Spurgeon, Charles Haddon - Psalm 29
- Ein Psalm Davids. Bringet her dem Herrn, ihr Gewaltigen, bringt her dem Herrn Ehre und Stärke! - Bringet dem Herrn die Ehre seines Namens; betet an den Herrn in heiligem Schmuck! - Die Stimme des Herrn geht über den Wassern, der Gott der Ehren donnert, der Herr über großen Wassern. - Die Stimme des Herrn geht mit Macht, die Stimme des Herrn geht herrlich. - Die Stimme des Herrn zerbricht die Zedern; der Herr zerbricht die Zedern im Libanon. - Und macht sie hüpfen wie ein Kalb, den Libanon und Sirjon wie ein junges Einhorn. - Die Stimme des Herrn sprüht Feuerflammen. - Die Stimme des Herrn erregt die Wüste; der Herr erregt die Wüste Kodes. - Die Stimme des Herrn erregt die Hinden und entblößt die Wälder; und in seinem Tempel sagt ihm alles Ehre. - Der Herr sitzt, eine Sintflut anzurichten; und der Herr bleibt ein König in Ewigkeit. - Der Herr wird seinem Volk Kraft geben; der Herr wird sein Volk segnen mit Frieden.
Inhalt
Der Psalm schildert die Herrlichkeit Gottes, die im Gewitter und Sturm zum Ausdruck kommt. Wie man Psalm 8 bei Mondlicht und Sternenglanz lesen muss und Psalm 19 beim Sonnenaufgang, so muss man Psalm 29 am besten dann lesen, wenn ein Sturm aufzieht, die Blitze zucken und der Donner rollt. Überall und in allem kann man Gott erfahren. Die Erde verstummt vor der Majestät seiner Macht. In diesem Psalm wird das Wort Gottes in Gesetz und Evangelium geschildert. Es hat lebendige Kraft. Wahre Prediger müssen etwas vom Donner des Gewitters in ihrer Verkündigung haben. Die Stimme Gottes in Jesus Christus ist voller Macht und Herrlichkeit. So gehören Gottes Werke und Worte zusammen. Niemand soll sie fälschlicherweise trennen in der Meinung, dass Theologie und Wissenschaft sich widersprechen oder sich gegenseitig ausschließen. Vielleicht gibt uns dieser Psalm auch einen prophetischen Blick auf die schrecklichen Stürme der letzten Tage und zugleich auf die Sicherheit des Volkes Gottes in der letzten Not.
Einteilung
* Der Ruf zur Anbetung (V. 1-2); * der Weg des Sturmes und die Verherrlichung des gewaltigen Gottes (V. 3-10); * die Gewissheit, dass der allmächtige Gott seinem Volk Kraft und Frieden schenkt (V. 11).
Auslegung
V. 1 „Bringet her dem Herrn, ihr Gewaltigen, bringt her dem Herrn Ehre und Stärke!“ Weder Menschen noch Engel können dem Herrn etwas geben, aber sie sollen seine Macht und Herrlichkeit anerkennen und ihn mit Herz und Mund loben. Dem Herrn, und ihm allein, soll alle Ehre gegeben werden. Die Naturkräfte sind Äußerungen des handelnden und wirkenden Gottes; wir dürfen ihnen keine eigenen Machtvollkommenheiten zuschreiben. Die Quelle aller Macht und Kraft ist der unsichtbare Gott. Ihr Gewaltigen Himmels und der Erde, ihr Engel und Könige, vereinigt euch zur Anbetung des einen, allmächtigen Herrschers! Ihr Herren unter den Menschen müsst an den einen Herrn erinnert werden. Beugt eure Häupter und unterwerft euch dem König aller Könige! Wie oft finden es die Großen und Mächtigen der Erde unter ihrer Würde, den Herrn zu fürchten. Wenn sie dem Herrn die Ehre geben, die ihm allein gebührt, ist das der schönste Edelstein in ihrer Krone. „Bringet her dem Herrn Ehre und Stärke!“ Beides beanspruchen die Menschen für sich, obwohl beides ausschließlich Vorrecht Gottes ist. Kronen und Schwerter sollen ihre Abhängigkeit von Gott erkennen!
Ihr Könige, gebt nicht euren Waffen die Ehre und stützt euch nicht auf eure Armeen. All euer Prunk ist wie eine welkende Blume und eure ganze Macht wie ein schwindender Schatten. Wann kommt der Tag, wo Könige und Fürsten Gott allein die Ehre geben?
V. 2 „Bringet her dem Herrn die Ehre seines Namens.“ Zum dritten Mal kommt diese Mahnung, weil wir Menschen so träge sind, Gott zu ehren. Besonders Menschen in Machtpositionen sind viel zu sehr von ihrer eigenen Wichtigkeit eingenommen, um Zeit und Lust zur Anbetung Gottes zu haben. Dabei wird von ihnen nur verlangt, was sich selbstverständlich gehört. Es müsste nicht nötig sein, die Menschen dauernd aufzufordern zu etwas, was sie sowieso schuldig sind. Besonders in diesem Fall, wo in der Pflichterfüllung eine große Glückseligkeit liegt! Unglaube und Misstrauen, Klagen und Murren raubt Gott die Ehre. „Betet an den Herrn in heiligem Schmuck!“ Beugt euch vor ihm in demütiger Ergebenheit und heiliger Ehrfurcht. Früher erforderte der Gottesdienst viele Zeremonien; die Menschen versammelten sich in einem geweihten Gotteshaus, dessen feierliche Pracht ein Bild für Heiligkeit und Herrlichkeit war. Heute ist unsere Anbetung eine geistliche; Baustil der Kirche und Kleidung der Beter ist unwichtig. Gott will geistlichen Schmuck bei denen sehen, die ihn anbeten. Es kommt auf die Reinheit des Herzens und die Heiligkeit des Wandels an.
V. 3 „Die Stimme des Herrn geht über den Wassern.“ Es ist nicht nur ein poetischer Ausdruck, wenn der Dichter den Gewitterdonner „Stimme des Herrn“ nennt. Der Donner hallt von oben herab, übertönt alle anderen Geräusche, lässt uns erschauern und ist vom Menschen nicht zu bändigen. Manchmal diente der Donner als Begleitung und Untermalung, wenn Gott zu Menschen redete. Besonders furchterregend ist ein Gewittersturm auf hoher See, wenn eine Tiefe die andere ruft und die tobende See dem zornigen Himmel antwortet. Der Blitz zuckt um die Schiffsmasten, und der Donner rollt über die brausenden Wellen. „Der Gott der Ehren donnert.“ Wie alle Naturkräfte und Naturerscheinungen kommt auch das Gewitter von Gott. Der moderne Mensch glaubt nur an die physikalischen Gesetze und sieht im Gewitter nicht mehr als eine elektrische Entladung. Aber Elektrizität kann aus sich selbst nichts tun. Sie wirkt, weil sie gerufen und gesandt wird. Wenn der allmächtige Herr nicht befiehlt, geschieht nichts. „Der Herr über großen Wassern.“ Der Psalmist sieht und hört in allem nur den Herrn. Seine Stimme tönt aus dem dunklen Wolkenhimmel und wird von dem sturmgepeitschten Meer zurückgeworfen. Die Wasser über und unter der Feste staunen über die ewige Stimme. Gott erweist sich in der Welt des Geistes ebenso herrlich wie in der Welt der Materie, wenn sein Heiliger Geist die göttlichen Verheißungen zu Gehör bringt, im Leidenssturm und in der Trübsalsflut unserer Seele. Über uns, unter uns, um uns und in uns ist lauter Friede, wenn der Herr uns Frieden schenkt.
V. 4 „Die Stimme des Herrn geht mit Macht.“ Ein Blitz hat eine unheimliche Kraft. Ein Schriftsteller beschrieb den Blitz als ein Licht von so intensiver Leuchtkraft wie die Sonne, als eine Hitze, die Metalle schmelzen kann, als eine Gewalt, die lahmen und töten kann, als eine Kraft, die die engsten chemischen Verbindungen auflösen und wiederherstellen kann. Der Donner gibt Kunde, dass wieder ein Blitz gezündet hat. „Die Stimme des Herrn geht mit Macht.“
Die Stimme Gottes ist in der Gnade genauso machtvoll wie in der Natur. In den Evangelien finden wir vieles, was durch den Donner im Gewitter illustriert werden kann. Die Stimme Gottes erschüttert Himmel und Erde, sei es in der Natur oder in der Offenbarung. Weigert euch nicht, Gott zu hören! „Die Stimme des Herrn geht herrlich.“ Der König der Könige redet königlich. Wenn der Löwe brüllt, verstummen alle anderen Tiere des Waldes. Wenn der mächtige Gott seine gewaltige Sprache spricht, verstummt die ganze Erde. Das geschriebene Wort Gottes ist herrlich nach Inhalt und Wirkung. Es hat Macht über das Herz des Menschen. Gott sei Dank: Es ist die Macht der Gnade.
V. 5 „Die Stimme des Herrn zerbricht die Zedern.“ Edle Bäume stehen verdorrt als Zeichen für die unwiderstehliche Gewalt oder fallen unter dem Schlag der geheimnisvollen Macht. Selbst der Libanon ist nicht sicher, so hoch er sich erhebt und so uralt seine Wälder sind: „Der Herr zerbricht die Zedern im Libanon.“ Die höchsten und angesehensten Menschen brauchen sich nicht einzubilden, immun gegen den Zorn Gottes zu sein. Die Botschaft von Jesus Christus besitzt Macht über alle Menschen. Wenn der Herr sein Wort sendet, zerbricht es Herzen, die härter und stolzer sind als die Zedern vom Libanon.
V. 6 „Und macht sie hüpfen wie ein Kalb, den Libanon und Sirjon wie ein junges Einhorn.“ Nicht nur Bäume, sondern sogar Berge werden erschüttert und bewegen sich, als hüpften sie wie junge Bullen oder Antilopen. Noch viel mehr Macht hat die Botschaft von Jesus Christus über die steinige Hartherzigkeit und den bergeshohen Stolz der Menschen. Die Stimme unseres sterbenden Herrn zerriss die Felsen und öffnete die Gräber. Die Stimme unseres erhöhten Herrn wirkt noch viel mehr!
V. 7 „Die Stimme des Herrn sprüht Feuerflammen.“ Wie bei schweren Hammerschlägen die Funken vom Amboss fliegen, so begleitet der Blitz die Donnerschläge des Herrn. Blitze sind Flammen und können Brände verursachen. Wie leicht könnte der Herr seine aufrührerischen Geschöpfe damit vernichten! Wie gnädig ist er, dass er sie verschont!
Feuerflammen begleiten die Stimme Gottes in den Evangelien. Sie erleuchten und schmelzen Menschenherzen. Sie verzehren die sündhaften Begierden und entzünden die heilige Flamme der Liebe und Heiligkeit. Pfingsten ist eine gute Auslegung dieses Verses!
V. 8 „Die Stimme des Herrn erregt die Wüste; der Herr erregt die Wüste Kades.“ Gott wirbt nicht um den Beifall der Menschen. Seine größten Taten vollbringt er da, wo kein neugieriges Menschenauge hinsehen kann. Die Stimme Gottes ist erschreckend klar da, wo kein menschlicher Laut zu hören ist. Die weiten, schweigenden Ebenen erzittern vor Furcht. Schweigen ehrt des Allmächtigen Stimme: Die Niederungen müssen ebenso die Stimme Gottes hören wie die hohen Berge; die Armen müssen ebenso die Herrlichkeit des Herrn anerkennen wie die Reichen. Einsames und wüstes Land soll durch die Stimme des Evangeliums erfreut werden. Das Wort Gottes hat erschütternde und überwältigende Kraft.
V. 9 „Die Stimme des Herrn erregt die Hinden und entblößt die Wälder.“ Vom Donner erschreckt, werfen diese schüchternen Tiere ihre Last vorzeitig ab. Eine andere Lesart des zweiten Versteiles lautet: „Macht die Eichen erbeben.“ Das Licht der Blitze erhellt die dichten Schatten der Wälder. Blitz und Sturm reißen Laub und Äste herunter.
Adam und Eva flüchteten unter die Bäume und Büsche. Aber der Herr fand sie, und seine Stimme ließ ihre Herzen erzittern. Es gibt kein Versteck vor dem Feuerglanz des Allmächtigen. Ein Strahl seines zürnenden Auges macht finstere Nacht zum hellen Tag. Das Evangelium hat in dunklen Herzen eine offenbarende Kraft. In einem Augenblick erleuchtet es jeden Schlupfwinkel der Gottlosigkeit im Herzen und lässt es erzittern vor dem Herrn. „Und in seinem Tempel sagt ihm alles Ehre.“ Wer im Tempel anbetete, redete von der Herrlichkeit des Herrn. Die ganze Welt ist ein Tempel Gottes, und in seinem Tempel will er geehrt werden. Die Erlösten des Herrn sind lebendige Tempel seines Geistes. Wir sehen die Wunder seiner Macht in der Schöpfung, und wir erfahren sie an uns in der Gnade. Deshalb sollen wir uns zum Lob seines Namens vereinigen. Keine Zunge soll schweigen, wenn es um das Lob des herrlichen Gottes geht.
V. 10 „Der Herr sitzt, eine Sintflut anzurichten.“ (Elberfelder Übersetzung: „Der Herr thront auf der Wasserflut.“) Dem Gewitter folgt ein Wolkenbruch. Aber keine noch so große Sintflut kann dem Thron Gottes etwas anhaben. Der Herr bleibt ruhig und fest, wie sehr auch die Tiefe tobt und wütet. Er beherrscht selbst das unbeständigste und Ungestümste Element. Der Herr schreitet über die weite, wilde Wasserwüste und fährt daher im Sturm, „und der Herr bleibt ein König in Ewigkeit.“ Jesus hat die Herrschaft für immer übernommen. In den schwersten Stürmen sind wir sicher in seiner Hand. Nicht Satan ist König, sondern Jesus. Wir wollen ihn anbeten und ihm zujubeln!
V. 11 „Der Herr wird seinem Volk Kraft geben; der Herr wird sein Volk segnen mit Frieden.“ Eine gewaltige Kraft hatte sich in dem Sturm entfaltet. Und jetzt, in der Ruhe nach dem Sturm, wird diese Kraft dem Volk Gottes verheißen. Er, der die Erde mit seiner Stimme erschüttert, wird die Feinde seines Volkes vernichten und seinem Volk Frieden geben. Warum sind wir schwach? Wir haben eine göttliche Kraft, zu der wir Zuflucht nehmen können! Warum sind wir unruhig? Wir haben einen Frieden, den der Herr selbst uns schenkt! Jesus, der mächtige Gott, ist unser Friede. Welch ein Segen ist das in unserer Zeit! Lieber Leser, ist das nicht ein Psalm, den man wirklich bei Sturm und Gewitter singen kann? Ob du diesen Psalm auch singen kannst, wenn der letzte Sturm über diese Erde braust und Jesus die Lebendigen und Toten richtet? Wenn du an Jesus Christus glaubst und zum Volk Gottes gehörst, darfst du diesen letzten Vers für dich persönlich in Anspruch nehmen, und dann kannst du auch singen!