Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten – 2. Pet. 3,8

Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten – 2. Pet. 3,8

Geliebte akademische Gemeinde, woran soll jeder neue Lebensabschnitt erinnern? daß er ein Stück von unserm Leben abschneidet. Woran soll dies erinnern? daß wir unser Leben auskaufen müssen zu dem Zwecke, zu welchem es uns gegeben ist. Wenn indeß irgend etwas von der Jugend für werthlos gehalten wird, so ist es die Zeit. Unter allen akademischen Jugendsünden giebt es keine, die weniger vor Gott als Schuld empfunden wird, als die Zeitvergeudung. Und doch ist es gerade diejenige, welche unfehlbarer als jede andere schon diesseits in der Zeit sich straft. Säumigkeit des Landmanns in der Erntezeit bestraft sich selbst, aber wie viel mehr die Säumigkeit in der Saatzeit! Eure Saatzeit ist aber jetzt, und alles, was in dieser versäumt ist, straft sich schon gleich in euren nächsten Lebensjahren. Solche Erwägungen sind es, welche mich bewegen, jetzt, wo ihr noch am Anfange dieses Halbjahrs steht, das Wort der Schrift euch in das Herz zu rufen:

2. Petrus 3, 8.

„Eins aber sei euch unverhalten, ihr Lieben, daß Ein Tag vor dem Herrn ist wie tausend Jahre, und tausend Jahre wie Ein Tag. „

Mit denjenigen hat es der Apostel hier zu thun, welche die Zeitbestimmungen der Weissagung nach menschlichem Maaße messen. Von einem Tage des Herrn sprechen die Propheten: der da kommt wie ein feuriger Ofen - von dem . großen erschrecklichen Tage des Herrn, wo er sitzen wird, als ein Schmelzer, der das Silber schmilzt. von einem Tage, der . die Gottlosen zerstreuen wird, wie Spreu vor dem Winde, an dem dagegen die Gerechten bleiben werden im Gericht. Er kommt, er kommt. so rufen sie einmal über das andere, von Jahrhundert zu Jahrhundert. Ihr Wort wird wieder aufgenommen im Neuen Testament: Er wird kommen über eine kleine Weile, der da kommen soll und wird nicht verziehen. und . Siehe, ich komme bald!“ ruft eben der, der da kommen soll im Buche der Offenbarung. Und doch, werdet ihr sagen, ist er noch immer nicht gekommen. Wie auch Petrus es verkündet von den letzten Tagen, daß je länger es währt, desto lauter die Frage des Unglaubens werden wird: „wo ist die Zeit seiner Zukunft?“ Hierauf gebührt sich nun zuerst zu zeigen, wie die heilige Schrift es meint, wenn sie von dem Kommen des Herrn spricht. Der Herr kommt,“ das heißt ja in der Schrift nicht bloß, daß er nach seiner Person erscheint, sondern ebenso drückt sich die Schrift aus, wenn er daher kommt mit den Wundern seiner Majestät und Allmacht. Oder wenn Gott der Herr spricht: Siehe, ich komme und meine Vergeltung mit mir. meint er etwas anderes damit, als die sichtbare Offenbarung seiner richterlichen Allmacht? oder wenn der Sohn Gottes spricht: etliche stehen hier, die den Tod nicht schmecken werden, bis daß sie des Menschen Sohn kommen sehen in seinem Reich. und abermals: von nun an wird es geschehen, daß ihr des Menschen Sohn werdet sitzen sehen zur Rechten der Kraft und kommen in den Wolken des Himmels,„ so hat er auch dies nicht anders gemeint. Er ist gekommen als der zur Rechten der Kraft Erhöhte, als er Gericht gehalten über diejenigen, die gewagt hatten, über ihm selbst zu Gericht zu sitzen, als von Jerusalem kein Stein auf dem andern blieb, und das Volk, welches ein Volk des Eigenthums geheißen war, über die Erde zerstreut wurde ohne König, ohne Priester und ohne Heiligthum; von ihm heißt's im Buche der Offenbarung: der da ist und der da war und der da kommt. Denn dieses Buch selbst ist es, das immer auf's neue predigt: er kommt, er kommt. wo seine Gerichte in der Kirche ihn auf's neue offenbaren als den, in dessen Hände die Zügel des Weltregiments gelegt sind. Hört also auf zu fragen: wo ist seine Zukunft? Alle Tage wird seine Zukunft zur Gegenwart, wo es in seinem wunderbaren Regimente über seine Kirche und die Seinigen sich offenbart, daß Er der Herr der Majestät ist. So wenig seine Verheißung wer an mich glaubt, der wird den Tod nicht sehen bloß von der Zukunft geredet ist, so wenig seine Drohung werdet ihr nicht an mich glauben, so werdet ihr sterben in euren Sünden; doch wie sein zukünftiges Gericht sein alle Zeit gegenwärtiges nicht aufhebt, so auch sein gegenwärtiges nicht sein zukünftiges.

Wir sehen nun auf das, was dieser Text uns zu bedenken auffordert beim Anfange eines neuen Lebensabschnittes und wozu er uns ermahnt.

Darauf also richten wir zunächst den Blick, was dieser Text uns zu bedenken auffordert, und es ist zweierlei: die Flüchtigkeit der Zeit und die Wichtigkeit des Augenblicks.

Die Flüchtigkeit der Zeit giebt er uns zu bedenken - deutlicher noch in jenem Psalmenworte, auf welches der Apostel hinblickt: „tausend Jahre sind vor dir, wie ein Tag, der gestern vergangen ist und wie eine Nachtwache. Diese Flüchtigkeit wird vom Kindesalter weniger gefühlt als in der Jugend, in der Jugend weniger als im Mannesalter, im Mannesalter weniger als im Greisenalter. Je mehr nämlich noch das Leben neues bringt, desto länger wird der Tag, desto mehr dehnt das Jahr sich aus, und doch - von hinten her angesehen, nachdem der Tag und das Jahr verstrichen ist, ist es nicht dahingefahren, wie das Weberschiff am Webstuhle und wie der Schatten über die Wiese? und nun erst wenn die Lebenssonne sich tiefer zu neigen anfängt, wenn der alternde Mensch mit Salomo spricht: was ist, das geschehen wird? nichts anders, als was schon gewesen ist!“ Es scheint nun das Leben schon uns als ein so flüchtiger Stoff, die wir die Stunde und den Tag nur an der Spanne von siebenzig bis achtzig Jahre messen können: was wird die Stunde und der Tag für den seyn, der nicht nach Jahrhunderten, sondern nach Aeonen zählt! wenn der in seinem Sinne spricht: „ich komme bald. mögen nicht Jahrtausende vergehen, und er kommt doch immer noch früh genug?

Die Bedeutung des Lebens wäre indeß nur wenig erkannt, wollten wir bloß bei der Flüchtigkeit desselben stehen bleiben. Einen viel höhern Gesichtspunkt eröffnet uns unser Spruch, indem er unser Auge zugleich auf die Wichtigkeit des Augenblicks richtet. Ist vor seinem allwissenden Auge Ein Tag wie tausend Jahre, muß es nicht Tage und Augenblicke im Menschenleben geben, worin sich tausend Jahre durchleben lassen? und kann der Inhalt von tausend Jahren in Einem Tage und Einer Stunde durchlebt werden, wie unaussprechlich wichtig muß die rechte Benutzung des Augenblicks seyn! Oder müßten wir vielleicht sagen, daß es doch nur die Wende und Knotenpunkte des Lebens im Einzelnen wie im Ganzen der Geschlechter, die Zeiten großer Ereignisse sind, in denen der Augenblick solche Bedeutsamkeit erlangen kann? Müssen wir vielleicht sagen, daß die Bedeutsamkeit immer nur abhängt von dem Zusammentreffen bedeutender äußerer Geschicke und Ereignisse, die nicht in unserer Macht stehen? Ich will es nicht läugnen, daß es in diesem Sinne Tage und Zeiten giebt, wo man, wie der Dichter spricht, dem Weltgeist näher ist als sonst, wo Gott gleichsam mit allen Glocken läutet, ob der Mensch ihn hören will - wie z. B. jener Augenblick war, wo der Herr über Jerusalem rief: O daß du die Stunde deiner Heimsuchung erkannt hättest. wie für uns das Jahr 1848 ein solches gewesen ist. Aber, Freunde, hängt es nicht am Ende immer nur wieder vom Menschen ab, was er aus solchen Ereignissen und Mahnungen, die von außen kommen, machen will? und ist es nicht eine bekannte Sache, was unser bedeutsames deutsches Sprüchwort sagen will, wenn es spricht: „Gott grüßt wohl manchen mit gar lauter Stimme, wenn er ihm nur antworten wollte. Giebt es nicht Tausende, die taub bleiben, auch wenn Gott mit allen Glocken läutet?

Was also will ich sagen? daß es im letzten Grunde doch nicht von den äußern Ereignissen an sich abhängt, ob wir Tage erleben, in welchen Jahrtausende liegen, sondern immer wieder an uns, welchen Inhalt wir hineinlegen und was wir daraus machen. O wollet also die Bedeutsamkeit des Augenblickes nicht bloß messen nach den Erfahrungen und Ereignissen, die von außen kommen, sondern vielmehr nach den Entscheidungen, die von innen kommen, und die den äußern Erscheinungen erst ihre Bedeutsamkeit geben. Ein einziger vor Gott herzhaft gefaßter Entschluß, einer bösen Gewohnheit zu entsagen - es kann die unbedeutendste Versuchung seyn, die dem zarten Gewissen dazu Anlaß giebt - und wie kann das ganze Leben dadurch eine veränderte Gestalt erhalten! Ein einziges tief innerliches Buß- oder Dankgebet, ist es nicht ein Augenblick, in welchem ganze Welten von Ereignissen liegen, von welchen aus sich ein befruchtender Strom auf das ganze Leben ergießen kann? Bleibt mit eurem Auge also nicht bei den Thaten oder der Ereignißfülle stehen, die sich in einen Tag zusammendrängt und die ihm das Gewicht von Jahren giebt: in wie vielen Fällen sind diese Thaten und Ereignisse nur der Ausfluß stiller in Gott verborgener Stunden gewesen? Ja sind die großen Thaten der Herrscher der Welt und der Helden im Reiche Gottes nicht fast ohne Ausnahme die Frucht einzelner stiller Stunden der Sammlung in der Einsamkeit? Eine Davidsstunde, wo der Herr durch seinen Propheten zu einem in den Tod erschrockenen Sünder spricht: so hat der Herr deine Sünde hinweggenommen, eine Petrusnacht, wo auf ein im Grunde frommes, aber selbst. vergessenes Kind der strafende Blick Jesu fällt, wie damals auf Petrus: was für Entscheidungsstunden, in denen die Keime eines ganzen zukünftigen Lebens liegen!

So laßt uns denn weiter sehen, wozu dieses apostolische Wort uns ermahnt. Es liegt ein Fingerzeig darin zum Verständniß der Wege Gottes im Großen und Kleinen. Die Eintagsfliege, wenn sie nach dem kleinen Stücklein von Leben, was-vor ihr liegt, ihr Urtheil fällen wollte, wie beschränkt, wie verkehrt müßte dieses Urtheil ausfallen. Und doch, wie sind unsere Urtheile über Gottes Wege Urtheile einer Eintagsfliege! Wo wir Menschen über Gottes Wege urtheilen, sei es ein einzelnes Menschenleben, sei es die Geschichte von Völkern, wie selten werden wir die Kurzsichtigkeit los, immer nur unser eigenes Zeitmaaß anzulegen, statt seines! Da werden wir zweifelhaft, daß ein Fortschritt in der Menschheit sei und ein Endziel - bloß darum, weil wir nach unserm Sekundenzeiger rechnen, statt nach Weltzeiten und Sonnenwenden. Wir verzweifeln an einem Gerichte Gottes in der Geschichte bloß, weil es uns immer zu langsam geht, wenn Gott mit seinen Donnern und Blitzen nicht gleich dazwischen fährt, statt zu bedenken, daß dem in der Zeit nichts verloren geht, dem die Ewigkeit gehört, wenn es ihm gefällt, die faule Frucht langsam reifen zu lassen, bis sie von selbst abfällt und so um so sicherer über sich selbst Gericht hält. Wir murren über unsern eigenen Lebensgang, auf dem uns Gott führt, wir finden Gottes Wege mit der Menschheit unbegreiflich: ist das nicht das vorschnelle Urtheil dessen über Ausgang und Ziel des Dramas, der kaum einen einzigen Akt davon überblickt, höchstens etliche Auftritte? Wir urtheilen wie die Emmausjünger, als Tod und Begräbniß des Herrn hinter ihnen lag, die Erfahrung des Auferstehungsmorgens aber noch vor ihnen: „wir hofften dieser sollte Israel erlösen und über dem allen ist nun schon der dritte Tag. und werfen so unsere Hoffnung weg, statt mit dem Glauben uns zu waffnen - und der andern Seite: sehen wir es nicht vor Augen in der Menschengeschichte, wie, was Jahrtausende versagt zu haben scheinen, zuweilen Ein Tag, Ein Augenblick wieder einbringt, durch den die Geschichte um die Erfahrung von Jahrhunderten reicher wird. Jahrtausende waren vor der Erscheinung des Herrn abgerollt und nur zwischen Licht und Finsterniß hindurch hatte die Menschheit einige Schritte vorwärts gethan. Aber mit der Einen Nacht, wo die himmlische Botschaft erschallt: Euch ist heute der Heiland geboren. ist mit dieser nicht die Menschheit um Jahrhunderte vorwärts gerückt! und ist es nicht ebenso in unserm eigenen Leben? Da läßt Gott einen Augustinus zum Schmerz der trauernden Mutter durch das Labyrinth fruchtloser Speculationen und ketzerischer Irrthümer ein Jünglingsalter hindurchgehen, läßt den unbefestigten Jüngling in die Versuchungen einer lasterhaften Hauptstadt hinziehen, und ein einziger Augenblick, wo er das: nimm und lies! vernimmt, macht die Erfahrungen eines verirrten Jugendlebens selbst zum Fundamente, auf dem sich ein Gottesbau erhebt, wie die Kirche in Jahrhunderten keinen ähnlichen gesehen hat. Gott hat seine Eile und Weile haben unsere Alten gesagt.

Und weiter werden wir ermahnt, an der Gewißheit eines Endgerichts nicht zweifelhaft zu werden - wenigstens nicht aus dem Grunde, weil dasselbe noch immer auf sich warten läßt. Wohl heißt es bei dem fleischlichen Pöbel wie damals auch noch jetzt: wo ist die Verheißung der Zukunft? denn nachdem die Väter entschlafen sind, bleibt es alles, wie es von Anfang der Kreatur ist. “ Bei Fleischesmenschen ist solche Frage kein Wunder. Nur ans Alltägliche kann der fleischliche Pöbel glauben, der Tag aber der Zukunft Christi ist der, wo es heißen wird: Siehe ich mache alles neu. Der Glaube ist für den fleischlichen Pöbel zu hoch, für den alles Außerordentliche das Unmögliche ist, nur das Handgreifliche, die Welt voll Ungerechtigkeit, die vor Augen ist, ist für ihn das Wahre: den Faden einer Weltordnung der Gerechtigkeit, der sich schon durch diese Welt zieht, sieht er nicht, weil eben das Glaubensauge dazu gehört. Wer aber diesen geheimen Faden sieht, der weiß, daß er auch einen Tag der Offenbarung haben muß. Seit der Väter Tagen bleibt vor den Augen des irdisch-gesinnten Pöbels alles wie es ist, daß aber der Herr täglich als Richter der Menschen kommt, und daß er eigentlich alle Tage ein neues schafft, das sehen sie mit ihrem fleischlichen Auge nicht. Wer nun wirklich kein Auge hat für die täglichen Gerichte Gottes in der Zeit und in seinem eigenen Leben, der gehört eben zu jenem Pöbel, welchem die Verheißung einer richterlichen Zukunft ein Spott ist. Merket wohl, es ist unfehlbar: in dem Maaße, als wir ein Auge bekommen für die täglichen Thaten des richterlichen Gottes in unserem und aller Menschen Leben, desto unzweifelhafter wird uns das Gericht der Zukunft. Wir werden auch daran glauben müssen, weil ohne solchen Glauben uns die Weltgeschichte eine Schraube ohne Ende wäre; daß Jahrtausende und Jahrtausende darüber hingehen, ehe das Ende kommt, das darf uns nicht irre machen: es ist nur ein Zeichen, daß die Menschheit lange Zeit braucht, ehe sie die Bestimmungen auslebt, die in ihr angelegt sind und lange Zeit braucht zur Buße, ohne welche es mit ihr nicht dahin kommen kann, wohin es doch nach dem Worte des Herrn kommen soll, daß . alle Reiche des Herrn und seines Gesalbten werden. Auch die Jünger des Herrn haben diese göttliche Geduld nicht verstanden, ihre Kurzsichtigkeit ist dazu gekommen, daß sie den Unterschied der Zeiten an göttlicher Weltuhr und an der menschlichen nicht beachtet und so haben sie denn gemeint, daß jenes „siehe ich komme bald“ in der nächsten Spanne Zeit zu erwarten sei, die gerade ihr Auge überblickte. Und als es die nicht war, da haben sie das grob verstanden, daß tausend Jahre sind wie ein Tag“ und haben ihren Weltläufen sechstausend Jahre gegeben und danach den großen Weltsabbath. Er wird kommen, er wird kommen jener große Weltsabbath. Aber was der Herr nach seiner Auferstehung seinen Jüngern sagt: Es gebühret euch nicht zu wissen Zeit oder Stunde, welche der Vater seiner Macht aufbehalten hat. das ist auch uns gesagt. Was nun der Vater seiner Macht aufbehalten, das sollen wir auch seiner Macht anheimgestellt seyn lassen und nur das sollen wir niemals vergessen, daß die Stunden an göttlicher Weltuhr ganz andere sind, als an unserer.

Doch schwerer noch fällt auf euer Gewissen, ihr Jünglinge und ihr Alten, die Ermahnung unseres Textes: ist der Augenblick so wichtig, daß wir Jahrhunderte hineinlegen können, wohlan, so laßt auch den Augenblick uns auskaufen. Euch, ihr Jünglinge, ist das werthloseste der von Gott euch verliehenen Güter die Zeit, und doch - ist jedes Stück Zeit ein Stück Leben und zwar verantwortliches Leben, über das wir Rechenschaft zu geben haben. Euch zwar dünkt kein Gut mehr euer eigenes, als euer Leben; gestehst du aber, daß du es dir nicht gegeben hast, so bist auch du nicht der Herr darüber, sondern der Haushalter. O großer Gedanke - so weit unser Leben reicht, so weit reicht das Gut unserer Verwaltung - bis hin zur letzten Stunde! Euch ableugnen könnt ihr diese erschreckende Wahrheit nicht, nur sie vergessen könnt ihr. Vergäßet ihr sie nicht, so gäbe es auch in eurem Leben keine einzige verträumte Stunde. Und es sollte auch keine geben. Von dem Augenblicke an, wo du das Auge öffnest bis zu dem Augenblicke, wo du es am Abende wieder schließest, keine einzige verträumte Stunde, alles entweder Beruf oder Erholung - ein drittes giebt es nicht. Keine einzige Stunde, deren Anwendung ich nicht vor Gott vertreten kann - also auch keine Erholung, die nicht würklich Erholung von Anstrengung ist und darum berechtigte Erholung. Jetzt fallen eure Erholungsstunden gleich, sam aus eurem Leben heraus, aber auch sie müssen ein Stück von Gott gewolltem und vor Gott gelebtem Leben werden. Weil es nicht so ist, so rechnet ihr auch eure Gebetsstunden zu euren Arbeitsstunden: sollten sie nicht aber Erholungsstunden seyn, frische Quellen an der staubigen Heerstraße des Lebens, Kraft und Muth zu trinken zum Weiterschreiten? Würden nun eure Gebetsstunden Erholungsstunden für euch, wie würden selbst eure Stunden der Erholung Stunden für euch werden, die Jahrhunderte von Leben in sich schließen!

Jünglinge, richtet euren Blick nicht bloß auf die befleckten Blätter im Buche eures Lebens, sondern auch auf die leeren! Jünglinge, haltet es euch vor Augen, daß ihr nicht bloß Rechenschaft zu geben habt für eure in der Sünde verbrachten, sondern auch über eure vergeudeten Stunden.

O Geist Gottes, der du die Welt strafest um der Sünde willen, strafe auch unser Gewissen über die Leerheit unserer Tage und die Inhaltlosigkeit unseres Lebens! O Geist der Kraft aus der Höhe, öffne unsere schlummernden Augen, stärke die matten Kniee, hauche an die kalten Herzen, daß wir einen neuen Lauf laufen und nicht müde werden in den Wegen, die dir gefallen. Amen.

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