Gerok, Karl von - Andachten zum Psalter - Psalm 78.

Gerok, Karl von - Andachten zum Psalter - Psalm 78.

(V. 1-37.)

(1) Eine Unterweisung Assaphs. Höre, mein Volk, mein Gesetz, neigt eure Ohren zu der Rede meines Mundes. (2) Ich will meinen Mund auftun zu Sprüchen, und alte Geschichte aussprechen. (3) Die wir gehört haben und wissen, und unsere Väter uns erzählt haben, (4) Dass wir es nicht verhalten sollen ihren Kindern, die hernach kommen, und verkündigen den Ruhm des Herrn, und seine Macht und Wunder, die er getan hat. (5) Er richtete ein Zeugnis auf in Jakob, und gab ein Gesetz in Israel, das er unsern Vätern gebot zu lehren ihre Kinder, (6) Auf dass die Nachkommen lernten, und die Kinder, die noch sollten geboren werden, wenn sie aufkamen, dass sie es auch ihren Kindern verkündigten; (7) Dass sie setzten auf Gott ihre Hoffnung, und nicht vergäßen der Taten Gottes, und seine Gebote hielten, (8) Und nicht würden wie ihre Väter, eine abtrünnige und ungehorsame Art, welchen ihr Herz nicht fest war, und ihr Geist nicht treulich hielt an Gott. (9) Wie die Kinder Ephraims, so geharnischt den Bogen führten, abfielen zur Zeit des Streits. (10) Sie hielten den Bund Gottes nicht, und wollten nicht in seinem Gesetz wandeln, (11) Und vergaßen seiner Taten und seiner Wunder, die er ihnen erzeigt hatte. (12) Vor ihren Vätern tat er Wunder in Ägyptenland, im Felde Zoan. (13) Er zerteilte das Meer, und ließ sie durchhin gehen, und stellte das Wasser, wie eine Mauer. (14) Er leitete sie des Tages mit einer Wolke, und des Nachts mit einem hellen Feuer. (15) Er riss die Felsen in der Wüste, und tränkte sie mit Wasser die Fülle, (16) Und ließ Bäche aus dem Felsen fließen, dass sie hinabflossen, wie Wasserströme. (17) Noch sündigten sie weiter wider ihn, und erzürnten den Höchsten in der Wüste, (18) Und versuchten Gott in ihrem Herzen, dass sie Speise forderten für ihre Seelen, (19) Und redeten wider Gott, und sprachen: Ja, Gott sollte wohl können einen Tisch bereiten in der Wüste! (20) Siehe, er hat wohl den Felsen geschlagen, dass Wasser flossen, und Bäche sich ergossen; aber wie kann er Brot geben, und seinem Volk Fleisch verschaffen? (21) Da nun das der Herr hörte, entbrannte er, und Feuer ging an in Jakob, und Zorn kam über Israel, (22) Dass sie nicht glaubten an Gott, und hofften nicht auf seine Hilfe. (23) Und er gebot den Wolken droben, und tat auf die Tür des Himmels. (24) Und ließ das Man auf sie regnen, zu essen, und gab ihnen Himmelsbrot. (25) Sie aßen Engelbrot, er sandte ihnen Speise die Fülle. (26) Er ließ wehen den Ostwind unter dem Himmel, und erregte durch seine Stärke den Südwind. (27) Und ließ Fleisch auf sie regnen, wie Staub, und Vögel, wie Sand am Meer, (28) Und ließ sie fallen unter ihr Lager allenthalben, da sie wohnten. (29) Da aßen sie und wurden allzu satt; er ließ sie ihre Lust büßen. (30) Da sie nun ihre Lust gebüßt hatten, und sie noch davon aßen; (31) Da kam der Zorn Gottes über sie, und erwürgte die Vornehmsten unter ihnen, und schlug darnieder die Besten in Israel. (32) Aber über das alles sündigten sie noch mehr, und glaubten nicht an seine Wunder. (33) Darum ließ er sie dahin sterben, dass sie nichts erlangten, und mussten ihr Leben lang geplagt sein. (34) Wenn er sie erwürgte, suchten sie ihn, und kehrten sich frühe zu Gott, (35) Und gedachten, dass Gott ihr Hort ist, und Gott der Höchste ihr Erlöser ist, (36) Und heuchelten ihm mit ihrem Munde, und logen ihm mit ihrer Zunge; (37) Aber ihr Herz war nicht fest an ihm, und hielten nicht treulich an seinem Bunde.

Man hat gesagt, die Geschichte sei die Lehrmeisterin der Könige, das heißt, wie er sein Volk regieren solle und wie nicht, was für Fürst und Volk Segen bringe und was Verderben, das könne ein König viel besser als aus dem Mund des weisesten Ratgebers lernen aus den Büchern der Geschichte, aus den Begebenheiten vergangener Jahre und Jahrhunderte. Man kann aber jenen Satz noch weiter ausdehnen und sagen: Die Geschichte ist die Lehrmeisterin der Menschheit; das heißt nicht nur ein Fürst, sondern auch ein Volk, und nicht nur ein ganzes Volk, sondern auch jeder einzelne Mensch kann aus der Geschichte vergangener Zeiten lernen, was er tun und lassen soll. Trost und Lehre, ermunternde Beispiele des Guten und warnende Exempel des Bösen, Beschäftigung zum Nachdenken für unsern Verstand, edlen Genuss für unser Herz, heilsame Antriebe für unsern Willen können wir reichlich schöpfen aus den Geschichten vergangener Tage, sei's dass wir zurückblicken in die graue Vorzeit und erforschen, was vor Jahrtausenden geschehen ist, oder dass wir uns erzählen lassen aus der jüngeren Vergangenheit, was unsere Väter und Großväter erlebt haben; sei's dass wir die Lebensläufe einzelner merkwürdiger Männer und Frauen lesen, oder mit den Schicksalen ganzer Völker uns bekannt machen; sei es dass wir die Geschichte unseres eigenen Landes und Volkes betrachten, oder lesen, was fern drüben über Land und Meer bei fremden Völkern sich begeben hat. Keine Geschichte aber irgend eines Volkes ist so reich an erhebenden wie an warnenden Exempeln, keine ist so nützlich zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, als die Geschichte des Volks Israel, in welcher Gott für alle Völker und alle Zeiten gleichsam einen Sittenspiegel hingestellt und eine Lehrtafel aufgerichtet hat, auf welcher mit riesengroßen, flammenhellen Buchstaben die Wahrheit geschrieben steht: Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber Sünde ist der Leute Verderben.

Auch unser Psalter enthält manche solche lehrreiche, warnende und tröstende Rückblicke in die Vergangenheit. Wie wir prophetische Psalmen haben, welche hinausblicken in die Zukunft, in das zukünftige Heil, das Reich des Messias, andere und zwar die meisten, welche die Zustände der Gegenwart aussprechen, der augenblicklichen Freude oder des augenblicklichen Schmerzes, so hinwiederum auch etliche, welche in die Vergangenheit zurückdeuten und die Bilder alter Tage wieder heraufbeschwören; das sind die sogenannten geschichtlichen Psalmen.

Von diesen haben wir schon vor acht Tagen einen gehabt, den 77sten; aber während dort Assaph mehr nur Trost suchte für sich selbst im Rückblick auf die herrlichen Taten und heiligen Wege Gottes in alten Zeiten, so soll dieser unser 78. Psalm mehr zur Lehre dienen fürs Volk, dass es nicht falle in dasselbige Exempel des Unglaubens und Undanks, wie die Väter zur Zeit Mosis und Samuels eine Unterweisung, wie's in der Überschrift heißt. Wie ein großes Panorama rollt hier Assaph die Geschichte des Volks Israel vor unsern Augen auf und führt die merkwürdigen Taten Gottes an uns vorüber, aber auch den Undank und Wankelmut seines Volkes stellt er uns dar in grellen Zügen zur heilsamen Warnung.

Wir wollen dieser Unterweisung lernbegierig zuhören und erwägen:

Die heilsamen Lehren der heiligen Geschichte.

Wir können heut in einer Stunde nicht zu Ende kommen und wollen für diesmal unserem Führer Assaph folgen bis zur Hälfte des Psalms. Zuerst kommt eine Einleitung oder Vorrede, V. 1-11, worin Assaph sagt, was er in diesem Psalme wolle, und uns aufruft, ihm mit Ernst und Andacht zuzuhören.

V. 1: „Höre, mein Volk, mein Gesetz, neigt eure Ohren zu der Rede meines Mundes.“ Als ein Lehrer des ganzen Volks tritt er hier auf; alle sollen ihm zuhören, Alt und Jung, Mann und Weib, Reich und Arm. Es ist ein schönes Amt, das Volk zu lehren und aufzuklären; wenn nur alle, die sich unterwinden, Lehrer des Volks zu sein, sei's in der Schule oder auf der Kanzel, in Zeitungen oder in Büchern, auch bedächten, welche schwere Verantwortung sie haben, und nichts anderes lehren und predigen, schreiben und drucken wollten, als was recht und wahr und gut ist, und nicht so manche Volksredner und Volkslehrer zu Volksverführern und Volksverderbern würden! Und wenn nur das Volk immer zu weisen Lehrern und guten Ratgebern seine Ohren neigte, statt dass sie so oft sich betören und verführen lassen von blinden Blindenleitern!

V. 2: „Ich will meinen Mund auftun zu Sprüchen, und alte Geschichte aussprechen.“ Alte Geschichten, aber darum keine veralteten! Denke keines: Was gehen mich diese alten Geschichten an, die vor 3000 und 4000 Jahren geschehen! - Es geschieht nichts Neues unter der Sonne und darum werden auch die alten Geschichten täglich wieder vor unsern Augen neu. Sage keines: Was soll ich diese hundertmal gehörten Geschichten noch einmal hören. Sie können dich immer wieder Neues lehren? Derselbe Spruch, dasselbe Kapitel liest man ganz anders und versteht man ganz anders, wenn man's in der Schule liest als ein flatterhaftes Kind, oder wenn man's in reifen Jahren liest mit ernstem Nachdenken, oder wenn man's im Greisenalter hört mit einem Leben voll Erfahrung hinter sich. Also mag Assaph immerhin kommen mit seinen alten Geschichten.

V. 3. 4: „Die wir gehört haben und wissen, und unsere Väter uns erzählt haben, dass wir es nicht verhalten sollen ihren Kindern, die hernach kommen, und verkündigen den Ruhm des Herrn und seine Macht und Wunder, die er getan hat.“ Von Mund zu Mund, von Geschlecht zu Geschlecht sollen sich die Taten Gottes fortpflanzen, und wie wir von Vätern und Voreltern lernen, so sollen wir wiederum was wir gelernt, erfahren und erkannt, unsere Kinder und Kindeskinder lehren. Von den Vätern her haben wir's empfangen und auf die Kinder sollen wir's vererben. Das beste Erbteil, das weise Eltern ihren Kindern hinterlassen können, sind ja heilsame Lehren und weise Ermahnungen. Hier hörst du, sagt unser alter Ausleger Joh. Dav. Frisch, hier hörst du, Vater- und Mutterherz, was deine Pflicht erfordert! Hat dich Gott sehen, hören und erfahren lassen seinen Willen, Wege und Werke, so sollst du dieses alles nicht verhalten deinen Kindern. Dazu verpflichtet dich die Ehre Gottes, denn dessen Ruhm kannst du dadurch verherrlichen. Es verbindet dich dazu sein ernstlicher Wille und Befehl, denn er will die Kinder in der Vermahnung zum Herrn erzogen haben. Es treibt dich dazu deine Liebe, die du von Natur zu deinen Kindern tragen und wie für ihren Leib, also vornehmlich für ihre Seele und Gemüt sorgen sollst, damit dasselbe mit nötiger und heilsamer Erkenntnis geziert und also seine wahre Wohlfahrt befördert werde. So versäume denn ja nichts an solcher deiner Elternpflicht. Es ist ja besser, dass deine Kinder dir vor Gott das Zeugnis geben: Unser Vater, unsere Mutter haben's uns erzählt und von Kindesbeinen an eingeschärft, was Gott zu unserem Heil getan hat, als wenn sie über dich müssen Rache schreien, dass du sie hast in ihrer Dummheit und Unwissenheit aufwachsen lassen, darüber sie endlich müssen verloren gehen. Einmal solch verwahrlostes Kinderblut wird einst von saumseliger Eltern Hand gefordert werden. Die Hölle wird an nichts leichter als an den Kindern verdient. Davor behüt uns, lieber Herr und Gott! - Die Grundlage aber von allem, was wir Kinder Gutes lehren können, ist Gottes heiliges Gebot und ewiges Gesetz.

V. 5. 6: „Er richtete ein Zeugnis auf in Jakob und gab ein Gesetz in Israel, das er unsern Vätern gebot zu lehren ihre Kinder, auf dass die Nachkommen lernten und die Kinder, die noch sollten geboren werden, wenn sie aufkamen, dass sie es auch ihren Kindern verkündigten.“ Gottes Wort und Gebot, das ist's, was gottesfürchtige Eltern vor allem sollen einschärfen ihren Kindern. Feine Manieren und äußere Bildung, edle Künste und Wissenschaften, fremde Sprachen und allerlei Kenntnisse, was man sonst lernt auf hohen und auf niederen Schulen, in Privatstunden und in öffentlichen Instituten, worein die Eltern und Kinder so oft ihren Stolz setzen, das alles mag gut sein; aber das alles reicht noch nicht aus, das alles ist noch nicht die Hauptsache für dein Kind. Nein, willst du dein Kind recht erziehen, wie du's vor Gott einst verantworten kannst, so musst du's erziehen zu einem tüchtigen Christenmenschen, musst es unterweisen und unterweisen lassen in Gottes Wort, musst es aufziehen in der Zucht und Vermahnung zum Herrn, wie's weiter heißt:

V. 7: „Dass sie setzten auf Gott ihre Hoffnung und nicht vergäßen der Taten Gottes und seine Gebote hielten.“ Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. Diese Furcht des Herrn in uns zu pflanzen, dazu sollen besonders die alten Geschichten uns dienen, die in so viel merkwürdigen Exempeln uns lehren: Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber Sünde ist der Leute Verderben. Auf diese warnenden Exempel der Sünde, des Unglaubens, Undanks, Ungehorsams weist nun Assaph hin, wenn er fortfährt:

V. 8-11: „Und nicht würden wie ihre Väter, eine abtrünnige und ungehorsame Art, welchen ihr Herz nicht fest war und ihr Geist nicht treulich hielt an Gott. Wie die Kinder Ephraims, so geharnischt den Bogen führten, abfielen zur Zeit des Streits. Sie hielten den Bund Gottes nicht und wollten nicht in seinem Gesetz wandeln und vergaßen seiner Taten und seiner Wunder, die er ihnen erzeigt hatte.“ Damit hat Assaph dieses wankelmütige und abtrünnige Volk recht scharf und treffend gezeichnet. Jetzt geharnischt mit Pfeil und Bogen und dann wieder feig und fahnenflüchtig zur Zeit der Not; jetzt demütig, dann hoffärtig; jetzt trotzig, dann verzagt; jetzt fromm, dann gottvergessen, ja so waren sie von den Zeiten Mosis an, der so viel Arbeit hatte mit diesem ungeschlachten Geschlecht, bis auf die Tage Jesu, dem sie heute Hosianna riefen und morgen ihr: Kreuzige, kreuzige ihn! entgegenschrien. Nun belegt Assaph dieses Urteil durch die Erfahrung; nun kommen wir aus der Einleitung des Psalms in die Geschichte hinein, indem nun vom 12. Vers an abwechselnd Gottes Taten und dann wieder des Volks Verhalten beschrieben wird; wie Gott allezeit abwechselte mit Gnade und Gericht, das Volk aber immer schwankte zwischen Abfall und Bekehrung.

V. 12: „Vor ihren Vätern tat er Wunder in Ägyptenland, im Felde Zoan.“ Zoan war die uralte Hauptstadt von Ägypten, die Residenz der Pharaonen; also auf diesen großen Schauplatz der Wundertaten Gottes führt uns nun Assaph. Da spricht er zuerst von den Wundern des Auszugs:

V. 13: „Er zerteilte das Meer und ließ sie durchhin gehen und stellte das Wasser wie eine Mauer.“ Dass sich Gottes Allmacht bei jenem denkwürdigen Wunder eines natürlichen Mittels bedient habe, nämlich eines gewaltigen Ostwinds, der zur Zeit der Ebbe, wo das Meer ohnehin zurückwich, einen Pfad für Israel trocken legte, dies deutet die Schrift selber an; aber darum wird das Gnadenwunder des Allmächtigen, der gerade um diese Zeit den Wind so gewaltig wehen ließ und der über das nachjagende Heer Pharaos die Wogen wieder zusammenfluten ließ, um nichts kleiner. Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen! (Ps. 104.) Ja zu Feuerflammen auch:

V. 14: „Er leitete sie des Tages mit einer Wolke und des Nachts mit einem hellen Feuer.“ In alter Zeit und noch jetzt im Morgenland ziehen vor Heereszügen und Karawanen Fackelträger mit Laternen auf hohen Stangen voran. Hier aber in seiner Herablassung wollte der Allmächtige selber seinem Volk die Fackel vorantragen und ließ ihm die feurige Wolke voranziehen bei Nacht. Nun folgen die Gnadenwunder beim Zug durch die Wüste:

V. 15: „Er riss die Felsen in der Wüste und tränkte sie mit Wasser die Fülle.“ Beim Auszug hat er das Wasser gleichsam sich versteinern lassen zur Mauer, nun in der Wüste macht er umgekehrt die Felsenmauer zum Wasserbrunnen, und tränket aus dem Felsen, den Mosis Stab berührte, die dürstenden Menschen und das lechzende Vieh, wie es weiter heißt:

V. 16: „Und ließ Bäche aus dem Felsen fließen, dass sie hinabflossen wie Wasserströme.“ Das waren die leiblichen Gnadenwunder, die dort der Herr für sein fleischliches Volk Israel tat. Von altersher hat die christliche Kirche dabei gedacht an die geistlichen Wunder, die der Herr getan hat und immer noch tut am Volk des neuen Bundes. So findet der geistreiche, fromme Joh. Arndt im Durchzug durchs rote Meer ein Vorbild der Erlösung durch das Blut Jesu; die Leitung durch die Feuer- und Wolkensäule ist ihm ein Bild Jesu, der uns auf dem Weg ins himmlische Kanaan voranzieht nach seiner menschlichen Natur gleichsam als Wolkensäule und als Feuersäule nach seiner göttlichen Natur. Die Zerreißung des Felsens bedeutet ihm die Wunden Jesu, seine durchstochene Seite und seine durchgrabenen Hände, woraus uns allen Heil und Segen fließt. Oder können wir auch darunter verstehen den Brunnen des lebendigen Wassers, das ins ewige Leben quillt, Christi lauteres Wort und heilsames Evangelium. Siehe also, Volk des neuen Bundes, du bist nicht hintangesetzt gegen das alte Volk Israel, ja der Herr hat an dir noch Größeres getan! Darum lobe den Herrn, meine Seele!

Aber ach! wo ist der Dank so oft gegen die Gnadenwohltaten des Herrn! Wo war der Dank dort beim Volk des alten Bundes!

V. 17-20: „Noch sündigten sie weiter wider ihn und erzürnten den Höchsten in der Wüste, und versuchten Gott in ihrem Herzen, dass sie Speise forderten für ihre Seelen, und redeten wider Gott und sprachen: Ja, Gott sollte wohl können einen Tisch bereiten in der Wüste! Siehe, er hat wohl den Felsen geschlagen, dass Wasser flossen und Bäche sich ergossen; aber wie kann er Brot geben und seinem Volk Fleisch verschaffen?“ Ja, das ist der Undank des Menschenherzens, das sich nicht genügen lässt an dem, was der Herr getan! Das ist der Kleinglaube des natürlichen Menschen, der, wenn der Herr aus sechs Trübsalen errettet hat, doch in der siebten wieder zaghaft ausruft: Wir verderben! Das ist der fleischliche Sinn der Weltkinder, die immer von den geistlichen Gütern und Gaben des Reichs Gottes wieder sich sehnen nach den Fleischtöpfen Ägyptens und nie das Wort verstehen lernen: Lass dir an meiner Gnade genügen! Ach dieser Undank, dieser Kleinglaube, dieser fleischliche Sinn, der auch zu unserer Zeit noch so hundertfach im Schwange geht, muss er nicht die heiligen Gerichte Gottes herausfordern, wie dort:

V. 21. 22: „Da nun das der Herr hörte, entbrannte er und Feuer ging an in Jakob und Zorn kam über Israel, dass sie nicht glaubten an Gott und hofften nicht auf seine Hilfe.“ Aber seht, wie der Herr so gnädig richtet:

V. 23-28: „Und er gebot den Wolken droben und tat auf die Tür des Himmels. Und ließ das Man auf sie regnen, zu essen, und gab ihnen Himmelsbrot. Sie aßen Engelbrot, er sandte ihnen Speise die Fülle. Er ließ wehen den Ostwind unter dem Himmel und erregte durch seine Stärke den Südwind. Und ließ Fleisch auf sie regnen wie Staub und Vögel wie Sand am Meer, und ließ sie fallen unter ihr Lager allenthalben, da sie wohnten.“ Hätte der heilige Gott nicht alle Ursache gehabt, seine Hand abzuziehen von diesem undankbaren Volk? Aber nein, er tut noch mehr: er gibt ihnen das Manna zu essen; lässt die süßen, milden, harzartigen Mannakörner, die noch jetzt sparsam von Zeit zu Zeit im Morgenland über Nacht mit dem Tau aus der Lust fallen, allmorgendlich in reicher Fülle dem Volk zur Erquickung sich finden und treibt durch den Südwind Scharen von Wachteln über sie her, die müde mit gelähmten Flügeln zu ihren Füßen niederfallen. So antwortet der Herr, der Langmütige und geduldige, auf den Undank der Menschen; er antwortet durch neue Wohltaten, ob sie nicht durch Gottes Güte sich zur Buße leiten lassen. So auch uns. Noch immer gibt er nicht nur das leibliche Brot aus der Erde, sondern auch sein Himmelsmanna, sein seligmachendes Wort zur Erquickung unserer Seelen. Freilich dem fleischlichen Sinn verwandelt sich auch der Segen Gottes zu Fluch, wie dort, V. 29. 30. 31. So gibt auch heute noch Gott manchem sozusagen im Zorn irgendein Glück dieser Welt, irgendein irdisches Gut. So kann dem fleischlichen Sinn alles zum Unsegen werden: Glück, Macht, Ehre, Geld, Gut, Gesundheit, wenn er es in Sünden missbraucht; so gibt's auch heute noch solche Lustgräber unter uns wie dort in der Wüste, und von manchem, der ein frühes Ende nimmt mit Schrecken, muss man sagen: Den hat nicht das Unglück, sondern das Glück zu Fall gebracht, das er nicht ertragen konnte. Aber auch das wirkte noch nicht bei jenem fleischlichen Geschlecht, V. 32. 33. Sie kamen nicht zu ihrer Ruhe, durften das Land der Verheißung nicht betreten. Warum?

V. 34-37: Es war nur eine halbe Buße, nur eine heuchlerische Bekehrung, ein Hinken auf beiden Seiten! O wie viel findet sich das auch heute, dieses halbe Wesen! Kommt ganz zum Herrn!

Ich gebe dir, mein Gott, aufs neue,
Leib, Seel und Herz zum Opfer hin;
Erwecke mich zu neuer Treue
Und nimm Besitz von meinem Sinn!
Es sei in mir kein Tropfen Blut,
Der nicht, Herr, deinen Willen tut!

Amen.


(V. 38-72.)

(38) Er aber war barmherzig, und vergab die Missetat und vertilgte sie nicht, und wandte oft seinen Zorn ab, und ließ nicht seinen ganzen Zorn gehen. (39) Denn er gedachte, dass sie Fleisch sind, ein Wind, der dahinfährt, und nicht wiederkommt. (40) Sie erzürnten ihn gar oft in der Wüste, und entrüsteten ihn in der Einöde. (41) Sie versuchten Gott immer wieder, und meisterten den Heiligen in Israel. (42) Sie gedachten nicht an seine Hand des Tages, da er sie erlöste von den Feinden. (43) Wie er denn seine Zeichen in Ägypten getan hatte, und seine Wunder im Lande Zoan; (44) Da er ihr Wasser in Blut wandelte, dass sie ihre Bäche nicht trinken konnten; (45) Da er Ungeziefer unter sie schickte, die sie fraßen, und Kröten, die sie verdarben; (46) Und gab ihr Gewächs den Raupen, und ihre Saat den Heuschrecken; (47) Da er ihre Weinstöcke mit Hagel schlug, und ihre Maulbeerbäume mit Schlossen. (48) Da er ihr Vieh schlug mit Hagel, und ihre Herden mit Strahlen; (49) Da er böse Engel unter sie sandte in seinem grimmigen Zorn, und ließ sie toben und wüten, und Leid tun; (50) Da er seinen Zorn ließ fortgehen, und ihre Seelen vor dem Tode nicht verschonte, und ließ ihr Vieh an der Pestilenz sterben; (51) Da er alle Erstgeburt in Ägypten schlug, die ersten Erben in den Hütten Hams; (52) Und ließ sein Volk ausziehen wie Schafe, und führte sie wie eine Herde in der Wüste. (53) Und er leitete sie sicher, dass sie sich nicht fürchteten; aber ihre Feinde bedeckte das Meer. (54) Und brachte sie in seine heilige Grenze, zu diesem Berge, den seine Rechte erworben hat; (55) Und vertrieb vor ihnen her die Völker, und ließ ihnen das Erbe austeilen, und ließ in jener Hütten die Stämme Israels wohnen. (56) Aber sie versuchten und erzürnten Gott, den Höchsten, und hielten seine Zeugnisse nicht, (57) Und fielen zurück, und verachteten alles, wie ihre Väter, und hielten nicht, gleichwie ein loser Bogen, (58) Und erzürnten ihn mit ihren Höhen, und reizten ihn mit ihren Götzen. (59) Und da das Gott hörte, entbrannte er, und verwarf Israel sehr, (60) Dass er seine Wohnung zu Silo ließ fahren, die Hütte, da er unter Menschen wohnte; (61) Und gab ihre Macht in das Gefängnis, und ihre Herrlichkeit in die Hand des Feindes; (62) Und übergab sein Volk in das Schwert, und entbrannte über sein Erbe. (63) Ihre junge Mannschaft fraß das Feuer, und ihre Jungfrauen mussten ungefreit1) bleiben. (64) Ihre Priester fielen durch das Schwert, und waren keine Witwen, die da weinen sollten. (65) Und der Herr erwachte, wie ein Schlafender, wie ein Starker jauchzt, der vom Wein kommt, (66) Und schlug seine Feinde von hinten, und hing ihnen eine ewige Schande an. (67) Und verwarf die Hütte Josephs, und erwählte nicht den Stamm Ephraim; (68) Sondern erwählte den Stamm Juda, den Berg Zion, welchen er liebte. (69) Und baute sein Heiligtum hoch, wie ein Land, das ewig fest stehen soll. (70) Und erwählte seinen Knecht David, und nahm ihn von den Schafställen; (71) Von den säugenden Schafen holte er ihn, dass er sein Volk Jakob weiden sollte, und sein Erbe Israel. (72) Und er weidete sie auch mit aller Treue, und regierte sie mit allem Fleiß.

Die heilsamen Lehren der heiligen Geschichte sind's, die dieser Psalm vor unsern Augen entwickelt. Wir gehen da gleichsam durch eine lange großartige Bildergalerie, wo uns in gewaltigen Gemälden die Taten Gottes und die Schicksale seines Volkes vor Augen gestellt werden. Da sehen wir bald ein düsteres Nachtstück menschlicher Sünde und Verkehrtheit, bald ein liebliches Lichtbild göttlicher Gnade und Erbarmung, bald ein Schlachtgemälde mit Blut gemalt, bald eine friedliche Landschaft, wo im goldenen Sonnenschein unterm blauen Himmel auf grünen Auen fröhliche Herden gelagert sind. Und unter jedem dieser Bilder steht gleichsam mit goldenen Buchstaben ein Bibelspruch geschrieben, eine Lehre, ein Trost, eine Ermahnung, die uns sagt, was wir daraus lernen sollen. So wollen wir denn heute diese schöne Bildergalerie der heiligen Geschichte vollends durchwandeln und der Heilige Geist sei unser Führer, uns die Bilder zu erklären und den Willen Gottes dabei zu verkünden.

Sieben große Bilder sind's, an denen wir in der zweiten Hälfte des Psalms von Vers 38 an vollends vorübergeführt werden. Und zwar sehen wir zuerst:

1)

Ein liebliches Lichtbild mit der Unterschrift: Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte; V. 38. 39

V. 38: „Er aber war barmherzig und vergab die Missetat und vertilgte sie nicht und wandte oft seinen Zorn ab und ließ nicht seinen Zorn gehen.“ Er aber! O welch lieblicher Gegensatz liegt in diesem „Aber“. Vom Undank, von der Heuchelei, von der Unbeständigkeit und Halsstarrigkeit seines Volkes war zuvor die Rede, womit sie in der Wüste sich versündigten an ihrem Gott trotz seiner Liebestaten und Gnadenwunder. „Er aber war barmherzig“; er blieb der alte treue Gott, den auch der Menschen Untreue nicht treulos machen kann, dem sein Herz bricht von Mitleid und Erbarmen „und vergab die Missetat“ statt sie zu strafen „und vertilgte sie nicht“, wie sie's tausendmal statt einmal verdient hatten - und „wandte oft seinen Zorn ab“, ließ die Donnerwolken wieder vorübergehen, ohne dass das Gewitter ausbrach „und ließ nicht seinen ganzen Zorn gehen“; wenn er auch strafte, so schärfte er seine Gerichte mit Maßen, strafte mit der Rute und nicht mit dem Schwert, wie dort als er zu den tödlichen Schlangen auch das Heilmittel aufstellte in der ehernen Schlange, oder damals da er die Rotte Korah verderbte zum warnenden Exempel für das ganze strafbare Volk.

V. 39: „Denn er gedachte, dass sie Fleisch sind, ein Wind, der dahinfährt und nicht wieder kommt.“ Gott ist ja nicht ein harter Mann, der da ernten wollte, wo er nicht gesät hat, und sammeln, wo er nicht gestreut hat; er ist nicht ein unbarmherziger Schuldherr, der nicht Geduld hätte mit einem zahlungsunfähigen Schuldner. Denn er kennt, was für ein Gemächte wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind, darum fährt er säuberlich auch mit einem Knaben Absalom und lässt den unfruchtbaren Feigenbaum, dem schon die Art an die Wurzel gelegt ist, noch ein Jahr stehen, ob er nicht noch Früchte bringe. Ja barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte. Gottlob, das gilt auch heute noch wie einst, das hat er an jedem unter uns schon oftmals bewiesen, wie einst an seinem alten ungetreuen Bundesvolk; schreib dir's aufs neue ins Herz, Kind Gottes, zum Trost, zur Beschämung, zur Ermunterung:

Wie ein Vater seinem Kinde sein Herz niemals ganz entzeucht,
Ob es gleich bisweilen Sünde tut und aus den Schranken weicht,
Also hält auch meine Schwächen mir mein frommer Gott zu gut,
Will mein Fehlen mit der Rut und nicht mit dem Schwerte rächen;
Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit!

Ach dass solche Güte uns auch zur Buße leitete! Aber was stellt sich uns da in der Bildergalerie der heiligen Geschichte

2)

für ein zweites Bild dar! Es ist ein Porträt, ein wohlgetroffenes, scharfgezeichnetes, nur leider kein schönes: ein Porträt des natürlichen Menschen mit der Unterschrift: Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf; V. 40-42.

V. 40: „Sie erzürnten ihn gar oft in der Wüste und entrüsteten ihn in der Einöde.“ Sie fahren fort in ihrer alten Weise und lassen nicht von ihrer bösen Art; sie betrüben das treue Vaterherz ihres Gottes bald durch Leichtsinn und Abgötterei, wie da sie tanzten um das goldene Kalb; bald durch Undank, wie da sie murrten und zurückverlangten nach den Fleischtöpfen Ägyptens; bald durch Trotz, bald durch Verzagtheit und statt dass sie in der stillen Einöde, fern von den Versuchungen der Heidenvölker, sich fromm sammelten um ihren Gott und auf dem sauren Weg durch die Wüste sich bekehrten zum Herrn, machen sie auch die stille Wüste zu einem Schauplatz und Tummelplatz ihrer Sünden.

V. 41: „Sie versuchten Gott immer wieder und meisterten den Heiligen in Israel.“ Zehnmal in zwei Jahren versuchten sie Gott durch ihren Ungehorsam, wie er selber ihnen vorhält 4. Mos. 14, und meisterten ihn, den Anbetungswürdigen, vor dem ganz Israel hätte sollen auf den Knien liegen in Ehrfurcht und dankbarer Anbetung.

V. 42: „Sie gedachten nicht an seine Hand des Tages, da er sie erlöste von den Feinden.“ Alles, was er an ihnen getan, war vergessen, selbst seine großen, ewig denkwürdigen Wunder im Lande Ägypten. Nicht wahr, ein hässliches Bild dieser Undank, diese Unzufriedenheit, dieses mürrische und gräuliche Wesen? Und doch leider ein wohlgetroffenes Porträt jenes halsstarrigen Volkes, mit dem Moses sich leiden musste vierzig Jahre lang; ja ein wohlgetroffenes Bild, muss man sagen, des menschlichen Herzens überhaupt, dieses trotzigen und verzagten, undankbaren und ungehorsamen Dings, dessen Dichten und Trachten böse ist von Jugend auf. Ein Bild, in dem wir auch unser Geschlecht, ja uns selber wie in einem Spiegel erkennen und seufzen müssen:

Denk ich, wie ich dich verlassen,
wie ich häufte Schuld auf Schuld,
So muss ich vor Scham erblassen
ob der Langmut und Geduld,
Womit du, o Gott, mich Armen
hast getragen voll Erbarmen;
Tausend, tausendmal sei dir,
großer König, Dank dafür!

Und nun, Geliebte:

3)

Ein finsteres Nachtstück, darunter geschrieben steht: Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes fallen. Assaph schildert die Plagen Ägyptens, V. 43-51, indem er zeigt, was der allmächtige Gott für sein Volk getan.

Er schildert die Blutfarbe des Nils, V. 45, die Heuschrecken, V. 46, - den Hagelschlag, V. 47. 48, die Viehseuchen, V. 49. 50, das Sterben der Erstgeburt, V. 51. So kann Gott, der Herr, ein Land und Volk strafen, das sich wider ihn auflehnt; solche eiserne Zuchtruten braucht er, um das verstockte Herz eines Pharao zu erweichen. Da siehe, sagt unser alter Ausleger, was für Jammer daraus entsteht, wenn Gott die Elemente, Lust, Erde, Wasser und andere Kreaturen wider die Menschen zur Rache gebraucht. Denn gleichwie dieselben nach dem einmal in sie gelegten und durch Christum wiederhergestellten Segen Gottes ihre Kräfte und Früchte zum Dienst und Nutzen des Menschen sonst gut und reichlich von sich geben, also wenn Gott, der Herr, sie um der übermachten Bosheit willen gegen die Menschen gebraucht, so müssen sie hervorbringen allerlei Ungeziefer und widrige Dinge zum Schaden und Verderben der Menschen; da müssen Gott die Heuschrecken, Käfer, Raupen, Geschmeiß und dergleichen anstatt eines großen Kriegsheeres dienen, das er aussendet, die Menschen zu bestrafen. Ach solche Landplagen kennen zu lernen, dürfen wir ja leider nicht zurückgehen ins uralte Ägyptenland; hat ja doch der Herr seit so manchem Jahr auch über unser Volk und Land, wenn auch milder und gnädiger, eine Plage um die andere gesandt: Hagelschlag und Überschwemmung, Misswachs und Teuerung, Kartoffelkrankheit und Traubenkrankheit, Raupen- und Mäusefraß, Viehseuchen und Cholera das sind ja wahrlich auch zehn Plagen, durch die manches verstockte Christenherz seit sieben Jahren hätte zu der Erkenntnis kommen können und sollen. Der allmächtige Gott hat alle Elemente in seiner Hand und kann Himmel und Erde gleichsam mit dem Bann belegen um unseres Undanks, Ungehorsams und Unglaubens willen. O dass der Bann der Sünde von unsern Herzen wiche, dann könnte der Herr auch den Bann von unsern Fluren nehmen und das Füllhorn seines Segens wieder reichlicher ausschütten über unsere Berge und Täler.

Wir sind, wir müssen's ja bekennen,
O frommer Gott, selbst schuld daran,
Dass deine Hand, die viel wollt gönnen,
Ein mehreres nicht geben kann;
Das Wenige ist doch noch mehr,
Als wir um dich verdient, o Herr!

Wie der Herr segnen kann, wo man seiner Führung sich überlässt, das wird uns nun vorgestellt:

4)

Im Bilde des Einzugs in Kanaan mit der Unterschrift: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln; V. 52-55.

V. 52: Da sehen wir das schöne Bild, wie Gott der Herr selber seinem Volke voranzieht als ein guter Hirte seiner Herde. Und

V. 53: Wie ein rechter Hirte seine Herde schützt gegen Räuber und Wölfe, so hat der Herr sein Volk mächtig geschützt gegen den nachjagenden Pharao und ihn begraben unter den Wellen des roten Meers.

V. 54: Wie ein Hirte seine Herde auf grüne Weide führt, zumal auf die sonnige Bergalpe, wo sie würzige Kräuter findet und gesunde Lust, so hat der Herr sein Volk eingeführt in das schöne Bergland Kanaans und bis zu dem heiligen Zionsberg.

V. 55: Wie er am Abend sie sich lagern lässt in den sicheren Hürden, so hat er unter Josua sie eingesetzt in das verheißene Erbe und jedem Stamm seinen Wohnplatz angewiesen von Bersaba bis Dan, wo er ruhen konnte im Schatten seines Weinstocks und Feigenbaums. O selige Erfahrung: Der Herr ist mein Hirte! Und gottlob heute noch wie einst darf sein Volk es erfahren und darf jeder Fromme insbesondere es erfahren und dürfen auch wir es erfahren, wo wir nur wollen: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln; er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Darum,

Von Gott will ich nicht lassen, denn er lässt nicht von mir;
Führt mich auf rechter Straßen, wenn ich geh in der Irr,
Er reicht mir seine Hand; den Abend wie den Morgen
Will er mich wohl versorgen, wo ich auch bin im Land.

Hätte man nicht denken sollen, unter einem solchen Hirten, in einem solchen Erbe werde nun endlich das Volk sich zur Ruhe geben und im Frieden wohnen? Aber dieses tolle, blinde, törichte Volk konnte die Ruhe nicht schmecken und das Glück nicht ertragen und forderte immer wieder Gottes Gerichte heraus. Das wird uns nun vorgestellt:

5)

In einem blutigen Schlachtenbild, V. 56-64. Da werden wir versetzt in die eiserne Zeit der Richter, wo Kampf und Krieg, Blut und Gräuel aller Art an der Tagesordnung war beim Volk Israel. Da wird uns zuerst wieder das Volk geschildert, wie es forttrieb den alten eitlen Wandel nach der Weise der Väter:

V. 56. 57: Wie ein schlechter, unzuverlässiger Bogen, mit dem man nicht sicher zielen kann, ja der gar in der Hand des Schützen zerbricht und ihn selbst mit seinen Splittern verlegt, so war das Volk Israel in Gottes Hand.

Sie hätten ihm ein Bogen sein sollen, um die Pfeile seiner Gerechtigkeit abzuschießen gegen die Gräuel der heidnischen Kananiter; und siehe, sie gaben sich dazu nicht her, ja sie hielten's gar selber mit den heidnischen Gräueln:

V. 58: „Und erzürnten ihn mit ihren Höhen und reizten ihn mit ihren Götzen.“ Aber nun entbrannte der Zorn Gottes und er musste die Schärfe des Schwerts kehren gegen sein eigenes Volk:

V. 59: Ja, sein Gericht musste anfahen am eigenen Haus, an der Stiftshütte:

V. 60: Das ist's, was uns erzählt wird 1. Sam. 4, wie bei Silo, wo die Stiftshütte war, Israel geschlagen ward von den Philistern; und

V. 61 die Bundeslade selber, das Heiligtum, die Macht und Ehre des Herrn, von den Heiden genommen und erobert ward; wie

V. 62. 63 in einem furchtbaren Blutbad 30 000 Mann von Israel fielen, die Blüte der Jugend dahinsank unter dem Schwert, also dass daheim die verlassenen Bräute einsam jammerten. Ja,

V. 64: Ihre Priester, auch Hophni und Pinehas, die Söhne Elis, waren in der Schlacht gefallen und der 98jährige Eli fiel bei der Schreckenskunde rückwärts vom Stuhl unter dem Tor und brach den Hals; Pinehas Witwe aber starb in jähem Schreck dahin unter Geburtswehen mit dem Jammerschrei: Die Herrlichkeit ist dahin in Israel, denn die Lade Gottes ist genommen, so dass nicht einmal die Witwe mehr da war, zu klagen und zu trauern über das entsetzliche Leid. Das ist ein furchtbares Schlachtbild, und die Lehre, die darunter geschrieben steht und die auch in unseres Volkes Geschichte schon oft mit Blut geschrieben worden ist, das ist die alte Lehre: Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber Sünde ist der Leute Verderben. Was können wir da anders als bitten: Vor einem Ende mit Schrecken, vor einem bösen, schnellen Tod behüt uns, lieber Herr und Gott; lass uns nicht in Sünden sterben, noch an Leib und Seel verderben! Aber nun wieder ein lichteres, helleres Bild:

6)

Da sehen wir einen Sonnenaufgang gleichsam gemalt und im purpurnen Glanze des Morgenrots den Zionsberg ragen mit seinen goldenen Tempelzinnen, V. 65 bis 69, und dabei die Unterschrift: Über Zion geht auf der Glanz Gottes. Nachdem Gott eine Zeitlang die Feinde hat mächtig werden lassen, weil er sie als Zuchtrute brauchte für sein Volk, siehe so hat er nun die Rute selber genommen, zerbrochen und ins Feuer geworfen. Nachdem eine Zeitlang die finstre Nacht des göttlichen Zorns auf Israel gelegen, siehe so brach nun die Sonne der göttlichen Gnade wieder herrlich aus den Wolken hervor. Von Silo zwar blieb das Heiligtum hinfort auf immer weg und dem Stamme Ephraim war die Ehre genommen, wie Gott seine Gnade, sein Reich, seine Kirche oft wegnimmt von einem Volk und Land, das sich derselben unwürdig bewiesen; aber dafür geht über Zion nun auf die Herrlichkeit des Herrn. Da sieh, o Seele, die gewaltige Hand des Herrn, von dem es heute noch heißt wie einst:

Es sind ja Gott geringe Sachen
Und seiner Allmacht gilt es gleich,
Den Reichen klein und arm zu machen,
Den Armen aber groß und reich;
Er ist der rechte Wundermann,
Der stürzen und erhöhen kann.

Das hat er am herrlichsten bewiesen an seinem Knechte David. Und so schließt unsere heilige Bildergalerie:

7)

Mit einem herrlichen Königsbild, mit dem Bilde des Völkerhirten David, darunter wir die Schrift lesen: Die Hoffärtigen stößt Gott vom Stuhl, aber den Demütigen gibt er Gnade.

V. 70: „Und erwählte seinen Knecht David und nahm ihn von den Schafställen.“ Sieh, o Seele, was verachtet ist vor der Welt, das ist oft köstlich vor dem Gott, der das Herz ansieht und nicht die Person. Darum wenn du auch gering geachtet bist vor der Welt, sei getrost: Der Herr kennt die Seinen. Wen er im kleinen getreu erfunden, den kann er über viel setzen, wie den Sohn Isais,

V. 71: Den er von der Schafherde auf den Königsthron führte und gab ihm statt des Hirtenstabs ein Zepter in die Hand und statt der Schafherde ein Volk zu weiden. V. 72: „Und er weidete sie auch mit aller Treue und regierte sie mit allem Fleiß.“

Darum steht sein Bild mit Ehren geschmückt für alle Zeiten in der Bildergalerie des Volkes Gottes, und darum schließt Assaph seinen Psalm gar schön mit der Hinweisung auf diesen Fürsten nach dem Herzen Gottes. Wohl dem Volk, das einen Fürsten hat, von dem es heißt: „Er weidete sie mit aller Treue und regierte sie mit allem Fleiß.“ Möchte Gott allen christlichen Untertanen solche Davidische Obrigkeiten je mehr und mehr schenken und wo sie sind, erhalten, damit wir ein stilles und ruhiges Leben führen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Einen König aber haben alle Christen, der noch herrlicher ist als David und von dem es im allerhöchsten Sinne gilt: „Er weidet seine Untertanen mit aller Treue und regiert sie mit allem Fleiß.“ Das ist der herrliche Davidssohn Jesus Christus; er ist der Mittelpunkt und das Ziel aller Weltgeschichte, er, zu dem wir singen:

Wie schön leucht't uns der Morgenstern,
Voll Gnad und Wahrheit von dem Herrn
Uns herrlich aufgegangen!
O guter Hirte, Davids Sohn,
Mein König auf dem Himmelsthron,
Du hast mein Herz umfangen:
Lieblich, freundlich, schön und prächtig,
Groß und mächtig,
Reich an Gaben,
hoch und wundervoll erhaben!

Amen.

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unverheiratet
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