir haben zu ihm, dass, so wir etwas bitten nach seinem Willen, so hört er uns. Beten im Namen Jesu heißt also: beten nach seinem Willen, d. h. weil er es will, was er will und wie er will; aus göttlicher Vollmacht, Erlaubnis und Befehl Jesu Christi, in den heiligen Angelegenheiten des Reiches Christi, oder in Bedürfnissen, die Christo nicht zuwider sind, und in seinem Sinn beten; wie er gebetet hat für den Bau des Himmelreichs in der Menschheit, für geistliche und leibliche Hilfe in den Nöten der Leidenden, immer aber mit dem Sinn: nicht mein, sondern dein Wille geschehe.
Wie können wir so im Namen Jesu beten, wenn nicht Jesu Name unser Name, Jesu Wille unser Wille, Jesu Leben unser Leben ist! Und wie könnte das sein, wenn nicht auch sein Leiden unser Leiden, sein Tod unser Tod ist. Unser Keiner lebt ihm selber, Christus ist für uns, d. h. an unserer statt gestorben, darum müssen wir ihm leben und sterben. Die Liebe Christi dringet uns also; sintemal wir halten, dass so Einer für Alle gestorben ist, so sind sie Alle gestorben, dass die, so da leben, hinfort nicht ihnen selbst leben, sondern Dem, der für sie gestorben und auferstanden ist. Darin wurzelt das Gebet im Namen Jesu.
In uns selbst haben wir nicht Einen Grund, Erhörung des Gebets zu hoffen, vielmehr lauter Gründe, nicht erhört zu werden, weil wir dem HErrn auf Tausend nicht Eins antworten können. Ja, nicht einmal wagen dürfen wir es zu beten, so lange wir uns selbst und in uns selbst leben, da müssen wir ewig nur fliehen vor Gott. Alle unbekehrten Sünder, d. h. Alle, die noch in und für sich leben, Alle, die noch nicht aus der Selbstsucht in die Liebe geboren sind, oder doch so bekehrt werden wollen, die haben nur einen Richter im Himmel. Nur wer aus der Sünde austreten will, nur dem erbeut sich GOtt als Vater. Aber Niemand kommt zum Vater, denn durch Christum.
Das Blut Jesu Christi allein macht uns rein von aller Sünde (1 Joh. 1, 7.), und nur wer durch das Verdienst des heiligsten Leidens, Sterbens und Auferstehens Jesu Christi versöhnt und gerechtfertigt ist, nur der kann mit Paulo sagen Röm. 5, 1.: Nun wir denn sind gerecht worden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit GOtt durch unsern HErrn Jesum Christ, durch welchen wir auch einen Zugang haben im Glauben zu dieser Gnade, darin wir stehen. Dieser Zugang zum Gnadenthron GOttes ist das Gebet, und solch wahres Gebet ist nur möglich dem Herzen, das durch den lebendigen Glauben an den für uns gekreuzigten Heiland gerecht geworden ist. Solches Herz betet nicht aus und in sich selbst, wie es auch nicht aus und in sich selbst lebt, es betet in Jesu Christo, durch Christum als Den Weg zum Vater.
Der Vater schaut uns an in Christo und gleichsam durch Christum hindurch, er liebt uns in Christo, er hat uns erwählet durch Christum, ehe der Welt Grund gelegt war, in diesem Geliebten allein hat er uns angenehm und annehmbar gemacht (Eph. 1, 4. 6.). So wie nun der Vater uns liebt nur im Sohne, so müssen wir ihn lieben, vor ihn treten, zu ihm beten nur im Sohne, ja nicht bloß wir im Sohne, sondern der Sohn in uns. Der Sohn muss aus uns zum Vater beten, das erst ist das volle Gebet in seinem Namen. Wir selbst haben ja kein wahres Gebet ohne den Sohn, wir gelten nichts, ohne im Sohn! demnach ist Christus allein unseres Lebens Kraft, Christus allein unser wahres Leben, also auch er allein unser wahres Gebet. Durch den Glauben müssen wir so in Jesum eingehen, dass wir Eines werden mit ihm, bleiben in ihm und er in uns. Stehen wir in solcher Gemeinschaft des Lebens mit ihm, dann betet er in uns, und der Vater erhört ihn in uns, wie er ihn liebt in uns, uns nur um seinetwillen liebt als Gestorbene in ihm, als Lebende mit ihm und in ihm.
Um recht im Namen Jesu beten zu können, müssen wir, wenn auch nicht allezeit im Leben, doch in den Stunden des Gebetes, mit Paulus sagen können: Ich lebe, aber doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes GOttes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dargegeben (Gal. 2, 20.). Wer nicht in der Kraft lebendigen Glaubens sagen kann: Christus hat sich für mich gegeben, und Christus Lebet in mir, der hat an dem Gebet im Namen JEsu erst noch zu lernen. Christus ist aller Dinge Anfang und Ziel, und so auch alles Gebets Anfang, Mittel und Ende. Anfang auch, das merke besonders. Wenn du also auch noch so untüchtig, elend und arm bist, wenn du von Sünden gedrückt, vom tiefsten Gefühl deiner Unwürdigkeit gebeugt, nicht beten kannst, so glaube festiglich, was das Wort des HErrn sagt Röm. 8, 26.: Der Geist hilft unserer Schwachheit auf, denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich's gebühret, sondern der Geist vertritt uns aufs Beste mit unaussprechlichem Seufzen. Der aber die Herzen forschet, der weiß, was des Geistes Sinn sei, denn er vertritt die Heiligen nach dem, das GOtt gefällt. Die Heiligen sind nicht Leute ohne Sünde, es sind die Gläubigen, die im Glauben Eins sind mit Christo, und durch den Glauben geheiligt, in ihnen betet der Geist oder Christus selbst, denn es ist ja der Geist Christi (Röm. 8, 9.).
Das gibt hohen Mut für den Anfang und für das Ende des Gebets. Fängst du auch nur mit schwachen Seufzern an, wenn sie nur aus Glauben und in Glauben gehen, so vertritt dich der Geist aufs Beste mit unaussprechlichen Seufzern; und das Ende ist das große Ia und Amen GOttes, denn wenn. Christus oder wenn sein Geist aus dir betet, und dich vertritt mit GOtt, wie sollte solches Gebet nicht erhört werden! Denn alle GOttesverheißungen sind Ia im Sohne und sind Amen in ihm, GOtt zu Lobe durch uns.
Siehst du nun, dass das Gebet das Lebendigste Leben ist, Leben in GOtt, Leben GOttes und Christi in uns, das regste Schaffen des Geistes, das segensreichste, fruchtbarste Wirken unserer ganzen Lebenskraft. O wahrlich, es ist nicht, was die Armen, die den unendlichen Reichtum des Gebets nicht verstehen, uns vorwerfen, es ist kein unkräftiges Gefühlsleben, kein Schwärmen und Schwelgen in dunklen Empfindungen, es ist nicht das erniedrigende Bedürfnis der Schwachheit, nicht Alles, was der traurigste Missverstand darunter versteht. Nur das Leben versteht das Leben, und wer lebt in GOtt, nicht in der Sünde, nicht in seinem Ich, der weiß, dass das Gebet der Weg ist zu einer Höhe, zu der die höchsten Gedanken des forschenden Verstandes nicht führen, zu einer Seligkeit, welche der kühnste Flug unserer Einbildungskraft und die höchste Steigerung unserer Gefühle nicht erreicht, zu einer wirksamen Tatkraft, wie sie durch keine menschliche Berechnung und Triebfeder bewirkt wird. Aber wenn irgendwo, so gilt hier das Wort: komm und siehe. Wer nicht betet, der kann über die frommen Beter nur lachen oder schimpfen, aber wer betet, kann beten auch für den schmähenden Spottgeist. Und schon dieser Unterschied könnte über das Gebet die Augen austun denen, die in der Finsternis tappen, weil sie die lebendige Quelle verlassen und machen ihnen hie und da ausgehauene Brunnen, die löchrig sind und kein Wasser geben. Und das tun Alle, die sich selbst suchen und nicht den HErrn. Solche Alle, ehrbare, gelehrte, hochangesehene Sünder, rechtschaffene, gutmütige, gemütliche, gefühlvolle Sünder, mögen versuchen, auch nur von Einer Sünde los zu werden, auch nur Einen Tag nach dem Wort GOttes für die Ewigkeit zu leben, sie werden ohne Gebet nichts vermögen, sie mögen versuchen, zu beten, sie werden ohne Buße auch nicht anfangen können. Der Welt Freundschaft ist eine Feindschaft gegen GOtt.