Faulhaber, Paul Friedrich Jonathan - Jesus Christus, unsere Zuflucht in der tiefsten Not

Faulhaber, Paul Friedrich Jonathan - Jesus Christus, unsere Zuflucht in der tiefsten Not

Predigt am vierten Sonntag nach dem Fest der Erscheinung
von Stadtpfarrer Faulhaber in Stuttgart.

Ev. Matth. 8, 23-27. (I. Jahrgang.)
Und Jesus trat in das Schiff, und seine Jünger folgten ihm. Und siehe, da erhub sich ein groß Ungestüm im Meer, also dass auch das Schifflein mit Wellen bedeckt ward. Und er schlief. Und die Jünger traten zu ihm und weckten ihn auf und sprachen: Herr, hilf uns, wir verderben! Da sagte er zu ihnen: Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Und stand auf und bedrohte den Wind und das Meer, da ward es ganz stille. Die Menschen aber verwunderten sich und sprachen: Was ist das für ein Mann, dass ihm Wind und Meer gehorsam ist?

Unverzagt und ohne Grauen,
Soll ein Christ,
Wo er ist,
Stets sich lassen schauen.
Wollt' ihn auch der Tod aufreiben,
Soll der Mut
Dennoch gut und fein stille bleiben.

Ist das nicht ein schönes Wort Paul Gerhards? Aber es liegt eine hohe Forderung darin! Bei dem Herrn ist es so gewesen und er stellt diese Forderung an uns, denn er spricht hier zu seinen Jüngern: Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Und das ist nicht zu leugnen, dass es zu jeder Zeit Jünger und Jüngerinnen gegeben hat, die im festen Glauben an ihn die Seelenruhe erlangt haben, um die ein hochbegabter Mann aus unsrer schwäbischen Heimat1) vor hundert Jahren gebeten hat mit den Worten:

Geber aller guten Gaben!
Festen Glauben möcht' ich haben,
Wie ein Meerfels unbewegt,
Wenn an ihn die Woge schlägt.

Seelenruhe, Mut im Sterben,
Wenn die Lippen sich entfärben
Und der letzte Seufzer spricht:
O mein Jesu! lass mich nicht!

Darin sind wir gewiss Alle einig, dass solche Seelenruhe etwas Hohes und Herrliches ist. Ein Mann kann nichts Höheres erreichen, eine Frau kann nichts Besseres sich wünschen!

Wie können wir diese Seelenruhe erlangen? Wenn wir Ihn kennen, an Ihn glauben, mit Ihm in Gemeinschaft bleiben, der hier vor uns steht so hoch und herrlich: Jesus Christus, unsre Zuflucht in der tiefsten Not.

Diese Überschrift wollen wir dem Bilde geben, das hier so anschaulich und ergreifend vor unsre Seele tritt, und wollen die einzelnen Züge dieses Bildes aufmerksam ins Auge fassen. Jesus Christus, unsre Zuflucht in der tiefsten Not!

I.

Zuerst die Not der Jünger. Das war wirklich eine tiefe Not! Matthäus erzählt uns: „Jesus trat in das Schiff und seine Jünger folgten ihm. Und siehe, da erhob sich ein groß Ungestüm im Meer, also dass auch das Schifflein mit Wellen bedeckt ward.“ Auch wer noch nie auf dem Meer oder auf einem großen See, wie der See Genezareth, in Gefahr gewesen, kann sich das wohl denken: wenn ein solcher Sturm losbrach, wenn solche Wellen sich erhoben, dass das Schifflein mit Wellen bedeckt ward, da war in der Tat große Gefahr, da handelte es sich um das Versinken in die Tiefe. Die Jünger des Herrn waren zum Teil als Fischer vertraut mit dem See und seinen Gefahren; aber wenn es einmal so stand, dass das Schiff sich füllte mit Wasser, da half alle Kunst und Erfahrung nichts, da waren sie eben in großer Lebensgefahr, da konnte jeden Augenblick das Schiff umschlagen und in die Tiefe versinken. Und ist es nicht wunderbar, dass diese Not und Gefahr kam, als der Herr im Schiff war und obgleich er bei ihnen war? Sollte man nicht denken, da hätte solche Not gar nicht kommen können? Vielleicht sind sie bei ruhigem, stillem Wetter und klarem See abgefahren vom Lande und haben an eine Gefahr gar nicht gedacht, weil der Herr bei ihnen war. Aber plötzlich bricht ein solcher Sturm los und die Wellen erheben sich mit solchem Ungestüm, dass sie sich nicht mehr zu helfen wussten. Ja, so ist es heute noch: auch wo der Herr ist, kann die größte Not hereinbrechen, auch wo man an ihn glaubt, und sein heiliger Name mit allem Ernst angerufen wird, kann es plötzlich so kommen, dass alles verloren scheint. Weißt du auch, lieber Zuhörer, was tiefe Not ist? Vielleicht bis jetzt noch nicht. Dein Schifflein zieht noch still und ruhig dahin, du hast noch keinen Sturm gehabt. Du bist noch jung und gesund, fröhlich und vergnügt, es ist dir bisher gut gegangen, wenn auch nicht immer nach deinem Wunsch, doch bist du nie in tiefe Not gekommen. Aber meinst du denn, so werde es immer bleiben? Es ist wohl noch Niemand auch nur in die Mitte der Jahre gekommen, der nicht auch schon Sturm und Not hätte durchmachen müssen. Und wenn dir alles nach Wunsch ginge bis ans Ende und wenn du eine Ausnahme wärest von allen Menschen und es ginge dir allein nicht so, wie es doch geschrieben steht: „Wir müssen alle durch viel Trübsal ins Reich Gottes eingehen,“ so käme doch endlich ein Sturm auch über dich; wenn's zum Sterben geht, da ist es gewiss so, wie es hier steht: dass das Schifflein mit Wellen bedeckt wird, so dass es endlich untersinken muss. Wohl dir, wenn dann Jesus Christus bei dir ist! Wohl dir, wenn du ihn anrufen kannst und weißt, er hört dein Rufen. Wenn er aber dann ferne von dir wäre, o dann hättest du ja keine Zuflucht, keine Hilfe in der tiefsten, in der letzten Not, dann wärest du ein verlassenes, trostloses, unseliges Menschenkind. Ach, Viele müssen also sterben ohne Trost und Hilfe! Sie können nicht glauben, nicht beten, nicht hoffen! Du aber, suche doch bei Zeiten deinen Heiland und Erretter: Jesus Christus, der unsre Zuflucht ist auch in der tiefsten, in der letzten Not!

II.

Doch wir gehen weiter in unsrem Evangelium zu dem merkwürdigen Worte: „Und er schlief.“ Das ist der zweite Zug in diesem Bild: Die Ruhe des Herrn: „Und er schlief.“ Wie konnte er ruhen und schlafen mitten im Sturm, und während seine Jünger in der tiefsten Not, in Todesängsten waren? Er war müde von seinem Tagewerk. Er hatte auf dem Berg eine lange Rede an das Volk gehalten. Da er aber vom Berge herabging, folgte ihm viel Volks nach. Da kam ein Aussätziger, dann, als er nach Kapernaum kam, trat der Hauptmann vor ihn mit seiner Bitte, endlich ging er in des Petrus Haus, da fand er wieder keine Ruhe, noch am Abend brachten sie viele Besessene und Kranke zu ihm und er machte sie alle gesund, V. 16. Und wir dürfen nicht meinen, der Anblick alles dieses Elends habe dem Herrn gar nichts ausgemacht, es sei ihm nur eine Freude gewesen, überall zu helfen und zu heilen. Nicht umsonst steht wohl hier, V. 18, geschrieben: Und da Jesus viel Volks um sich sah, hieß er hinüber jenseits des Meeres fahren. Er wollte also diesem Zudrang der Menge ausweichen. Er war müde von seinem Tagewerk. Aber das war es nicht allein. Glaubst du nicht, dass dieser Mann, als er hinten auf dem Schiff, wie Markus erzählt, auf einem Kissen sich niederlegte, müde und erschöpft von seinem ruhelosen Tagewerk, glaubst du nicht, dass er da lag und schlummerte sorglos und ruhig wie ein Kind in seines Vaters Schoß? Steht doch von ihm geschrieben Joh. 1, 18: „Der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist.“ Er konnte sich nicht fürchten, als der Sturm losbrach, er konnte nicht erschrecken, als die Wellen das Schifflein bedeckten. Und glaubet ihr nicht, wenn er bei seinem Abschied gesagt hat: „Meinen Frieden gebe ich euch, euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht,“ Joh. 14, 27 glaubt ihr nicht, dass er auch uns diesen seinen Frieden geben möchte und könnte, so dass wir uns nicht fürchten müssten auch in der tiefsten Not? Ja, hat er nicht oft den Seinen mitten in Not und Gefahr, selbst in der Todesnot alle Angst und Furcht hinweggenommen, so dass sie ruhig und getrost sein konnten wie ein Kind in seiner Mutter Schoß?

III.

Der dritte Zug, den wir in diesem Bilde betrachten, ist der Hilferuf der Seinen. Und die Jünger traten zu ihm und sprachen: „Herr, hilf uns, wir verderben.“ Sie waren in großer Not und Gefahr. Sie konnten nicht anders und taten wohl daran, dass sie zu dem Herrn ihre Zuflucht nahmen. Er, der tagtäglich so Vielen geholfen, denen kein Mensch sonst helfen konnte, er musste doch gewiss auch ihnen helfen können in dieser äußersten Not! Aber so sehr sie mit diesem Vertrauen Recht haben, so war doch etwas Unrechtes dabei. Nicht, dass sie ihn weckten und seine Ruhe störten, war das Unrecht, sondern dass sie zweifelten, ob noch zu helfen sei, dass sie fast verzagten, das war Unrecht von ihnen. Geliebte, lasst uns doch auch so tun in unseren Nöten, wie dort seine Jünger taten. Viele haben es erlebt und erfahren seit jenen Tagen, Viele sind des Zeugen bis in unsre Zeit herein, dass man ihn nicht vergeblich anruft. Ja, es ist wahr, es ist oft, als ob er schliefe. Wir sind oft in tiefen Nöten und in großen Ängsten und er rührt sich nicht, es ist, als fragte er nichts danach, wenn wir vergehen in unsrem Elende. Es kann die Not aufs Höchste steigen, die Gefahr zum Äußersten kommen, die Krankheit kann zunehmen, trotz allem Bitten und Flehen, der Tod kann den Sieg davon zu tragen scheinen über das Leben und doch dürfen die nicht zu Schanden werden, die auf ihn trauen und die ihn anrufen. Wie oft hat er Gebet erhört! Wie oft hat er, der Gewalt hat über die Wellen des Meeres und über die Wellen des Blutes, die Gefahr abgewendet noch in der letzten Stunde! Wie oft hat er vom Tode errettet! Ja, wenn der Tod sein Werk vollenden durfte, wie oft hat er mitten im Tod Sieg und Frieden, Leben und volle Genüge gegeben, so dass es dennoch hieß: Der Tod ist verschlungen in den Sieg, Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesum Christum!

Und wir wollen auch darauf achten, welch kurze, einfache Worte es sind, die hier den Herrn zur Hilfe bewegen: „Herr, hilf uns, wir verderben!“ Das ist das ganze Gebet seiner Jünger! Also rufe du auch ihn an, zweifle und verzage nicht an seiner Hilfe! Er hört den Hilferuf der Seinen! Er kann helfen in der tiefsten Not und er ist allezeit dazu bereit! - Aber, ehe er hilft, müssen sie

IV.

seinen Tadel sich gefallen lassen. Das ist der vierte Zug in diesem Bilde: Der Tadel des Heilandes. Ist er denn nicht zu streng? Da sagte er zu ihnen: „Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam?“ Ist es denn nicht zu viel verlangt, dass sie sich nicht einmal fürchten sollten in solch augenscheinlicher Todesgefahr? Nein, der Herr hat gewiss Recht! Sie hatten doch alle seine großen Taten gesehen, Taten, in der Kraft Gottes getan! Darum hätten sie stark bleiben sollen im Glauben und sich sagen: Wenn er doch bei uns ist, da kann uns kein Leid geschehen, da kann kein Tod uns töten!

Dieser Tadel trifft auch uns! Wie oft sind auch wir kleingläubig und verzagt! Freilich, wir haben jene großen Taten Jesu Christi nicht gesehen wie seine Jünger, aber wir wissen: Ihm ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden; und wir haben es vielleicht selbst erlebt, mehr als einmal, dass er Gebet erhört und helfen kann. Es ist wohl wahr, wir sehen ihn nicht gegenwärtig bei uns, wie seine Jünger ihn sehen auf dem Schiff, aber wir haben sein Wort: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Und doch sind wir oft so verzagt! Darum trifft auch uns sein scharfer und gerechter Tadel.

Aber es liegt auch ein süßer Trost in diesen Worten des tadelnden Heilandes. Ist es nicht, als sagte er zu seinen Jüngern und damit auch zu uns: Ihr wisst doch, was ich vermag durch Gottes Kraft! Und ihr wisst doch, dass ich euch herzlich liebe! Wie kann ich euch denn untergehen lassen? Das will und kann ich nicht! Drum brauchet ihr euch nicht zu fürchten. Ja, diesen Trost, der in dem strengen Tadel liegt, den wollen auch wir uns immer wieder zu eigen machen. Es ist doch wahr, wir wissen: Ihm ist kein Ding unmöglich. Za wir wissen, wie er uns lieb hat trotz allen unsern Sünden; hat er doch sein Leben für uns gelassen! Darum brauchen wir uns in seiner Nähe nicht zu fürchten. Er hat gesagt: Ich bin bei euch. Darum fürchtet euch nicht!

V.

Und nun seht die Macht seines Wortes! Das ist der fünfte Zug in unsrem Bilde: „Er stund auf und bedrohte den Wind und das Meer.“ Wie herrlich steht er da vor unseren Augen! Selig sind die Augen, die ihn gesehen haben in diesem Augenblick! Könnte ihn ein Maler darstellen in dieser königlichen Hoheit, wie er da steht als Herrscher und Gebieter über Sturm und Wellen, das wäre das herrlichste Bild, das man sich denken könnte! Aber wir wollen nicht nur seine lichte Gestalt, sein heiliges Angesicht uns vor Augen stellen, wie er da steht und bedroht den Wind und das Meer mit seinem gewaltigen „Siopa, schweig und verstumme,“ sondern wir wollen einen forschenden Blick in seiner Seele Tiefe wagen. Da war gewiss und ohne allen Zweifel in seinem Innern die Gewissheit: Wir gehen nicht zu Grunde! Meine Stunde ist noch nicht gekommen! Es ist nicht zu leugnen, darin sind ihm andre große Männer ähnlich gewesen in ernsten Augenblicken ihres Lebens. Von dem großen Eroberer Napoleon I. wird berichtet, dass er einst allzu kühn dem Feuer der Feinde sich ausgesetzt und auf die Bitte seiner Umgebung, dass er sich doch schonen möchte, mit ruhiger Kaltblütigkeit geantwortet habe: „Die Kugel ist noch lange nicht gegossen, die mich treffen soll.“ Das war ohne Zweifel eine unmittelbare, innere Gewissheit, aber wie hoch steht über solchen Helden unser Herr in der anderen Gewissheit, die ihn muss erfüllt haben in diesem großen Augenblick, da er aufstund und bedrohte den Wind und das Meer: Das darf ich, ja das muss ich tun zur Ehre des lebendigen Gottes, zur Ehre meines Vaters, der ein Herr ist über alle Dinge, auch über die blinde Wut der Elemente. Solch eine Tat hat in der ganzen Weltgeschichte Niemand je getan, als er allein, und solch ein Wort wäre in jedes andern Menschen Mund eine frevelhafte Vermessenheit, ein offenbarer Wahnsinn! Aber noch einmal tun wir einen forschenden Blick in das Geheimnis seiner einzig dastehenden Macht. Wie konnte er den Wind und das Meer bedrohen? Wir reden nicht von diesem merkwürdigen tiefsinnigen. Ausdruck „bedrohen“, hinter dem offenbar ernste Geheimnisse des zerstörenden Wütens der Naturmächte verborgen liegen, Geheimnisse, die alle Völker zu allen Zeiten geahnt und gefürchtet haben. Wer am Schluss dieses Kapitels liest, was der Herr nach dieser Fahrt im Land der Gergesener getan und zugelassen hat, dem muss darüber ein Licht wenigstens dämmern, wer hinter diesen drohenden und tobenden Gewalten steht. Wir beschränken uns auf die Frage: Was war das Geheimnis seiner Macht? Worin lag seine Gewalt über Wind und Wellen? Lag sie nicht in seiner inneren, wesentlichen, einzig in der Menschheit dastehenden Einheit mit dem lebendigen, persönlichen Gott, der Himmel und Erde gemacht, der alle ihre Kräfte geordnet und alle Dinge jeden Augenblick in seiner Gewalt hat?

Und welch ein Trost liegt in dieser Gewissheit nicht nur für die, welche dem wilden Meer sich anvertrauen müssen und der furchtbaren Gewalt des Sturmes und der Wellen, nein für uns Alle, die wir jeden Augenblick einer „höheren Gewalt“, einer Elementargewalt, einem unberechenbaren und unwiderstehlichen Ereignis können preisgegeben sein. „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden,“ sagte der Herr, der uns bis in den Tod geliebt hat! Alle Dinge, alle Kräfte sind Dem untertan, der bei uns sein will alle Tage! Wer daran denkt und glaubt, kann ruhig und getrost sein, ohne Furcht und ohne Grauen bei Tag und Nacht, zu Wasser und zu Land, im Leben und im Sterben.

VI.

„Da ward es ganz stille.“ Wir gehen weiter zu diesem unvergleichlich herrlichen Wort unsres Evangeliums, zum sechsten Zug in diesem wundervollen Bilde: Die Stille nach dem Sturm. Das muss eine wunderbare Stille gewesen sein dort auf dem See Genezareth zwischen Kapernaum und dem Gergesenerlande! Das muss ein gewaltiger, unvergleichlicher Eindruck gewesen sein für Alle, die dabei gewesen sind; denn Matthäus schreibt: Da ward große Stille, Markus gebraucht denselben Ausdruck, und Lukas sagt: Sie fürchteten sich und verwunderten sich. Und eine solche wunderbare Stille tritt oft hier schon ein in dieser sturmbewegten Welt voll Angst und Not. Uns scheint es oft unmöglich in der Not, und doch, wie wird es oft so plötzlich stille! Die Angst vergeht, die Unruhe legt sich, die Gefahr ist vorüber, die Sonne bricht durch aus finstern Wetterwolken, und kaum wollten wir verzagen, da sind wir von dem Herrn getröstet und erquickt. Daran sollten wir auch denken mitten im Sturm! Wir haben's erlebt, vielleicht mehr als einmal, aber immer wieder sind wir so kleinmütig und verzagt! So ist es oft bei Kranken und Gesunden, bei Lebenden und Sterbenden, da wird es ganz stille. Und nach dem letzten Sturm und nach der letzten Not, wenn die finsteren Wogen des Todes und die tiefen Fluten des geheimnisvollen Abgrundes uns geängstet haben, dann wird es ganz stille werden, denn „Freude die Fülle Und selige Stille Darf ich erwarten Im himmlischen Garten, Dahin sind meine Gedanken gericht't.“

VII.

Und endlich noch der siebente Zug in diesem Bilde: Der Menschen Urteil: Die Menschen aber verwunderten sich und sprachen: Was ist das für ein Mann, dass ihm Wind und Meer gehorsam ist?“ Viele haben sich verwundert und haben ihn angestaunt. Viele haben wohl auch gezweifelt, wenn es ihnen erzählt wurde, ob es denn möglich und wirklich so geschehen sei? Bis auf den heutigen Tag bleibt es bei Vielen beim Staunen, Zweifeln und Fragen. Die Jünger aber, die dabei gewesen, die glaubten an ihn und konnten es ihr Leben lang nicht vergessen, was Jesus Christus dort auf jenem See Genezareth an jenem dunkeln, stürmischen, schrecklichen Abend getan hatte. Und wenn sie hinauszogen über Länder und Meere, und waren oft in Lebensgefahr und Todesnot, da war es überall und allezeit ihr Trost und ihre Freude bis ins Gefängnis und bis in den Tod, und dabei blieben sie unverzagt und ohne Grauen, dass sie wussten: Er hat alle Gewalt und ihm sind alle Dinge, alle Kräfte untertan, der uns geliebt und uns seine Brüder genannt hat!

Und wir, Geliebte, wir wollen auch unsern Glauben nicht hingeben für die trostlose, hoffnungslose Weisheit unsrer Zeit, dass Schicksal und Natur, Elementargewalten und Zufälligkeiten über uns Herr seien und keinem höheren Willen untertan. Nein, wir wollen mit kindlichem Vertrauen und männlicher Standhaftigkeit glauben und uns halten an den, den die Apostel kennen gelernt und bezeugt haben, den unsre Väter bekannt und angerufen haben im Leben und im Sterben, dessen Liebe und Treue Unzählige von den Tagen der Apostel bis in unsre Zeit herein erprobt und erfahren, dessen Macht und Hilfe sie erlebt haben in tausend Nöten und Ängsten. Ja wir wollen im Glauben dabei bleiben: Jesus Christus, unsre Zuflucht in der tiefsten Not. Zu Ihm dürfen wir auch in der letzten Not unsre Zuflucht nehmen und im Glauben beten:

Bleib mir dann zur Seite stehen,
Wenn mir Grauen macht der Tod,
Als das kühle, scharfe Wehen
Vor des Himmels Morgenrot.
Wird mein Auge dunkler, trüber,
Dann erleuchte meinen Geist,
Dass ich fröhlich zieh' hinüber,
Wie man nach der Heimat reist. Amen.

1)
Christian Friedrich Daniel Schubart
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autoren/f/faulhaber/start.txt · Zuletzt geändert: von aj
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