Walther, Carl Ferdinand Wilhelm - Gesetz und Evangelium - Zwanzigste Abendvorlesung. (27. Februar 1885.)

Walther, Carl Ferdinand Wilhelm - Gesetz und Evangelium - Zwanzigste Abendvorlesung. (27. Februar 1885.)

Wird, meine Freunde, einem lutherischen Candidaten der Theologie endlich der Platz angewiesen, wo er nun das Amt eines lutherischen Predigers verwalten soll, da sollte ihm nun dieser Platz der theuerste, schönste und köstlichste auf der ganzen Erde sein. Kein Königreich soll er dafür eintauschen wollen; es sollte ihm erscheinen wie ein kleines Paradies, mag es nun immerhin eine große oder kleine Stadt sein; mag es immerhin eine kahle Prairie oder ein noch nicht ganz gelichteter Wald sein, mag es eine blühende Ansiedlung oder eine Gegend gleich einer Wüstenei sein. Ach, die lieben Engel kommen mit so großer Freude vom Himmel herab, wenn sie der liebe Gott vom Himmel herunter sendet zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit! Wie sollten wir nun armen Sündern nicht mit großen Freuden nacheilen, wo wir auch Menschen zur Seligkeit bringen sollen, unsere Mitsünder? Mit so großer Freude aber ein junger, eben berufener Pastor seinen Einzug in seiner Parochie halten sollte, mit eben so großem Ernst sollte nun bei ihm das feststehen: „Ich will alles thun, damit jede mir anvertraute Seele selig werde!“ Merkt er darum, daß in seiner Gemeinde die allermeisten – ja, wie es häufig scheint – alle noch blinde, todte, unbekehrte Menschen sind, so darf ihn das nicht verdrießlich machen, auch nicht entmuthigen, sondern das soll ihn vielmehr anfeuern zu dem brünstigen Verlangen: „Ich will sie alle aus ihrem geistlichen Tode aufwecken und durch Gottes Gnadenmittel sie zu lebendigen Christen machen. Der Teufel soll es nicht hindern. Im Glauben will ich es angreifen!“ Oder merkt er etwa, daß in seiner neuen Gemeinde sogar solche sich finden, welche in offenbaren Schanden und Lastern dahingehen, so braucht er auch dann nicht zu verzweifeln, sondern er soll denken: „O, ich habe ein kräftiges Wort, und ich werde versuchen, ob ich durch dasselbe diese Sclaven der Sünde frei machen kann.“ Oder merkt er, daß seine Gemeinde noch auf einer sehr tiefen Stufe der Erkenntniß des Heils steht, noch ganz unwissend ist über das, was eigentlich das Evangelium ist, dann muß er sich vornehmen: „Ich will fröhlich an das Werk gehen und geduldig und eifrig diese armen, unwissenden Menschen unterrichten, daß das Licht ihnen doch aufgehe!“ Oder merkt er etwa, daß in seiner Gemeinde aufrichtige Seelen sind, die aber pietistisch geschult und bisher so geführt worden sind, die gesetzlich angelegt sind, die daher manches für Sünde halten, was gar keine Sünde ist, so muß er sich den Vorsatz machen: „Ich will das nicht thun, was ich thun könnte; denn ich weiß, es sind Seelen da, die halten es für Sünde. Ich will ihnen keinen Anstoß geben.“ Oder auch umgekehrt, es sind vielleicht Leute da, die mehr antinomistisch gesinnt sind, die mehr geneigt sind, in der christlichen Freiheit zu weit zu gehen, und nie gewohnt waren, daß ihnen das Gesetz scharf gepredigt wurde, so darf er nicht gleich denken: „Da mußt du dich mit aller Gewalt dagegensetzen! Ich will ihnen ein Jahr lang nichts als das schärfste Gesetz predigen!“ Ach nein, es muß ihnen nachgegangen werden und nach und nach erst muß das Gesetz schärfer hervortreten; denn der Apostel Paulus sagt von sich, und will, daß es jeder Diener Christi zu Herzen nehme: „Ich bin jedermann allerlei geworden, auf daß ich allenthalben ja etliche selig mache“, das heißt: „Ich darf nicht damit zufrieden sein, daß ich nur die Wahrheit verkündige, sondern daß ich sie so verkündige, wie es alle die Leute gerade brauchen. Da darf ich gar manches noch nicht sagen, was ich für spätere Zeiten aufschieben muß, bis sie endlich zu mir und meiner Lehre Zutrauen haben, und ich ihnen alles frei heraussagen kann, ohne zu fürchten, daß sie dadurch abgestoßen werden.“ Kurz, merkt er, daß seine Gemeinde noch in Finsterniß ist, daß sie noch eine Wüstenei ist, so muß er denken: „Wohlan, ich will sie durch Gottes Gnade zu einem blühenden Garten Gottes machen.“ Oder sieht er mit großer Freude, daß die allermeisten in seiner Gemeinde alte, erfahrene, gläubige, lebendige Christen sind und nur wenige in der Gemeinde sind, die sofort den Eindruck machen, daß sie unbekehrte Leute sind, da muß er sich vornehmen: „Wohlan, vor allem muß ich sogleich bei denen, die noch unbekehrt sind, versuchen, sie zu Christo herzubringen.“ Natürlich muß er sich sogleich mit vornehmen, denen, die schon gegründet sind, seiner Zeit die starke Speise zu geben, die sie bedürfen.

Ach, unselig ist ein junger Prediger, der in das Amt eintritt und denkt: „Wohlan, die Zeit der großen Arbeit und Mühe ist nun vorbei. Jetzt bin ich eingelaufen in den Hafen der Ruhe und des Friedens! Das will ich denn auch genießen. Jetzt bin ich mein eigener Herr und brauche mir nichts vorschreiben zu lassen von keinem Menschen in der Welt!“ Unselig ist ein solcher Mensch, der mit einer solchen Gesinnung in das heilige Amt eintritt! Aber auch unselig ist der Prediger, der nun sein Amt als ein Handwerk betreiben will, und denkt: „Jetzt will ich mir aber auch eine recht schöne, gemächliche, gemüthliche Pfarre einrichten! Nun will ich mich wohl hüten, die Leute mir zu Feinden zu machen, sondern ich will alles thun, daß sie alle meine guten Freunde sind.“ Ach, ein unseliger Mensch! Die wollen das Geistliche benutzen, um das Leibliche damit zu gewinnen! Das sind keine Diener JEsu Christi! Zu denen wird er einst an jenem Tage sagen: „Ich habe euch noch nie erkannt; weichet alle von mir, ihr Uebelthäter!“ Aber selig ist derjenige Prediger, der gleich am ersten Tage sich fest vornimmt: „Wohlan, ich will alles thun, so viel Gott mir Gnade gibt, daß durch meine Schuld auch nicht eine Seele in dieser Gemeinde verloren geht! Ich will alles thun durch Gottes Gnade, damit, wenn ich einst meinen Hirtenstab muß weglegen, ich zu Christo sagen kann: „Hier bin ich und die du mir gegeben hast; ich habe deren keines verloren!““ – wie einst Christus zu seinem Vater sagen konnte. „Ihr Blut klebt nicht an meinen Fingern, auch nicht das Blut derjenigen, die zu deiner Linken stehen.“

Nun entsteht aber die Frage: „Was ist denn die Hauptsache, damit ein Prediger dieses herrliche Ziel erreiche?“ Die Hauptsache ist, daß er mit brünstigem Gebet und ernstlicher Fürbitte für seine Gemeinde zu Gott kommt, und zwar täglich, und daß er Gottes reines Wort mit großem Eifer verkündigt öffentlich und sonderlich, publice et privatim, und zwar mit rechtem Theilen der Wahrheit. Denn so schreibt der heilige Apostel Paulus: „Befleißige dich Gott zu erzeigen einen rechtschaffenen und unsträflichen Arbeiter, der da recht theile das Wort der Wahrheit.“ 2 Tim. 2,15.

Es ist dies ja der Gegenstand, der uns in diesem Seminarjahre beschäftigt, nämlich daß wir sollen das Wort Gottes recht theilen, das heißt, recht unterscheiden zwischen Gesetz und Evangelium. Das sind die beiden Cardinallehren der ganzen heiligen Schrift; aus diesen beiden Hauptlehren besteht sie. Man kann von jedem Spruch in der heiligen Schrift, ja auch von jeder geschichtlichen Thatsache, die in der heiligen Schrift aufgezeichnet ist, sagen: „Das gehört zum Gesetz und das gehört zum Evangelium.“ Und es sollte keiner aus einer theologischen Anstalt hinausgehen, der nicht sagen könnte: „Das ist Gesetz und das ist Evangelium“, oder: „Da gehört der Vordersatz zum Gesetz und der Nachsatz zum Evangelium“, oder umgekehrt. Da gilt es denn, daß man zur Klarheit über diesen Gegenstand komme. – Es wäre nun noch manches zur neunten Thesis zu sagen gewesen, aber wir dürfen uns nicht länger dabei aufhalten, sonst kommen wir nicht zu Ende.

Thesis X.

Gottes Wort wird sechstens nicht recht getheilt, wenn man vom Glauben entweder so predigt, als ob das todte Fürwahrhalten selbst trotz Todsünden vor Gott gerecht und selig mache, oder also, als ob der Glaube um der Liebe und Erneuerung willen, die er wirkt, rechtfertige und selig mache.

Wir wollen heute bei dem ersten Theil dieser Thesis stehen bleiben. Das ist eine Vermischung des Gesetzes und des Evangeliums, die wir vornehmlich im Pabstthum finden. Daß dieser Irrthum herrscht im Pabstthum, das ist die Hauptursache, warum sie nichts von Luther und seiner Lehre wissen wollen. Sie haben gehört und gelesen, daß Luther lehrte, daß nicht die guten Werke selig machen, sondern allein der Glaube ohne die guten Werke. „Also“, schließen sie, „muß Luther doch ein gottloser Mensch gewesen sein! Der sagt seinen Lutheranern: „Glaubt, glaubt nur. Ihr braucht keine guten Werke, so kommt ihr in den Himmel!““ Das ist aber Luthers Lehre schlechterdings nicht, sondern das directe Gegentheil lehrte Luther. Er sagt zwar nicht: „Man muß zwar den Glauben haben, aber daneben auch die guten Werke, die Liebe“, sondern: „Wir müssen einen solchen Glauben haben, der von selbst die Liebe hervorbringt und fruchtbar ist in guten Werken.“ Dann aber rechtfertigt der Glaube nicht um der Liebe willen, sondern der Glaube, den der Heilige Geist hervorbringt, der nicht anders kann als Gutes thun, rechtfertigt darum, weil er sich an die Gnadenverheißungen hält, weil er Christum ergreift, nicht weil er fruchtbar ist in guten Werken, sondern weil er ein wahrer Glaube ist, so thut er gute Werke. Man braucht ihn gar nicht dazu zu ermahnen, sondern er thut das Gute ganz von selbst. Er thut es nicht, weil er denkt: „Du bist schuldig, gute Werke zu thun, weil Gott dir deine Sünden vergeben hat“, sondern die Hauptsache ist: er kann nicht anders. Es ist ganz unmöglich, daß der wahre Glaube im Herzen ist und nicht hervorbreche in der Liebe und in guten Werken. Aber davon haben die Papisten keine Ahnung. Sie denken: man kann im wahren Glauben stehen und doch in Todsünden leben. Darum sagen sie auch zu uns: „Ja, der Glaube, der wird euch selig machen! Das ist eine schöne Religion! Die allerschrecklichste, die noch je erfunden worden ist!“ So sprechen sie von Luther. Aber Luther ist es nie in den Sinn gekommen, einen solchen Glauben zu lehren, der nur glaubt, was die Kirche glaubt. Und das ist es, was die Papisten mit dem Glauben verbinden, indem sie sagen: „Der Glaube ist die Ueberzeugung, daß die Lehre der Kirche die rechte sei. Wer diese Ueberzeugung hat, der hat den rechten Glauben.“ Sie setzen aber sogleich hinzu: „Ein solcher wird aber nicht selig.“ Darum kann bei ihnen einer ein Hurer, ein Ehebrecher, ein Trunkenbold, ein Dieb und doch ein guter Gläubiger sein.

Gal. 5,6.: „Denn in Christo JEsu gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe thätig ist.“ – Ist der Glaube nicht durch die Liebe thätig, so ist er nicht deswegen unwirksam, weil er keine Liebe hat, sondern weil er gar kein wirklicher, rechtschaffener Glaube ist. Nicht muß die Liebe hinzukommen zum Glauben, sondern sie muß aus ihm herauswachsen. Ein fruchtbarer Baum bringt Früchte nicht deswegen, weil man es ihn heißt, sondern so lange Leben in ihm ist und er noch nicht verdorrt ist, so bringt er die Früchte von selbst. Ein solcher Baum ist der Glaube; der bringt gute Früchte, und so lange er die bringt, so sieht man: „Er ist nicht verdorrt, sondern er lebt.“ Bringt er sie aber nicht, so sieht man: „Er ist verdorrt. So lange er aber lebt, bringt er gute Früchte.“ So ist es auch mit der Sonne. Der braucht man es nicht zu sagen, die wird fortscheinen bis an den jüngsten Tag, ohne daß man es ihr gebietet. Eine solche Sonne ist auch der Glaube.

Apost. 15,9.: „Und machte keinen Unterschied zwischen uns und ihnen, und reinigte ihre Herzen durch den Glauben.“ Ein wahrer Glaube reinigt das Herz. Wer da sagt: „O, ich habe einen festen Glauben! Von meinem Glauben will ich nicht ablassen“, und er hat kein reines Herz, dem muß man sagen: „Du steckst in großer Finsterniß. Du hast keinen Glauben! Magst du immerhin alle Wahrheiten, die in der lutherischen Kirche gepredigt werden, für wahr halten – ist dein Herz noch das alte, ist dein Herz noch voll Liebe zur Sünde, handelst du noch wissentlich wider dein Gewissen, wohlan, so ist dein ganzer Glaube nur Schein. Das ist der wahre Glaube nicht, den der Heilige Geist meint, wenn er in der heiligen Schrift vom Glauben redet.“

Joh. 5, 4.: „Wie könnet ihr glauben, die ihr Ehre von einander nehmet? Und die Ehre, die von Gott allein ist, suchet ihr nicht.“ – Ein furchtbares Urtheil! Da sagt der Heiland geradezu: „Wer Ehre sucht, der hat keinen Glauben.“ Das gehört mit zu den Früchten des Glaubens; sobald der wahre Glaube in das Herz gepflanzt worden ist, so gibt man Gott allein die Ehre. Und wenn man doch von Menschen geehrt wird, so denkt man in seinem Herzen: „Das hast du doch nicht verdient!“ Man spricht zu seinem Gott:

„Ist etwas Guts am Leben mein,
So ist es wahrlich lauter dein.“

So gibt der Gläubige Gott die Ehre zurück. Wenn aber einer, weil er etwas zurückgesetzt, oder vielleicht gar verachtet wird, gleich traurig und verdrießlich wird – denn dann hat er nicht, was er sucht – der hat keinen Glauben. Wer auf die Kanzel geht und denkt: „Nun, die Leute sollen aber sehen, daß ich auch ein Prediger bin!“ der ist ein glaubloser Mensch, wenn er von dieser Gesinnung beherrscht wird. Wenn dann die Leute sagen: „Das war aber schön! Wie doch der junge Mann alles so schön vorträgt! Der wird ’mal was Großes werden!“ – hört er etwa unverständige Leute so urtheilen – ach, das thut so wohl! Das ist ihm zehnmal lieber, als wenn sie ihm zehn Thaler in die Hand drücken – obwohl er auch die annimmt. Aber die Sache ist ernst! Wir sind alle von Natur zum Hochmuth geneigt, sind stolz, hochmüthig, wollen Ehre haben. Nur der Heilige Geist kann dieses schändliche Laster aus unserm Herzen hinaustreiben. Wir werden es aber nicht ganz los. Die böse Wurzel bleibt drin im Herzen. Steht aber einer im Glauben und er merkt das, so verabscheut er es und denkt: „Ich bin doch ein schändlicher, elender Mensch!“ Er schämt sich vor sich selbst; er bittet Gott, er möge ihn doch erlösen von diesen schändlichen, hochmüthigen Gedanken.

Daß das wahr ist, daran kann kein Zweifel sein, denn unser Heiland sagt selbst: „Wie könnet ihr glauben, die ihr Ehre von einander nehmet?“ Diese Frage soll doch nichts anderes heißen als: Ihr könnet nicht glauben; es ist unmöglich, daß „Ehre suchen“ und „glauben“ mit einander vereinigt sein können, sondern die Folge davon, daß der Glaube ins Herz kommt, ist die, daß man demüthig wird vor Gott und Menschen. Wenn wir auch nicht vergessen dürfen, daß diese giftige Wurzel noch im Herzen stecken bleibt, damit wir nicht verzweifeln, wenn wir einmal unser Herz belauschen, so müssen wir doch, so oft sich solche Gedanken auch bei uns Christen regen, gleich dagegen kämpfen. Wer nicht dagegen kämpft, der ist kein Christ, oder er hat den Glauben verloren.

1 Joh. 5,4: „Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ – Wer also noch nicht von Gott geboren ist, wer noch in seiner alten Natur steckt, der hat keinen Glauben. Wer noch ein Freund der Welt ist, wer noch in der Welt Thorheit und Eitelkeit die Befriedigung seines Herzens sucht, der hat noch keinen Glauben, denn der Glaube ist der Sieg, der die Welt überwindet.

Jac. 2,1.: „Liebe Brüder, haltet nicht dafür, daß der Glaube an JEsum Christum, unsern HErrn der Herrlichkeit, Ansehen der Person leide.“ – Wer die Reichen vorzieht vor den Armen, weil sie reich sind, der sieht die Person an und hat also keinen Glauben. Der Glaube leidet das nicht, sagt Jacobus sehr schön. Das heißt: Wo der Glaube ist, da muß diese Gesinnung weichen, da sieht man nicht mehr die Person an, sondern man sieht ihn an, wie er in seinem Verhältniß zu Gott steht, und denkt: „Dieser arme Bettelmann ist auch erlöst durch das Blut des Sohnes Gottes; darum ist er mir eben so viel werth wie ein Kaiser und König.“ So große Wunder thut der Glaube in unsern Herzen! Wer aber so vom Glauben predigt, als ob das todte Fürwahrhalten vor Gott gerecht und selig mache, selbst bei Todsünden, der macht eben aus dem Glauben ein Werk, das der Mensch in sich selbst erzeugen kann, so daß er auch, wenn er in den größten Sünden lebt, sagen kann: „Nun ja, ich bin zwar in die und die Sünde gefallen, aber ich will glauben, dann komme ich ja doch in den Himmel.“ Was ist dann der Glaube anders als ein gutes Werk, das der Mensch sich selbst geben kann und das er sich selbst erhalten kann? Aber der Glaube ist ein Schatz, den uns nur der Heilige Geist geben kann.

Nun hören Sie, wie die Papisten lehren im Concilium Tridentinum. Sie wissen ja, wenige Monate vor Luthers Tod trat endlich das Tridentiner Concil zusammen, um die Wunden zu heilen, welche ihnen das Werk der Reformation geschlagen hatte. Da haben sie alle Irrthümer, welche sich nach und nach in der römischen Kirche eingebürgert hatten, versiegelt, aber ein klein wenig feiner dargestellt, als das von den meisten damaligen römischen Theologen gethan worden ist. Hören Sie nun eine Stelle daraus nach der Uebersetzung eines römischen Theologen, Smets.

Es heißt daselbst in Sess. 6.: „Es muß fest behauptet werden, daß nicht allein durch Unglauben, durch welchen der Glaube selbst verloren wird“, – Das geben sie zu, wenn einer ungläubig wird, da verliert er den Glauben. Welche höchst wichtige Wahrheit! Das setzen sie voran, um die Leute zu blenden und irrezuführen. – „sondern auch durch jede andere Todsünde, obgleich dadurch nicht der Glaube verloren wird. . . .“ – Man verlöre zwar die Seligkeit, aber der Glaube werde dadurch nicht verloren. Da haben sie ganz recht: ihr Glaube wird nicht verloren, denn der allerlasterhafteste Katholik glaubt am besten an ihre katholische Religion. – „Das Evangelium, Gnade, Gerechtigkeit, Vergebung der Sünde verloren kann werden, zur Vertheidigung des göttlichen Gesetzes, welches nicht allein die Ungläubigen ausschließt, sondern auch die Gläubigen, nämlich die Hurer, Ehebrecher, Knabenschänder, Trunkenbolde, Räuber und alle diejenigen, welche Todsünden begehen.“ – Nach der römischen Religion gibt es also gläubige Diebe, gläubige Hurer, gläubige Ehebrecher, Knabenschänder, gläubige Geizhälse, Trunkenbolde, Lästerer und Räuber. Daraus sehen Sie nun, daß diese unseligen Menschen auch keine Ahnung haben von dem, was Glaube ist. Wenn sie das würden wissen, sollten sie bald merken: Ihr bösen Buben könnt den Glauben nicht glauben. Aber zugleich würden sie einsehen: Also lehrt die lutherische Kirche ganz anders, als wir bisher gedacht haben. Die Lehre Luthers, weit gefehlt, daß sie die Werke zurückstellt, so wird darin vielmehr die rechte Quelle gezeigt, aus der die guten Werke fließen müssen. Wenn man nämlich durch den Heiligen Geist und Gottes Gnade eine feste, lebendige Zuversicht auf Christum erlangt hat, dann kann man nicht in Sünden bleiben. Der Glaube verändert das Herz und reinigt dasselbe.

Aber man sollte es nicht denken: die Calvinisten stecken in demselben Irrthum, aber auf einer andern Seite.

So lesen wir in den Beschlüssen der Dordrechter Synode (cap. V, 3-8): „Wegen dieser Ueberreste der einwohnenden Sünde, und obendrein wegen der Versuchungen der Welt und des Satans könnten die Bekehrten in dieser Gnade nicht stehen bleiben, wenn sie ihren eigenen Kräften überlassen würden. Aber Gott ist getreu, welcher gerade sie aus Erbarmen in der einmal verliehenen Gnade befestigt und in derselben bis ans Ende mächtig erhält. Wenn aber auch jene Macht Gottes, welche die wahrhaft Gläubigen in der Gnade befestigt und erhält, größer ist, als daß sie vom Fleisch überwunden werden könnte, so werden doch die Bekehrten nicht immer so von Gott getrieben und bewegt, daß sie nicht in gewissen, besonderen Handlungen von der Leitung der Gnade abwichen und von den Begierden des Fleisches verführt würden, denselben zu gehorchen. Und deshalb müssen sie fortwährend wachen und beten, damit sie nicht in Versuchung geführt werden. Wenn sie dies nicht thun, können sie nicht allein vom Fleisch, von der Welt und dem Satan zu schweren und schrecklichen Sünden fortgerissen werden, sondern sie werden zuweilen auch durch Gottes gerechte Zulassung fortgerissen. Das zeigen der traurige Fall eines David, eines Petrus und anderer Heiligen, welche in der heiligen Schrift beschrieben werden. Durch solche große Sünden aber beleidigen sie Gott sehr, sie gerathen in die Verschuldung des Todes, sie betrüben den Heiligen Geist, sie unterbrechen die Ausübung des Glaubens“, – nur die Ausübung des Glaubens! den Glauben selbst behalten sie also! – „sie verletzen das Gewissen aufs schwerste, sie verlieren zuweilen die Empfindung des Glaubens eine Zeitlang; bis ihnen, indem sie in Folge ernster Besinnung (Buße) auf den rechten Weg zurückkehren, das väterliche Angesicht Gottes wieder entgegenstrahlt. Denn Gott, welcher reich ist an Erbarmen, nimmt, in Folge des unveränderlichen Vorsatzes der Wahl, auch in traurigen Fällen (Sündenfällen) den Heiligen Geist nicht gänzlich von den Seinen, noch läßt er dieselben so weit sinken, daß sie aus der Gnade der Kindschaft und dem Stand der Rechtfertigung herausfallen. . . . Denn erstens erhält er in ihnen jenen seinen unvergänglichen Samen, aus welchem sie wiedergeboren sind, daß derselbe nicht verloren gehe oder vertrieben werde.“ – Sie beziehen sich auf 1 Joh. 3,9.: „Wer aus Gott geboren ist, der thut nicht Sünde, denn sein Same bleibet bei ihm, und kann nicht sündigen, denn er ist von Gott geboren.“ Damit wird aber nicht gesagt, daß die Bekehrten diesen Samen nicht verlieren können, sondern wenn er in ihnen ist, so bewirkt er auch, daß sie nicht mehr in Todsünden leben. – „Ferner erneuert er dieselben gewißlich und kräftig durch das Wort und seinen Geist zur Buße, damit sie sich wegen der begangenen (zugelassenen) Sünden von Herzen und in Uebereinstimmung mit Gott betrüben, die Vergebung im Blut des Mittlers durch den Glauben mit reuigem Herzen erbitten und erlangen, die Gnade des versöhnten Gottes wiederum empfinden, sein Erbarmen im Glauben anbeten, und demnächst ihre Seligkeit mit Furcht und Zittern eifriger schaffen. So erlangen sie das nicht durch eigene Verdienste und Kräfte, sondern aus dem gnädigen Erbarmen Gottes, daß sie nicht gänzlich aus dem Glauben und aus der Gnade herausfallen, noch bis ans Ende in ihrem Fall bleiben und verloren gehen.“ – Also die Calvinisten behaupten: Als David in Ehebruch fiel und sogar einen Mord beging, da habe er den Glauben nicht verloren, auch die Gnade nicht; der Glaube habe sich nur etwas zurückgezogen und somit habe er seinen Glauben nicht ausüben können, das sei alles. Aber aus der Gnade sei er nicht gefallen, den Glauben verloren habe er nicht, daß er da hätte können verloren gehen und nicht selig werden, wenn er in diesem Zustand gestorben wäre.

Das ist eine überaus erschreckliche Lehre. Wenn das die Leute meinen, daß sie den Glauben und die Gnade nicht verlieren können, so werden sie auch nicht daran denken, Buße zu thun, wenn sie abgefallen sind durch grobe Sünden, wie sogar Ehebruch und Mord. Daher liest man auch, daß Cromwell, dieser elende Mensch, der seinen König, seinen Herrn, zum Tode verurtheilt hat, Mord und Blutgerichte im ganzen Lande angerichtet hat, als er seinem Ende nahe war, in Angst gerieth. Er ließ seinen Kaplan kommen und fragte ihn, ob derjenige, der einmal im Glauben gestanden hätte, den Glauben wieder verlieren könnte? Der elende Kaplan antwortete: „Nein!“ Da sagte Cromwell: „Dann ist es gut; denn daß ich den Glauben einmal gehabt habe, das weiß ich.“ Es mag nämlich Zeiten gegeben haben, wo das Wort Gottes einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht hat. Da verließ er sich denn darauf, daß dieser schändliche Kaplan ihn tröstete und ihm sagte: „Ja wohl, hast du den Glauben einmal gehabt, dann hast du ihn auch noch!“ Da haben Sie zugleich ein Beispiel dafür, wie schrecklich diese Lehre ist.

Hören Sie nun ein Zeugniß aus unserm Bekenntniß, und zwar aus den Schmalkaldischen Artikeln, P. III, Art. III, § 42-45. (Müller, S. 319.) Da heißt es: „Wiederum, ob etliche Rottengeister kommen würden, wie vielleicht etliche bereit da fürhanden sind, und zur Zeit der Aufruhr mir selbst vor Augen kommen, die da halten, daß alle die, so einmal den Geist der Vergebung der Sünden empfangen hatten, oder gläubig worden wären, wenn dieselbigen hernach sündigten, so blieben sie gleichwohl im Glauben und schadet ihnen solche Sünde nicht, und schrieen also: Thu, was du willt, gläubest du, so ist’s alles nichts, der Glaube vertilget alle Sünde etc. Sagen dazu: Wo jemand nach dem Glauben und Geist sündiget, so habe er den Geist und Glauben nie recht gehabt. Solcher unsinnigen Menschen habe ich viel für mir gehabt, und sorge, daß noch in etlichen solcher Teufel stecke“ – das nennt Luther also den Teufel! – „Darum, so ist vonnöthen zu wissen und zu lehren, daß, wo die heiligen Leute über das, so sie die Erbsünde noch haben und fühlen, dawider auch täglich büßen und streiten, etwa in öffentliche Sünde fallen“, – öffentliche Sünden sind solche, die nicht nur im Herzen stecken – „als David in Ehebruch, Mord und Gotteslästerung, daß alsdenn der Glaube und Geist ist weg gewest.“ – Sobald David in diese Sünden gefallen war, war er nicht nur kein vom Heiligen Geist erleuchteter Prophet mehr, sondern er war auch kein Kind Gottes mehr. Und wenn David in jenen Tagen gestorben wäre, so wäre er zur Hölle gefahren. Ja, er wäre noch zur Hölle gefahren nach fast Jahresfrist, ehe der Prophet Nathan zu ihm kam und ihm Buße predigte. Denn er hat ja selbst zu Nathan gesagt: „Der Mann ist ein Kind des Todes!“ Da antwortete ihm Nathan: „Du bist der Mann! Du hast dir selbst das Urtheil gesprochen. Du bist ein Mann des Todes. Wenn du dich jetzt nicht wieder bekehrst, so wirst du zur Hölle fahren und verdammt werden!“ – „Denn der Heilige Geist lässet die Sünde nicht walten und überhand gewinnen, daß sie vollbracht werde, sondern steuret und wehret, daß sie nicht muß thun, was sie will. Thut sie aber, was sie will, so ist der Heilige Geist und Glaube nicht dabei.“ – Das Licht des Glaubens kann nicht nur durch grobe Sünden verlöschen, sondern durch jede muthwillige, vorsätzliche Sünde. Daher auch Abfall vom Glauben viel öfter vorkommt, als wir meinen. Nicht nur bei denen, die ein Schandleben führen, hört der Glaube auf, sondern mancher läßt sich wider besseres Wissen und Gewissen zu etwas verleiten, er nimmt sich etwas vor und führt den Vorsatz aus, obgleich er weiß, daß es wider Gott und sein Wort ist. Dann ist der Glaube erloschen – nur daß ein solcher, wenn er sich schnell wieder aufrafft, auch schnell wieder zum Glauben kommen kann, wie es bei Petrus war. Petrus verstockte sich nicht. Als das Auge JEsu auf ihn blickte, da ging er hinaus und weinte bitterlich. Der Blick des Heilands hatte ihn wieder zur Buße gebracht, daß er sah die unaussprechliche Größe seiner Sünde und zugleich sah die unaussprechliche Größe der Gnade seines HErrn. Der Blick JEsu sagte ihm: „Ach, armer Petrus, thue Buße! Ich habe dir alles vergeben.“ Und das ging ihm wie ein Schwert ins Herz. Darum wohl dem, der, wenn er fällt, gleich wieder aufsteht – gleich! gleich! – und es nicht aufschiebt! Wenn du fällst, so weile nicht, daß du nicht dahin kommst, daß dein Herz verstockt werde! – „Denn es heißt, wie St. Johannes sagt: Wer aus Gott geboren ist, der sündiget nicht und kann nicht sündigen. Und ist doch auch die Wahrheit (wie derselbige St. Johannes schreibet): So wir sagen, daß wir nicht Sünde haben, so lügen wir, und Gottes Wahrheit ist nicht in uns.“

Nun hören Sie aber noch ein schönes Zeugniß von Luther aus seinen Privatschriften. Es war im Jahre 1536, als ein gewisser Prediger einen Commentar zu dem ersten Brief Johannis an die Fakultät zu Wittenberg schickte. Er bat, man möchte den Commentar nachsehen, und wenn er recht wäre, so möchte man ihn drucken lassen. Und da fand sich dieser Irrthum, daß die Auserwählten den Heiligen Geist nicht verlieren, wenn sie auch in wissentliche Sünden und grobe Laster fielen. Da erklärte Luther: „Nein, diese Schrift darf nicht gedruckt werden“, und zugleich stellte er sein Bedenken auf über diesen Gegenstand, und dieses Bedenken haben die übrigen Glieder der Fakultät mit unterschrieben. Dieses Bedenken findet sich in Luthers Werken, Walch X, 1996ff. Daselbst heißt es denn: „So ein Mensch in Sünden ist wider sein Gewissen, das ist, so er wissentlich und williglich thut wider Gott, als ein Ehebrecher oder Freveler, der jemand wissentlich Unrecht thut etc., derselbe, so lange er solchen Willen wissentlich behält, ist er ohne Reue und ohne Glauben und ist Gott nicht gefällig. Als, so lange einer eines andern Eheweib bei sich hält, ist keine Reue, kein Glaube, keine Heiligkeit da; das ist ja offenbar. Denn wo Glaube ist, dadurch wir gerecht werden, da muß auch gut Gewissen sein“; – Wie kann ich mit einem bösen Gewissen zum lieben Gott gehen und sagen: „Ach, du mein Gott hast mir meine Sünden vergeben! Dir sei Lob und Preis in Ewigkeit!“ Nein, Gott wird dich verwerfen, wenn du das sagst. Du fragst ja gar nicht nach Gott, du willst in deiner Sünde bleiben – wie kannst du dich vertraulich zu Gott wenden? Das ist unmöglich! Wenn jemand zu dir käme, der dich schändlich beleidigt hat, und er sagte: „Ich habe schändlich an dir gehandelt. Ich bitte dich, verzeihe mir. Ich will es aber freilich noch länger thun“ – würdest du ihm verzeihen? Nein! Und nur ein Verrückter würde sagen: „Verzeihe mir das, aber ich will darin fortfahren; ich will dich ferner beleidigen, so oft ich dich sehe. Aber ich wünsche, daß du mir verzeihest.“ So machen es aber die Menschen bei Gott, die sich seiner Gnade getrösten wollen und doch dabei in der Sünde fortfahren – „und ist ganz unmöglich, daß diese zwei Dinge beisammen stehen sollten: Glaube, der auf Gott vertraut, und böser Vorsatz, oder, wie man’s nennet, böses Gewissen.“ – Das Gewissen ist ein gar schlimmer Zeuge. Dieser Zeuge schließt den Mund nicht, wir mögen thun, was wir wollen. Arme Sünder sind wir ja alle. Aber wenn wir uns vornehmen, die Sünde zu thun, so sagt das Gewissen: „Nimm dir das nicht vor zu thun. Du bist Gottes Feind und willst sein Feind bleiben. Du willst gar nicht zu Gott!“ – „Glaube und Anrufung Gottes sind zarte Dinge“ – Die können gar leicht verletzt werden – „und mag leicht eine sehr kleine Wunde des Gewissens sein, die stößt Glauben und Anrufung weg“; dabei kommt es nicht auf die äußerliche Abscheulichkeit der Sünde an, daß sie mich aus der Gnade stoße und das Licht des Glaubens in mir auslösche. Es kommt auf die Stellung meines Herzens bei der Sünde an. Werde ich plötzlich übereilt von der Sünde, das vergibt mir Gott, zürnt mir nicht, rechnet es mir nicht an. Da verlischt der Glaube nicht. Oder auch mein Temperament reißt mich hin. Ich will die Sünde nicht thun, aber es ist eine so gewaltige Bewegung in mir, und ehe ich es mich versehe, habe ich schon gesündigt. Das ist keine Todsünde, so daß man auch in der Gnade bleiben kann. Aber wenn man wider besseres Wissen und Gewissen dabei bleibt, und vielleicht für längere Zeit, mit Vorsatz, da ist kein Glaube, da kann man nicht zu Gott beten, da entfernt sich der Heilige Geist aus dem Herzen; da will er nicht herrschen. Da läßt der arme Mensch noch einen andern Herrscher hinein in das Herz. Den läßt der Heilige Geist dann drin und er selbst geht hinweg, – „wie ein jeder geübte Christ sehr oft erfahren muß.“ – Der Christ merkt: wenn er auch nur ein klein wenig einwilligen will in eine Sünde, daß da gleich die Zuversicht zu Gott sich vermindert. Er merkt: Wenn du nicht gleich zurückkehrst, dann wird die Sünde dich beherrschen und du wirst untüchtig zu glauben. Da fällt er denn auf seine Kniee und bittet Gott mit Thränen – wiewohl das nicht zum Wesen der Buße gehört – und kann zu Gott sagen: „Du weißt ja, ich will nicht sündigen!“ – und wie einst Petrus: „HErr, du weißt alle Dinge, du weißt, daß ich dich lieb habe.“ Denn Petrus konnte ja den Heiland zum Zeugen nehmen, er hatte ein gutes Gewissen und konnte zu Christo sagen: „Du kannst ja in das Herz hineinsehen! Warum fragst du mich denn?“ So muß ein jeder Christ mit Gott reden können, er muß sagen können: „Du weißt ja, mein Gott, sündigen will ich nicht, und doch sündige ich. Aber du weißt, ich bin ein Feind der Sünde geworden.“ – „Darum setzt Paulus diese Stücke zusammen, 1 Tim. 1,5.: „Dieses ist die Summa der Lehre: Liebe von reinem Herzen und gutem Gewissen und ungefärbtem Glauben““; nur das ist die wahre Liebe, welche ist von ungefärbtem Glauben. Ungefärbter Glaube heißt so viel als ein Glaube, der nicht bloß wie Glaube gemalt ist, sondern der ein lebendiger, wirklicher, wahrhaftiger Herzensglaube ist. “Item, 1 Tim. 1,9.: „Behalte den Glauben und gut Gewissen“; item, 1 Tim. 3,9.: „Die des Glaubens Geheimniß halten mit reinem Gewissen“ etc. Diese und dergleichen mehr Sprüche, die hernach sollen angezogen werden, zeigen an, daß, wo nicht gut Gewissen ist, da ist kein Glaube und keine Heiligkeit.“ – Glaube und gutes Gewissen müssen immer zusammen sein. Wo Glaube ist, da ist auch ein gutes Gewissen. Wer aber kein gutes Gewissen hat, der hat auch sicher keinen Glauben; denn die beiden gehören zusammen. Von solchen sagt der Apostel 1 Tim. 1,19., daß sie Schiffbruch gelitten haben am Glauben. Wer kein reines Gewissen hat, der hat auch das edle Kleinod des Glaubens nicht behalten. – „Darum, so einer gerecht wird, obgleich allein der Glaube an den Heiland Christum Gnade erlangt, daß die Sünden vergeben werden und diese Person wird angenommen; so muß dennoch böser Vorsatz weg sein, daß also ein gut Gewissen anfahe. Wo nun Glaube und gut Gewissen ist, da ist gewißlich der Heilige Geist, und steht dennoch das Vertrauen nicht auf eigener Würdigkeit oder gutem Gewissen, sondern auf Christo; daher schließen wir, daß wir in Gnade sind um Christi willen aus seiner Verheißung, und also kann rechte Anrufung geschehen, wie Johannes spricht, 1 Joh. 3,20.: „So uns unser Herz auch verdammt, so können wir Gott getrost ansprechen, und was wir bitten, das empfangen wir von ihm.“ Und obgleich Sünde in den Heiligen bleibet, angeboren Elend und böse Neigung, und daß das Herz nicht so ernstlich Gott fürchtet, vertrauet“ etc., – Auch nachdem wir bekehrt sind, fehlt es uns noch an der rechten Furcht Gottes, auch an dem Vertrauen. – „welches aber nicht für geringe Schaden zu achten, sondern sind große Sünden“, – Alle Sünden sind große Sünden. Auch diese sogenannten Schwachheitssünden, die der Gerechtfertigte nicht los werden kann, sind nicht für geringe Sachen zu halten. Wenn dadurch auch der Glaube nicht ausgelöscht wird, so ist doch damit nicht zu scherzen. – „gleichwohl ist diese Schwachheit weit zu unterscheiden von wissentlicher Bewilligung und bösem Vorsatz, was das Gewissen unrein macht.“ – Das ist der große Unterschied! – „Solche Sünde und Heiligkeit stehen nicht beisammen, und sollen wir hier nicht disputiren von der Vorsehung, sondern von Gottes Zorn, in seinem Wort offenbart, und darnach wiederum Gnade suchen.“ – Luther will sagen: Wir sollen da nicht denken: „Nun, wenn ich prädestinirt, wenn ich versehen bin, dann hat es doch keine Noth mit mir. Ich komme dann ja doch in den Himmel und werde selig.“ Ja, das ist wahr, wenn du prädestinirt bist, so wirst du gewiß selig, aber es ist eben die Frage, ob du prädestinirt bist. Denn wenn du in deinen Sünden dahingehst und dabei bleibst, so ist das ein Zeichen, daß du nicht erwählt bist. Nicht, als ob Gott dich durchaus nicht haben wollte, sondern er hat wohl vorausgesehen, daß du ein solcher schändlicher Bube bist und seine Gnade mißbrauchst. Nein, wenn du ein solcher Mensch bist, so stehst du nicht in der Gnade, und bleibst du in diesem Zustand, so wirst du verdammt! – „Und daß solcher Fall in den Auserwählten die Heiligkeit wegnehme und den Heiligen Geist wegtreibe, das ist erstlich ganz offenbar an Adam und Eva, welche auserwählt gewesen, haben aber gleichwohl ihre Heiligkeit und Heiligen Geist also jämmerlich verloren, daß durch diese Verwundung der ersten Menschen hernach aller Menschen Natur schwach und sündig ist.“ – Das kann niemand leugnen, daß Adam und Eva Auserwählte waren, und doch sind sie gefallen, haben Gottes Ebenbild, den Heiligen Geist, ihre Heiligkeit und alles verloren. Aber sie thaten Buße und kehrten so wieder zurück in den Stand der Gnade. – „Und so sie nicht wiederum aufgerichtet worden wären, wären sie in ewiger Verdammniß geblieben. Denn so viel diese Mittelzeit anlangte, sind sie in Gottes Zorn wahrhaftiglich gewesen; denn diese Sachen sind nicht Spiegelfechten. Paulus spricht mit klaren Worten, Röm. 5,12.: „Durch einen Menschen ist die Sünde eingetreten in alle Menschen zur Verdammniß“; und was Verdammniß heißt, ist offenbar. Item, da David des Urias Weib beschlafen hatte, und hatte den frommen Mann ermorden lassen etc., ist David unter dem Zorn Gottes und hat seine Heiligkeit und Heiligen Geist verloren, so lange, bis er wiederum bekehrt wird; dergleichen ist von andern in solchen Fällen zu reden.“ – Sobald ich den Glauben verliere durch eine Todsünde, so verliere ich auch alsbald Gottes Gnade, bin ein Kind des Todes und der Verdammniß. Später kann ich vielleicht wieder zum Glauben kommen, aber in dieser Zwischenzeit bin ich ein Kind des Todes. Und wenn ich dann wieder glaube und auch selig werde, in der Zwischenzeit bin ich kein seliger Mensch, sondern ein ganz unseliger, verlorner Mensch. – „Und daß dieses alles, wie gesagt ist, wahr sei, wird klar bewiesen aus folgenden Sprüchen, 1 Joh. 3,7.: ,Lasset euch nicht verführen; wer Gerechtigkeit thut, der ist gerecht, wer Sünde thut, ist aus dem Teufel.“ Als, da David die unordentlichen Flammen hat lassen anbrennen und das Herz gewankt hat, da hat der Teufel ihn getrieben und hernach den überwundenen David zu größeren Sünden, zu Mord etc. getrieben. Und daß der Heilige Geist da weg gewesen, das beweisen weiter diese Worte Pauli, Gal. 5,19.: „Kein Ehebrecher ist ein Miterbe im Reiche Christi“ etc. Da ist klar geredet vom gegenwärtigen Ehebruch; so lange der Ehebrecher in diesem Vorsatz ist, ist er kein Erbe im Reiche Christi. Daraus folgt, daß er nicht gerecht und heilig ist, auch den Heiligen Geist nicht hat; item, alsobald folgt: von wegen dieser Werke kommt der Zorn Gottes über die Ungehorsamen. Röm. 8,13. macht Paulus diesen nöthigen Unterschied der Sünden und spricht: „So ihr nach dem Fleisch lebet, werdet ihr sterben; so ihr aber mit dem Geiste des Fleisches Anreizungen tödten werdet, werdet ihr leben.“ Nun ist offenbar, daß Paulus den Heiligen an diesem Ort predigt und lehrt sie, wie sie heilig bleiben sollen, nämlich also, so sie den bösen Neigungen widerstreben. Dagegen aber spricht er, „so ihr nach dem Fleische lebet, werdet ihr sterben“, das ist, so ihr den bösen Neigungen folgt, seid ihr wieder im Zorn Gottes; denn dieses nennt er sterben. Ezech. 33,13.: „Welchen Tag der Gerechte Böses thut, will ich aller seiner Gerechtigkeit vergessen etc., und welches Tages der Gottlose sich bekehret, und thut Gutes, will ich seiner Sünde vergessen.“ Dieses ist je ein klarer Text, daß der Gerechte, so er wissentlich und williglich in Sünde fällt, nicht mehr gerecht ist. Offenb. 2,14. straft der Heilige Geist die Kirche zu Pergamus, sie habe bei sich unrechte Lehre und Unzucht, und sagt mit klaren Worten da: „Welches ich hasse.“ Wo nun Gott über jemand zürnt, der ist nicht heilig, angenehm etc., und sind ohne Zweifel Auserwählte und nicht Auserwählte unter diesen gewesen“ – Wenn Gott über jemand zürnt, – denn wenn er jemand haßt, so zürnt er ihm – so ist er ihm nicht angenehm. Mochten auch immerhin Auserwählte in jener Gemeinde sein, auch diese Auserwählten haßte Gott jetzt, mit denen zürnt er, weil sie seine Gnade, den Glauben, den Heiligen Geist temporär aus ihrem Herzen vertrieben hatten. – „Aus diesen und viel mehr Zeugnissen haben wir allezeit in allen Kirchen einhellig gelehrt, also: So ein Heiliger wissentlich und williglich wider Gottes Gebot thut, daß er nicht mehr heilig sei, sondern habe den rechten Glauben und Heiligen Geist ausgeschüttet. So er sich aber wiederum bekehrt, so halte Gott seinen gnädigen Eid, darin er spricht: „So wahr ich lebe, ich will nicht, daß der Sünder sterbe, sondern daß er bekehrt werde und lebendig bleibe.“ Darum nimmt Gott um Christi willen diesen Vekehrten wiederum an, zündet an in seinem Herzen rechten Glauben durch das Evangelium und Heiligen Geist; und ist uns nicht befohlen, vorher zu fragen ob wir auserwählt sind, sondern es ist genug, daß wir wissen, wer endlich verharrt in seiner Buße und Glauben, der ist gewißlich auserwählt und selig, wie Christus spricht: ,Selig sind die, so beharren bis an das Ende.“

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