Spurgeon, Charles Haddon - Der barmherzige Samariter.

Spurgeon, Charles Haddon - Der barmherzige Samariter.

Gehalten am Sonntag, den 17. Juni 1877. (Am Sonntag, wo die Kollekte für die Hospitäler in London stattfindet.)

Und siehe, da stand ein Schriftgelehrter auf … und tu desgleichen.
Luk. 10, 25-37.

Unser Text ist die ganze Erzählung vom Samariter; aber da sie sehr lang ist, wollen wir, um unserem Gedächtnis zu Hilfe zu kommen, die Ermahnung im 37. Verse als unseren Text betrachten: „Gehe hin und tu desgleichen.“

Es gibt gewisse Leute, die dem Prediger nicht erlauben wollen, über etwas anderes zu sprechen als über jene Lehren in Betreff des Heilsweges, die als „das Evangelium“ bekannt sind. Wenn der Prediger eine Tugend oder eine praktische Gnade ihnen einschärft, sagen sie sofort, er predige nicht das Evangelium, er würde gesetzlich usw. ein bloßer Sittenlehrer. Wir fürchten uns vor solchem Tadel nicht, denn wir sehen klar, dass unser Herr Jesus Christus sehr oft denselben erfahren haben würde. Lest die Bergpredigt und urteilt, ob gewisse Leute zufrieden wären, wenn ihnen so etwas am Sabbat gepredigt würde. Sie würden es verurteilen als zu wenig Evangelium enthaltend und zu viel von guten Werken. Unser Herr war groß in praktischer Predigt. Er hielt oft Reben, in denen er Fragenden antwortete oder Suchende belehrte oder Sünder tadelte und er letzte auf das Tun einen solchen Nachdruck, wie einige seiner Diener es nicht nachzuahmen wagen. Jesus lehrt uns wieder und immer wieder die Art, wie wir uns gegen unsere Nebenmenschen zu verhalten haben, und legt viel Gewicht auf die Liebe, welche durch den ganzen christlichen Wandel hindurch leuchten soll. Die Erzählung vom barmherzigen Samariter, die uns jetzt vorliegt, ist ein solcher Fall, denn unser Herr erklärt hier einen Punkt, der aus der Frage hervorging: „Was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?“ Die Frage ist gesetzlich und die Antwort ist treffend. Aber lasst es nie. vergessen werden, was das Gesetz von uns verlangt, bringt das Evangelium wirklich in uns hervor. Das Gesetz sagt uns, was wir sein sollen, und es ist Ein Zweck des Evangeliums, uns auf diesen Standpunkt zu erheben. Daher ist unseres Heilands Lehre, obwohl ungemein praktisch, doch immer evangelisch; selbst bei der Erklärung des Gesetzes hat er immer eine evangelische Absicht. Es dient zweien Zwecken, wenn er uns ein hohes Ideal der Pflichterfüllung aufstellt: erstens schlägt er die Selbstgerechtigkeit, welche behauptet, das Gesetz gehalten zu haben, indem er die Menschen fühlen lässt, dass es unmöglich ist, die Seligkeit durch Werke zu verdienen, und zweitens weist er die Gläubigen hinweg von aller Zufriedenheit mit dem bloßen Anstand im Leben und den äußeren religiösen Gewohnheiten und spornt sie an, nach dem höchsten Grad der Heiligkeit zu streben, nach jener Vortrefflichkeit, die nur die Gnade verleihen kann. Diesen Morgen hoffe ich, obwohl ich sehr bei dem Tun verweilen werde, doch von dem Geist der Heiligkeit geleitet zu werden und mich nicht wirklich der Gesetzlichkeit schuldig zu machen, noch einen von euch dahinein zu führen. Ich werde die Nächstenliebe nicht als eine Bedingung des Heils aufstellen, aber als eine Frucht desselben. Ich werde nicht von dem Gehorsam gegen das Gesetz sprechen als von dem Wege zum Himmel, aber ich werde euch den Pfad zeigen, welchen der Glaube geht, der durch die Liebe tätig ist.

Lasst uns sogleich zum Gleichnis übergeben.

I.

Unsere erste Betrachtung soll sein, dass die Welt sehr voller Leiden ist. Die Geschichte ist nur eine unter tausenden, die sich auf einen unglücklichen Vorfall gründen. „Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab gen Jericho und fiel unter die Mörder.“ Er machte eine kurze Reise und verlor beinah sein Leben auf dem Wege. Wir sind nie vor Unglück sicher; es kommt über uns am häuslichen Herd und lässt uns leiden in unserer eigenen Person oder in den Leiden unserer liebsten Verwandten; es geht in unsere Läden und Büros und sucht uns da heim, und wenn wir unser Haus verlassen, wird es unser Reisegefährte und begleitet uns auf dem Wege. „Der Mensch wird zu Unglück geboren, wie die Vögel empor schweben, zu fliegen.“

Oft sind die größeren Leiden nicht durch Schuld des Leibenden verursacht. Niemand konnte den armen Juden dafür tadeln, dass die Mörder ihn anfielen, als er in seinem Geschäft nach Jericho hinab ging, dass sie sein Geld forderten und als er etwas Widerstand leistete, ihn schlugen, auszogen und halb tot liegen ließen. Wie konnte er getadelt werden? Es war ein bloßes Unglück für ihn. Glaubt mir, es ist sehr viel Kummer in der Welt, der nicht aus den Lastern oder Torheiten der Leute entsteht, die darunter leiden; er kommt aus Gottes Hand über den Leidenden nicht, weil er mehr ein Sünder ist als Andere, sondern um weiser, uns unbekannter Zwecke willen. Nun, dies ist die Art von Leiden, die vor allen anderen christliche Teilnahme verlangt, und gerade die Art, die so reichlich in unseren Hospitälern vorhanden ist. Der Mann ist nicht zu tadeln, weil er geschlagen und verwundet daliegt; jene klaffenden Wunden, aus denen sein Leben ausströmt, hat er sich nicht selbst beigebracht, er hat sie nicht in einem trunkenen Zank oder bei einem tollkühnen Streich erhalten; er leidet nicht durch eigene Schuld und hat deshalb ein dringendes Anrecht auf die Wohltätigkeit seiner Mitmenschen.

Aber sehr viel leiden wird durch die Schlechtigkeit Anderer verursacht. Der arme Jude auf dem Wege nach Jericho war das Opfer der Mörder, die ihn verwundeten und halb tot liegen ließen. Der Mensch ist des Menschen ärgster Feind. Wenn der Mensch nur zum Frieden gezähmt würde, so wäre das wildeste Tier der Welt unterjocht; und wenn das Böse aus der Menschen Herzen getrieben wäre, würde der größte Teil der Übel des Lebens sofort aufhören. Des Trunkenbolds Verschwendung und Rohheit, des Stolzen Verachtung, des Unterdrückers Grausamkeit, des Verleumders Lüge, des Betrügers List, des Herzlosen Schinden der Armen, alle diese zusammen sind die Wurzeln von fast allen giftigen Kräutern, die auf der Erde uns zur Schande und zum Schmerz wachsen. Wenn die herrschenden Sünden hinweggenommen werden könnten, wie sie es werden, Gott sei Dank, wenn Christus über die Welt gesiegt hat, so würde viel des menschlichen Schmerzes gelindert sein. Wenn wir Unschuldige durch Anderer Sünde leiden sehen, sollte unser Mitleid sich regen. Wie viele kleine Kinder hungern und siechen an chronischen Übeln dahin durch des Vaters Trunkenheit, die den Tisch leer lässt! Auch Frauen, die selbst hart arbeiten, werden in schmerzvolle Krankheit und langes Siechtum gebracht durch die Trägheit und Grausamkeit derer, die für sie hätten sorgen sollen. Arbeiter werden oft in ihrem Lohn verkürzt und müssen sich fast zu Tode arbeiten, um ein Geringes zu verdienen. Dies sind die Leute, für die wir Teilnahme haben sollten, wenn Unglücksfall oder Krankheit sie an die Pforten des Hospitals bringt, „verwundet und halb tot.“

Der Mann im Gleichnis war ganz hilflos, er konnte selbst nichts für sich tun; er musste da liegen und sterben, aus jenen tiefen Wunden muss sein Leben sich ausbluten, wenn nicht eine große mutige Hand dazwischen kommt. Alles, was er kann, ist stöhnen; er kann nicht einmal seine Wunden verbinden, viel weniger aufstehen und Zuflucht suchen. Er blutet sich zu Tode unter den mitleidslosen Felsen der Straße nach Jericho und sein Leib wird eine Speise für Geier und Raben, wenn kein Freund zu seiner Hilfe kommt. Nun, wenn ein Mensch sich helfen kann und es nicht tut, verdient er zu leiden; wenn Jemand Gelegenheiten versäumt aus Trägheit und Nachlässigkeit, sollte man ein Maß von Leiden zur Kur seiner Laster zulassen, aber wenn Leute krank oder verunglückt sind und unfähig, die Hilfe der Wärterin und des Arztes zu bezahlen, dann ist die Zeit, wo wahre Menschenliebe schnell beispringen und ihr Bestes tun sollte. So lehrt uns unser Heiland hier.

Gewisse Lebenspfade sind besonders den Leiden unterworfen. Der Weg von Jerusalem nach Jericho war immer von Räubern belagert. Hieronymus erzählt uns, dass er „der blutige Weg“ genannt ward wegen der häufigen Straßenräuberei und Mordtaten, die da begangen wurden; und es ist noch nicht so lange her, dass es aus dem Gedächtnis der Menschen entschwunden wäre, als ein englischer Reisender auf dieser Straße seinen Tod fand, und ganz neuerlich erzählen Reisende uns, dass sie entweder bedroht oder wirklich überfallen sind in jener besonders düsteren Gegend der Wüste, die zur Palmenstadt hinabführt. So sind auch in der Welt um uns her Lebenspfade, die höchst gefährlich sind, und entsetzlich von Krankheiten und Unglücksfällen heimgesucht werden.

In früheren Jahren gab es manche Berufsarten, in denen aus Mangel an Vorsicht der Tod seine Tausende schlug. Ich danke Gott, dass Sanitätsgesetze und Vorsichtsmaßnahmen besser beobachtet werden und Menschenleben etwas kostbarer geachtet wird. Doch gibt es noch manchen Lebensweg, welcher der „blutige Weg“ genannt werden könnte; Beschäftigungen, die für das Gemeinwohl nötig sind, aber höchst gefährlich für die, welche ihnen obliegen. Unsere Minen, Eisenbahnen und unsere Meere weisen eine furchtbare Liste von Leiden und Tod auf. Lange Stunden in schlecht gelüfteten Arbeitszimmern tragen die Schuld an Tausenden von verkürzten Leben, und ebenso kärglicher Lohn, bei dem man sich nicht hinreichende Nahrung verschaffen kann. Mancher Näherin Lebensweg ist wahrlich ein Pfad des Blutes. Wenn ich an die Mengen der Arbeiter in dieser Stadt denke, die in engen, ungesunden Räumen leben müssen, zusammengedrängt in Gässchen und Höfen, wo die Luft faul ist, so stehe ich nicht an, zu sagen, dass ein großer Teil der Straße, auf welcher die Armen Londons zu geben haben, ebenso sehr den Namen Blutweg verdient, als die Straße von Jerusalem nach Jericho. Wenn sie ihr Geld nicht verlieren, so ist das, weil sie keins haben; wenn sie nicht unter die Mörder fallen, so fallen sie unter die Krankheiten, welche sie schlagen und halb tot liegen lassen. Nun, wenn ihr keinen solchen Beruf habt, wenn euer Pfad euch nicht von Jerusalem nach Jericho leitet, sondern euch vielleicht sehr oft von Jerusalem nach Bethanien führt, wo ihr die Süßigkeit häuslichen Glückes und christlicher Gemeinschaft genießen könnt, so solltet ihr sehr dankbar sein und umso bereitwilliger, denen beizustehen, die um euretwillen oder zum Wohle des Ganzen die gefährlicheren Lebenswege zu geben haben. Stimmt ihr darin nicht mit mir überein, dass diese unter den Ersten sein sollten, die unsere christliche Freundlichkeit empfänden? Solcher gibt es Viele in unseren Hospitälern und anderswo.

Lasst das feststehen: es ist klar, dass sehr viel Leiden in der Welt ist und vieles von der Art, die sofort Beistand verdient.

II.

Zweitens, es gibt Viele, die niemals den Leidenden beistehen. Unser Heiland erzählt uns von wenigstens Zweien, „die vorüber gingen,“ und ich glaube, er hätte das Gleichnis verlängern können, wenn es ihm gefallen, und zwei Dutzend nennen, und selbst dann sich begnügen können, nur Einen barmherzigen Samariter zu erwähnen, denn ich glaube kaum, dass es einen barmherzigen Samariter auf zwei herzlose Personen gibt. Ich wünschte, es wäre so, aber mir ist bange, der barmherzigen Samariter sind sehr wenige im Verhältnis zu der Zahl derer, welche die Rolle des Priesters und Leviten spielen.

Nun beachtet wer die Leute waren, die sich weigerten dem Mann im Elend Hilfe zu leisten. Zuerst, sie wurden durch Gottes Vorsehung an den Ort gebracht, um Hilfe zu leisten. Was Besseres konnte der Herr selbst für den armen, halb toten Menschen tun, als einen Menschen herführen, um ihm zu helfen? Ein Engel hätte nicht wohl beistehen können. Wie sollte ein Engel, selber nie verwundet, es verstehen Wunden zu verbinden und Wein und Öl hineinzugießen? Nein, es bedurfte eines Menschen, der wusste, was Not tat, der mit brüderlicher Teilnahme die Seele aufrichtete, während er dem Körper beistand. In unserer Übersetzung lesen wir: „Es begab sich aber ungefähr, dass ein Priester dieselbige Straße hinab zog;“ aber gelehrte Übersetzer lesen: „durch ein Zusammentreffen.“ Es war eine göttliche Fügung, dass ein Priester zuerst zu dem Leibenden kam, damit er hinginge und als ein Mann von Bildung und Geschicklichkeit den Fall untersuchte, und dann, wenn der Levite kam, hätte dieser fortsetzen können, was der Priester begonnen; und wenn Einer den armen Menschen nicht hätte tragen können, so hätten die Zwei ihn in die Herberge tragen oder Einer hätte bei ihm bleiben können, während der Andere Hilfe geholt hätte. Gott brachte sie in diese Lage, aber sie weigerten sich eigenwillig, die heilige Pflicht zu tun, die Vorsehung sowie Menschlichkeit von ihnen verlangte. Nun ihr, die ihr reich seid, ihr seid in unsere Stadt gesandt, damit ihr Mitleid mit den Kranken, Verwundeten, Armen und Bedürftigen habt. Gottes Absicht, wenn er Jemandem mehr Güter gibt, als er braucht, ist, dass er das angenehme Amt habe, oder lasst mich lieber sagen das freudenvolle Vorrecht, Mangel und Elend zu lindern. Ach, wie Viele gibt es, die jenen Vorrat, den Gott in ihre Hände gegeben für Arme und Dürftige, nur betrachten als Mittel für ihren übertriebenen Luxus, einen Luxus, der sie vollpfropft, aber ihnen weder wohl tut noch Vergnügen macht. Andere wähnen, der Reichtum sei ihnen gegeben, dass sie ihn unter Schloss und Riegel halten, rostend und zerfressend, Geiz und Sorge ausbrütend. Wer wagt es, einen Stein über die Öffnung des Brunnens zu legen, wenn der Durst rings umher wütet? Wer wagt es, das Brot Weibern und Kindern vorzuenthalten, die bereit sind, ihre eigenen Arme aus Hunger anzunagen? Und vor allem, wer wagt es, den Leidenden ohne Pflege mit den Qualen ringen und die Kranken ohne Hilfe ins Grab sinken zu lassen? Dies ist keine geringe Sünde, es ist ein Verbrechen, dafür der Richter Rechenschaft fordern wird, wenn er kommt, zu richten die Lebendigen und die Toten. Jene Leute, die sich um den armen Mann nicht kümmerten, waren dahin gebracht, um Hilfe zu leisten, eben wie ihr es seid, und doch gingen sie vorüber.

Sie waren beide noch dazu Personen, die ihm hätten beistehen sollen, weil sie sehr viel umgingen mit Dingen, die ihre Herzen hätten weich machen sollen. Wenn ich die Stelle verstehe, so kam der Priester herab von Jerusalem. Ich habe oft gedacht, welches Weges er gegangen, ob er hinauf zum Tempel ging und Eile hatte, rechtzeitig da zu sein, um die Gemeinde nicht warten zu lassen, oder ob er seine Pflicht erfüllt und seinen Monat am Tempel gedient und nun nach Hause ging. Ich schließe, dass er von Jerusalem nach Jericho ging, weil es heißt, „dass ein Priester dieselbige Straße hinab zog.“ Nun, zur Hauptstadt ist es immer „hinauf geben,“ hinauf nach London oder hinauf nach Jerusalem; und da dieser Priester hinab zog, so ging er nach Jericho. Es war buchstäblich hinabgehen, denn Jericho liegt sehr tief. Ich nehme an, dass er heim nach Jericho ging, nachdem er seinen monatlichen Dienst am Tempel verrichtet, mit der Verehrung des Höchsten beschäftigt, Gott so nahe, wie ein Mensch es sein konnte, dienend unter Opfern, heiligen Psalmen und feierlichen Gebeten, und doch hatte er noch nicht gelernt, selbst ein Opfer zu bringen. Er hatte jene prophetischen Worte gehört, die sagen: „Ich habe Lust an der Barmherzigkeit und nicht am Opfer,“ aber er hatte diese Lehren ganz vergessen; er hatte oft jenes Gesetz gelesen: „Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst,“ aber er beobachtete es nicht.

Der Levite war nicht so sehr im Heiligtum beschäftigt gewesen, wie der Priester, aber er hatte seinen Anteil am heiligen Werke gehabt und doch ging er mit einem harten Herzen davon hinweg. Dies ist eine traurige Tatsache. Sie waren Gott nahe gewesen, aber sie waren ihm nicht ähnlich. Liebe Leute, ihr mögt Sabbat nach Sabbat in der Gottesverehrung oder was ihr dafür haltet, zubringen, und Christus der Gekreuzigte mag euch vor die Augen gemalt werden, und Gegenstände, die ein Herz von Stein in Fleisch verwandeln könnten, mögen an eurer Seele vorüberziehen, und des ungeachtet könnt ihr in die Welt so geizig wie je zurückgehen und ebenso wenig Gefühl für eure Mitmenschen haben wie zuvor. Es sollte nicht so sein.

Es sollte nicht so sein. Ich bitte euch, lasst es nie wieder so sein.

Diese zwei Leute waren überdies durch ihren Beruf verpflichtet, diesem Mann zu helfen, denn obgleich es ursprünglich vom Hohenpriester gesagt war, so meine ich, konnte es von jedem Priester doch heißen, dass er aus den Menschen heraus genommen sei, damit er Mitleiden hätte. Wenn irgendwo Mitleiden mit den Menschen sein sollte, so soll es in dem Herzen des Priesters sein, der erwählt ist, für Gott zu den Menschen zu sprechen und für die Menschheit zu Gott. Kein Stein sollte je in seinem Busen gefunden werden; er sollte sanft, großmütig, freundlich, voller Teilnahme und Zartheit sein; aber dieser Priester war nicht so und der Levite auch nicht, der seiner Spur hätte folgen sollen. Und ihr, christliche Prediger, ihr Alle, die ihr in Schulen lehrt oder die ihr irgendein christliches Werk unternehmt, - und ihr solltet dies Alle tun, denn der Herr hat sein ganzes Volk zu Priestern gemacht - es sollte schon eures Berufes wegen in eurem Herzen Bereitwilligkeit sein zu den freundlichsten Handlungen gegen die, welche deren bedürfen.

Und Eins muss noch gegen diesen Priester und Leviten gesagt werden, dass sie den Zustand des Mannes gut genug sahen. Sie kamen ihm nahe und erblickten seine Lage. Es ist ein enger Weg hinab gen Jericho und sie mussten fast über seinen verwundeten Körper gehen: der erste Kommende sah ihn an, aber eilte weiter; der zweite scheint eine fernere Untersuchung angestellt zu haben, jedenfalls neugierig genug gewesen zu sein, um ein Nachforschen zu beginnen, aber nachdem seine Neugier befriedigt war, ward sein Mitleid nicht erregt und er eilte hinweg. Die Hälfte der Vernachlässigung kranker Armen entsteht daraus, dass man diese Fälle nicht kennt, aber Viele bleiben in absichtlicher Unkenntnis, und eine solche hat keine Entschuldigung. Von den Hospitälern, für die wir heute bitten, wisst ihr es, dass Leidende darin sind diesen Augenblick, Solche, die schwer leiden, ohne ihre Schuld und ihr wisst, dass diese euren Beistand nötig haben. Als ich neulich Abends bei dem stattlichen Gebäude, an unserem Ufer des Flusses, dem St. Thomas-Hospital, vorbeifuhr, konnte ich nicht lassen, darüber nachzudenken, welch' eine Menge Schmerz und Leiden in diesen Mauern zusammen gehäuft sei; aber dann dankte ich Gott, dass es innerhalb dieser Mauern sei, wo Hilfe nach besten menschlichen Kräften jedenfalls geleistet wird. So wisst ihr, dass Armut und Krankheit um euch her ist und wenn ihr vorübergeht, habt ihr es gesehen und wisst davon und auf eurem Haupt wird das Verbrechen sein, den Verwundeten ohne Hilfe gelassen zu haben.

Doch hatte das Paar treffliche Entschuldigungen; beide, der Priester sowohl wie der Levite hatten ausgezeichnet gute Gründe, den blutenden Mann zu vernachlässigen. Ich sah nie einen Menschen sich weigern, den Armen zu helfen, der nicht wenigstens Eine bewundernswerte Entschuldigung hatte. Ich glaube, es gibt keinen Menschen in der Welt, der die Bitte um Hilfe gottloser Weise zurückstößt und nicht mit Beweisen versehen ist, dass er recht tut; Beweise, die ungemein zufriedenstellend für ihn selbst sind, und wie er meint, die zum Schweigen bringen sollten, die in ihn dringen. Zum Beispiel, der Priester und Levite hatten beide Eile. Der Priester war einen Monat in Jerusalem gewesen, fern von seiner Frau und den lieben Kindern und er wollte natürlich gern bald zu Hause sein; wenn er sich aufhielt, würde vielleicht die Sonne schon untergehen; es war unangenehm, an einem solchen Platze nach Sonnenniedergang zu sein; man konnte nicht erwarten, dass er so unvorsichtig sein würde, an einem einsamen Ort zu bleiben bei hereinbrechender Dunkelheit. Er hatte einen sehr anstrengenden Monat im Tempel zugebracht, ihr wisst nicht, wie ermüdend er es gefunden, einen ganzen Monat lang die Geschäfte des Priesters zu vollziehen, und wenn ihr es tätet, so würdet ihr ihn nicht tadeln, dass er heim zu kommen wünschte, um ein wenig Ruhe zu genießen. Außerdem hatte er versprochen, zu einer bestimmten Stunde nach Hause zu kommen und er war ein Mann der Pünktlichkeit und wollte auf keinen Fall Frau und Kindern, die vom Dache des Hauses nach ihm aussehen würden, Angst verursachen. Eine ganz vortreffliche Entschuldigung war dies; aber er fühlte auch, dass er wirklich nicht viel nützen konnte. Er verstand nicht die Wundarzneikunst, und konnte für sein Leben keine Wunde verbinden; er schauderte davor; beim bloßen Anblick des Blutes kehrte sich alles in ihm um, er vermochte nicht, Einem nahe zu treten, der so furchtbar verstümmelt war. Wenn er versuchte, eine Wunde zu verbinden, so war er gewiss, er würde es verkehrt machen. Wenn seine Frau bei ihm gewesen wäre, so hätte die es tun können; oder wenn er Pflaster, Salbe oder Binden bei sich gehabt, so würde er sein Bestes versucht haben, aber so wie es war, konnte er nichts tun. Der arme Mann war ohnehin augenscheinlich halb tot und würde in ein oder zwei Stunden ganz tot sein und deshalb war es Schade, Zeit mit einer hoffnungslosen Sache zu vergeuden. Dann war der Priester nur Einer und man konnte nicht erwarten, dass er einen blutenden Menschen tragen solle, und doch wäre es unnütz, mit ihm anzufangen und ihn dann die ganze Nacht da liegen zu lassen. Es ist wahr, er konnte fast schon den Fußtritt des Leviten hören, und hoffte in der Tat, dass er hinter ihm her käme, denn er war ängstlich, mit einem Solchen allein zu sein; aber das war auch ein Grund mehr, ihn liegen zu lassen, denn der Levite würde sich gewiss seiner annehmen. Noch besser war die folgende Reihe von Entschuldigungen - man verlangt doch nicht, dass jemand an einem Ort bleibe, wo ein anderer halb von Räubern getötet ist. Diese konnten zurückkommen, sie waren kaum aus Gehörweite, und ein Priester nach einem monatlichen Dienst hatte wohl einige Gebühren in seiner Börse und es war wichtig, nicht Gefahr zu laufen, das zum Unterhalt seiner Familie Nötige zu verlieren durch Verweilen an einem orte, der augenscheinlich von Straßenräubern wimmelte. Er konnte auch verwundet werden und dann wären zwei halbtote Menschen da, und der Eine von ihnen ein schätzenswerter Geistlicher. Wirklich, die Menschenliebe riet, für sich selber Sorge zu tragen, da er doch dem armen Manne nichts nützen konnte. Und dann konnte der Mann sterben und der, welcher bei der Leiche gefunden wurde, konnte des Mordes angeklagt werden. Es ist immer fatal, allein an einem dunklen Ort mit dem Leichnam Eines gefunden zu werden, mit dem ersichtlich faules Spiel getrieben. Der Priester konnte auf Verdacht hin festgenommen werden, und rieten nicht alle Grundsätze der Klugheit, es sei das Beste, sich so schnell wie möglich aus dem Staube zu machen? Außerdem noch, er konnte für den Mann beten, wie ihr wisst, und er war froh, zu finden, dass er einen Traktat bei sich hatte, den er ihm lassen konnte, und Traktat und Gebet, was könnt ihr mehr von einem guten Manne erwarten! Mit dieser frommen Betrachtung eilte er seines Weges weiter. Es ist auch möglich, dass er nicht wünschte, sich zu verunreinigen. Ein Priester war eine zu heilige Person, um sich mit Wunden und Striemen abzugeben. Wer konnte ihm das zumuten? Er war von Jerusalem gekommen in all dem Geruch der Heiligkeit; er fühlte sich so heilig, wie er füglich nur sein konnte, und deshalb wollte er solche seltene Trefflichkeit nicht weltlichen Einflüssen aussetzen, indem er einen Sünder berührte. Alle diese starken Gründe zusammen beruhigten ihn darüber, dass er sich die Mühe sparen und das Gutes tun Andern überlassen könnte.

Nun, heute Morgen will ich es euch anheimstellen, so viele Entschuldigungen, wie ihr wollt, zu machen, weshalb ihr den Armen nicht helft, und die Hospitäler nicht unterstützt, und wenn ihr sie gemacht habt, werden sie ebenso gut sein, wie die, welche ich euch vorgestellt habe. Ihr habt gelächelt über das, was der Priester gesagt haben könnte, aber wenn ihr Entschuldigungen macht, wo wirkliche Not euch vor Augen kommt, und ihr im Stande seid, sie zu mildern, so habt ihr nicht nötig, über eure Entschuldigungen zu lächeln, der Teufel wird das tun; ihr tätet besser, über sie zu weinen, denn es ist sehr ernste Ursache zum Klagen da, dass euer Herz so hart gegen eure Mitmenschen ist, wenn sie krank sind und vielleicht krank zum Tode.

III.

Drittens, der Samariter ist ein Muster für die, welche den Leidenden helfen. Er ist ein Muster zuerst, wenn wir Den betrachten, dem er half. Das Gleichnis sagt es nicht, aber es liegt in demselben, dass der Verwundete ein Jude war, und deshalb war der Samariter nicht desselben Glaubens und derselben Klasse. Der Apostel spricht: „Lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.“ Dieser Mann war kein Glaubensgenosse des Samariters, aber er war Einer aus dem „Jeder“.

Der Jude und er waren im Religiösen so weit getrennt, wie sie nur sein konnten. Ah, aber er war ein Mensch, ob er Jude war oder nicht, er war ein Mensch, ein verwundeter, blutender, sterbender Mensch, und der Samariter war auch ein Mensch, und so fühlte ein Mensch mit dem anderen und kam zu seiner Hilfe. Fragt nicht, ob ein Kranker an die 39 Artikel oder an den Katechismus der Versammlung zu Westminster glaubt. Lasst uns hoffen, dass er gesund im Glauben ist, aber wenn er es nicht ist, so haben seine Wunden das Verbinden ebenso nötig, als wenn er ein vollkommenes Bekenntnis hätte. Ihr braucht nicht zu fragen, ob er ein rechtgläubiger Calvinist ist, denn ein Arminianer fühlt Schmerzen, wenn er verwundet wird; ein Mitglied der Kirche fühlt ebenso viel Pein, wie ein Dissident, wenn er sein Bein gebrochen, und ein Ungläubiger bedarf Pflege, wenn er bei einem Unglücksfall gequetscht ist. Sterben ist eben so schlimm für einen Menschen mit einem heterodoxen Glauben als für einen mit dem orthodoxen; in der Tat, es ist in mancher Einsicht weit schlimmer für ihn und deshalb sollten wir doppelt besorgt für seine Heilung sein. Wir sollen das wirkliche Elend lindern ohne Rücksicht auf den Glauben, wie der Samariter es tat.

Überdies, die Juden hassten die Samariter sehr und ohne Zweifel hätte dieser Samariter denken können: „Wenn ich in dieses Menschen Stelle wäre, so würde er mir nicht helfen. Er würde an mir vorübergehen und sagen: „Es ist ein samaritischer Hund, er sei verflucht.“ Die Juden pflegten die Samariter zu verfluchen, aber dem guten Mann fiel es nicht ein, daran zu denken, was der Jude gesagt haben würde; er sah ihn bluten und er verband seine Wunden. Unser Heiland hat uns nicht als goldene Regel aufgestellt: „Tut Anderen, wie Andere euch tun würden,“ sondern „wie ihr wollt, dass sie euch tun sollen.“ Der Samariter handelte nach dieser Regel, und obgleich er die Feindschaft in dem jüdischen Herzen kannte, fühlte er, dass er feurige Kohlen auf dem Haupt des Verwundeten sammeln musste durch liebevolle Hilfe; deshalb ging er sogleich daran, ihm beizustehen. Vielleicht würde der Jude zu anderer Zeit den Samariter zurückgewiesen haben und hätte nicht von ihm berührt sein wollen; aber der weichherzige Helfer denkt daran nicht, der arme Mann ist zu krank, um irgendwelche Grillen oder Vorurteile festzuhalten, und als der Samariter sich über ihn beugt und Öl und Wein eingießt, gewinnt er einen dankbaren Blick von dem Sohne Abrahams.

Jener arme, wunde Mann war Einer, der ihm nichts wiederbezahlen konnte. Er war alles dessen beraubt, was er gehabt, selbst seine Kleider waren ihm genommen; aber Barmherzigkeit sieht nicht auf Bezahlung, sonst wäre sie überhaupt keine Barmherzigkeit. Der Mann war über dem ein völlig Fremder. Der Samariter hatte ihn bisher nicht einmal gesehen. Was machte das aus? Er war ein Mensch und alle Menschen sind verwandt. „Gott hat gemacht, dass von Einem Blut aller Menschen Geschlechter auf dem ganzen Erdboden wohnen.“ Der Samariter fühlte jenen Naturtrieb, der alle Menschen verwandt macht, und er beugte sich über den Fremden und erleichterte sein Leiden.

Er hätte sagen können: „Warum soll ich helfen? Er ist von seinem eigenen Volke zurückgestoßen; der Priester und Levite haben ihn verlassen; er hat den ersten Anspruch an seine Landsleute. So habe ich Einige sagen hören: „Diese Leute haben kein Anrecht; sie sollten zu ihrem eigenen Volk geben.“ Wohl, gesetzt, sie haben das getan und es ist fehlgeschlagen, nun kommt die Reihe an euch; und was der Jude nicht für den Juden tun wollte, lasst den Samariter tun und er wird gesegnet sein in der Handlung. Er war vernachlässigt von den Beamten und vernachlässigt von den Heiligen; die Besten oder die, welche die Besten sein sollten, der Priester und der Levite hatten ihn nicht beachtet und ihn dem Tode überlassen. Der Samariter ist weder Heiliger noch Beamter, aber doch tritt er hinzu und handelt. O, christliche Brüder, sorgt dafür, dass dieser Samariter euch nicht beschämt.

Er ist ein Muster für uns ferner in dem Geiste, in dem er sein Wert tat. Er tat, ohne zu fragen. Der Mann war in Not, dessen war er gewiss, und er half ihm sogleich; er tat es ohne Zaudern, er machte keinen Kontrakt, keine Vereinbarung mit ihm, sondern ging sogleich daran, Öl und Wein einzugießen. Er tat es, ohne den Versuch zu machen, die Arbeit von sich auf Andere zu schieben. Mildtätigkeit bedeutet heutzutage, dass A. den B. bittet, ihm zu helfen, und B. in seiner erstaunlichen Mildtätigkeit erzeigt ihm die große Gunst, ihn weiter an C. zu senden. Das will sagen, die gewöhnliche Art wohltätiger Personen greift selten in ihre eigene Börse, sondern sendet die Leute zu einigen bestimmten Personen, die bar Geld für Alle herbeischaffen müssen. Mir scheint es ein erbärmlicher Weg, Gutes zu tun, seine eigene Tasche zu schonen und den Bittsteller an einen Andern zu senden, der nicht vermögender ist als ihr, aber großmütiger. Der Samariter war persönlich wohltätig und ist darin ein Spiegel und ein Muster für uns Alle.

Er tat es ohne selbstsüchtige Furcht; die Räuber hätten ihn überfallen können, aber er kümmert sich nicht um Räuber, wenn ein Leben in Gefahr ist. Hier ist ein Mensch in Not und dem muss geholfen werden, Räuber oder nicht Räuber, und er tut es. Er tut es mit Selbstverleugnung, denn er gibt Öl und Wein und Geld in der Herberge und Alles, obgleich er keineswegs ein reicher Mann war, denn er gab zwei Groschen, eine größere Summe, als es aussieht, aber immer noch eine kleine Summe. Er warf nicht mit Almosen um sich, weil er reich war; es heißt nicht, dass er eine Hand voll Groschen gab, sondern zwei, denn er musste die Groschen zählen, die er ausgab. Es war ein armer Samariter, der diese reiche und edle Tat ausführte; die Ärmsten können den Armen helfen; sogar die, welche selbst in Dürftigkeit sind, können einen großmütigen, christlichen Sinn zeigen und ihre Dienste geben. Mögen sie das tun, wo sie Gelegenheit haben.

Dieser Mann half seinem armen Nächsten mit großer Zartheit und Fürsorge. Er war wie eine Mutter für ihn. Alles wurde mit liebevollem Bedacht getan, und mit so viel Geschick, als er besaß. Er tat das Beste, was er konnte. Brüder, lasst, was wir für Andere tun, stets in der edelsten Weise getan werden. Lasst uns nicht die Armen wie Hunde behandeln, denen wir einen Knochen hinwerfen, und die Kranken nicht besuchen wie höhere Wesen, die fühlen, dass sie sich zu niederen herablassen, wenn sie in ihr Zimmer eintreten, sondern in der sanften Zartheit wirklicher Liebe, die zu Jesu Füßen gelernt ist, lasst uns dem barmherzigen Samariter nachahmen.

Aber was tat er? Wohl, zuerst trat er zu dem Leidenden und beugte sich zu ihm herab. Dann brauchte er alle seine Geschicklichkeit, verband seine Wunden, wobei er ohne Zweifel sein Gewand zerriss, um Binden zu machen. Er goss Öl und Wein hinein, die beste heilende Arznei, die er kannte, und eine, die er gerade bei sich hatte. Dann setzte er den Kranken auf sein Tier, natürlich hatte er selber zu gehen, aber dies tat er fröhlich und unterstützte im Gehen seinen armen Patienten. Er führte ihn in eine Herberge, aber er ließ ihn nicht in der Karawanserei und sprach: „Irgend Jemand wird jetzt für ihn sorgen,“ sondern er ging zu dem Wirt, gab ihm Geld und sagte: „Pflege sein.“ Ich bewundere dieses kurze Wort, weil zuerst geschrieben steht: „Er pflegte sein,“ und dann sprach er: „Pflege sein.“ Was du selbst tust, kannst du auch andere zu tun ermahnen. Er sagte: „Ich lasse diesen armen Mann bei dir, aber bitte, vernachlässige ihn nicht, es sind sehr Viele in der Herberge, aber pflege sein.“ „Ist er dein Bruder?“ „Nein, ich habe ihn nie zuvor gesehen.“ „Wohl, hast du irgendwelche Verpflichtung gegen ihn?“ „Nein! - Ja, ja, ich habe Verpflichtung gegen Jeden, der ein Mensch ist. Wenn er Hilfe braucht, bin ich verpflichtet, ihm zu helfen.“ „Ist das alles?“ „Ja, aber pflege sein, ich habe große Teilnahme für ihn.“

Der Samariter hörte nicht auf, bis seine Freundlichkeit sich völlig gezeigt. Er sagte: „Dies Geld wird vielleicht nicht genügen, denn es mag lange dauern, bis er fort kann. Das Bein heilt vielleicht nicht schnell, die zerbrochene Rippe mag lange Ruhe erfordern. Treibe ihn nicht hinweg, lass ihn hier bleiben und wenn du noch mehr Ausgaben hast, so will ich sie dir sicher bezahlen, wenn ich von Jerusalem wiederkomme.“ Nichts geht über Mildtätigkeit, die ausharrt bis ans Ende. Ich wünschte, ich hätte Zeit, hierbei länger zu verweilen, aber ich kann es nicht tun; übet es im Leben und ihr werdet es verstehen lernen. Geht hin und tut desgleichen, Jeder von euch, seid dem barmherzigen Samariter ähnlich.

IV.

Aber nun, viertens, wir haben ein höheres Muster als selbst den Samariter - unseren Herrn Jesum Christum. Ich glaube nicht, dass unser göttlicher Herr etwas über sich selber in diesem Gleichnis lehren wollte, ausgenommen so weit wie er selbst das große Beispiel aller Güte ist. Er beantwortete die Frage: „Wer ist mein Nächster?“ und predigte gar nicht von sich selbst. Man hat dieses Gleichnis sehr gepresst, um den Herrn Jesus und alles ihn Betreffende hinein zu bringen, aber ich wage das nicht nachzuahmen. Doch können wir durch Vergleichung unseres Herrn Güte daran veranschaulichen. Es ist ein Bild eines großmütigen Menschen, der für den Elenden Sorge trägt; aber der großmütigste Mensch, der je lebte, war der Mann von Nazareth, und Niemand sorgte je für kranke und leidende Seelen, wie er es getan. Deshalb sollten wir, wenn wir den barmherzigen Samariter preisen, noch viel mehr den teuren Heiland erheben, den seine Feinde einen Samariter nannten, und der nie die Anklage zurückwies, denn was kümmerte er sich darum, wenn alles Vorurteil und alle Verachtung der Menschen sich über ihn ergoss?

Nun, Brüder, unser Herr Jesus Christus hat noch mehr getan als der barmherzige Samariter, weil es mit uns schlimmer stand. Wie ich schon gesagt, der Verwundete konnte sich nicht tadeln, dass er in diesen Zustand gekommen; es war sein Unglück, nicht sein Fehler; aber ihr und ich seid nicht nur halb tot, sondern ganz tot in Übertretungen und Sünden und haben viele unserer Übel uns selbst zugezogen. Die Räuber, welche uns beraubt, sind unsere eigenen Missetaten, die Wunden, welche wir tragen, sind durch unsere eigene selbstmörderische Hand uns beigebracht. Wir sind Jesu Christo nicht feindlich, wie der arme Jude es dem Samariter war, aus bloßem Vorurteil, sondern von Natur; wir haben uns von Anfang an von ihm abgewandt. Ach, wir haben ihm widerstanden und ihn verworfen. Der arme Mann stieß seinen Samariterfreund nicht zurück, aber wir haben das bei unserem Herrn getan. Wie oft haben wir die allmächtige Liebe zurückgewiesen! Wie oft haben wir durch Unglauben die Wunden aufgerissen, die Christus verbunden hatte! Wir haben das Öl und den Wein verworfen, den er uns in Ewigkeit darbietet. Wir haben Böses von ihm geredet, ihm ins Angesicht, und haben sogar Jahre lang ihn gänzlich verworfen, und doch hat er uns in seiner unendlichen Liebe nicht aufgegeben, sondern Einige von uns in seine Kirche hineingebracht, wo wir wie in einer Herberge ruhen und von dem leben, womit seine Güte uns versorgt. Es war eine wunderbare Siehe, die des Heilandes Herz bewegte, als er uns in all' unserem Elend fand und sich über uns beugte, um uns herauszuheben, obgleich er wusste, dass wir seine Feinde waren.

Der Samariter war dem Juden verwandt, weil er ein Mensch war, aber unser Herr Jesus war uns nicht ursprünglich von Natur verwandt; er ist Gott, unendlich erhaben über uns, und wenn er „in Gebärden als ein Mensch“ erfunden ward, so war es, weil er dies freiwillig gewählt. Wenn er diesen Weg nahm, via Bethlehems Krippe, hinunter an den Ort unserer Sünde und unseres Elends, so war es, weil sein unendliches Erbarmen ihn dazu bewog. Der Samariter kam zu dem Verwundeten, weil sein Geschäft ihn vorbei führte und da er dort war, half er ihm; aber Jesus kam auf die Erde mit keinem anderen Geschäft, als dem, uns zu erretten und er ward in unserem Fleisch erfunden, auf dass er Mitleid mit uns haben könnte. In dem bloßen Dasein des Menschen Christus Jesus seht ihr die edelste Form des Mitleids offenbart.

Und als er hier war, wo wir unter die Räuber gefallen, lief er nicht allein Gefahr, selbst von Mördern angefallen zu werden, sondern wurde es wirklich; er ward verwundet, er ward ausgezogen und nicht halb tot war er, sondern ganz tot, denn er ward ins Grab gelegt. Er ward um unsertwillen erwürgt, denn es war nicht möglich für ihn, uns von dem Leiben zu erlösen, das die Mörder, die Sünden, über uns gebracht, anders als, indem er dies Leiden in seiner eigenen Person erduldete; und er litt es, um uns zu erlösen.

Was der Samariter dem armen Manne gab, war großmütig, aber es ist nicht mit dem zu vergleichen, was der Herr Jesus uns gegeben bat. Er gab ihm Wein und Öl, aber Jesus hat seines Herzens Blut gegeben, um unsere Wunden zu heilen; „er hat uns geliebt und sich selbst für uns gegeben.“ Der Samariter lieb sich mit all seiner Sorge und Bedachtsamkeit, aber Christus gab sich selbst bis zum Tode für uns. Der Samariter gab 2 Groschen, eine große Summe aus seinem kleinen Vorrat, ich schätze die Gabe nicht gering, aber er „der reich war, ward um unsertwillen arm, auf dass wir durch seine Armut reich würden.“ O, die wunderbaren Gaben, welche Christus uns verliehen hat! Wer kann sie zählen. Der Himmel gehört zu diesen Segnungen, aber sein eigenes Selbst ist das beste Gut.

Des Samariters Barmherzigkeit zeigte sich nur für kurze Zeit. Wenn er an der Seite seines Maultieres zu gehen hatte, so konnten es nicht viele Meilen sein, aber Christus ging an unserer Seite, legte seine Herrlichkeit ab sein ganzes Leben lang. Der Samariter blieb nicht lange in der Herberge, denn er musste seine Geschäfte besorgen und es war recht, dass er dies tat; aber unser Herr blieb eine Lebenszeit bei uns, bis er zum Himmel auffuhr; ja, er ist selbst jetzt mit uns und segnet stets die Menschenkinder.

Als der Samariter wegging, sprach er: „So du was mehr wirst dartun, will ich dir's bezahlen, wenn ich wieder komme.“ Jesus ist gen Himmel gefahren und hat selige Verheißungen hinterlassen von dem, das geschehen soll, wenn er wiederkehrt. Er vergisst uns nie. Der gute Samariter denke ich, dachte wenig an den Juden in späteren Jahren; in der Tat ist es das Zeichen eines großmütigen Sinnes, nicht viel an das zu denken, was man getan. Er ging zurück nach Samaria und wartete seines Geschäfts und erzählte nie Jemandem: „Ich half einem armen Juden auf dem Wege.“ Er nicht. Aber notwendigerweise handelt unser Herr Jesus anders, denn weil wir sein beständig bedürfen, fährt er fort, für uns zu sorgen, und seine Liebestat wird getan und getan und wiederum getan in zahllosen Fällen und wird immer wiederholt, so lange es Menschen zu erretten gibt, eine Hölle, der zu entfliehen, und ein Himmel, der zu gewinnen ist.

Da habe ich euch so das höchste Beispiel vor Augen gestellt, und will schließen, wenn ich noch zweierlei gesagt habe. Richtet ihr selbst, ihr alle meine Hörer, wenn ihr auf Seligkeit durch eigene Werke hofft. Seht, was ihr euer ganzes Leben lang sein müsst, wenn eure Werke euch retten sollen. Ihr müsst Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften lieben und euren Nächsten wie euch selbst, in dieses Samariters Weise, und dies beides, ohne ein einziges Mal dagegen zu fehlen. Habt ihr das getan? Könnt ihr hoffen, es vollkommen zu tun? Wenn nicht, warum setzt ihr eure Seelen aufs Spiel in dieser schwachen Barke, diesem lecken, sinkenden Boot eurer geringen Werke, denn ihr werdet nie darin zum Himmel gelangen!

Zuletzt, ihr, die ihr Christi Volk seid, seid errettet und ihr tut solche Dinge nicht, um euch selbst zu erretten; der größere Samariter hat euch errettet, Jesus hat euch erlöst, euch in seine Kirche gebracht, euch unter die Fürsorge seiner Diener getan, uns geheißen, Sorge für euch zu tragen und uns versprochen, uns dafür zu belohnen am Tage seines Kommens. Sucht also wahre Nachfolger eures Herrn zu sein durch Taten der Freundlichkeit, und wenn eure Gaben für die leibliche oder geistliche Hilfe kärglich gewesen sind, so beginnt von heute Morgen an mit großmütigem Herzen, und Gott wird euch segnen. Der göttlicher Geist, helfe uns Allen, Jesu gleich zu sein. Amen.

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autoren/s/spurgeon/d/spurgeon-der_barmherzige_samariter.txt · Zuletzt geändert: von aj
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