Gossner, Johannes Evangelista - Andachten über das Evangelium nach Johannes
Johannes 6,55-57.
Mein Fleisch ist die rechte Speise, mein Blut ist der rechte Trank. Wer mein Fleisch isst, und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich in ihm - der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am jüngsten Tage auferwecken.
Es ist also das Abendmahl eine wesentliche Teilnahme, ein wahrer Genuss der Früchte des Todes Jesu, oder Jesu Christi selbst. Wer im lebendigen Glauben isst, isst Jesum, und wer Jesum isst, hat das Leben Jesu, Jesum in ihm lebend, und lebt durch und in ihm. So sagte er selbst (Vers 58). Es essen wohl so viele im Abendmahle, aber ohne durch Jesum genährt und gestärkt zu werden; weil sie nicht im lebendigen Glauben essen. Was lebt, das hungert nach Speise und muss essen, oder sterben. So auch der lebendige Glaube; Jesus ist seine Speise, nach der hungert, durch deren Genuss lebt und besteht er, ohne den stirbt er. Wo kein Hunger nach Jesu ist, ist kein Glaube, kein Leben des Glaubens, also auch kein wahres Essen; sondern da ist nur Wort, Wahn und Gedanke, nur äußerliches, körperliches Essen, das die Seele nicht speiset und nähret. Ein Toter verstehts nicht und kann nicht essen. Wer lebt und hungert, den darf man das Essen nicht lehren. Der tote Glaube aber fragt staunend und spottend: was soll das sein, Christum essen? Das ist es, was Jesus (Johannes 6,58) sagt, und Paulus Eph. 5, 14. u. 3,17. Wache auf, der du schläfst, stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten, und dir zeigen, was es heiße, Christum durch den Glauben essen, und im Herzen wohnend haben. Du wirst hungrig werden nach ihm, und der Hunger wird dich essen lehren. Das Abendmahl ward daher immer ein Sakrament der Lebendigen genannt, weil es als geistige Speise ein geistiges Leben voraussetzt, welches diese Speise nähren und erhalten soll; denn wo kein Leben ist, bedarf es keiner Speise. Die Toten können nicht essen. Die Taufe soll die Toten wecken, das Abendmahl die Erweckten und Lebendigen nähren, erhalten und stärken. Gewiss, da hat man ihn, so nahe man ihn auf Erden haben kann.
Johannes 14,2.3.
In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen; ich gehe hin, für euch eine Stätte zu bereiten - Ich werde wieder kommen, und euch zu mir nehmen, damit ihr auch seid, wo ich bin.
O Wort des Trostes für alle Leidende und Trostlose auf Erden; wer dich im Glauben auffasst, muss sich im Leiden freue, und in der trostlosesten Lage doch getröstet, in Unzufriedenheit zufrieden sein. So kann nur Gottes Sohn, der Sohn der ewigen Liebe trösten. Solche Verheißungen fürs ewige Leben, wer kann sie uns geben? wer erfüllen? Darum sollst du ja allein unser ganzes Herz haben, du Stättebereiter, du Baumeister himmlischer Wohnungen, du Bote des Vaters, der uns selbst abholen und einführen wird in seine kristallinen, diamantenen Paläste. Wenn das arme, schwache Herz denkt: Wo du bist, soll auch ich sein! und wie du bist, so herrlich, so selig, so erhaben! soll auch ich werden. Wenn das Herz dieses Wort in seinem ganzen Umfange, in seiner Höhe und Tiefe erfasst, so vergeht es fast vor seliger, herrlicher Hoffnung. Warum willst du uns denn bei dir, so nahe, und ewig bei dir haben? Was gefällt dir an uns so sehr? Was machen wir dir für Freude? Werden wir deine Seligkeit erhöhen? Ja, wir werden deiner Liebe ein Gegenstand sein, an dem sie sich satt lieben kann; denn kein Geschöpf bedarf so sehr deiner Liebe und Huld, als wir arme, schwache Sünder. - Wer kann den Himmel ansehen, ohne an dich, und an deine himmlische Verheißung zu denken? ohne sich dieser Verheißungen mit Entzücken zu freuen?! Himmel, du väterliches Haus! du Heimat der Jünger Jesu! wie schön bist du, wenn dich Jesu Worte uns verklären! wenn wir an die Wohnungen denken, die seine Hand für uns in dir bereitet! Wer kann sich in dieser Hinsicht satt an dir sehen - auch nur von außen? Wie muss es drinnen sein!?
Johannes 14,6.
Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.
Viele Wege, aber nur ein wahrer Weg - viele Worte, und wenig Wahrheit; viel Schein, und wenig Wesen und Leben unter den Menschen, weil Christus so wenigen alles in allem ist. Man will nicht ganz und allein in Christo stehen, aus Furcht, man müsse in ihm wandeln - den Weg, der er selbst ist, und den er gegangen. Man lernt die Worte, ohne die Wahrheit zu ergreifen. Man redet von der Wahrheit, aber wandelt nicht in der Wahrheit. Man will Christum zum Troste auf der Zunge haben, aber nicht als sein Leben und Wesen im Herzen. Fern, dass dies Christentum sei. So kommt man nicht zum Vater, so geht man nicht ins Leben ein, weil man den wahren Weg, die Wahrheit und das Leben nicht hat, sondern bloß auf der Zunge, und in der Einbildung hat. Eine eingebildete Reise, ein unbetretener Weg führt uns nicht zum Ziele. Ist Christus dein Weg, so wandle ihn, sonst kommst du auch mit ihm nicht weiter. Ist Christus deine Wahrheit, so lass sie dich frei machen von der Sünde Johannes 8,32.36.; denn das kann sie, das will sie, das muss sie, sonst wirst du nicht frei und kommst nicht zum Vater. Ist Christus dein Leben, wo lebt er denn? in dir? und du durch ihn? wo nicht, so bist du lebend tot, und wirst den Vater nicht sehen. So ergreife denn das ewige Leben und wandle den Weg der Wahrheit, auf dass du durch den Sohn zum Vater kommest.
Johannes 14,18
Ich will euch nicht Waisen lassen, ich komme zu euch.
Ich bin gekommen, dass sie das Leben und volle Gnüge haben. Johannes 10,11.
Und ihr wollt nicht zu mir kommen, dass ihr das Leben haben möget. Johannes 5,40
Der Herr liebt die Seinen, wie seine Kinder, und kann sie daher nicht allein in dieser Welt lassen. Ist ihnen gleich seine sichtbare Gegenwart entzogen, um sie zu üben im Glauben an dem Unsichtbaren, als sähen sie ihn, so ist er ihnen doch im Geiste nahe. Und wozu? warum kommt er zu den Seinen? Dass sie Leben und volle Gnüge, alles überschwänglich und in Fülle haben, was sie zum göttlichen Leben und Wandel bedürfen. Wehe dem, den seine Klage trifft: Ihr wollt nicht zu mir kommen - wollt das Leben nicht geschenkt von mir annehmen, wollt den Tod lieber als das Leben. O Seele! da steht dein Heiland lebendig in seinem Worte vor dir, und bietet dir sein Kommen in dein Herz, und mit ihm das ewige Leben an. In dir und außer dir und um dich ist lauter Tod und Finsternis. Was willst du? was wählest du?
Ich lasse euch nicht als Waisen zurück, ich komme zu euch.
Ich gehe hin, aber ich komme wieder zu euch; hättet ihr mich lieb, so würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe. Johannes 14,28.
Welche heilige, herrliche Verheißungen hat uns der Heiland zurückgelassen! Wie zärtlich, freundlich, tröstlich spricht er seinen Kindern zu, indem er von der Entfernung seiner sichtbaren Gegenwart redet! Selig ist das gläubige Herz, welches den Heiland beim Wort nimmt, und sich mit der unsichtbaren Gegenwart und Nähe desselben so erfreut und tröstet, sich so daran hält, als sähe es ihn. Sollte er sich einem solchen kindlichen Gemüte entziehen, sein teures Wort nicht halten, er, der allzeit hocherfreut war, wenn er nur ein Senfkörnlein Glauben an sein Wort erblickt hat? Sollte er sich nur gefreut haben, wenn die Leute zeitliche Hilfe, Heilungen ihrer kranken Leibesglieder von ihm in Glauben nahmen? Soll er nicht vielmehr himmlische Freude haben, wenn wir nicht nur seine Gaben, sondern Ihn im Glauben erfassen, wenn wir ihn bei dem Worte nehmen: Ich komme zu euch, ich lasse euch nicht Waisen? - wenn wir diese Verheißung nicht nur für Worte, sondern für Wahrheit halten und bewahren. Wer so sein Wort hält, hat ihn, ihn selbst.
Johannes 16,22
Ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.
Als nun die Jünger versammelt waren — trat Jesus in ihre Mitte, und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! Zeigte ihnen seine Hände und seine Seite; da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.
(Johannes 20, 19-20)
Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.
(Johannes 20, 29)
Sie freuten sich seines Wiedersehens, wie die Weisen aus Morgenland, dass die den Stern wiedersahen, den sie bei Herodes verloren hatten. So freuten sich die Jünger, Jesum wieder lebendig zu sehen, und ihre Freude hat bis heute niemand von ihnen genommen; und wer wird sie jetzt von ihnen nehmen? O, wer diese Freude kennt, wie ekelt dem an aller andern Freude, die nicht von dieser Freude ausgeht oder nicht zu ihr führt! Bist du dieser Freude, Jesum lebendig in dir auferstanden, in dir wohnend zu wissen, teilhaftig geworden? Hast du je die Schmerzen, die Traurigkeit, Jesum nicht zu haben, oder ihn verloren zu haben, auch empfunden? Hast du dich je so, wie die Jünger, versammelt, so eingesammelt in dein Herz, um des Herrn zu harren, seiner zu warten, seiner teilhaftig zu werden? O, dann ist er gewiss schon in dein Herz gekommen, oder er kommt und besucht dich bald, wenn du verharrest, und keine andere Freude kennst, als ihn zu haben. Du kannst zwar die Freude, ihn zu sehen, wie die Jünger, hier nicht genießen, aber deswegen soll dir doch an der wahren und viel größeren Freude, ihn zu haben und seine Nähe zu genießen, nichts abgehen, sondern das Nichtsehen und doch glauben, und durch Glauben ihn im Herzen wohnend haben, soll die Freude noch erhöhen und dich vielmehr seliger machen, als dir schaden.
Johannes 19,17.18.
Und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt: Schädelstätte, das heißt auf Hebräisch: Golgatha. Allda kreuzigten sie ihn.
Er, der Himmel und Erde und alle Dinge trägt mit dem Worte seiner Kraft, trägt dein Kreuz, o Seele, und das nennt er aus Liebe zu dir sein Kreuz. Seine Liebe hat sich dasselbe zugeeignet; denn ihm gehört kein Kreuz. Die Himmel und aller Himmel Herrlichkeiten sind sein. Anbetung und Ehre von allen Engeln und Menschen gebühret ihm - und nun hat er ein Kreuz, das Holz des Fluches, der Schmach und des Todes auf seinen Schultern, und nennt das sein Kreuz, als wäre er der Schuldige, der Sünder, der am Kreuze sterben müsste. So geht er hin unter deinem Kreuze, das er wie das seine liebt, und trägt deine Schulden. O Seele! sieh ihm nach, betrachte diesen Weg des Kreuzes, den dein Heiland wandelt. Bedenke, wie konnte Gott seinem geliebten Sohne ein so schweres Kreuz auflegen, und zwar dein Kreuz, das du hättest tragen sollen, nahm er von deinen Schultern und warf es auf die Schultern seines unschuldigen Sohnes; als wenn du ihm lieber wärest, als wenn ihm an dir mehr gelegen wäre, als an seinem Sohne. Wer fasst diese Liebe? kein Mensch und kein Engel. Diese gelüstet, da hinein zu schauen, in dies Geheimnis der Liebe Gottes; aber sie können nicht, haben auch, wie wir, zu kurze und zu schwache Augen, um diese Tiefen zu erforschen. Aber Etwas kannst du und sollst du - das Kreuz, das er für dich trug, fasse auf und pflanze es in dein Herz, und lass es dir nimmermehr aus dem Sinne kommen, wie schwer er an deinem Kreuze zu tragen hatte und wie sehr dich Gott geliebt hat, so dass er seines Einigen Sohnes nicht verschonte, sondern ihm dein dir unerträgliches Kreuz auflegte, damit du nicht verloren gehen, sondern selig werden möchtest.
Johannes 19,28.29.
Danach, als Jesus wusste, dass alles vollbracht war, dass die Schrift erfüllt würde, spricht er: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig da. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysopen, und hielten es ihm dar zum Munde.
Jesus hatte nun, nach jener finstern Verlassungsstunde, in sich schon das Sieges-Gefühl und sah schon die Vollendung aller Dinge, die ewige Erlösung der gefangenen Menschheit, die Niederlage aller ihrer Feinde, und in diesem Bewusstsein spricht er: Mich dürstet. Wo nach? o Ewiger, auf den Aller Augen sehen, der du deine Hand auftust und sättigest Alles mit Wohlgefallen; der du in der Wüste Wasser, und Ströme in der Einöde geben willst zu tränken dein Volk, deine Auserwählten. (Jesaja 43,20.) Der du aus Wasser Wein gemacht und Wasser aus dem Felsen springen ließest, um die Durstigen, Menschen und Vieh, zu tränken; - der Regen aufs dürre Laub gibt, das Wasser im Meere zusammenhält, wie in einem Schlauch, der die Wasser mit der Faust misst; wonach dürstest du? Nach unserm Heile; nach der Seligkeit deiner Erlösten. Aber womit löschen sie deinen Durst? Du dürstest, und Essig ist deine Labung. Das ist wohl das wahre Bild, wie die Menschen ihrem Schöpfer und Erlöser danken und deine Wohltat vergelten. Wie vielerlei Getränke und Früchte, den Durst des Menschen zu stillen und ihn zu laben, hat er erschaffen! Ihm aber, da er nun dürstet für uns und an unsrer Statt, reicht man Essig. Aber so wollte er es, so stand es geschrieben. Dieser heiße Durst ist für uns ein unversiegbarer Brunnen, ein Strom des Lebens, eine Quelle der süßesten Labung geworden. Er, der gute Hirte dürstete so sehr, damit er seine Schafe auf grünen Auen weiden und zu frischen Wassern führen konnte. (Psalm 23,2.) Er, der Brunn des Heils versiegte für sich und dürstete, damit wir mit Freuden Wasser schöpfen könnten aus dem Heilbunnen. (Jesaja 12,3.) Er musste vom Durste gequält werden, damit er Alle einladen und sagen konnte: Wohlan, die ihr durstig seid, kommet her zum Wasser. (Jesaja 55,1.) Denn zu der Zeit (nach seinem Durste) werden frische Wasser fließen aus Jerusalem, aus Golgatha, wo der heiße Dürster litt und schmachtete. (Zach. 14,8.) Du musstest dürsten, damit du sagen könntest: Wer des Wassers trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten. Wer an mich glaubt, von deß Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen. Ich will dem Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst. Ich will rein Wasser über euch sprengen. (Johannes 4,14. 7,38. Offenbarung 21,6. Hesekiel 36,25.) - Solche Wasser, solche Labung hat uns dein Durst bereitet. Wir trinken Alle von deinem Durste, dein Schmachten erquicket uns.
Johannes 20,11-14
Maria aber stand vor dem Grabe und weinte — und sprach: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Und als sie dies gesagt, wandte sie sich um, und sehe Jesum stehen, wusste aber nicht, dass er Jesus war.
Wer so suchen könnte, wie Maria, müsste auch so finden. Ihr Sucher und Sucherinnen des Suchenswürdigsten, die ihr nicht findet, gehet hier bei dieser seligen Finderin in die Schule. Die Kunst ist leicht, ein jeder kann sie lernen; und sie bringt den größten Gewinn. Man hat ihn, wo man um ihn weint. Das war auch ihr wahr, und ist allemal wahr. Tränen, die von Herzen gehen, um ihn geweint, verfehlen ihren Zweck nie; denn sie sind schon ein unzweifelhafter Beweis, dass er nicht dem Herzen stehe und anklopfe, sonst würde unser Herz nicht um ihn bekümmert und bewegt sein. Den Hunger, das Verlangen nach ihm, kann in unserm Herzen niemand erwecken, als er selbst. Wer aber an unserm Herzen rüttelt, muss unserm Herzen nahe stehen. Man kennt ihn nur nicht allemal, wie hier Maria — bis er einen beim Namen nennt. Wer mit solcher Herzens-Ungelegenheit den Verlust des Herrn beklagt, so aufrichtig um ihn weint, so ernstlich sucht, so sehnsuchtsvoll nach ihm sich umsieht, wie diese brünstige Seele, der wird und muss ihn auch bald finden. Ja, liebe Seele, ehe du ausgeweint, auf einmal, ehe du dich umwendest, steht er da und grüßet dich, wie nur er grüßen kann. Und ein solcher Gruß ist aller Mühe des Suchens wohl wert.
Johannes 20,16
Weib, was weinest du? Wenn suchst du? Sie aber, in der Meinung, dass es der Gärtner sein, sprach zu ihm: Herr hast du ihn weggetragen, so sage, wo hast du ihn hingelegt, damit ich ihn holen kann. Da sprach Jesus zu ihr: Maria! Sie wandte sich um und sprach zu ihm: Rabbuni!
Er hat ihn freilich Weggetragen; er hat sich selbst weggehoben aus dem Grabe, und wohin hat er sich gelegt? Marian in dein Herz; denn wer ihn so sucht, wie du, der hat ihn schon. Du willst ihn holen in der Ferne und er steht vor dir, den du nicht kennst und doch unaussprechlich liebst. O schöne Frage: Wo hast du ihn hingelegt? Mein Herz, stelle diese Frage recht oft an ihn, wenn er sich dir entzogen hat. Stelle sie aber auch an dich selbst, wenn du ihn selbst weggelegt, selbst verlassen und verloren hast; denn gar oft ist das Herz es selbst, das ihn sich wegnimmt, und dann lässt er sich gar lange suchen. Wenn man jedoch nicht müde wird, so wird er müde; er kann uns nicht so lange in Wehmut suchen lassen, er kann und nennt uns beim Namen. Und ein Wort von ihm, seine Stimme schon, macht uns so glücklich, als das: Maria! Wie wenig und wie viel war dieses Wort für ihre Seele! Wer die Sprache der Liebe versteht, bedarf nicht vieler Worte, nicht langer Beweise, um an die Liebe zu glauben und die Liebe zu lieben. Wenn er mich einstens, wenn er uns entgegen kommt, nur so beim Namen nennt, wie hier die Maria, bin ich alle Ewigkeit durch selig. Und in dieser Absicht, um von ihm einst genannt zu werden, wollen wir ihn jetzt gern suchen, lieben und sein bleiben, bis er kommt und alle seine Schafe mit Namen ruft. (Johannes 10,3)