Stockmayer, Otto - Johannes Kapitel 1, 1-18
Auslegung von Otto Stockmayer um 1900
Das Evangelium des Johannes hat seine eigentümliche Bedeutung unter den Evangelien. Während uns die drei ersten mehr über die Taten unseres Herrn und Meisters berichten, tritt bei Johannes Sein Wort in den Vordergrund - Seine Lehre, Sein Unterricht. Johannes stellet sich selber vor als den Jünger, der an Jesu Brust lag und hat als ein an Jesu Brust Liegender tiefer als andere hineingesehen in das Herz seines Meisters. Zurückschauend in die vorweltliche Zeit hat er in Ihm das fleischgewordene Wort Gottes erkannt, durch das die Welt erschaffen wurde.
In Vers 1 schreibt Johannes: „ Im Anfang war das Wort “, und dieses Wort, dass im Anfang war, ist niemand anders als der Herr Jesus Christus selbst, der später ins Fleisch kam, aber in dem und durch den und zu dem alle Dinge geschaffen sind.
Was Gott geschaffen hat, hat Er durch Seinen Sohn geschaffen, der selbst nicht geschaffen, sondern von Ewigkeit gezeugt ist. „Im Anfang“ - das geht zurück in Fernen, die unser Auge nicht erreicht - zurück in die Ewigkeit der Ewigkeiten. In Vers 14 ist vom fleischgewordenen Worte die Rede, das in der Fülle der Zeiten hienieden erschienen ist. „ Das ewige Wort ward Fleisch “ - das ewige - das von Anfang war, das von Ewigkeit beim Vater war; denn „ Das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.“ Er war nicht nur Gott von Ewigkeit her - Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist. Durch den Sohn - das Wort - hat der Vater die Welt erschaffen und zwar mit Hilfe des Heiligen Geistes. Durch das Schweben des Heiligen Geistes über den Wassern, als noch kein Wasser da war, sondern nur eine schlammige Masse - durch das Schweben des Heiligen Geistes über den Wassern und durch das Walten des Wortes - kam organisches Leben in diese Masse. Durch das Wort ist alles geschaffen und gebildet worden und ohne das Wort ist nichts ins Dasein gekommen. Ihm, unserem Heiland, verdanken wir deshalb auch unsererseits, was wir sind und dass wir überhaupt ins Leben gerufen wurden. Wir haben wohl alle einen leiblichen Vater und eine leibliche Mutter, von denen wir von der Natur her abstammen - aber alles in dem Herrn und durch den Herrn. In Ihm war Leben. Ausser Ihm ist alles tot, und Leben - wirkliches Leben haben wir als gefallene Menschen nur insoweit, als wir mit dem Herrn des Lebens in Lebensverbindung getreten sind. Da wacht das Leben in uns eigentlich erst auf. Unser natürliches Leben verdient gar nicht den Namen „Leben“ seit dem Fall. Die Welt liegt im Argen - in der Finsternis, im Fürsten der Finsternis. Erst durch die Wiedergeburt treten wir als aus dem Herrn Gezeugte in Lebensverbindung mit Gott und dann öffnet sich uns das Wort Gottes mit seinen Schätzen. Damit geht uns eine neue Welt auf, die wir nicht erkannt haben, solange wir noch in der Natur waren. Da lernen wir Gott kennen. Der Geist offenbart uns durch das Wort Gottes den Vater und den Sohn und durch Vermittlung des Geistes scheiden sich die beiden Gebiete „Licht und Finsternis“. So finster es heute in der Welt ist, hat sie doch immer noch das Wort Gottes. Selbst in den Tiefstgesunkenen ist noch etwas vom Worte Gottes, also vom Licht.
Die Gegensätze sind noch nicht völlig ausgestaltet. Die von Gott Abgefallenen sind noch nicht wirkliche Teufel geworden und die Kinder Gottes sind noch nicht ausgereift zu vollendeten Lichtmenschen - aber es bleibt ein unüberbrückbarer Gegensatz zwischen Licht und Finsternis - zwischen solchen, die dem Lichte den Rücken kehren und solchen, die ihm zustreben.
„ Alle Dinge “, heisst es in Vers 3, „ sind durch das Wort gemacht und ohne dasselbe ist nichts gemacht, das gemacht ist. “
In der Schöpfungsgeschichte heisst es immer wieder „Gott sprach“ und dieses „Gott sprach“ - das Wort - war Christus, der Sohn. In Ihm ist Leben von Ewigkeit her und dieses Leben war das Licht der Menschen. Gott sprach „es werde Licht“ und es ward Licht im Weltall. Dieses Licht hat sich dann in besonderer Weise konsentriert in dem nach Gottes Bild geschaffenen Menschen - der Krone der Schöpfung - der dazu bestimmt war über alles zuherrschen, was auf der Erde, unter der Erde und über der Erde ist, bis hinein in das Reich der Lüste. Leben und Licht sind unzertrennlich. Mit dem Tode wird es finster. Der Teufel ist der Fürst der Finsternis und des Todes - Christus ist der Fürst des Lichtes und des Lebens. An uns ist es dem Fürst der Finsternis und des Todes keinen Raum mehr zu geben, sondern uns immer mehr dem Leben aus Gott und dem Lichte zu öffnen, bis alles in uns Leben und Licht geworden ist, bis alle Todes und Finsternismächte überwunden sind, überwunden vom Licht - mit dem Kommen des Herrn. Das ist dann der endgültige Sieg des Lebens und des Lichtes über Tod und Finsternis, wie Gott ihn feiern wird in Seiner vollendeten Gemeinde, wenn diese dereinst mit Christus herrschen wird.
Jetzt liegen Tod und Finsternis über der Menschheit. Das Licht ist dazu bestimmt, die Finsternis zu erhellen; denn wo Licht ist, leuchtet es. Jesus Christus ist gekommen. um aller Sünde und Finsternis ein Ende zu machen. Und wie ging das zu? Diese Frage führt uns auf Vers 6 „ Es ward ein Mensch von Gott gesandt, der hiess Johannes. “ „ Derselbe kam zum Zeugnis “ als Bahnbrecher, der vor Ihm herging, „ um zu zeugen von dem Lichte, auf dass sie alle durch ihn glaubten. “ Auch bei seiner Geburt ging es nicht mit natürlichen Dingen zu. Sie beruhte auf einem direkten Eingreifen Gottes; denn Zacharias und Elisabeth waren nicht mehr in einem Alter, da sie ein Kind erwarten konnten.
Vers 8 „ Johannes war nicht das Licht, sondern dass er zeugte von dem Lichte, auf dass alle an Ihn glaubten “ - auf dass alle durch sein Zeugnis dem Herrn zugeführt würden. Es war eine wunderbar herrliche Stellung, die dieser Johannes einnahm, indem er die Leute von sich weg auf Jesus hin wies und sich freute, wenn seine Jünger sich von ihm trennten, um Jesu nachzufolgen, dem er den Weg bereitete. Darin mag er uns allen ein Vorbild sein, dass auch wir uns im Geiste freuen lernen, wenn die Leute von uns weg zu Jesus gehen - und alle vom Herrn eingesetzten Ämter - das Apostels-, Evangelisten-, Lehr und Hirtenamt - haben nur den einen Zweck, die Menschen zu Jesus zu führen. Unser Leben und Wandel hat überhaupt nur insofern Wert, wie wir durch Wort und Wandel andere darin bestärken Jesus nachzufolgen. Es gibt in der Welt so viele Lehrer, die Anhänger für sich und ihre Lehre suchen; wahren, geisterfüllten Lehrern wird es ihr Herzensanliegen sein, die Leute zu Jesus, ihren Herrn zu führen. Ihnen ist es einerlei wer das Werkzeug zu ihrer Bekehrung ist, wenn sie nur überhaupt einmal mit Jesus in Berührung kommen. So war es denn auch Johannes dem Täufer vor allem darum zu tun, zu zeugen, auf dass alle zu Lichte kämen. Durch sein Zeugnis hat er dem Lichte Bahn gebrochen. Lichtesdienst ist es, wenn man andere zu dem führt, den man für seine eigene Person als Heiland und Erlöser erkannt hat und wenn man ihnen die Steine aus dem Wege räumt, die sie aufgehalten haben. Seine ihm von Gott gestellte Aufgabe war es, von dem Sohne zu zeugen als von dem Einen wahrhaftigem Lichte - denn mit Ihm verglichen, ist alles andere Schatten, Scheinlicht und nachgemachtes Licht.
Vers 9 „Das war das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.“ „Er war in die Welt kommend“, heisst es im Grundtext. Das Licht, das alle Menschen erleuchtet, war im Kommen begriffen. Hinter Johannes dem Täufer kam Jesus, der Menschen- und Gottessohn. In Jesus ist nicht nur Licht, sondern Er ist das Licht, das wahrhaftige Licht. Alles andere ist geschaffenes Licht. Jesus Christus ist das Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Er nimmt Wohnung in Seinen Kindern, aber Sein Licht leuchtet in jedes Menschendasein ohne Unterschied und zwar schon bei der Geburt, wenn auch in verschiedenen Grade. Danach wird es sich ausweisen, inwieweit dieses Licht durchbrechen kann, eine Stätte findet und die ganze Entwicklung eines Menschenkindes in die Hand bekommt, um sie zu durchleuchten.
Das wahrhaftige Licht war von Anfang an in der Welt, durch das ganze alte Testament hindurch, durch Schöpfung und Erwählung des Volkes Gottes. Er war in der Welt - die ganze Welt ist durch Ihn geschaffen worden, aber die Welt erkannte Ihn nicht - und auch wir haben, der eine länger, der andere weniger lang, gelebt, ohne Ihn zu kennen. Es gibt nur wenige, die mit dem ersten Erwachen ihres Lebensbewusstseins mit dem Herrn bekannt werden und es ist eine grosse Gnade, wenn Jesus durch das Zeugnis gläubiger Eltern als das Licht der Welt schon in die Kindheit hereinleuchtet.
„Die Welt kannte Ihn nicht“, und doch hatte Ihm Gott alles übergeben. Er kam in Sein Haus, in die Schöpfung Seines Vaters und die Seinen hatten keinen Raum für Ihn. Obwohl Johannes der Täufer Ihm Bahn gebrochen hatte, hat er nur da und dort Aufnahme gefunden - und wie dazumal, so ist es auch heute noch. Wohl dem Hause, indem jedes einzelne Glied zu Gott bekehrt ist! „Glaube an den Herrn Jesus Christus, so wirst Du und Dein Haus selig!“ Wohl dem Hause in dem das Licht durchbrechen kann von einem Gliede zum anderen und wo es alles gefangen nimmt unter den Gehorsam des Kreuzes und des Lichtes!
„Er kam in Sein Eigentum und die Seinen nahmen Ihn nicht auf“, erkannten Ihn nicht. Ja schliesslich wurde man sich einig, Ihn ans Kreuz zu schlagen - Ihn, den ewigen Gottes- und Menschenssohn, der in das Seinige gekommen war, dem die Welt gehört, dem die Welt gehört, Ihn hat man hinausgeworfen, weil er von der Wahrheit zeugte, die Menschen aber die Finsternis lieber hatten, als das Licht. Im tiefsten Grunde ist jedes in der Finsternisbleiben, ein hinauswerfen des Sohnes Gottes, ein Betrüben des Heiligen Geistes, ein sich Ihm Verschliessen, ein Ihm Sein Haus verschliessen; denn wir sind Sein Eigentum. Er hat uns erkauft mit Seinem Blut und wo wir die Finsternis, die Kreatur und uns selbst mehr lieben als Ihn, versündigen wir uns an unserem Eigentümer und verkaufen uns an Dunkel und Finsternis.
Vers 12 „Wie viele Ihn aber aufnahmen, gab Er Macht» - Vollmacht - die höchste Vollmacht, die man jemand geben kann - „Kinder Gottes zu werden, die an Seinen Namen glauben.“ Der Herr Jesus hat Vollmacht, uns zu Gotteskindern zu machen durch den Glauben an Ihn.
Wer an den Herrn Jesus glaubt, ist aus Gott gezeugt, aus Ihm geboren. Da ist eine wunderbare Schöpfung vor sich gegangen.
Solche, die an Ihn glauben, sind nicht aus dem Willen eines Menschen gezeugt, sondern aus Gott geboren. Aus Gott Gezeugte! Das ist der höchste Adel, den das Weltall kennt.
So hoch auch die Stellung eines Kronprinzen sein mag, ist sie doch nichts im Vergleich zu der Herrlichkeit eines Gotteskindes, dass mit dem Heiligen Geist getauft ist. Diese Stellung gehört einer ganz anderen Welt an, in der es zwischen Königskind und Bettler keinen Unterschied mehr gibt.
Das alles aber ist nur ein Schatten von dem, wovon hier die Rede ist. Unser Heiland gibt denen, die an Seinen Namen glauben, die Vollmacht sich selbst zu verleugnen und sich mit Ihm zu verbinden (beachte die Reihenfolge!) - Gotteskinder zu werden. Was aus Gott geboren ist, verbindet sich mit Jesus. Es geht eine Zeugung von oben vor sich bei denen, die von Natur aus dem Blute eines Mannes gezeugt und daher Fleisch sind. Um aus unserer eigenen Natur und aus dem Fleische herauszubringen, musste Jesus selbst Fleisch werden. Das Wort Gottes wurde Fleisch, ist in unsere Menschennatur heruntergestiegen und hat sein Zelt unter uns aufgeschlagen.
Vers 13+14 „Welche nicht aus dem Blut, noch von dem Willen eines Fleisches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind. Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes des Vaters, voller Gnade und Wahrheit.“ Das von Ewigkeit beim Vater lebende Wort ist in der Fülle der Zeiten in ein Menschenleben herabgestiegen, hat Fleisch und Blut angenommen - Gottesmensch - Sohn einer irdischen Mutter, aber nicht eines irdischen Vaters. In der Erscheinung Jesu Christi sind sich Gottheit und Menschheit begegnet…und wir haben Seine Herrlichkeit gesehen. Die Apostel haben Seine Herrlichkeit angeschaut - und wir? Haben wir Ihn auch angeschaut und als den eingeborenen Sohn des Vaters erkannt? Wer Ihn wirklich in Seiner Herrlichkeit erkannt hat, ist damit innerlich gelöst von der Eitelkeit dieser Welt und von Menschenfurcht. Er ist ein Gelöster, an den Herrn Gebundener und da geht es dann von Gnade zu Gnade, von Wahrheit zu Wahrheit. Kaum ein anderes Menschenkind hat Seine Herrlichkeit so gesehen wie Johannes, der an Seiner Brust lag. Alle anderen sahen Seine Taten, aber die Taten traten zurück vor der Herrlichkeit. Johannes lag an der Quelle und gab uns Blicke in Seine Herrlichkeit, wie kein anderer sie geben konnte, weil er an der Brust des Herrn lag. Wie keinem anderen ist Johannes auch der Blick geöffnet worden für die zukünftige Herrlichkeit. In der Offenbarung ist ihm diese Herrlichkeit enthüllt worden für die Gemeinde, als eine Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit - Gnade, die sich mitteilt und Wahrheit wo alles echt und durchläutert ist. Das ist ein Brunnen, der ewig fliesst, aus dem jeder Dürstende jeden Morgen neu trinken kann.
Die Gnade und Wahrheit aber, die wir gestern schöpften, in der wir gestern lebten ist, bereitet neue Gnade und neue Wahrheit vor für den heutigen Tag, immer tiefere Erkenntnis, aus Glauben in Glauben.
Vers 15 „Johannes zeugte von Ihm, rufet und spricht: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist, denn Er war eher denn ich. Und von Seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.“
Nachdem Johannes der Täufer Jesus nun eingeführt hatte, trat er vom Schauplatz zurück, und es ist der Apostel Johannes, der bezeugt: Aus Seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.“ Er hat samt den anderen Aposteln und samt der ganzen Gemeinde geschöpft aus dem unversiegbaren Born seiner Gnade. Wie gesagt es ist da ein fortwährender Austausch von Gnade um Gnade. Sobald wir die Gnade für die heutige Morgenstunde, für die flüchtig dahin eilende Zeit, für das gegenwärtige Bedürfnis, treu verwerten, quillt aus dieser Gnade eine neue Gnade hervor. Jede Gnade bereitet den Weg für eine neue Gnade. Anstatt sich zu erschöpfen, öffnet sich die Quelle umso weiter, je mehr wir schöpfen. Der Horizont erweitert sich, wir werden immer aufnahmefähiger. Das Gefäss, unser ganzes Wesen, erweitert sich während solche, die die Gnade abweisen oder sich ihr verschliessen, innerlich verarmen. Das Gesetz stellt Forderung um Forderung, belastet den Menschen auf Schritt und Tritt, ist eine erdrückende Macht und kann doch von keinem Menschen erfüllt werden, weil es nicht Kraft zur Erfüllung gibt. Auch beim aufrichtigsten Menschen, dem es ein Herzensanliegen ist, in Gottes Wegen zu wandeln, ist immer ein Zukurzkommen zu beobachten, solange er unter dem Gesetz steht.
Und wenn Kinder Gottes nicht herauskommen aus den Selbstanklagen über beständiges Zukurzkommen, so ist es, weil sie noch unter dem Gesetz stehen und sich noch nicht ganz der Gnade geöffnet haben. Sie haben sich mit ihrem Tun und Lassen, ihren Gedanken, Einbildungen und Gefühlen noch nicht restlos der Gnade ausgeliefert, oder haben es nicht verstanden, unter der Gnade zu bleiben; denn wir sind von Einflüssen der Sichtbarkeit umgeben, die uns aus der Gnade herausholen wollen und statt solchen Einflüssen gegenüber einzig und allein aus der Gnade zu schöpfen, wehren wir uns in eigener Kraft gegen sie. Dann kommt das Defizit.
Die Wahrheit, das Wesen der Dinge, die Erfüllung des Gesetzes, ist eine neue Welt, die durch Jesus Christus ins Dasein getreten ist und in diese Welt treten wir nur ein, insoweit wir in Jesus Christus eintreten. Ausserhalb Jesu Christi gibt es keine Wahrheit - alles andere ist samenartig ausgestreutes Licht, aber nicht volles Licht - nicht Gnade und Wahrheit.
Und wie dringt man in diese Wahrheit ein? Durch die Lebensverbindung mit dem eingeborenen Sohn des Vaters, der in den Schoss des Vaters zurückgekehrt und nun im Schosse des Vaters ist und der Macht hat, uns aus der Welt der Finsternis herauszuheben und uns in die neue Welt zu versetzen, in die wir hineingeboren werden, wenn wir uns ihr ganz und gar öffnen, dass sie uns erleuchte, durchleuchte und alles in uns neu schaffe.
Aus dem Jahre 1909, zu den Versen 16+17
Gnade um Gnade nehmen!
Es ist der Vers 16 den ich im Auge habe: „Denn aus Seiner Fülle haben wir genommen Gnade um Gnade.“ Die Elberfelder und, wenn ich nicht irre auch die Minaturbibel übersetzen: …haben wir alle empfangen.., während Luther übersetzt: …haben wir genommen… Gnade um Gnade. Wenn man in dem neutestamentlichen Lexikon von Kremer nachschlägt, der auf diesem Gebiete eine der ersten Autoritäten ist, so findet man, dass es heisst: nehmen, ergreifen. es scheiden sich in dieser Übersetzung dieses Wortes zwei Linien. Es ist ein grosser Unterschied zwischen Christen, die immer empfangen wollen und solchen, die einfach ihre Hand ausstrecken nach dem der Herr ihnen bietet. Er wartet darauf, dass endlich ein Geschlecht heranwachse, das aus Seiner Fülle nimmt Gnade um Gnade.
Was ist die Bedingung das tun zu können, um aus Seiner Fülle nehmen zu können? Das man nicht schon vorher voll ist von sich selbst, vom Weltschmerz, von irdischen Erinnerungen und Hoffnungen, von Keraturenliebe und Menschenfurcht, von allem möglichen Staub und Schmutz und Jammer, von allen möglichen Gebundenheiten - seelisch gebunden und an all erdenklichem erkrankend. (Phil. 4, 6-7) Ehe wir aus Seiner Fülle nehmen können, was in Seiner Fülle liegt - Gnade um Gnade -, müssen wir die Gnade nehmen, die aller anderer Gnade zu Grunde liegt - nämlich dass wir aller eigenen Fülle los werden - dass wir los werden der Welt, in der wir gelebt und die uns Kopf und Herz und Phantasie angefüllt hatte mit Eitelkeit, Sichtbarkeit, Vergänglichem, Schmutz, Menschenfurcht und Menschliebe. Dahinein will Gott Seine Fülle nicht giessen - da muss zuerst aufgeräumt werden.
Wer das schreiben und sagen kann: „Aus Seiner Fülle haben wir genommen Gnade um Gnade“, der hat Sein Pfingsten schon erlebt - er ist neugeboren, für eine neue Welt aufgewacht; er ist durch das Blut des Lammes gewaschen und gelöst von seiner alten Natur, die dem Sinnlichen und Sichtbaren zusteuerte, dort ihr Begehren hatte und vorher fürchtete. Wir müssen namentlich gelöst sein von uns selbst. Wer voll ist von sich selbst, kann Gottes Fülle nicht aufnehmen. Da ist kein Raum für sie und Gott muss da ein Menschenkind und auch ein Christenkind je und je schwer führen, um es herauszubringen aus der Welt, in der es seine Heimat hatte und deren Bild sein Herz ausgefüllt hatte. Das kann oft nur durch schwere Führungen geschehen.
Aber Gott kann auch dem Einfältigen, Aufrichtigen in einem Augenblick eine alte Welt zertrümmern und eine neue heraufführen. So war es bei Saulus. Dieser hatte nichts Besseres gekannt, als einen tadellosen Wandel im Gesetz - da hat ihn Gott auf dem Boden geworfen und so geblendet mit Seinem Licht, dass er nicht mehr in die alte Welt zurück konnte. Eine neue Welt war ihm zwar aufgegangen, aber er konnte sie noch nicht fassen. „Herr wer bist Du…was willst Du dass ich tun soll? Und so muss uns allen - davon zeugt gerade Joh. 1 - ein neues Licht erscheinen. Wer jetzt aber noch in seiner eigenen Fülle bleibt, der ist schuldig und verantwortlich vor Gott und Menschen. Er ist ein Nachtkind. Er verdunkelt anderen die Luft mit seinem Leben, seinem Selbstleben, seiner eigenen Fülle. Es geht auch hier, wie in Bezug auf alles andere: „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“ Die Fülle läuft über und verbreitet Schmutz, Kot und Verderben. So lassen wir uns den nicht verdriessen, wenn Gott bei uns allen auf dem Plane ist, oder bis jetzt darauf hat hinarbeiten müssen, uns den Boden unter den Füssen wegzuziehen - den Boden, auf dem wir eingewurzelt waren, an den unser Gedächtnis, unsere Hoffnungen, Erinnerungen, Befürchtungen, unsere Liebe geknüpft waren, an den unser Gedächtnis, unsere Hoffnungen, Erinnerungen, Befürchtungen unsere Liebe geknüpft waren. Der Weg zum Leben, geht durch den Tod. „In Ihm ist erschienen das Leben.“
In Ihm ist erschienen die Fülle. Lasse sich auch niemand verdriessen, wenn Gott auch dafür seinen Nachbarn, seine Mitschwester, seinen Mitarbeiter, den leiblichen Bruder etc. gebraucht. Er gebraucht alles. Er gebietet den Winden und Elementen. „Denen die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen.“ Und denen, die Ihn noch nicht lieben, die er aber aus der Welt der Eitelkeit und Vergänglichkeit herausziehen will, auch denen müssen alle Dinge zum Besten dienen. Da ist alles an der Arbeit, ihn herauszuführen aus der Leere der Eitelkeit und der Sichtbarkeit. Und erst, wenn man sich da einmal hat das alte zertrümmern lassen, kann der Herr alles in die Hand nehmen und füllen. Erst wenn man seine Erquickung und seinen Trost hat nehmen können, schwindet die Leere, da mag es noch so sehr geregnet und gestürmt haben, so dass man dachte, es könne nicht mehr Licht werden, so dass man dachte, es könne nie mehr licht werden auf dem Wege; lass es nur geschehen. Es geht früher oder später ein neues Licht auf, um dann nie mehr unterzugehen.
„Welt ohne Ende.“ - die Heimat unserer Geister. Wir sind nicht dazu geschaffen, dass wir uns mit Sichtbarem den Bauch füllen - sondern wir sind losgekauft von der Sichtbarkeit, der Sinnlichkeit, der Eitelkeit - wir sind frei geworden durch das Blut des Lammes für Sein Leben, Seine Fülle, für das Verständnis der unsichtbaren Welt, die in Christus Jesus zusammen geschlossen ist. Denn in Ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.
Wir können ausgefüllt werden und wir sollen ausgefüllt werden mit dem Herrn und mit Seinem Leben, Seinem Licht und Seiner Gnade. Wir haben genommen - das ist aber eine Vergangenheit, welche fortdauert. Man hört nicht auf zu nehmen. Das hört nie auf. Wir sind nie am Ende, haben nie ausgeschöpft und zwar haben wir empfangen Gnade um Gnade. Das heisst: Wir haben eine erste Gnade - ohne sie zu verlieren - umgetauscht gegen eine zweite Gnade, dadurch, dass wir sie ausleben. Jede Gnade, die man auslebt, macht Raum für eine weitere. Eine Gnade ruft der anderen, eine Lebensmitteilung der anderen und dabei wird das arme, irdische Gefäss, das zusammengeschnürt war von fleischlichen Erinnerungen, Hoffnungen und Befürchtungen, wieder frei, um in seine göttliche Bestimmung und Fähigkeit einzutreten. Es findet eine unbegrenzte Herzenserweiterung statt durch die Gnade.
Jede genommene Gnade macht Raum für eine neue Gnade und ein Tag in einem Christenleben, der nicht Raum gemacht hat für eine neue Gnade, ist ein verlorener Tag.
Hast du gestern aus der Gnade geschöpft, so hast du heute Bedürfnis und Fähigkeit, tiefer in die Gnade hineinzugreifen, dich tiefer hineinzuwerfen in dieses Meer, als du es gestern tun konntest. Jeder Tag, heisst es im Wort Gottes, hat seine eigene Plage und hat auch seine eigene Gnade - ja gerade die Plage wird zur Gnade. Was uns gedrückt hat, wird auf neutestamentlichem Boden zur Bereicherung für uns. Die Gnade, die wir genommen haben, geht unserem natürlichen Leben tiefer an die Wurzel, den je, bis alles in uns ausgefüllt ist durch die Gnade, bis nichts anderes aufkommen kann, auch wenn es sich geltend machen will in diesem Meer der Gnade - soviel unser Herz fassen kann - eine Fülle, die Fülle, die wir fassen können und die sich - wie gesagt - nach allen Seiten hin unendlich erweitert.
Und dann noch der andere Vers: „Das Gesetz ward durch Mose gegeben, die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“
Die Gesetzeszeit, die Zeit Moses, war die Zeit, wo Gott forderte - die Kraft, das vom Gesetz Geforderte zu halten, ist durch Jesus Christus geworden. Diese existierte nicht, sie ist geworden, ins Dasein getreten durch Jesus Christus. Wer Ihn nicht kennt, Ihn nicht nahe steht, kann nicht nehmen aus der Fülle Gottes Gnade und Wahrheit. Die Gnade und Wahrheit. Die Gnade ist da - eine Welt voll Gnade und Wahrheit im Gegensatz zu einer Welt voll Anstrengung, Lüge und Schein und Engherzigkeit. Oh öffnen wir doch in diesen Tagen, wo so manche Gott in der Stille begegnen dürfen, ehe ihr wieder zurückkehrt mitten in die Ansprüche einer grossen oder kleiner Aufgabe - öffne sich da jeder noch ganz und lerne jeder schöpfen, besser als bisher nehmen, was er bedarf aus der Fülle Gottes, die sich am Kreuze Christi aufgetan und aus der nun der Geist Christi schöpft. Er öffnet uns die Augen und bietet uns auf dem Wege Gnade um Gnade.
Das Ausleben einer Gnade macht einer anderen Gnade Raum. Eine Gnade ruft einer anderen Gnade. Gerade wie jedes Zurückbleiben der Sünde Raum macht, so macht jeder Akt des Gehorsams der Gnade Raum, uns seinem Bilde entgegen zu führen. Abwärts in Demut und Einfalt und aufwärts in Gnade und Herrlichkeit von Gehorsam zu Gehorsam. Wir dürfen uns nur darin üben, alles mit unserem Gott durchzumachen, alles zu tun, dann können wir gar nicht anders, als Ihn lieben.
Christus gegenüber können wir sagen: „Zu wem sollten wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“. - Du hast es uns angetan. Wir haben geglaubt und dann auf Grund des Glaubens erkannt, dass Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes und jeder Vertrauensakt vermehrt die Erkenntnis, dass uns der Geist Gottes weiter Christi Bild verklären und tiefer aufschliessen kann, um uns dann tiefer in dasselbe einzuführen.
Jede Erkenntnis eines neuen Stückes Herrlichkeit in Christo gibt neue Freudigkeit, Ihm zu vertrauen weiterhin und verstärkt die moralische, sittliche Unmöglichkeit, Ihm zu misstrauen.
So führt uns der Geist Gottes, indem er uns Christus verklärt und in der Nachfolge stärkt, Schritt für Schritt, von Umgestaltung zu Umgestaltung zur Ehre Gottes des Vaters.