Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum Evangelium nach Johannes
Joh. 1
Das Wort ward Fleisch, und wohnete unter uns, und wir sahen Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Joh. 1,14.
Das wesentliche Wort welches im Anfang war, und bei Gott war, und durch welches alle Dinge gemacht worden sind, wurde Fleisch, freilich nicht durch eine Verwandlung Seines Wesens, sondern durch eine Annahme und Vereinigung. Es wurde des Fleisches, das ist der menschlichen Natur und aller ihrer Schwachheiten, die nicht sündlich sind, theilhaftig. Gott wurde im Fleisch geoffenbart, die göttliche Natur vereinigte sich mit der menschlichen zu einer Person; und so wohnte das Wort fast 33 Jahre unter uns. Seine Zukunft in die Welt war also keine schnell vorübergehende Erscheinung, dergleichen mehrere den Patriarchen und Propheten widerfahren waren, da das wesentliche Wort zwar sichtbar wurde, aber noch nicht Fleisch geworden war, und bald wieder verschwand; aber, nachdem es Fleisch gewordne war, wohnte es unter uns, und war dabei voll Gnade und Wahrheit. Vermöge der Gnade liebte Er die Menschen, ob sie schon der Liebe nicht werth waren, Er vergab den Bußfertigen ihre Sünden, Er half den Nothleidenden, tröstete die Traurigen, und lehrte die Unwissenden. Dieses Alles war ein Ausfluß oder eine Erweisung der Gnade. Seine Seele, Sein Angesicht, Seine Rede, und Sein ganzer Wandel war wie ein Licht, das aufheitert und erfreut. Er war aber auch voll Wahrheit, voll rechtschaffenen Wesens, oder voll des Guten, das Seine Gnade den Menschen zusagte. Was Er genannt wurde, war Er, was Er versprach, gab Er denen, die Ihm glaubten, was Er weissagte, wurde erfüllt. Seine Gnade konnte Jedermann versichern, daß Niemand, der an Ihn glaube, verdammt werde: Seine Wahrheit aber, daß Niemand durch Ihn betrogen werde. Man bekam, was von Ihm bat, denn Er war voll Leben, ja das Leben selbst.
Da Er noch unter den Menschen wohnte, sahe man Seine Herrlichkeit, als eine Herrlichkeit, die nur der eingeborne Sohn Gottes haben konnte; der von Gott als Seinem Vater ausgegangen war. Man sahe diese Herrlichkeit am deutlichsten bei Seiner Taufe, auf dem Berg, da Er verklärt wurde, und bei Seiner Himmelfahrt. Auch sahe man sie, wenn man Seine Wunder sahe, denn Er verrichtete diese Wunder nach Seiner freien Willkür, zu allen Zeiten, als der HErr alle Dinge, wie es Niemand als dem eingebornen Sohn Gottes möglich gewesen wäre.
Es ist bekannt, daß der sel. Arnd auf seinem Todtenbett am letzten Tag seines zeitlichen Lebens nach einem kurzen Schlaf seine Augen aufgehoben, und gesagt hat: wir sahen Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. Als ihn hierauf seine Ehefrau gefragt, wann er diese Herrlichkeit gesehen habe, so hat er geantwortet: jetzt habe ich sie gesehen. Was nun der sel. Arnd, da er noch im Leibe war, zu seiner Stärkung, Erquickung und völligen Ausrüstung auf die Ewigkeit eine Zeit lang im Schlaf gesehen hat, wird man im Himmel wachend und immerdar sehen; denn der Heiland hat Joh. 17,24. gebetet: Vater, Ich will, daß, wo Ich bin, auch die bei Mir seien, die Du Mir gegeben hast: daß sie Meine Herrlichkeit sehen, die Du Mir gegeben hast.(Magnus Friedrich Roos)
Joh. 3
Wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöhet hat, also muß des Menschen Sohn erhöhet werden, auf daß Alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
Joh. 3,14.15.
Die eherne oder kupferne Schlange, welche Moses in der Wüste an ein Holz hoch hat aufhängen müssen, war also ein Vorbild Christi, der als ein Gekreuzigter aufgehängt und von der Erde erhöht worden ist. Die Israeliten, welche von den feurigen oder feuerrothen sehr giftigen Schlangen gebissen waren, mußten jene kupferne Schlange ansehen, und genasen alsdann; also sollen wir, die wir das Gift der Sünde fühlen, welches der Satan, den Johannes Offenb. 12,3. als einen großen rothen Drachen beschreibt, in das menschliche Geschlecht hineingebracht hat, den gekreuzigten Erlöser im Glauben ansehen, damit wir nicht in unsern Sünden sterben, und verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Das Ansehen der kupfernen Schlange war ein verächtliches Mittel, und wirkte doch, was keine Arznei wirken konnte; also ist der Glaube an den gekreuzigten Heiland bei den stolzen Geistern verachtet, und doch das einige Mittel, wodurch der ganze Mensch von der Sünde frei gemacht, gegen das ewige Verderben gesichert, und des ewigen Lebens theilhaftig werden kann. Wer dieses Mittel, das Jesus selber vorgeschlagen hat, unter dem Beistand des Heiligen Geistes brauchen will, wird es rühmen; wer aber den Weisen dieser Welt Gehör geben, und nach ihrer Anweisung allein durch die Vernunft- und Sittenlehre, durch Fabeln und wahre Geschichten die Kur der Seele ausführen will, wird zwar eine scheinbare Gestalt bekommen, die der Welt gefallen kann, übrigens aber das Sündengift ganz in sich behalten, und durch dasselbe getödtet werden. Der HErr Jesus sagte die obenstehenden Worte zu dem Nicodemus, dem das Gesetz Mosis und die Sittenlehre Salomo’s wohl bekannt war, der aber in der Absicht, etwas Weiteres, das seiner Seele zur Ruhe und zum Leben verhelfen könnte, zu vernehmen, zu Ihm gekommen war. Was sagte ihm nun der HErr Jesus? Er verbot ihm das Halten des Ceremonialgesetzes noch nicht, weil dessen Ende noch nicht gekommen war. Er predigte ihm keine neue Sittenlehre, keine schärferen Gebote, sondern redete mit ihm von der Wiedergeburt als einer unerklärlichen und doch höchstnöthigen Sache, hernach aber vom Glauben an Ihn, und sagte bei diesen zwei Vorstellungen, daß das ewige Leben anders nicht erlangt werden könne. Wer also wiedergeboren wird, wird an den HErrn Jesum gläubig, und wer an Ihn gläubig wird, wird wiedergeboren, weil mit dem Glauben eine neue Natur oder ein neues Leben in der Seele entsteht. Der himmlische Vater gebe mir erleuchtete Augen meines Verständnisses, damit ich Seinen Sohn, der zu meinem Heil an ein Holz aufgehängt worden, sowohl während meiner Pilgrimschaft als auch insonderheit am Ende derselbigen gläubig ansehen könne. Die Ihn ansehen und anlaufen, deren Angesicht wird nicht zu Schanden. Nichts mehr, dann: lieber Herre mein, Dein Tod soll mir das Leben sein, Du hast für mich bezahlet.(Magnus Friedrich Roos)
Joh. 4
Da Jesus müde war von der Reise, setzte Er sich also auf den Brunnen.
Joh. 4,6.
Der HErr Jesus hat in den Tagen Seiner Erniedrigung alle Schwachheiten der menschlichen Natur, die nicht sündlich waren, gefühlt, und ist also auch hungrig und durstig worden, hat Traurigkeit und schmerzen empfunden, und ist auch müde worden. Da Er nach Ostern, folglich zur heißen Jahreszeit, über Berge und Thäler zu Fuß bei einer geringen Kost aus Judäa, wo Ihn die Pharisäer beneideten, nach Galiläa reiste, und unterwegs auf dem Feld bei einem samaritischen Städtlein einen Schöpfbrunnen antraf, der eine hölzerne oder steinerne Einfassung hatte, war Er müde von der Reise, und setzte Sich also auf den Brunnen, nämlich auf die Einfassung desselben. Er setzte Sich so hin, wie müde Leute zu thun pflegen, die bei dem Sitzen sich an etwas lehnen, oder den Leib wenigstens ein wenig krümmen. Er schämte Sich nicht, Seine Müdigkeit auch durch die Richtung Seines Leibes bei dem Sitzen zu offenbaren. Seine Seele ruhete dabei in dem Wohlgefallen Seines Vaters, und Er dachte vielleicht an kein Werk, das Er hier ausrichten werde; unversehens aber kam ein samaritisches Weib daher, da Er dann schnell die Gelegenheit benützte, sie und durch sie viele Leute von Sichar zu gewinnen, wie Joh. 4. erzählt wird.
Lasset uns hiebei bedenken, wie Jesus in dem bergigten und heißen Land Israel oft bis zur Ermüdung gereiset sei. Da wo Abraham, Isaak und Jakob ihre Heerden geweidet hatte, in dem Land, das Moses von dem Berg Nebo mit heiligen Betrachtungen beschauet hat, und in den Gegenden, wo Samuel, David und alle Propheten gewohnt und gewandelt hatten, reisete nun der Sohn umher. Dieses Land wurde nun gewürdigt, von den heiligen Füßen des Sohnes Gottes betreten zu werden. Er hätte Sich irgendwo, und zwar in einer angenehmen Gegend eine Wohnung ausersehen, und da mit Gemächlichkeit warten können, bis die Leute zu Ihm kommen, etwas von Ihm begehren und Ihn hören würden. Er hätte durch Seine Jünger, oder auch durch Seine Engel, die Leute aus der Nähe und Ferne zusammen rufen und treiben können. Allein diese Weise zu handeln, wäre für den Stand Seiner Erniedrigung zu vornehm gewesen. Auch wären manche kranke, blöde, arme Personen, die doch von Gott erwählt waren, von Ihm entfernt geblieben. Er reisete also selber von einem Ort zum andern, um die Menschen aufzusuchen. Er that weite Reisen. Er ermüdete Sich dabei, Er schonte Seines Leibes nicht. Er setzte ihn der Sonnenhitze aus, Er wurde unterwegs hungrig und durstig, und hatte nicht immer eine gute Herberge. Wenn Er aber irgendwo nach dem Willen Seines Vaters eine Seele gewinnen konnte, so war dieses Seine Speise, Sein Labsal, Seine Erquickung. Nun sitzt Er freilich zur Rechten des Vaters auf dem Thron der göttlichen Majestät, und wird nimmer müde: aber das Herz, welches Er als ein müder Wandersmann bei dem Brunnen zu Sichar gehabt hat, hat Er noch; Er hat noch die Menschen lieb, sucht das Verlorne, bestraft heilsamlich, gibt und vergibt gerne, und hilft den Elenden herrlich. Wer sollte sich nicht gern mit Ihm einlassen?(Magnus Friedrich Roos)
Joh. 5
Alle sollen den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren: wer den Sohn nicht ehret, der ehret den Vater nicht, der Ihn gesandt hat.
Joh. 5,23.
Der HErr Jesus behauptete Joh. 5,19-23., daß Er der Sohn Gottes sei, und da Er erklären wollte, in welchem Verstand Er’s sei, so that Er sehr wichtige Aussprüche von Seiner Verbindung und Gleichheit mit dem Vater. Er zeigte an, daß Er wegen der Vereinigung mit dem Vater nichts von Ihm selber thun könne, daß Er aber auf eine geheime Weise, welche etwas Höheres als der Glaube war, immer sehe, was der Vater thue, weil Ihn der Vater lieb habe, und es Ihm zeige, da Er dann eben dasjenige gleichermaßen thue, was der Vater thue. Die Werke des HErrn Jesu waren also Werke des Vaters und des Sohnes zugleich. Der Vater wirkte, und der Sohn wirkte auf eine gleiche Weise, das ist mit einer gleichen Gewalt und Kraft, und diese beiderseitige Wirksamkeit floß immer in Einem Werk zusammen. Der Vater zeigte, und der Sohn sahe; folglich war das hellste Licht dabei. Der HErr Jesus erläutert diese Wahrheit V. 21. durch die Auferweckung der Todten, und sagt: wie der Vater die Todten auferwecket und lebendig macht, welche Er nämlich auferwecken und lebendig machen will, also auch der Sohn macht Todte lebendig, welche Er will, und diese Todten sind eben diejenigen, die der Vater zugleich lebendig macht. Der Vater handelt hierin nach Seinem Willen, und der Sohn handelt auch nach Seinem Willen. Hernach sagt Er V. 22., der Vater richte Niemand, sondern habe alles Gericht dem Sohn übergeben. Ohne Zweifel muß man diese Worte so verstehen, daß die Ehre des Vaters nicht geschmälert wird. Der Vater richtet Niemand ohne den Sohn, doch richtet Er die Welt durch den Sohn, Ap. Gesch. 17,31. Er hat aber alles Gericht dem Sohn übergeben, Er hat die Seligsprechung und Verdammung der Menschen in Seine Gewalt gestellt, Er hat Ihm die Macht gegeben, den Ausspruch zu thun, wer leben oder des andern Todes sterben soll. Das Buch des Lebens ist Sein Buch (Offenb. Joh. 13,8.). Er wird in Seiner verklärten Menschheit sichtbarlich erscheinen, und das Gericht halten, Er wird das Unrecht, das Seiner Person mittelbar oder unmittelbar angethan worden, rächen, und die Gerechten Seine Brüder heißen. Wenn wir uns wunderten, daß der Heiland von dem Richten anders geredet hat, als von der Auferweckung der Todten, so dürfen wir nur bedenken, daß Ihm der Vater die Macht gegeben hat, das Gericht zu halten, weil Er des Menschen Sohn ist, V. 27. Das Verhältniß nämlich, in welchem Er als des Menschen Sohn mit den Menschen steht, fließt mehr in das Richten hinein als in die Auferweckung der Todten: wie denn bei jenem der Vater nicht sagen kann: Ich bin hungrig, Ich bin durstig gewesen u.s.w., da hingegen alle Worte, die bei der Auferweckung vorkommen, geradezu auch dem Vater geziemen. Weil aber der Vater alles Gericht dem Sohn gegeben hat, und von diesem Niemand an einen Höheren appelliren darf, so sollen alle Menschen den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Die höchste Gewalt zu richten, welche der Sohn von dem Vater empfangen hat, und der Vater durch den Sohn ausübt, soll sie dazu bewegen. Ihnen liegt daran, den Vater und Sohn durch den Glauben zu ehren, damit sie nicht in’s Gericht kommen, V. 24. Weil auch der Vater Sich bei dem Richten keine höhere Gewalt vorbehält, sondern alles Gericht dem Sohn gegeben hat, so will Er auch nicht höher geehrt werden, als der Sohn, und gebietet, daß auch diesem alle Ehre gegeben werde.(Magnus Friedrich Roos)
Wer glaubet, kommt nicht in’s Gericht.
Joh. 5,24.
Wir müssen zwar Alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Jesu Christi, auf daß ein Jeglicher empfahe, nachdem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder bös, 2 Kor. 5,10. Wer aber das Wort Jesu höret, und Dem glaubet, der Ihn gesandt und geboten hat zu reden, was Er geredet hat, der hat das ewige Leben, und kommt nicht in’s Gericht, sondern ist vom Tod zum Leben hindurch gedrungen, Joh. 5,24. Es ist also etwas Anderes: vor dem Richterstuhl Jesu Christi offenbar werden, und etwas Anderes: in’s Gericht kommen. Wer in’s Gericht kommt, wird durch einen richterlichen Ausspruch zum andern Tod verdammt. Ein solcher Mensch steht also auf zur Auferstehung des Gerichts, wie Christus Joh. 5,29. redet. Zwar ist ein solcher Mensch in gewissem Verstand auch vorher schon gerichtet, das ist, es hat bei ihm einen Ausschlag zur Verdammniß gegeben, weil er nicht an den Namen des Sohnes Gottes glaubet, Joh. 3,18. Weil er aber dabei noch immer sowohl bei Leibesleben als auch nach dem Tod eine falsche Hoffnung haben kann, so muß er noch gerichtet, das ist, sein Verdammungsurtheil muß ihm kund gethan werden, damit er gewiß wisse, daß er verdammt sei, und warum er verdammt sei; und ihm alle weitere Hoffnung abgeschnitten werde. Wer aber das Wort Jesu, welches auch des Vaters Wort ist, höret und glaubet, oder wer an Jesum glaubet, wird nicht gerichtet, Joh. 3,18., oder kommt nicht in’s Gericht. Es darf nämlich am Tag des großen Gerichts nicht erst entschieden werden, ob er leben oder sterben soll: denn er hat das ewige Leben schon vor dem Gerichtstag, und ist vor demselben vom Tod zum Leben hindurch gedrungen. Er weiß auch selber schon, daß er das ewige Leben in Christo Jesu habe: seine Auferstehung ist eine Auferstehung des Lebens, Joh. 5.29. Er steht also zur Rechten des Richters, von dem nun auch öffentlich bekannt werden soll, daß sein Name im Buch des Lebens stehe. Wer in’s Gericht kommt, dem werden alle bösen Werke, die er bei Leibesleben gethan hat, zugerechnet. Wer aber nicht in’s Gericht kommt, oder nicht gerichtet wird, bei dem wird nur zum Ruhm des Erlösers und Seiner Gnade offenbar, wie viel ihm vergeben worden sei, und wie viel Gutes der Geist Gottes in ihm und durch ihn gewirkt habe. Jener empfängt also den Lohn seiner bösen Werke nach Verdienst (und richten heißt einen Ausspruch thun nach dem Verdienst dessen, der gerichtet wird), dieser aber empfängt den Lohn seiner guten Werke aus Gnaden: wo aber Gnade den Ausschlag gibt, da ist kein Gericht. Ich denke hier billig an das Wort des Propheten Ps. 130,3.: so Du willst Sünde zurechnen, HErr, wer wird bestehen? Wenn ich also in’s Gericht kommen sollte, so würde ich zu Schanden und wäre verloren. Darum bete ich bei Leibesleben: HErr, gehe nicht in’s Gericht mit Deinem Knecht, denn vor Dir ist kein Lebendiger gerecht, Ps. 143,2. Weil Du aber nicht alle Lebendigen verdammen willst, so weiß ich, daß bei Dir Vergebung sei, und diese Vergebung hebt das Gericht auf. Ich glaube, HErr Jesu, Deine und Deines Vaters Worte, ich glaube auf Dich: hilf meinem Unglauben, der sich dabei noch regt. Laß das ewige Leben bei mir immer stärker anbrechen, damit ich am Tag des Gerichts schon als ein Lebendiger prangen könne.(Magnus Friedrich Roos)
Wer an den HErrn Jesum glaubt, ist vom Tod zum Leben hindurchgedrungen.
Joh. 5,24.
Es wird in der heiligen Schrift gesagt, daß der Mensch in Uebertretungen und Sünden todt sein könne, Eph. 2,1. und dieses wird insgemein der geistliche Tod genannt; die heilige Schrift redet auch oft vom leiblichen Tod als einer Folge der Sünden, und endlich auch von dem zweiten Tod, welcher darin besteht, daß die auferweckten Gottlosen in den feurigen Pfuhl geworfen werden. Wenn diese Verwerfung in den feurigen Pfuhl der zweite Tod genannt wird, so ist der leibliche Tod der erste, denn dieser wird durch die Auferweckung des Leibes auch bei den Gottlosen so aufgehoben, daß sie hernach das zweite Mal sterben können; da hingegen der geistliche Tod bei ihnen nur fortwährt. Auch ist dieser keine Strafe, wie der zweite Tod, sondern wird eine Ursache der Strafe, wenn man darin beharrt; da hingegen der leibliche Tod nach dem Sündenfall durch einen ausdrücklichen Ausspruch Gottes als eine Strafe, oder wenigstens als eine Züchtigung den Menschen zuerkannt worden ist. Derjenige nun, der an den HErrn Jesum glaubt, ist vom Tod zum Leben hindurchgedrungen, und kommt eben deßwegen nicht in’s Gericht. Freilich ist hiebei zuerst an den geistlichen Tod zu gedenken, von welchem man zum geistlichen Leben übergehen kann, das aus der Gemeinschaft mit der Auferstehung Jesu entsteht; denn wenn dieser Uebergang bei dem Glaubigen nicht geschähe, so käme er noch in’s Gericht, und würde alsdann auch zum zweiten Tod verdammt. Wer also an den HErrn Jesum glaubt, empfängt ein geistliches Leben aus Jesu durch den Glauben, und es wird ihm etwas von dem unzerstörlichen Leben des auferstandenen Jesu mitgetheilt; weßwegen auch Eph. 2. gesagt wird, daß er mit dem HErrn Jesu lebendig gemacht, und mit Ihm auferweckt sei, Röm. 6. aber, daß er Seiner Auferstehung gleich sei. Ist aber dieser Uebergang geschehen, und wird von da an das geistliche Leben, welches sich in Wirkungen und Empfindungen äußert, bis zum Tod des Leibes erhalten, so berührt dieser leibliche Tod die Seele nicht mehr. Die wiedergeborne Seele, welche ein unzerstörliches, geistliches Leben in sich hat, leidet von dem Tod des Leibes keinen Nachtheil. Sie siehet den Tod nicht, sie stirbt nicht so, wie ein Geist auch ohne seine Zernichtung sterben kann, das ist, sie verliert nichts von ihrer Kraft, Fröhlichkeit, Weisheit, sondern gewinnt Vieles. Was aber den andern Tod anbelangt, so wird dem Gerechten von demselben kein Leid geschehen; denn die Rechtfertigung, welche er bei dem Uebergang vom geistlichen Tod in’s geistliche Leben erlangt hat, ist dem Urtheil, welchs zum andern Tod verdammt, entgegen gesetzt, und trägt schon so viel aus, daß er sich nach Röm. 5,2. der Hoffnung der Herrlichkeit, welche das ewige Leben ist, rühmen kann, und deßwegen wird sie auch Röm. 5,18. eine Rechtfertigung des Lebens genannt. Zu diesem Uebergang vom Tod zum Leben hilft aber nicht das Gesetz, ob es schon sonst seinen Nutzen hat, und noch weniger die Weltweisheit, sondern der Glaube an Jesum, der uns durch das Evangelium vor die Augen gemalt wird. Wer an Ihn glaubt, wird von Gott gerechtfertigt, und wer gerechtfertigt wird, empfängt zugleich ein geistliches Leben. Eines solchen Menschen Schicksal wird also am jüngsten Tag nicht erst gerichtlich entschieden, sondern nur bestätigt, und zu einer größern Herrlichkeit erhoben. So sei dann mein Bestreben: im Glauben an den HErrn Jesum zu leben, und in eben diesem Glauben auch zu sterben. (Magnus Friedrich Roos)
Der Vater hat dem Sohn Macht gegeben, auch das Gericht zu halten, darum, daß Er des Menschen Sohn ist.
Joh. 5,27.
Jesus hat sich oft einen Menschensohn genannt, weil Er Seine menschliche Natur nicht vom Himmel gebracht, sondern durch eine Geburt von einem Menschen, nämlich von der Maria, bekommen hat, und dadurch dem menschlichen Geschlecht einverleibt und ein Blutsverwandter aller Menschen worden ist. Der HErr Jesus redete Joh. 5,19-26. von Gott als Seinem Vater, und von Sich selbst als dem Sohn Gottes. Hernach redete Er auch von Sich selbst als einem Menschensohn V. 27-32., und bezeugte insonderheit V. 27., daß der Vater dem Sohn Macht gegeben habe, auch das Gericht zu halten, weil Er ein Menschensohn sei, und Er deßwegen als ein solcher alle Todten auferwecken werde. Als ein verklärter Menschensohn wird Er mit großer Kraft und Herrlichkeit kommen, und als sichtbar auf einem großen weißen Thron sitzen. Als ein solcher wird Er alle diejenigen, die in den Gräbern sind, Seine Stimme hören lassen, damit sie hervorgehen, und zwar diejenigen, die Gutes gethan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Uebels gethan haben, zur Auferstehung des Gerichts. Als ein Menschensohn wird Er am Tag des Gerichts von Menschen als Seinen Brüdern reden, und das Gute, das man ihnen gethan oder nicht gethan hat, so rühmen können, als ob’s Ihm widerfahren oder nicht widerfahren wäre. Als ein solcher ist Er der Erstgeborne unter vielen Brüdern, und wird diese zu Seinen Miterben machen, indem Er sagen wird: kommet her, ihr Gesegneten Meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt. Alle diese Verhältnisse und alle daraus fließenden Worte und Werke würden nicht sein, wenn der Sohn Gottes nicht auch ein Menschensohn wäre; und wer will alle Geziemlichkeit übersehen, welche dieser Name bei der Uebergabe und bei der wirklichen Haltung des Gerichts mit sich führt?
Der HErr Jesus hat Sich als Menschensohn nichts selber angemaßt, sondern der Vater hat Ihm Alles gegeben. Hinwiederum hat Ihm der Vater Alles gegeben, was Er hat begehren können, und die Macht, die Er von dem Vater empfangen hat, übt Er nicht anders als nach dem Willen Seines Vaters aus, mit dessen Willen Sein eigener Wille auf das Vollkommenste übereinkommt. Joh. 5,30. So liebt und ehrt der Vater den Sohn und der Sohn den Vater auf eine unermeßliche Weise, und in diese gegenseitige Ehre und Liebe ist unser Schicksal eingeschlossen.
Die Macht, das Gericht zu halten, ist freilich etwas unbegreiflich Großes und Hohes. Eine ausgebreitete Kenntniß aller Menschen, und eine Wissenschaft von Allem, was in der ganzen Weltwährung in allen Augenblicken geschehen ist, und eine Einsicht in den verborgenen Rath aller Herzen, und eine reine und unbewegliche Gerechtigkeit, und endlich das allerhöchste Recht, ein Urtheil zu sprechen, von dem man nicht weiter appelliren kann, wie auch die Kraft, dieses Urtheil alsbald zu vollziehen – dieses Alles ist zu Haltung des Gerichts nöthig, wozu der Vater dem Sohn die Macht gegeben hat.(Magnus Friedrich Roos)
Suchet in der Schrift: sie ist’s, die von Mir zeuget.
Joh. 5,39.
Der HErr Jesus bewies Joh. 5. die Wahrheit Seines Evangelii, nach welchem man an Ihn glauben, und Ihn als den Sohn Gottes wie den Vater ehren solle, aus Seinen Werken, aus Seinem eigenen höchst glaubwürdigen Zeugniß, aus dem Zeugniß Johannis des Täufers, aus dem unmittelbaren Zeugniß Seines Vaters, welches bei Seiner Taufe gehört worden war, und endlich aus dem Zeugniß der Schrift, welche die Juden mit Recht für Gottes Wort hielten, und worin sie so forschten, daß sie meinten, sie könnten ohne den Glauben an Jesum das ewige Leben durch sie erlangen. Der liebe Heiland bestätigte zwar diese Meinung der Juden nicht, sondern bestrafte sie vielmehr V. 40., daß sie nicht zu Ihm kommen wollen, damit sie das ewige Leben haben möchten: hingegen gab Er ihnen zu verstehen, daß eben dieselbe Schrift, worin sie bei ihrem Unglauben forschen, ihnen zu diesem Kommen oder Glauben verhelfen könne, weil sie von Ihm zeuge. Moses, sagte Er V. 46., hat von Mir geschrieben; gleichwie auch Petrus Ap. Gesch. 10,43. spricht: von Jesu Christo zeugen alle Propheten, daß durch Seinen Namen Alle, die an Ihn glauben, Vergebung der Sünden empfahen sollten. Sie zeugen aber von Jesu durch eigentliche Weissagungen von Ihm, aber auch durch Beschreibung vieler Vorbilder, die Ihn abgebildet haben, wie der Schatten einen Körper, und endlich durch die ganze Beschreibung der Weise, nach welcher Gott bei den Patriarchen und hernach bei dem Volk Israel gehandelt hat, und welche überall anstößig wäre, wenn Gott nicht dabei auf den künftigen Erlöser der Menschen Seine Absicht gehabt hätte. Noch vollständiger und deutlich ist das Zeugniß von Christo, das in den Schriften des Neuen Testaments enthalten ist. Wer nun die heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments zur Erlangung des ewigen Lebens recht gebrauchen will, muß wahrnehmen, daß sie von Christo zeuge, und dieses Zeugniß in seinem Herzen so gültig und kräftig sein lassen, daß ein Kommen zu Christo, oder ein Glaube an Christum daraus entstehe. Wer in der Bibel forscht, oder wer sie auslegen hört, ist wegen seiner begangenen Uebelthaten ein todeswürdiger Sünder, und, so lange er im Unglauben steht, ein Sklave der Sünde. Was nützte es nun einen solchen, wenn er alle Geschichten, die in der Bibel stehen, oder auch das Gesetz Gottes, die Sittenlehre Salomo’s und Anderes, als abgerissen von Christo, ohne den Glauben an Ihn sich bekannt machte, und darin auf eine gelehrte oder ungelehrte Art sich umsähe? Ein Sünder muß einen Erlöser haben. Hat er aber einen solchen, so muß er zu ihm kommen oder an ihn glauben. Und dazu muß ihm das göttliche Zeugniß der heiligen Schrift verhelfen. Die von Gott eingegebene Schrift muß ihn zur Seligkeit weise machen durch den Glauben an Christum Jesum. Dieser Glaube erlangt alsdann die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, durch Christum, er erlangt aber auch die Befreiung von der Knechtschaft oder Sklaverei, worin man vorher unter der Sünde gestanden ist. Wen der Sohn Gottes gerecht macht, der ist wahrhaftig gerecht, und wen Er frei macht, der ist recht frei. Daraus folgt aber auch das ewige Leben in Christo Jesu. So leite uns denn das Zeugniß der Schrift täglich zu Christo, damit wir auch in der Stunde des Todes in Ihm erfunden werden.(Magnus Friedrich Roos)
Joh. 6
Die Worte, die Ich rede, die sind Geist und sind Leben.
Joh. 6,63.
Der HErr Jesus hatte in der Schule zu Capernaum von Sich selbst als dem Brod des Lebens geredet, und V. 51. gesagt: das Brod, das Ich geben werde, ist Mein Fleisch, welches Ich geben werde für das Leben der Welt. Da zankten die gegenwärtigen Juden untereinander und sprachen: wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben? V. 52. Der HErr Jesus wiederholte und bestätigte aber Seine Worte, und redete hernach nicht nur von dem Essen Seines Fleisches, sondern auch vom Trinken Seines Blutes, und behauptete, daß Beides zur Empfahung des geistlichen Lebens und zur innigen Vereinigung mit Ihm höchst nöthig sei, ja daß sich die heilsame Wirkung davon bis auf die Auferweckung des Leibes aus dem Grab erstrecke. Viele nun Seiner Jünger, die das hörten, sprachen: das ist eine harte Rede, wer kann sie hören? Da Jesus aber bei Sich selbst merkte, daß Seine Jünger darüber murrten, sprach Er zu ihnen: ärgert euch das? Wie, wenn ihr dann sehen werdet des Menschen Sohn auffahren dahin, da Er zuvor war? Werdet ihr nicht alsdann von Meinem Fleisch und Blut und von dem Essen und Trinken derselben ganz andere Vorstellungen bekommen? Der Geist ist dasjenige, das lebendig macht; Fleisch ist zu diesem Zweck kein nütze. Wenn Ich also Mich das Brod des Lebens genannt und demjenigen, der Mein Fleisch isset und Mein Blut trinket V. 54., ewiges Leben verheißen habe, so habe Ich nicht gemeint, daß ihr Mein Fleisch als ein (sichtbares fühlbares) Fleisch essen sollet: die Sachen, die Ich euch sage, sind Geist und Leben. Man ißt also Mein Fleisch, insofern es durch die Erhöhung und Verklärung, welche bei Meiner Himmelfahrt vollendet werden wird, geistlich, folglich auch lauter Leben geworden ist, und ebenso verhält es sich auch mit Meinem Blut. Hieraus erhellt, daß der HErr Jesus nicht von der Zueignung Seines verdienstlichen Todes, welche durch den Glauben geschieht, in diesem Kapitel geredet habe, sondern daß er Sein Fleisch im eigentlichen Verstand nach seinem Wesen betrachtet, und so auch Sein wesentliches Blut als einen Gegenstand des Essens und Trinkens vorgestellt habe, weil Er auch auf die Verwandlung, welche damit bei Seiner Himmelfahrt vorgehen werde, berufen hat, nach welcher das Fleisch nimmer Fleisch, sondern Geist und Leben, das ist ein geistlicher und lebendigmachender Leib sein werde, wovon doch schon bei dem ersten Abendmahl ein Vorspiel vorhanden war. Ob nun gleich dieses die wahre Auslegung der Worte Jesu ist, so ist doch auch wahr, daß Seine Worte lebendig und kräftig seien (Hebr. 4,12.), daß das Evangelium eine Gotteskraft sei, welche Alle selig macht, die daran glauben (Röm. 1,16.), und daß dieses sich dadurch von allen, auch von den wahren Menschenworten, unterscheidet, daß es in denen, die es glauben, übernatürlich wirksam ist (1 Thess. 2,13.), und es deßwegen 1 Petr. 1,23.25. ein unvergänglicher Samen, aus dem man wiedergeboren werde, ein lebendiges und ewig bleibendes Wort genannt werde. Alles dieses wird deßwegen von dem Wort Gottes gesagt, weil der ewige Geist Gottes durch dasselbe wirkt.(Magnus Friedrich Roos)
HErr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.
Joh. 6,68.
Als der HErr Jesus in der Schule zu Kapernaum diejenigen Juden wieder vor sich hatte, die Er jenseits des galiläischen Meeres mit Brod und Fischen gespeist hatte: so redete Er von Sich selbst als dem Brod des Lebens, und sagte, sie müssen Sein Fleisch essen und Sein Blut trinken; weil sie sonst kein Leben in sich haben würden. Viele nun Seiner Jünger, die das hörten, murrten, und gingen hinter sich und wandelten fort nicht mehr mit Ihm. Die fleischliche Weisheit dieser Welt könnte hier eine Ursache finden, Jesum zu tadeln, weil Er durch tiefe und dunkle Reden viele Jünger von Sich abwendig gemacht hat. Allein Er handelte hier nach einem sehr heiligen Sinn, und zwar so, wie es der Täufer Johannes vorher verkündigt hatte, da er von Ihm sagte: Er hat Seine Wurfschaufel in Seiner Hand, Er wird Seinen Kornhaufen läutern, Matth. 3,12. Der Täufer Johannes hatte einen großen Zulauf, konnte aber die Leute nicht von einander scheiden, sondern taufte ohne Zweifel auch unredliche Leute. Der HErr Jesus bekam wegen Seiner Freundlichkeit, wegen Seiner holdseligen Worte, und wegen Seiner wohlthätigen Wunder auch einen großen Zulauf. Allein der HErr Jesus hatte die Wurfschaufel in Seiner Hand, das ist, Er hatte Gewalt und Weisheit genug, diesen Kornhaufen, das ist diesen vermischten Haufen von Jüngern, zu läutern, und die Unredlichen von den Redlichen zu scheiden. Er that dieses in der Schule zu Kapernaum durch Seine Rede von dem Essen Seines Fleisches und dem Trinken Seines Blutes. Der Kornhaufen wurde dadurch kleiner: allein dasjenige, was davon wegkam, war nur Spreu, denn Er gibt Joh. 6,64.65. zu verstehen, daß diejenigen, die sich an Seiner Rede ärgerten, nicht wahrhaftig gläubig seien, und daß es ihnen nicht vom Vater gegeben worden sei, im Geist des Glaubens zu Ihm zu kommen, sondern sie nur der Vorwitz oder ein Ehrgeiz, oder die Absicht auf eine leibliche Versorgung angetrieben habe, Seine Jünger zu werden. Er ließ damals nicht nur diejenigen weggehen, die weggehen wollten, sondern sagte sogar zu den Zwölfen: wollet ihr auch weggehen? Da dann Petrus im Namen der Uebrigen antwortete: HErr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wenn Petrus ein unredliches Herz gehabt hätte, so hätte er wohl gewußt, wohin er gehen solle; denn er hatte ein Weib und eine Schwieger und ein Hauswesen in der Nähe; und so verhielt es sich auch mit den übrigen Aposteln. Allein Jesum und Seine Nachfolge wollten sie mit nichts vertauschen. Laß mir, HErr Jesu, Deine Worte immer Worte des ewigen Lebens sein. Bewahre mich, daß ich nie mit denselben, sie mögen mir klar oder dunkel sein, umgehe, als ob’s nur Menschenworte wären. Sie sind zwar in einer menschlichen Sprache geredet, und haben die Form menschlicher Worte, aber insofern sie aus Deinem Munde gegangen sind, sind sie lebendig und kräftig. Du theilest Dein göttliches Licht und Leben durch dieselben mit. Dieses geschehe denn auch mir und den Meinigen zu Deines Namens Ehre; damit wir Dir dadurch zu einer ewigen Treue verbunden werden.(Magnus Friedrich Roos)
Joh. 8
Ich bin das Licht der Welt; wer Mir nachfolget, wird nicht wandeln in Finsterniß, sondern wird das Licht des Lebens haben.
Joh. 8,12.
Man rühmt jetzt die erleuchtete und aufgeklärte Zeit, und doch folgen unter der großen Menge der Christen Wenige Christo nach. Es gibt Männer, von welchen man sagt, sie haben zur Erleuchtung der Welt durch ihren Witz, Kunst und Gelehrsamkeit Vieles beigetragen, und doch folgen diese Männer selber Jesu, dem Licht der Welt, nicht nach, und weisen auch ihre Schüler nicht dazu an. Man kann ihnen also zurufen: wandelt hin im Licht eures Feuers, und in Flammen, die ihr angezündet habt – in Schmerzen werdet ihr liegen, Jes. 50,11. Christus der Wahrhaftige sagt: Ich bin das Licht der Welt. In allen Weltgegenden und zu allen Weltzeiten müssen die Menschen von Ihm Licht empfahen, wenn sie erleuchtete werden sollen. Zu diesem Ende aber müssen sie Ihm nachfolgen, Seine Lehre annehmen, nach derselben ihren Sinn ändern, und in Seine Fußstapfen treten. Alsdann werden sie nicht in der Finsterniß wandeln, sondern das Licht des Lebens haben. Das Licht also, das ein Nachfolger Christi hat, ist ein Licht des Lebens. Es heitert nicht nur den Verstand auf, daß er die vorkommenden Dinge recht erkennen und beurtheilen kann, sondern belebt auch. So viel Licht ein Christ hat, so viel geistliches Leben hat er auch, und so viel geistliches Leben er hat, so viel Licht hat er. Ist nun das Licht auch das Leben der Menschen, so muß im Gegentheil die Finsterniß der Tod sein. Eine finstere Seele ist auch eine todte Seele in Ansehung der geistlichen Dinge, welche das Reich Gottes in sich schließt. Gleichwie sie nichts vernimmt vom Geist Gottes, also kann sie sich auch zu demjenigen, das der Geist Gottes gebietet, nicht erheben und bewegen, weil gar keine Kraft dazu in ihr ist.
Die Menschen prangen gar gern mit ihrer Weisheit, und arbeiten meistens emsig darauf los, wie sie ihren Verstand erhöhen und erweitern. Schon Eva ist durch den betrüglichen Verspruch einer höheren Weisheit von der Schlange betrogen worden. Man kann auch nicht leugnen, daß Unterricht und Uebung in dem Bezirk der Natur Vieles ausrichten, und die Vernunft natürlicher Menschen sehr hurtig und fähig sein kann, natürliche Dinge, die zum Wesen dieser Welt gehören, zu fassen und zu beurtheilen. Allein zwischen der Natur und Gnade, zwischen dem Wesen dieser Welt, welches vergehet, und zwischen dem unbeweglichen Reich Gottes ist ein großer Unterschied. Im Reich Gottes ist Christus allein das Licht, der Morgenstern, die Sonne. Wer von Ihm erleuchtet werden will, muß auch Sein Nachfolger sein. Der alte Teufel ist ohne Zweifel schlauer als alle Staatsmänner, und weiß mehr als alle Gelehrte, wie ihm denn deßwegen sieben Köpfe zugeschrieben werden: und doch ist er mit einer undurchdringlichen Finsterniß als mit einer Kette gebunden, und herrscht nur in der Finsterniß der Welt. Auch heißen böse Werke, die nach seinem Willen geschehen, Werke der Finsterniß. Das Licht des Lebens aber, welches ein Nachfolger Christi hat, ist sowohl der Gewalt des Satans, als auch dem Trieb zu bösen Werken entgegen gesetzt. Der HErr Jesus erleuchte auch uns immer mehr, und vertreibe die Finsterniß, die an die Hölle grenzt, aus unsern Seelen.
(Magnus Friedrich Roos)
So ihr nicht glaubet, daß Ich’s sei, so werdet ihr sterben in euren Sünden.
Joh. 8,24.
Es gibt Leute, welche meinen, wer einen Gott und etwa auch die Unsterblichkeit der Seele glaube, bedürfe weiter nichts, als daß man ihm die Gebote Gottes oder die Sittenlehre Jesu predige: von der Person Jesu und andern geheimnißreichen Sachen haben die Gelehrten unterschiedliche Meinungen, und es liege nichts daran, was man sich für eine Vorstellung davon mache. Allein der HErr Jesus sagte zu den Juden: so ihr nicht glaubet, daß Ich sei, der Ich bin, so werdet ihr sterben in euern Sünden, und Joh. 17,3.: das ist das ewige Leben, daß sie Dich, Vater, der Du der allein wahre Gott bist, und den Du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen, Paulus aber Phil. 3,8.10.: er achte Alles für Schaden gegen der überschwänglichen Erkenntniß Jesu Christi seines HErrn, und trachte, Ihn noch weiter zu erkennen, Johannes aber schreibt 1 Joh. 2,22.23.: das ist der Widerchrist, der den Vater und den Sohn leugnet. Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht. Es ist auch sonnenklar, daß die Heilige Schrift, insonderheit das Neue Testament, uns nicht nur auf die Sittenlehre Jesu verweise, welche man freilich auch ohne die Erkenntniß Seiner Person für gerecht und billig halten kann, sondern auch und vornehmlich auf die Erkenntniß Seiner Person und den Glauben an Ihn dringe. Ihn selbst stellt sie uns vor die Augen als den Lehrer, der von Gott ausgegangen ist, als einen ewigen König und Priester, als den Erlöser der Welt, als das Licht und Leben der Menschen, als den eingebornen Sohn Gottes, als den wahrhaftigen Gott und das ewige Leben. Die Erkenntniß Seiner Person macht nicht nur klar, wie wichtig Seine Gebote seien, sondern zeigt auch, wie viel man Vertrauen zu Ihm haben, was man von Ihm bitten und erwarten, und wie man Ihn verehren solle. Wer nicht glaubt, daß Er sei, der Er ist, stirbt in seinen Sünden, weil er ohne diesen Glauben weder gerecht noch heilig werden kann. Nur Jesus kann von den Sünden frei machen: Er macht aber nur denjenigen davon frei, der Ihn erkennt, und bei dieser Erkenntniß Ihn darum bittet. Wer nun von den Sünden nicht frei wird, stirbt in seinen Sünden, in den Sünden aber sterben ist etwas Schreckliches. Selig sind die Todten, die in dem HErrn sterben, unselig sind diejenigen, die in ihren Sünden sterben. Sünden, die nicht vergeben sind, Sünden, von denen die Seele nicht gereinigt ist, verwehren ihr den Eingang in das Reich Gottes, und drücken sie in die finstere Hölle hinab, da dann Gott dieser Seele nicht mehr gedenket und sie von Seiner Hand abgesondert ist, bis sie am Tag des Gerichts in ihrem auferweckten Leib vor Ihm erscheinen, das Urtheil ihrer Verdammniß anhören, und alsdann in die ewige Pein gehen muß. HErr Jesu, ich glaube, daß Du seiest Christus des lebendigen Gottes Sohn, mein Erlöser und Fürsprecher, mein Licht und mein Leben. Erhalte und befestige mich in diesem Glauben, damit ich auch sein Ende, nämlich der Seelen Seligkeit, erlangen, und Dich alsdann in der Herrlichkeit zu meiner Verherrlichung sehen möge. Lasse auch Deine Erkenntniß in unsern Tagen durch das Evangelium in allen Gegenden der Erde ausgebreitet und vermehrt werden, und segne dazu den Dienst aller Deiner Knechte. Amen.(Magnus Friedrich Roos)
Joh. 9
Der Blindgeborne, dem Jesus die Augen aufgethan, sprach: HErr, ich glaube, und betete Ihn an.
Joh. 9,38.
Es war eine große Gnade, daß der HErr Jesus den Blindgebornen sehend machte, eine noch größere aber, daß Er ihm hernach zum Glauben an Ihn verhalf. Es geschahe dieses, nachdem dieser Mann in einem Verhör vor den Pharisäern einen schweren Kampf, bei welchem ihn auch seine Eltern aus Menschenfurcht verließen, treulich ausgekämpft, und gegen alle Einreden jener bittern Feinde Jesu behauptet hatte, Jesus sein kein Sünder, das ist kein Betrüger, sondern ein Prophet, weil Er ihm die Augen aufgethan habe. Wäre dieser nicht von Gott, sagte er zuletzt, er könnte nichts (dergleichen) thun. Dieser Beweis war zu hell und zu stark, als daß ihn die Pharisäer hätten umstoßen können: sie erwiederten ihn also nur mit Grobheiten, und sprachen zu dem blindgewesenen Mann, der hiedurch eines Leidens um Christi willen gewürdigt wurde: du bist ganz in Sünden geboren, und lehrest uns; und stießen ihn hinaus. Dieses kleine Leiden wurde ihm bald hernach durch eine große Gnade überschwänglich ersetzt. Es kam vor Jesum, daß sie ihn ausgestoßen hatten (Er suchte ihn), und da Er ihn fand, sprach Er zu ihm: glaubest du an den Sohn Gottes? Er antwortete, und sprach: HErr welcher ist’s, auf daß ich an Ihn glaube? Jesus sprach zu ihm: du hast Ihn gesehen, und der mit dir redet, der ist’s. Er aber sprach: HErr, ich glaube, und betete Ihn an. Zu dem samaritischen Weibe sagte Jesus: Ich bin der Messias, Joh. 4,26., und zu dem Blindgebornen: der mit dir redet, ist der Sohn Gottes. Sonst findet man kein Beispiel in den Evangelisten, daß der HErr Jesus diese zwei großen Wahrheiten, welche in Eine zusammenflossen, nämlich daß Jesus sei Christus, des lebendigen Gottes Sohn, so kurz und gerade zu Jemand hingesagt habe. Beide Personen aber, nämlich die Samariterin und der Blindgeborne, hielten Jesum schon vorher für einen Propheten, jene deßwegen, weil Er ihr unordentliches Leben mit sechs Männern ihr vorgehalten, und dieser deßwegen, weil Er ihm die Augen aufgethan hatte. Nun dachten sie ganz richtig: ein Prophet der verborgene Dinge weiß, oder Wunder thun kann, ist kein Lügner; wenn er also sagt: Ich bin der Messias, oder: Ich bin Gottes Sohn, so muß es wahr sein. Sie glaubten also schnell, richtig und weislich, und waren glücklicher, als diejenigen, die, wenn ihnen eine Wahrheit mit einem tüchtigen Beweis vorgehalten wird, dabei noch still stehen und sich bedenken, bis der Versucher Zeit gewinnt, ihnen den Glauben durch mittelbare oder unmittelbare Einwürfe zu erschweren, oder sie ganz davon abzuhalten. Beide Personen, die so schnell gläubig wurden, sahen Jesum damals das erstemal, und wer wollte zweifeln, daß nicht auch Seine majestätisch freundliche Gestalt, und die Redlichkeit, die aus Seinem Angesicht heraus leuchtete, ihnen einen tiefen Eindruck gemacht, und Seine Worte glaubhaft gemacht habe? Die Samariterin betete Jesum nicht alsbald an, sondern lief weg, holte ihre Landsleute; der Blindgeborne hingegen betete alsbald Jesum an. Beide Personen thaten nach dem Trieb des Heiligen Geistes, der den Glauben in ihnen gewirkt hatte, was recht und nach den Umständen schicklich war. Bei beiden zeigte sich der Glaube als lebendig. HErr Jesu, laß auch meinen Glauben immer lebendig und thätig sein, gegen meinen Nächsten und gegen Dich selbst. (Magnus Friedrich Roos)
Joh. 10
Ich bin der gute Hirte, und erkenne die Meinen, und bin bekannt den Meinen; und Ich lasse Mein Leben für die Schafe.
Joh. 10,14.15.
Jesaias Kap. 40,11., Ezech. Kap. 34,23. 37,24. und Zacharias Kap. 11,4. 13,7. weissagten von dem Messias, daß Er ein guter Hirte Seiner Schafe sein werde. Hernach trat Jesus auf, und sagte: Ich bin der gute Hirte, und bewies Sich auch als einen solchen in den Tagen Seines Fleisches, da Er einen Haufen Jünger sammelte, und für ihr ewiges Heil treulich sorgte. Er sagte aber auch Joh. 10,16.: Er habe noch andere Schafe, die nicht aus dem jüdischen Stall seien, und dieselben werde Er auch als ein Hirt führen, und es werde dahin kommen, daß, gleichwie Ein Hirt sei, also auch aus den Schafen vom jüdischen Stall, und aus den übrigen, die von den Heiden abstammen, Eine Heerde werde. Der HErr Jesus hört also auch in der Herrlichkeit nicht auf, ein Hirt zu sein; denn die Auserwählten aus den Heiden führte Er nicht eher, als da Er schon erhöhet war; und damals nannte Ihn auch Petrus 1 Petr. 2,25. den Hirten und Bischof der Seelen. Zwar ist er als erhöhet nicht mehr sichtbar bei den Schafen, und hat in der Kirche Hirten und Lehrer gesetzt, Er ist aber doch alle Tage und bis an der Welt Ende bei ihnen, und braucht die Hirten und Lehrer nicht als Mittler zwischen Ihm und den Schafen, auch gibt Er ihnen die Schafe nicht als ihr Eigenthum hin, sondern heißt sie nur Seine Haushalter, Botschafter und Knechte, und ihre Treue besteht darin, daß durch sie die Stimme des guten Hirten an die Schafe gelangt. Uebrigens erkennt Er die Seinen mit einer beständigen und wirksamen Barmherzigkeit, Obhut und Fürsorge, und ist den Seinigen durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes vermittelst Seines Worts erfahrungsmäßig bekannt. In diesem Kennen und Bekanntsein besteht das verborgene Leben der Glaubigen, ihre Gemeinschaft mit dem Sohn Gottes, ihr Wandel vor Ihm, und alle Erfahrung und Uebung, die bei einem evangelischen Christenthum vorkommt. So oft der Heiland einem Christen einen besondern Trost durch Seinen Geist zueignet, oder eine Hülfe zu rechter Zeit erzeigt, so gibt Er ihm zu verstehen, daß Er ihn kenne, und alle Bewegungen der Ehrerbietung, des Zutrauens, der Liebe, der Freude, des Dankes, des Verlangens u.s.w., welche bei einem Christen in sein Gebet einfließen, und auch ohne ein mündliches Gebet in seiner Seele vorkommen, zeigen an, daß er seinen Heiland kenne, der sein Hirte ist. Dieser Hirte hat Sein Leben für die Schafe gelassen, und dadurch die größte Probe der Liebe und Treue gegen sie abgelegt. Sonst kommen die Schafe um, wenn der Hirte todt ist, der sie allein führen und waiden kann, als aber Jesus starb: so starb Er für die Schafe, nämlich zu ihrem Heil. Er versühnte und erkaufte sie durch Seinen Tod, und legt den Grund zu der seligen Gemeinschaft, nach welcher Er sie kennt, und ihnen bekannt ist. Ueberdieß lebte Er bald wieder nach Seinem Tod, und waidet und führet nun als ein Lebendiger Seine Schafe, die im Himmel, Offenb. 7,17., und auf Erden sind. Auch ich soll ein Schaf des guten Hirten sein, und mich dessen trösten, daß Er mich kenne, und wisse, was ich leide, und wo ich wohne, und ein beständiges Aufsehen auf mich habe. Er weiß aber auch meine Werke, und deßwegen soll ich lauterlich vor ihm wandeln und handeln. Er will Sich aber auch mir offenbaren durch Sein Wort und durch die Erweisungen Seiner Gnade. Sein Tod ist mein Heil, und Sein Leben mein Leben.
Meine Schafe hören Meine Stimme, und Ich kenne sie, und sie folgen Mir, und Ich gebe ihnen das ewige Leben; und sie werden nimmermehr umkommen, und Niemand wird sie aus Meiner Hand reißen.
Joh. 10,27.28.
Alle gläubigen Christen sind Schafe des HErrn Jesu, und wer unter sie gerechnet sein will, muß von Herzen des HErrn Jesu Eigenthum sein; denn dieser Jesus ist kein Miethling, dessen die Schafe nicht eigen sind. Das Eigenthumsrecht des HErrn Jesu geht so weit, daß Paulus den Glaubigen nicht nur 1 Kor. 7,23. schreiben konnte: ihr seid theuer erkauft, werdet (in Gewissenssachen) nicht der Menschen Knechte; sondern auch 1 Kor. 6,19.20.: ihr seid nicht euer selbst, denn ihr seid theuer erkauft. Ich muß also alles Recht, das ich über mich selbst zu haben meinte, dem HErrn Jesu abtreten und übergeben; und darin wird meine ewige Glückseligkeit bestehen, daß Er mich als Sein Schaf kennet und behandelt; denn Er wird Sein Eigenthumsrecht, das Er über mich hat, immer als ein allmächtiger und reicher HErr mit der treuesten und weisesten Liebe ausüben. Er kennet Seine Schafe, nicht nur so wie Er alle Dinge nach Seiner Allwissenheit kennet, sondern auch im Gegensatz gegen diejenigen, zu denen Er an Seinem Tage sagen wird: Ich kenne euch nicht, Ich habe euch noch nie erkannt. Er kennet sie also mit einer besonderen Liebe als die Heiligen, die auf Erden sind, und als die Herrlichen, an denen Er alles Wohlgefallen hat. Er rufet ihnen mit Namen, V. 3., und übersieht also nicht ihren ganzen Haufen auf einmal, sondern kennet sie als einzelne nach ihren besonderen Merkmalen. Sie hören aber auch Seine Stimme; sie sehen Ihn zwar nicht, und können Ihn bei Leibesleben durch’s Schauen nicht erkennen: indem sie aber Seine Stimme hören, so wird Er ihnen bekannt, V. 14. Alles, was in der Bibel steht, ist Seine Stimme oder Sein Wort, durch Seinen Geist aber eignet Er ihnen Seine Worte so deutlich und eigentlich zu, als ob Er mit ihnen redete, und wenn sie die Kraft der Worte fühlen, so merken sie, daß Er es sei, der mit ihnen rede. Sie kennen also Seine Stimme; aber der Fremden Stimme kennen sie nicht, V. 4.5. Seine Stimme oder Sein Wort macht sie auch folgsam. Die Schafe Jesu folgen Ihm, indem sie in Seine Fußstapfen treten, aber auch nach und nach sich williglich in die Gemeinschaft Seiner Leiden hineinführen lassen; und Er gibt ihnen dabei ewiges Leben. Schon hier gibt Er’s ihnen dem Anfang nach, denn das geistliche Leben ist schon ein ewiges Leben, wenn es bewahret wird, weil es von der Schwachheit und dem Tod des Leibes nicht geschwächt und vertilgt wird; in jener Welt aber gibt Er ihnen das ewige Leben völlig, indem Er nicht nur ihre Seelen bis zu Seinem Thron, wo lauter Leben ist, entrückt, sondern auch ihre Leiber zum ewigen Leben auferweckt. Sie werden auch nimmermehr umkommen, so lange sie Ihm folgen. Ihr Gnadenstand wird nie von sich selbst auslöschen, ihr Weg wird nie vergehen, wie von den Gottlosen Ps. 1,6. gesagt wird, sie werden nie aus Mangel der Treue ihres Hirten verlorne Schafe werden: und Niemand wird sie mit Gewalt aus Seiner Hand reißen, weil Seine Hand stärker als Alles ist. HErr Jesu, lasse mich ewiglich Dein Schaf sein; erfülle an mir, was Du hier versprochen hast, und schenke mir Deinen Geist reichlich, daß ich mich immer als Dein Schaf beweisen könne.(Magnus Friedrich Roos)
Niemand wird sie aus Meiner Hand reißen.
Joh. 10,28.
Der HErr Jesus sagte dieses von Seinen Schafen, und setzte hinzu: der Vater, der sie Mir gegeben hat, ist größer, denn Alles, und Niemand kann sie aus Meines Vaters Hand reißen. Ich und der Vater sind Eins. Wer siehet nicht hieraus, daß der HErr Jesus andeuten wollen, Er sei selbst auch größer denn Alles, weil er eben dieses auch von Seiner Hand sagte, was Er von Seines Vaters Hand sagte, daß nämlich Niemand sie daraus reißen könne? Es war aber dem Stand Seiner Erniedrigung nicht gemäß, Seine eigene Größe so ausdrücklich zu rühmen, wie Er die Größe Seines Vaters pries, wiewohl Er doch sagte: Ich und der Vater sind Eins, und dadurch aufmerksamen Zuhörern zu verstehen gab, dasjenige, was Er von Seines Vaters Größe gesagt hatte, gehe Ihn auch an. Niemand wird also die Schafe Jesu aus Seiner Hand reißen, weil Er, wie der Vater, größer als Alles ist, folglich Seine Hand sie fest genug halten kann. Wenn man wissen will, von wie vielen fürchterlichen Dingen die Schafe Jesu gefährdet werden können, so darf man nur das Register betrachten, welches Paulus Röm. 8,35.38.39. gemacht hat. Christus nannte auch Joh. 10,8. Diebe und Mörder, das ist verführerische, harte und eigennützige Hirten, und V. 12. den Wolf, das ist den Satan. Gegen alle diese Feinde ist die Hand Jesu mächtig genug. In derselben hält Er Seine Schafe, und aus derselben wird Niemand sie mit Gewalt reißen. Freilich können die Schafe durch ihren Ungehorsam Ihn zum Zorn reizen, daß Er sie von Seinem Angesicht verwirft und so hingibt, wie Röm. 1,24.26.28. dreimal gesagt wird: allein außer diesem kläglichen Fall sollen sie durch die starke Hand Jesu geschützt und zum ewigen Leben erhalten werden.
Diese starke Hand Jesu ist auch allein der Grund der Beharrlichkeit in der Gnade bis an’s Ende und der wirklichen Erlangung des himmlischen Erbes. Wer etwas von der Gnade empfunden hat, und sich hernach auf die Festigkeit seiner Vorsätze und auf seine Klugheit zu verlassen anfängt, oder ein Leben in seiner eigenen Hand zu finden meint (Jes. 57,10.), wird bald von seinen geistlichen Feinden überwältigt und zu Schanden gemacht werden. Unsere Stärke und Sicherheit beruht allein auf der Stärke und Treue des HErrn Jesu. Wer dieses nicht glaubt, den kann es Gott durch starke und anhaltende Versuchungen, worin die Natur in ihrer Schwachheit offenbar wird, lehren. So wurde Paulus bei den satanischen Faustschlägen schwach, dabei aber zur Ehre des HErrn Jesu gewahr, daß Dessen Kraft in seiner Schwachheit mächtig sei, oder sich völlig offenbaren könne. Wer sollte nicht gern in eine solche Schwachheit versinken, bei welcher man gegen alle Feinde geschützt wird, und Alles vermag durch Christum, der die Seele mächtig macht? Auch im Himmel werden die Schafe Jesu nicht aus sich selbst zehren, oder auf sich selbst beruhen, sondern Sein Leben wird ihr Leben, Sein Licht ihr Licht, Seine Freude und Ruhe ihre Freude und Ruhe sein.
So will ich denn gern ein Schaf Jesu sein, und mich nicht fürchten, weil Seine starke Hand mich schützt und erhält. Ihm soll auch der Ruhm allein sein, wenn Er mich durch die gefährliche Welt durchbringen, und in das himmlische Gewahrsam, wohin kein Feind nachfolgen kann, einführen wird.(Magnus Friedrich Roos)
Die Schrift kann nicht gebrochen werden.
Joh. 10,35.
Dieses sagte der wahrhaftige Sohn Gottes, dessen Zeugniß alle Zweifel und Lästerreden der Weisen dieser Welt zu Schanden macht. Er sagte dieses ohne Verstellung, nicht den Juden zu Gefallen, sondern mit derjenigen Aufrichtigkeit, mit welcher Er Alles redete. Er sagte von der Schrift ohne Einschränkung und Ausnahme, sie könne nicht gebrochen werden. Nicht nur etwas in der Schrift, sondern die Schrift oder die Bibel, wie man sie damals hatte, ist unzerbrechlich oder unumstößlich. Wenn von einer Schrift gesagt wird, daß sie gebrochen oder aufgelöst werde, so gibt man zu verstehen, daß sie nichts gelte, daß man davon abgehen und ihr widersprechen dürfe, s. Matth. 5,17.19.; die Schrift aber oder die Bibel kann oder darf nicht gebrochen werden. Wir haben nicht nöthig, die Namen aller ihrer Verfasser zu wissen; wir haben auch nicht nöthig, die Beschaffenheit der göttlichen Eingebung, durch welche sie entstanden ist, zu bestimmen und zu erklären: genug ist’s, daß sie nach dem Zeugniß des Sohnes Gottes unumstößlich wahr sei. Die Juden wollten damals Jesum steinigen, weil Er gesagt hatte: Ich und der Vater sind Eins; denn sie schloßen mit Recht daraus, daß Er dadurch zu verstehen gegeben habe, Er sei Gott. Hierauf führte Jesus einen Spruch aus Ps. 82,6. an, in welchem die Könige und Fürsten, zu denen dort das Wort Gottes geschah, oder welche dort angeredet werden, Götter genannt werden, und sagte zugleich: die Schrift kann nicht gebrochen werden. Nun ist’s je kein Glaubens-Artikel, den alle Menschen zu wissen nöthig hätten, daß mächtige Obrigkeiten Götter heißen; weil es aber in der Bibel steht, so ist’s wahr, und wird bis an’s Ende der Welt wahr bleiben; denn die Schrift kann nicht gebrochen werden. Was nun Christus von der Schrift des Alten Testaments gesagt hat, gilt auch von der Schrift des Neuen Testaments, weil die Apostel, welche dieses geschrieben haben, größer waren, als die Propheten, und das Wenige, das Markus und Lukas geschrieben haben, mit den apostolischen Schriften übereinkommt, und von Aposteln bestätigt worden ist. Kann nun die Schrift nicht gebrochen werden, so muß derselben schlechterdings geglaubt, ja der Verstand und Wille eines jeden Menschen unterworfen werden. Gelobet sei der HErr, daß Er so für uns gesorgt hat. Der größte Theil der Menschen besteht ohnehin aus Leuten, welche keine scharfen Vernunftschlüsse machen können, und wo sind diejenige, die durch Vernunftschlüsse zu überzeugen sind, wenn sie ihre natürlichen Neigungen verleugnen und unsichtbare Dinge glauben sollen? Sie müssen also durch das Ansehen eines unfehlbaren Gebieters und Zeugen gelenkt werden. Wo ist aber ein solcher Gebieter und Zeuge? Unter den sterblichen Menschen gibt’s keinen. Wir haben eine Schrift nöthig, die ganz von Gott eingegeben sei. Wenn man eine Auswahl unter ihren Sprüchen machen müßte, so käme Alles wieder auf die menschliche Weisheit an, welche diese Auswahl machte. Wir haben also eine Schrift nöthig, die nicht gebrochen werden kann, weil Gott als der höchste Gebieter und wahrhaftige Zeuge überall in derselben mit uns redet. Sie zeuget aber von Christo.
Joh. 11
Da sandten seine Schwestern zu ihm und ließen ihm sagen: HERR, siehe, den du liebhast, der liegt krank.
Joh. 11,3
Dieses ließen Maria und Martha dem HErrn Jesu melden, als ihr Bruder Lazarus krank lag. Der HErr Jesus hat den Lazarus und seine Schwestern nicht nur heimlich lieb gehabt, sondern Seine Liebe auch durch freundliche Mienen und Worte geäußert: weil man sagen konnte, daß Er diese und jenen lieb habe. Der HErr Jesus hatte den Lazarus lieb, und dieser wurde doch krank. Also kann das Kranksein und von Jesu geliebt werden, bei einander stehen. Die Schwestern des Lazarus hatten bei der Botschaft, welche sie zu Jesu schickten, dieses zum Zweck, daß Jesus kommen, und ihren kranken Bruder gesund machen sollte: allein der HErr Jesus that's nicht, sondern ließ den Lazarus sterben. So kann also ein Christ ungeachtet einer gethanen Fürbitte an seiner Krankheit sterben, und doch von Jesu geliebt werden. Freilich weckte der HErr Jesus hernach den Lazarus wieder zu dem irdischen Leben auf; wenn Er aber dieses bei einem andern Verstorbenen nicht thut, so kann Er ihn doch lieb gehabt haben, und nach seinem Tod noch lieben. Jesus hatte auch Martham lieb, und ihre Schwester und Lazarum, wie der Evangelist Johannes K. 11,5. bezeugt, allein Martha und Maria ließen dem HErrn Jesu nicht sagen: siehe, der Bruder der zwei Schwestern, die Du lieb hast, liegt krank, sondern beriefen sich nur auf die Liebe des HErrn Jesu gegen ihren Bruder, der ihnen ohnehin als ein Kranker einer neuen Erweisung der Liebe Jesu am meisten bedürftig zu sein schien. Freilich hatten sie dabei auch die Absicht auf sich selbst. Ihr Bruder war todtkrank, sie hatten ihn lieb, und mißten ihn ungern; doch waren sie nicht so keck, den HErrn Jesum geradezu zu bitten, daß Er kommen, und ihren Bruder gesund machen sollte, ob sie solches gleich wünschten; gleichwie sie Ihm auch hernach den groben Vorwurf nicht machten, den Ihm einige Juden Joh. 11,37. machten, sondern nur sagten: HErr, wärest Du hier gewesen, unser Bruder wäre nicht gestorben, V. 21.32. Die Bescheidenheit leuchtete also aus ihrem ganzen Betragen heraus, und diese soll auch in unser ganzes Bezeugen gegen unsern Heiland und Seinen himmlischen Vater einfließen. Der HErr Jesus zeigte diesen zwei Schwestern und ihrem Bruder, daß Er denjenigen, die Er lieb hat, nicht immer so willfahre, wie sie es verlangen; denn Er besuchte den kranken Lazarus nicht, und machte ihn nicht gesund, wiewohl Er hernach mehr that, als man Ihn gebeten hatte. In diese Seine Weise müssen wir uns schicken lernen, und bei unserm Bitten uns immer hüten, daß wir nicht Seine Rathgeber sein wollen. Wie glücklich ist derjenige, den Jesus lieb hat! Lazarus war, wie ein jeder anderer Liebling Jesu, den Vornehmsten unter den Juden und vielen gemeinen Leuten verhaßt. Auch nach seiner Auferweckung trachteten die Hohenpriester darnach, daß sie ihn tödteten, weil um seinetwillen viele Juden hingingen und an Jesum glaubten, Joh. 12,10.11.: allein die Liebe Jesu ersetzte ihm Alles. Und wie reichlich ist er seit seiner seligen Hinfahrt, nach welcher er nicht mehr zu dem irdischen Leben erweckt wurde, durch sie erquickt worden! Alle diejenigen, die Jesus lieb hat, sagen mit einander: lasset uns Ihn lieben, denn Er hat uns zuerst geliebet!
Lazarus, unser Freund, schläft. Jesus aber sagte von seinem Tode.
Joh. 11,11.13.
Große Leutseligkeit des HErrn Jesu, daß Er von dem Lazarus zu Seinen Jüngern sagte: unser Freund schläft, und dadurch andeutete, daß Er und Seine Jünger bisher einen gemeinschaftlichen Freund an dem Lazarus gehabt haben! Lazarus scheint keiner von denjenigen gewesen zu sein, die Jesu überall hin nachfolgten; er war aber ein Freund Jesu und Seiner Jünger, er erwies ihnen allerhand Liebesdienste, beherbergte sie, und genoß ihres vertraulichen Umgangs. Lazarus und seine zwei Schwestern waren gute und fromme Leute, und fähig, von dem Heiland freundschaftlich behandelt zu werden. Er hatte auch Martha lieb, und ihre Schwester und Lazarus, V. 5. Die Schwestern wußten auch solches, und ließen deßwegen, als ihr Bruder krank war, dem HErrn Jesu sagen: HErr siehe, den Du lieb hast, der liegt krank, V. 3. Ob Sich gleich der HErr Jesus zu einem liebreichen und freundschaftlichen Umgang mit ihnen herab ließ, so ließen sie sich doch aus der Ehrerbietung gegen Ihn nicht verrücken, sondern nannten Ihn HErr, welcher Titel damals nicht so gewöhnlich war, als er jetzt ist. Ja sie verehrten Ihn als den Sohn Gottes, dem Gott Alles gewähre, V. 22., und glaubten, daß Er ihren Bruder gesund gemacht hätte, wenn Er bei seinem Krankenbett zugegen gewesen wäre, V. 21.32. Sie ließen es auch dem HErrn Jesu, der damals jenseits des Jordans war, sagen, daß ihr Bruder krank sei; Jesus aber bleib noch zwei Tage an selbigem Ort, und trat nach dem Verfluß derselben die Reise nach Bethanien an. Nun lag Lazarus, als Jesus zu Bethanien ankam, schon vier Tage im Grabe; wenn wir nun zu den schon gemeldeten zwei Tagen zwei andere Tage rechnen, welche zur Reise angewendet worden, so ist es ersichtlich, daß Lazarus bald darauf gestorben sei, nachdem seine Schwestern einen Boten an Jesum abgefertigt hatten, ja daß er ungefähr um dieselbe Zeit gestorben, da der Bote zu Jesu gekommen und daß er ohne Verzug nach der Juden Weise begraben worden sei. Jesus sagte hernach von ihm: er schläft, aber Ich gehe hin, daß Ich ihn auferwecke; gleichwie Er auch von dem Mägdlein des Jairus gesagt hatte: es ist nicht gestorben, sondern es schläft. Die Gewißheit und Leichtigkeit der nahen Auferweckung veranlaßte Jesum, den Stand des Todes einen Schlaf zu nennen; denn wie ein Schlafender wieder aufwacht, so wachten auch diese Todten wieder auf, und so leicht ein Schlafender durch einen lauten Ruf aufgeweckt werden kann, so leicht war es Jesu, diese Todten durch Seine Stimme zum Leben zurückzurufen. Auch von andern Todten wird gesagt, daß sie vor ihrer Auferweckung schlafen. Viele, sagte ein Engel zu dem Propheten Daniel, so unter der Erden schlafen liegen, werden aufwachen, etliche zum ewigen Leben, etliche zur ewigen Schmach und Schande, Dan. 12,2.; und Paulus nennt 1 Thess. 4,13-16. die Gerechten, die der HErr Jesus bei Seiner Zukunft auferwecken wird, sowohl Schlafende als euch Todte in Christo. Einem Christen gebührt, mit der Hoffnung der Auferstehung sterbend einzuschlafen. Sein Grab ist seine Schlafkammer, in welcher er die Auferweckung erwartet, und nicht sein Kerker, aus welchem er zur Anhörung des Urtheils der Verdammung herausgeführt werden müßte.
Joh. 12
Da erfuhr viel Volks, daß Jesus daselbst war, und kamen.
Joh. 12,9.
Der HErr Jesus war sehr leutselig und entzog Sich den Menschen nicht. Zu Nazareth wohnte und wandelte Er unter Seinen Anverwandten und unter den übrigen Einwohnern dieser Stadt; hernach aber hatte Er ein Heimwesen zu Kapernaum, zog aber meistens in den verschiedenen Gegenden des jüdischen Landes umher, und hatte überall viele Leute um sich. Nur einige Male suchte Er die Einsamkeit, um lange zu beten, und zugleich ausruhen zu können; sonst war Er immer unter den Menschen, und ließ Sich von ihnen sehen und hören, aß mit ihnen, und half ihnen durch Seine Wunderkraft. Hierin unterschied er sich von dem Täufer Johannes, welcher den größten Theil seines Lebens als ein Einsiedler in der Wüste zubrachte, und auch hernach noch eine einsiedlerische Ernsthaftigkeit und Strenge an sich hatte. Als es nahe dabei war, daß Jesus Seinen Lauf vollenden sollte, wurde Er zu Bethanien im Hause Simonis des gewesenen Aussätzigen, den vermuthlich Jesus geheilt hatte und der Ihn deßwegen zu Gast lud, von Maria, der Schwester des Lazarus, aus einem göttlichen Antrieb mit Nardenwasser gesalbt. Weil nun das Haus vom Geruch der Salben voll wurde, und ohne Zweifel die Vorübergehenden die Salbe rochen, so entstund eine Nachfrage, und da man hörte, daß Jesus in diesem Haus gesalbt worden sei, so sagte es Einer dem Andern, und nun liefen viele Leute in dieses Haus, um Jesum und den Lazarus, den Er kurz vorher vom Tod erweckt hatte, zu sehen. Jesus litt diesen Zulauf, weil Er’s den Leuten gönnte, daß sie noch vor Seinem Hingang aus der Welt einen heilsamen Eindruck von Seinen Worten, von Seinen Werken und von Seiner Gestalt bekämen, ob Er wohl wußte, daß die Hohenpriester und Pharisäer scheel dazu sehen, und diesen Zulauf zum Grund des über ihn beschlossenen Bluturtheils machen, s. Joh. 11,47-50.
Auch jetzt sollte noch Jedermann zu Jesu kommen. Er ist auserkoren oder als eine Fahne aufgesteckt unter viel Tausenden, Hohel. 5,10. Gleichwie sich die Soldaten zu ihrer Fahne versammeln müssen, so sollten sich alle Menschen zu Jesu versammeln. Alle Verbindungen und Verbrüderungen, wodurch sich hohe und niedere, gelehrte und ungelehrte Leute in gewisse Gesellschaften zusammen thun, sind eitel, und wenigstens zur Erlangung der Seelenruhe und Seligkeit unkräftig, wenn nicht Jesus dabei als die Fahne aufgesteckt ist. Außer Ihm ist kein Heil. Sein Name ist allein den Menschen dazu gegeben, daß sie dadurch selig werden. Es sollte auch Sein Name Jedermann anziehen und locken, denn er ist wie eine ausgeschüttete wohlriechende Salbe, Hohel. 1,3. Man bedenke doch, was man sagt, wenn man spricht: der Heiland, der Gesalbte, auf den man lange gewartet hat, der König, der große Prophet, der Hirte, der Hohepriester, der eingeborne Sohn Gottes, das Haupt der Kirche, der Mensch, der zugleich Gott über Alles gelobet in Ewigkeit ist, der Immanuel, Gott mit uns, ist da, Er ist zwar nicht mehr sichtbar da, aber Er ist, wo man in Seinem Namen versammelt ist, Er ist in Seinem Wort und in den Sakramenten zu fühlen, zu finden; Er läßt sich von hungrigen, betenden, glaubenden und stillen Seelen genießen; Er tröstet, lehret, reiniget, heilt, hilft, erquickt, sättigt und macht selig. Sollte nicht Jeder, der dieses hört oder liest, sich aufmachen, kommen und sich zu Jesu nahen, und mit Andern versammeln? Wehe dem, der zurückbleibt!(Magnus Friedrich Roos)
Joh. 13
Wie Jesus geliebt hatte die Seinen, die in der Welt waren, so liebte Er sie bis an’s Ende.
Joh. 13,1.
Mit welcher Beugung, Dankbarkeit und Freude mag Johannes dieses geschrieben haben, da er selber unter denjenigen war, welche Jesus als die Seinigen bis an’s Ende geliebet hat! Die redlichen Apostel, die Er von der Welt erwählt hatte, waren Seine Schüler, Nachfolger und Schafe. Er nannte sie zuletzt gar Seine Freunde. Er hatte sie von dem Anfang ihrer Jüngerschaft an lieb gewonnen, und ob sie Ihm schon mit ihren Gebrechen und Fehltritten täglich Mühe machten, und Vieles, das Er redete, nicht recht verstand, so hörte Er doch nicht auf, sie zu lieben. Er liebte sie bis an’s Ende Seines sichtbaren Umgangs mit ihnen, und legte auch dadurch eine besondere Probe Seiner Liebe ab, daß Er ihnen bei einem Abendessen die Füße wusch, und dadurch nicht nur ein rührendes Beispiel der Demuth gab, sondern sie auch von dem Wust der Sünde reinigte, den sie als Leute, die in der unsaubern Welt sein mußten, und täglich viel Böses sahen und höreten, der unsaubern Welt sein mußten, und täglich viel Böses sahen und höreten, unvermerkt an sich genommen hätten. Ach der Aufenthalt in der Welt verursacht freilich, daß ein Christ der erbarmenden und treuen Liebe seines Heilandes besonders bedürftig ist! De HErr Jesus sagte Joh. 17,11. zu Seinem himmlischen Vater: Ich bin nicht mehr in der Welt; Mein Lauf geht nun zu Ende, Ich wandle von nun an nicht mehr unter den Menschen, in wenigen Stunden bin Ich der Welt entrückt, sie aber (meine Jünger) sind in der Welt. Und ach was die Welt sei, und was das Sein in der Welt austrage, hat Er besser als wir verstanden, und deßwegen ferner gesagt: heiliger Vater, erhalte sie in Deinem Namen, die Du Mir gegeben hast, daß sie Eines seien, gleichwie wir. Hernach hat Er noch V. 15.16.17. hinzugesetzt: Ich bitte nicht, daß Du sie (schon jetzt) von der Welt nehmest, sondern daß Du sie bewahrest vor dem Argen. Sie sind nicht von der Welt, gleichwie auch Ich nicht von der Welt bin. Heilige sie in Deiner Wahrheit, Dein Wort ist die Wahrheit. Er liebt die Seinen, die in der Welt sind. Er trägt sie, und züchtiget sie mäßiglich, und vergibt, und reiniget, und heilt, und richtet auf, und stärkt, und schafft, daß aus Allem, was an sich kläglich ist, noch ein geistlicher Nutzen entsteht. Wenn Seine Liebe gegen die Seinigen nicht größer und fester wäre, als diejenige Liebe, welche die Seinigen gegen Ihn, gegen sich selbst und gegen Andere haben, so würde keiner von den Seinigen zum Ziel gelangen, allein was Paulus 1 Kor. 13. von der Liebe geschrieben hat, erfüllt Jesus selbst auf eine unbegreifliche und unermeßliche Weise.
Einem solchen liebreichen Heiland soll man sich gern und zuversichtlich hingeben und anvertrauen, und Seine Liebe nicht nach dem Maß der menschlichen schätzen, aber auch nicht tückischer Weise darauf hineinsündigen, denn wir wissen ja, wie es dem verlornen Kind, dem Judas Ischarioth, der’s so gemacht hat, gegangen ist. Die Seelen aber, die Ihm treu bleiben, wird Er Seine Liebe in jener Welt noch völliger genießen lassen. Er wird mit ihnen ein hochzeitliches Abendmahl halten, Er wird sie als Seine Braut lieben, und mit der größten Pracht auszieren. Im neuen Jerusalem wird Er bei ihnen wohnen, und Sein und des Vaters Thron wird darinnen sein. Hallelujah!(Magnus Friedrich Roos)
Jesus wußte, daß Ihm der Vater Alles hatte in Seine Hände gegeben.
Joh. 13,3.
Auch damals, da Jesus Seinen Aposteln die Füße wusch, folglich einen Knechtsdienst bei ihnen verrichtete, wußte Er, daß Ihm der Vater Alles in Seine Hände gegeben habe. Auch damals, da Er als ein Gefangener vor dem Kaiphas und dem Rath zu Jerusalem stand, wußte und bekannte Er, daß Er Christus, der Sohn des lebendigen Gottes sei. Auch damals, da Er bei dem Pilatus als ein Aufrührer angeklagt wurde, wußte und bekannte Er, daß Er ein König, und Sein Reich nicht von dieser Welt sei. Ungeachtet Er nun Sich Seine höchsten Würde und Gewalt bewußt war, erniedrigte Er Sich doch bis zum Knechtsstand, ja bis zum Tod am Kreuz. Seine Erniedrigung war etwas Edles und Freiwilliges. Es war keine Niederträchtigkeit, kein Unglaube, keine Unwissenheit dabei. Er wußte, warum Er Sich erniedrige, und vergab Sich selbst nichts dabei. Er wußte, daß Ihm der Vater Alles in Seine Hände gegeben habe, und konnte deßwegen Joh. 17,6. von Seinen damaligen Jüngern und Nachfolgern zu Seinem Vater sagen: sie waren Dein, und Du hast sie Mir gegeben; V. 2. aber: Du hast Deinem Sohn Macht gegeben über alles Fleisch, auf daß Er das ewige Leben gebe Allen, die Du Ihm gegeben hast; V. 10. aber noch allgemeiner: Alles, was Mein ist, das ist Dein, und was Dein ist, das ist Mein; und Joh. 16,15.: Alles, was der Vater hat, das ist Mein; und Matth. 28,18.: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Doch dürfen wir nicht meinen, daß der Vater etwas von Seinem Recht und Seiner Gewalt über alle Dinge verloren habe, da Er Christo als dem Menschensohn Alles in Seine Hände gegeben hat: denn Christus sagt selber Joh. 17,10. zu Seinem himmlischen Vater: Alles was Mein ist, das ist Dein. Lasset uns hiebei an uns selber gedenken. Es soll uns nicht genug sein, daß wir unter der allmächtigen Gewalt Jesu Christi stehen, und dereinst als Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt werden. Nein: unsere ewige Glückseligkeit besteht darin, daß uns der Vater so Seinem Sohn gegeben hat, wie Er Ihm Seine Jünger gegeben hat, oder wie Er Ihm diejenigen gegeben hat, denen der Sohn ewiges Leben gibt, Joh. 17,2., oder daß wir unter die große Menge gerechnet werden, die der Vater Seinem Sohn zur Beute gibt, Jes. 53,12. Dazu soll denn unser Herz mit inniger Freude einwilligen. Wir sollen gern des HErrn Jesu, gern in Seinen Händen sein; denn da sind wir vor und nach dem Tod am besten verwahrt. Der HErr Jesus wendet die Macht, die Er über alles Fleisch, und die völlige Gewalt die Er im Himmel und auf Erden hat, mit einer unermeßlichen Weisheit, Gerechtigkeit und Gnade dazu an, daß Er das ewige Leben denen gibt, die Ihm der Vater gegeben hat, oder daß Er Seine Auserwählten gegen Alles, was sie gefährden kann, schützt, ihnen Alles zum Besten dienen läßt, sie aus allem Uebel erlöset, sie in Sein himmlisches Reich versetzt, und endlich Seine und ihre Feinde zum Schemel Seiner Füße legt. Hat Ihm der Vater Alles in Seine Hände gegeben, so dürfen wir Ihn um Alles bitten, und Alles von Ihm hoffen: sollen Ihm aber auch mit Zucht und Furcht dienen, weil Ihm der Vater auch das Recht zu richten und zu strafen in Seine Hände gegeben hat. (Magnus Friedrich Roos)
Joh. 14
Was ihr den Vater bitten werdet in Meinem Namen, das will Ich thun.
Joh. 14,13.
Mit dem hohen und erhabenen Gott als bittend, lobend und dankend reden dürfen, ist eine große Gnade und Ehre für die Menschen. Sich bei diesem Bitten Gott als einen Vater gläubig vorstellen, folglich mit einem kindlichen Geist bitten, ist noch mehr. Und im Namen Jesu Christi bitten, heißt vollends bitten, wie es dem Inhalt des Neuen Testaments gemäß ist. Zur Zeit des Alten Testaments riefen glaubige Israeliten den Jehovah an, und hatten neben dem allgemeinen Vertrauen, das man zu Seiner wesentlichen Gütigkeit hegen darf, auch diesen besondern Grund ihrer Zuversicht, daß Jehovah ihr Gott war, und einen Bund, worein viele Verheißungen eingeflochten waren, mit ihren Vätern gemacht hatte. Hernach redete Jesus in den Tagen Seines Fleisches viel von Gott als Seinem Vater, und als dem Vater der Glaubigen, und sagte Joh. 17,6. zu diesem Seinem Vater: Er habe Seinen Namen den Menschen kund gethan, die Er ihm von der Welt gegeben habe. Er sagte auch Seinen Jüngern eine Gebetsformel vor, bei deren Anfang sie sogleich zu Gott sagen sollten: unser Vater, der Du bist im Himmel. Man darf auch nicht zweifeln, daß die Jünger und Jüngerinnen Jesu damals auch in ihren andern Gebeten den Vatersnamen gegen Gott werden gebraucht haben. Ungeachtet sie nun hiedurch in ihrem Glauben ein wenig weiter fortgerückt waren, als die Glaubigen unter dem Alten Testament: so waren sie doch nicht in die ganze Klarheit des Neuen Testaments hineingedrungen: denn der Heiland konnte noch Joh. 16,24. zu ihnen sagen: bisher habt ihr nichts gebeten in Meinem Namen. Dieses war also ein neuer Aufschluß, eine neue Stufe, zu welcher der Heiland ihnen verhalf, daß sie den Vater in Seinem Namen bitten sollten. Sie sollten nämlich erkennen, daß nur Sein Verdienst sie und ihr Gebet dem Vater angenehm mache, daß sie nur durch Ihn zum Vater einen Zugang im Geist haben, daß sie Ihn nur um Seinetwillen ihren Vater nennen dürfen, daß die Kindschaft Gottes nur von Ihm als dem eingebornen Sohn Gottes durch den Glauben auf sie fließe u.s.w. Kurz zu sagen, sie sollten sich bei ihrem Bitten auf Ihn, als ihren Erlöser, verlassen und berufen.
Das Bitten im Namen Jesu erfordert also eine von dem Heiligen Geist gewirkte Erkenntniß Jesu Christi, als des Erlösers und Fürsprechers der Menschen, diese setzt aber eine gründliche Ueberzeugung von der eigenen Verderbniß, Sündenschuld und Unwürdigkeit voraus. Da nun die aufgedeckte Verderbniß und Sündenschuld von dem heiligen Gott und Vater zurückschrecken könnte, so neigt hingegen der Name Jesu das Herz des Betenden zu ihm hin, und verschafft dem Sünder die Gewährung seiner Bitte. Der HErr Jesus will thun, was man den Vater in Seinem Namen bittet. Man bittet aber den Vater um eine Gnade, und um die thätige Erweisung derselben: der HErr Jesus will aber thun, was man den Vater bittet, folglich ist Seine Gnade eine göttliche Gnade, und Seine Werke sind göttliche Werke. Der Vater will aber Alles auch geben und thun durch den Heiligen Geist; denn Er und der Sohn sind Eins.(Magnus Friedrich Roos)
Joh. 15
Bleibet in Mir, und Ich in euch. Gleichwie die Rebe kann keine Frucht bringen von ihm selber, er bleibe den an dem Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibet denn an Mir.
Joh. 15,4.
Der HErr Jesus sagte zu eben derselben Zeit, da Er diese Worte redete, zu Seinen Jüngern: Ich gehe hin zu Dem, der Mich gesandt hat: über ein Kleines, so werde ihr Mich nicht sehen, denn Ich gehe zum Vater: Ich verlasse die Welt, und gehe zum Vater. Es muß also möglich sein, daß wir in Ihm bleiben, und Er in uns bleibt, ob wir Ihn schon nicht sehen, und ob Er gleich zum Vater gegangen und verklärt ist. Es kommt alles hiebei auf den Glauben an. Gleichwie Paulus sonst lehrt, daß die Menschen durch den Glauben an Christum Jesum gerechtfertigt, folglich von der Verdammniß gerettet werden, also sagt er Röm. 8,1.: es ist keine Verdammniß an denen, die in Christo Jesu sind, und Eph. 3,17. sagt er ausdrücklich, daß Christus durch den Glauben in den Herzen wohne. Da nämlich das Herz vorher im Unglauben von Christo abgeneigt war, so neiget es sich dagegen durch den Glauben zur Vereinigung mit Christo, und Christus ist nach Seiner Menschenliebe schon vorher bereit, es in Seine Gemeinschaft aufzunehmen. Der Mensch ist also von der Zeit an, da der Heilige Geist den Glauben in ihm gewirket hat, in Christo, und Christus in ihm, und daraus entsteht die Fähigkeit, Frucht zu bringen. Die Frucht, von welcher Christus redet, ist die Frucht des Geistes, nämlich Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmuth, Keuschheit, Gal. 5,22. Jakobus nennt sie auch K. 3,18. eine Frucht der Gerechtigkeit, und sagt, sie werde im Frieden gesäet. Gleichwie nämlich eine jede Frucht auch wieder zu einem Samen, den man säet, werden kann, also wird die Frucht der Gerechtigkeit durch heilsame Worte und Werke im Frieden, folglich ohne Streit und Krieg (Jak. 4,1.), gesäet, daß sie eine neue Frucht bei Andern hervorbringen kann. Auf diese Weise ist das Reich Gottes von Anbeginn an ausgebreitet und fortgepflanzt worden, und Christus hat insonderheit zu Seinen Aposteln Joh. 15,16. gesagt: Ich habe euch gesetzt, daß ihr hingehet, und Frucht bringet, und eure Frucht (wenn sie gesäet) bleibe, und wieder neue Frucht hervortreibe, und dieses so fortwähre bis an’s Ende der Welt. Dazu ist aber die Vereinigung mit Christo und die Fortdauer dieser Vereinigung höchst nöthig; denn Christus sagt: gleichwie der Rebe kann keine Frucht bringen er bleibe denn am Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibet denn in Mir. Gleichwie der Rebe, wenn er nicht am Weinstock bleibet, keinen Saft mehr hat, und keine Frucht hervorbringen kann, sondern verdorret, also hat ein Christ, der nicht in Christo durch den Glauben bleibet, den Geist nicht mehr, welcher ihn allein tüchtig machen kann, eine gute Frucht zu tragen. Man empfängt also den Geist nicht außer Christo. Er hat Gaben für die Menschen empfangen. Er ist mit dem Heiligen Geist ohne Maß gesalbt worden. Nur derjenige, der in Ihm ist, wird von Seinem Geist beleibet, und hinwiederum erkennen wir, daß Er in uns bleibet, an dem Geist, den Er uns gegeben hat, 1 Joh. 3,24.(Magnus Friedrich Roos)
Ich bin der Weinstock. ihr seid die Reben. Wer in Mir bleibet, und Ich in ihm, der bringet viele Frucht; denn ohne Mich könnet ihr nichts thun.
Joh. 15,5.
Dem Sünder ist damit nicht geholfen, wenn man ihm nur sagt, wie er werden, und was er glauben und thun solle. Moses und ein jeder Apostel haben dieses gethan, es ist aber dadurch weder Moses noch ein Apostel ein Weinstock worden, in dem die Glaubigen als Reben bleiben müßten, sondern sie haben von dem rechten Weinstock gezeuget und die Menschen zu ihm hingewiesen. Ein Weinstock läßt seinen Saft in die Reben einfließen, damit sie Früchte tragen können: also gibt Christus Seinen Geist denen, die an Ihn glauben, damit viel Frucht des Geistes bei ihnen hervorkomme. Wenn dieser Geist mit der Lehre verbunden ist, so ist die Lehre lebendig und kräftig, oder eine Kraft Gottes, selig zu machen Alle, die daran glauben. Will man aber den Heiligen Geist empfangen, und Seine Inwohnung und Wirkung immer genießen, so ist es nöthig, daß man eine Rebe an dem Weinstock Christo werde, folglich mit einem innigen Vertrauen sich zu Ihm neige, um mit Ihm vereiniget zu werden, und an Ihm zu hangen: wie dann Paulus Gal. 3,5. lehret, daß Gott durch die Glaubens-Predigt, das ist durch das Evangelium, welches den Glauben wirket, den Geist reiche oder mittheile, und V. 2. daß die Christen denselben Geist nicht durch Gesetzes-Werke, sondern durch die Glaubens-Predigt empfangen. Wer sich also durch’s Evangelium zum Glauben an Christum bringen läßt, wird eine Rede an Ihm dem Weinstock, und des Safts, der in diesem Weinstock ist, nämlich des Geistes Jesu Christi theilhaftig: wer aber im Unglauben beharret, und mit Gesetzes-Werken umgeht, bleibt immer dürr, kraftlos und unfruchtbar. Man glaubt aber nicht so an den HErrn Jesum, daß man Ihm nur einmal gleichsam ein glaubiges Compliment macht, und hernach wieder in den Unglauben zurücktritt, sondern der Glaubige bleibt durch den Glauben in Christo, und Christus in ihm: und so bleibt auch die Gemeinschaft des Heiligen Geistes, daß man nämlich immer auch von dem Geist, der ohne Maß in Christo ist, erleuchtet, belebt und regiert wird. Eine solche Rebe bringet viel Frucht. Der Trieb des Heiligen Geistes bringt diese Frucht hervor, nämlich die Frucht des Geistes, die Gal. 5,22. beschrieben ist. Er bringet viel Frucht, weil der christlichen Tugenden viele sind, wie denn Gal. 5,22. neune genannt, und doch nicht alle namhaft gemacht werden; und weil es sehr viele Gelegenheiten gibt, dieselben auszuüben. Viele Frucht ziehet hernach eine große Herrlichkeit und einen reichen Gnadenlohn nach sich. Soll ich also viel Frucht tragen, so muß ich auf mein Herz Achtung geben, daß es nicht von Christo abtrete und ausschweife, folglich des Safts vom Weinstock verlustig werde; denn ohne Ihn kann ich nichts thun, nämlich nichts Gutes, das Gott gefallen könnte. Ohne Christum kann man wohl nach dem Trieb des Gewissens Gesetzeswerke thun, und wenn das Rad der Natur in einem geschwinden Lauf kommt, viel thun, das bei Menschen Ruhm hat: allein Christus sagt: an Mir soll man deine Frucht finden (Hos. 14,9.). Auch heute soll das Bleiben in Christo, und das Bleiben Christi in mir mein Augenmerk sein: die Frucht wird alsdann nicht ausbleiben.(Magnus Friedrich Roos)
Wer nicht in Mir bleibet, der wird weggeworfen wie eine Rebe, und man sammelt sie und wirft sie in’s Feuer, und muß brennen.
Joh. 15,6.
Der HErr Jesus ist der rechte Weinstock, und wir sollen als Reben in Ihm sein und bleiben, gleichwie Er auch in uns bleiben will. Der erste Anblick dieser Worte lehrt einen Jeden, daß zwischen dem HErrn Jesu und den glaubigen Seelen eine genauere Verbindung sei, als zwischen einem menschlichen Lehrer und seinen Schülern; denn wer hat jemals gesagt, daß der Schüler in dem Lehrer sein müsse, und der Lehrer in ihm? Der HErr Jesus ist nach Seiner Peron der rechte Weinstock, mit dem wir vereinigt sein sollen, denn es ist das Wohlgefallen Gottes, daß in Ihm alle Fülle wohne. Von dieser Fülle oder von diesem Reichthum des Lichts und Lebens gibt Er nichts von Sich selber weg; sondern der Vater ziehet die Menschen zu Ihm, und Er selbst will, daß sie zu Ihm kommen, da es dann zu einer wirklichen Vereinigung kommt, nach welcher sie Ein Geist mit Ihm werde, oder als Reben in Ihm sind, und Er in ihnen. Die Menschen sind in Ihm, sofern sie an Seiner Gerechtigkeit und an Seinem Geist durch den Glauben einen Antheil haben: Er aber ist in ihnen, insofern Er durch Seinen Geist sie belebt und regiert. So lange die Menschen in Ihm bleiben und Er in den Menschen, bringen sie viel Frucht, länger aber nicht; denn ohne Ihn können sie nichts thun V. 5. Wenn aber auch ein Mensch eine Zeit lang in Christo Jesu gewesen ist, aber nicht in Ihm bleibet, so wird er wie eine von dem Weinstock abgeschnittene Rebe weggeworfen, und verdorret, die Gnadengaben werden ihm genommen, das geistliche Licht und Leben weichen von ihm: und am Ende der Welt wird’s geschehen, daß die Engel des HErrn alle solche verdorreten Reben sammeln, und in’s höllische Feuer werfen, da sie dann zu ihrer Pein brennen müssen.
Billig prüfe ich mich, ob ich in Christo Jesu und Er in mir sei. So lange meine Seele nicht spürt, daß sie an Ihm hange, und von Ihm bei der Gefahr eines Sündenfalls gehalten werde, so lange sie sich selber überlassen ist, ihres eigenen Willens lebt, und nur mit ihrer eigenen Vernunft und Kraft haushält, so lange ist sie nicht in Christo, und Christus ist nicht in ihr. Einen Reben, der nicht im Weinstock ist, kann man hinschleudern, wohin man will, auch ist kein Saft in ihm, der ihn fruchtbar machte. Also wird eine Seele, die nicht in Christo Jesu ist, durch die Versuchungen hingerissen, und es ist kein Geist in ihr, der eine gute Frucht hervortriebe. Wer so stirbt, wird ein Höllenbrand. Wenn ich aber auch in Christo Jesu bin, und Er in mir, so soll mir das Bleiben auf’s Höchste angelegen sein. Kindlein, bleibet in Ihm, sagt Johannes 1 Joh. 2,28. Wenn ich aber in Ihm bleibe, so wird Er auch in mir bleiben, und Seine Worte werden in mir bleiben, und mich zu einem glaubigen Beter machen, der immer erhört wird, Joh. 15,7. Freilich muß ich mich auch, so lange ich als Rebe in Ihm bin, von dem himmlischen Vater von meiner verborgenen sündlichen Weltliebe und Eigenliebe reinigen lassen, damit ich mehr Frucht bringe, und diese Reinigung wird nicht ohne Schmerzen geschehen; allein der Nutzen ist groß. Viel Frucht ziehet viel Trost, viel Herrlichkeit nach sich. Vor keiner Macht darf ich erschrecken: denn der Weinstock ist stark genug, Seine Reben fest zu halten; aber vor meinem Herzen habe ich mich zu fürchten, daß es sich nicht durch Leichtsinn, Lüsternheit, Trägheit und Beredung der Welt und des Teufels wieder freiwillig von Jesu wegwende.(Magnus Friedrich Roos)
So ihr in Mir bleibet, und Meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollet, und es wird euch widerfahren.
Joh. 15,7.
Jakobus sagt, wir sollen im Glauben bitten, Christus selbst aber, wir sollen in Seinem Namen bitten, und Johannes, wir sollen nach Gottes Willen bitten, und bei allen diesen Anweisungen wird auch die Erhörung des Gebets verheißen. Dieses Alles aber lehrt Christus, indem Er sagt: so ihr in Mir bleibet, und Meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollet, und es wird euch widerfahren. Ein Christ ist durch den Glauben in Christo Jesu, und hält Seinen Jesusnamen für den Grund seiner Zuversicht gegen Gott. Er ist mit Christo vereiniget, wie eine Rebe mit dem Weinstock, folglich lebt er nicht mehr sich selber. Der HErr Jesus ist auch in ihm, wie Er selbst Joh. 15. und 17. mehrmalen sagt. Er sagt aber Joh. 15,7., da Er vom Bitten redete, daß Seine Worte in Seinen Jüngern bleiben, weil Er Sich ihnen, indem Er in ihnen ist, durch Seine Worte offenbaret, und weil Seine Verheißungen bei dem Beten die Zuversicht erwecken, und Seine Gebote die Materie an die Hand geben. Die Worte Jesu bleiben in uns, wenn wir sie nicht nur im Gedächtniß behalten, sondern wenn auch der Eindruck, den sie in uns gemacht haben, in uns bleibt, da wir dann durch den Heiligen Geist zu rechter Zeit immer auch wieder daran gemahnt, und auf diese Weise tüchtig gemacht werden, den HErrn Jesum im Glauben zu bitten, daß Er Seine wahrhaftigen Worte an uns erfülle. Gleichwie also das ganze Christenthum im Glauben an den Namen Jesu in der tiefsten Unterwürfigkeit unter Gott geführt werden muß, also muß auch das Beten auf diese Weise geschehen. Ein Christ darf nicht als eine trotzige, eigenwillige und unbotmäßige Kreatur bitten, sondern muß bei dem Bitten in Christo Jesu sein, und Seine Worte in sich haben; alsdann darf er bitten, was er will, und es wird ihm widerfahren. Große Verheißung! Gott will Alles, was gut ist. Weil aber des Guten viel ist, und Gott nach Seiner unumschränkten Freiheit Seinen Zweck durch vielerlei Mittel erreichen kann, so siehet Er bei der Wahl der Mittel auch auf den Willen des glaubigen Beters, und läßt ihm widerfahren, was er bittet; da er hingegen ohne dieses Bitten etwas Anderes hätte geschehen oder ihm gar des Guten mangeln lassen. Der HErr Jesus sagte Seinen Jüngern Joh. 14.15. und 16.: Er wolle ihnen bald Seine sichtbare Gegenwart entziehen, sie aber werden von Ihm zeugen, dabei aber den Haß der Welt erfahren. Da sie sich nun hiebei ängstlich hätten bekümmern und fragen können, wie sie sich in diesem oder jenem Fall verhalten und durchbringen müssen, so versprach Er ihnen anstatt weitläufiger Anweisungen den Beistand des Heiligen Geistes, und wies sie auf das Bleiben in Ihm selbst, auf die Bewahrung Seiner Worte, und auf das Bitten. Nun dieser Trost und diese Anweisung des HErrn Jesu gilt auch uns, die wir in der argen Welt leben, und Ihm unter vielen Versuchungen dienen sollen. Wenn wir in Christo Jesu bleiben, und Seine Worte in uns behalten, und nach denselben bitten, so wird uns, bei dem täglichen Gefühl unserer Schwachheit, nichts mangeln (Ps. 23,1.), der HErr wird immer das Nöthige geben, und Alles wohl machen.(Magnus Friedrich Roos)
Joh. 16
Wenn Jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten.
Joh. 16,13.
Der Religionsunterricht ist in den hohen und niederen Schulen unter den Christen so eingerichtet, daß man die Schüler ohne einen langen Aufenthalt durch alle Artikel des christlichen Glaubens durchführt, und von ihnen fordert, daß sie dieselben nach der angehörten Auslegung verstehen sollen. Die Mäßigung, die man hiebei beobachtet, besteht meistens nur darin, daß man auf diejenige Fähigkeit der Schüler sieht, welche von den Kräften der Natur und von ihrem Alter bestimmt wird, und sich im Unterricht darnach richtet. Die Lehrart des HErrn Jesu war gar anders. Er sagte Seinen Jüngern innerhalb zwei Jahren und etlichen Monaten nicht Alles vor, was sie wissen sollten, sondern richtete sich hierin nach ihrer geistlichen Fähigkeit, oder nach dem Maß ihrer von Gott empfangenen Erleuchtung, und sagte zuletzt: Ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könnet’s jetzt nicht tragen, oder fassen. Warum nicht? Fehlte es ihnen an der natürlichen Fähigkeit? Diese war aber nach etlichen Wochen ebenso beschaffen, wie sie damals war. Fehlte es ihnen an der Reife des Alters? Diese Reise hatte aber nach etlichen Wochen nicht merklich zugenommen. Oder hatten sie etwa die Anfangsgründe der christlichen Lehre, welche zur Erläuterung der übrigen Artikel nöthig sind, noch nicht gefaßt? Sie hatten sie gefaßt, und es wäre dem lieben Heiland nicht schwer gewesen, das Uebrige schlußmäßig daraus herzuleiten. Wo fehlte es denn den Aposteln, daß sie Vieles von der evangelischen Wahrheit noch nicht tragen konnten? Es fehlte ihnen an einem reicheren Maß der Gabe des Heiligen Geistes. Warum gab ihnen aber der Heiland dieses reichere Maß nicht vor Seinem Leiden? Weil es nicht ziemend gewesen wäre, und weil sie durch die zermalmende Traurigkeit und Angst, von welcher Er Joh. 16,20.21.22. redet, derselben vorher fähig werden mußten.
Lasset uns aber hieraus lernen, wie auch wir zur Erkenntniß der seligmachenden Wahrheit gelangen können. Es ist nicht genug, daß wir uns Worte vorsagen lassen, oder solche in Büchern lesen. Auch uns muß der Geist der Wahrheit in die Wahrheit einleiten, welcher deßwegen in Ansehung aller Glaubigen Eph. 1,17. ein Geist der Weisheit und der Offenbarung zur Erkenntniß Gottes heißt. Lasset uns also, wenn wir merken, daß uns Weisheit mangle, nicht nur zu Menschen laufen, welche freilich oft Gottes Werkzeuge zu unserer Belehrung sind, aber lasset uns nicht nur auf diese Werkzeuge sehen, sondern vor allen Dingen unsere Herzen und Hände zu Gott erheben, und Ihn um Licht, um Weisheit, ja um den Geist der Weisheit und Wahrheit bitten. Lasset uns auch nicht darauf stolz sein, daß wir die Bibel und andere gute Bücher haben, und lesen können; denn die Bibel nützt uns nichts ohne den Heiligen Geist, gleichwie uns auch der Heilige Geist nichts Anderes lehren wird, als was in der Bibel steht. Lasset uns auch nicht alsbald satt sein, wenn uns etwas von dem Evangelio klar und kräftig worden ist. Die Jünger Jesu durften auch bei dem Maß der Erkenntniß, welche sie vor dem Tod Jesu hatten, nicht stehen bleiben, sondern mußten weiter fortschreiten. Aber auch dieser Fortschritt geschieht durch den Heiligen Geist. In alle Wahrheit will Er uns leiten, damit wir vollkommen oder zu allem guten Werk tüchtige Christen werden. Es geschehe also zur Ehre Gottes.(Magnus Friedrich Roos)
Derselbige Geist wird Mich verklären.
Joh. 16,14.
Als es an dem war, daß der HErr Jesus die Welt verlassen und zum Vater gehen wollte, so bat Er Seinen Vater, Joh. 17,5.: verkläre Du Mich, Vater, bei Dir selbst, mit der Klarheit, die Ich bei Dir hatte, ehe die Welt war. Vorher aber weissagte Er von dem Geist der Wahrheit, daß Er kommen und Ihn verklären werde. Joh. 16,13.14. Jene Verklärung bei dem Vater hatte ihren Bezug allein auf Seine menschliche Natur, und war dem Stand Seiner Erniedrigung entgegengesetzt: diejenige Verklärung aber, von welcher Christus Joh. 16,14. geredet hat, und welche ein Werk des Heiligen Geistes ist, geschieht in den Herzen der Menschen, die der Heilige Geist erleuchtet und tüchtig macht, Jesum zu erkennen und anzubeten. Sie ist also der Unwissenheit und dem Unglauben der Menschen entgegengesetzt, und bezieht sich auf Christum, insofern Er Gott und Mensch ist. Er selbst sagte Joh. 17,4. zu Seinem Vater: Ich habe Dich verkläret auf Erden, und erläuterte diese Worte V. 6. so, daß Er sagte: Ich habe Deinen Namen offenbaret den Menschen, die Du Mir von der Welt gegeben hast. Auf eben diese Weise verkläret Ihn der Heilige Geist nach Seinem Hingang zum Vater. So lange Er auf Erden war, sagte Er nie geradezu: Ich bin Gott, weil ein solcher Ausspruch Seinem damaligen Stand nicht gemäß war: auch redete Er nur kurz, sparsam, und zuweilen mit verblümten Worten von dem Nutzen Seines Leidens und Todes. Doch handelte und redete Er als Gott. Er übte über die Geschöpfe die höchste Gewalt aus, Er versprach, was nur Gott versprechen kann, Er gebot, was nur Gott gebieten kann, Er redete von Sich als dem eingebornen Sohn Gottes, Er gab auch immer zu verstehen, daß man allein durch Ihn als den Mittler selig werden könne. Bei diesem Allem blieb noch viel Dunkelheit in den Herzen der Menschen übrig, wie man’s auch an den Apostel wahrnehmen kann, welche doch die verständigsten unter Seinen Zuhörern waren. Der HErr Jesus sagte auch selber Joh. 16,12. zu ihnen: Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnet’s jetzt nicht tragen, setzte aber hinzu: wenn aber Jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten – derselbige wird Mich verklären, das ist: derselbige wird euch die völlige Erkenntniß Meiner schenken, deren ein Mensch auf Erden fähig sein kann. Wir können auch wahrnehmen, daß diese Verheißung an den Aposteln erfüllt worden sei, und daß deßwegen in ihren Schriften von der Person und dem Mittleramt Jesu viel deutlicher geredet sei, als der HErr Jesus selbst wegen der Schwachheit seiner Zuhörer hat reden können.
Doch sollen wir nicht meinen, daß die Verklärung Jesu durch den Geist der Wahrheit nur den Aposteln verheißen worden sei. Bei ihrem Vorzug, den wir gern eingestehen, haben sie selber gezeugt, daß wer selig werden wolle, Jesum Christum erkennen und an Ihn glauben solle. Sie haben aber auch gelehrt, daß dieser Glaube nicht durch vernünftige Worte einer menschlichen Weisheit, sondern durch den Geist der Wahrheit vermittelst des Evangelii hervorgebracht werde. Wir wollen also den himmlischen Vater bitten, daß Er Seinen Sohn durch Seinen Geist noch mehr in uns offenbare und verkläre; wir wollen auch den Sohn Gottes, Jesum Christum, bitten, daß Er den Vater noch mehr in uns offenbare und verkläre, wozu Er Sich selbst Joh. 17,1. anheischig gemacht hat.(Magnus Friedrich Roos)
Derselbige Geist, den Ich euch senden werde, wird Mich verklären.
Joh. 16,14.
Als der HErr Jesus erhöhet wurde, wurde Er bei dem Vater verkläret, und zwar mit der Klarheit, die Er bei Ihm hatte, ehe die Welt war: der Heilige Geist aber, den Er sandte, verklärte Ihn in den Herzen der Glaubigen, gleichwie Er selbst schon vorher den Vater auf Erden dadurch verkläret hatte, Joh. 17,4., daß Er den Namen desselben den Menschen offenbarte, die Ihm der Vater von der Welt gegeben hatte, V. 6. Auch war Er selbst schon in den Aposteln verkläret, da Er für sie betete, V. 10., weil sie die Worte, die Ihm der Vater gegeben hatte, und die Er ihnen gab, angenommen, und wahrhaftig erkannt hatten, daß Er vom Vater ausgegangen sei, und glaubten, daß der Vater Ihn gesandt habe, V. 8. Wenn also die Herrlichkeit Jesu den Menschen offenbar oder von ihnen erkannt wird, so wird Er ihnen verkläret. Seine Herrlichkeit besteht aber darin, daß Er der eingeborne Sohn Gottes und der Mittler zwischen Gott und den Menschen ist. Dazu rechne man aber alle herrlichen Namen, welche Ihm die heilige Schrift beilegt, da sie Ihn Jesus oder Heiland, Christus oder den Gesalbten, Immanuel oder Gott mit uns, und Licht, Leben, Weg, Wahrheit, König, Priester, Wort und Weisheit nennt. Wenn nun ein Mensch Jesum nach diesen Seinen Namen, und nach allen evangelischen Zeugnissen, welche Erklärungen derselben sind, erkennt, so ist Jesus in ihm verklärt. Diese Verklärung aber hat ihre Stufen, wie man an den Aposteln wahrnehmen kann, in denen Jesus vor Seinem Tod verklärt war, denen aber doch eine weitere Verklärung desselben verheißen wurde, deren sie nach Seiner Himmelfahrt sollten gewürdigt werden. Niemand denke aber, daß diese Verklärung nur in einer Wissenschaft bestehe, die der Mensch bekomme, ohne daß sein Herz geändert werde. Ach nein: sondern wenn Jesus in den Menschen verklärt wird, so spiegelt sich in ihm des HErrn Klarheit, und er selbst wird in dasselbe Bild verklärt von einer Klarheit zu der andern. Er ist das beständige Licht der Seele, die vorher finster gewesen war. Er gewinnt in der Seele eine Gestalt. Seine Erkenntniß wird in ihr überschwänglich, das ist, sie bekommt ein Uebergewicht gegen alle anderen Vorstellungen und Neigungen. Sie betet an, sie liebt, sie lobt Denjenigen, der in ihr verklärt ist, sie hanget Ihm an, sie unterwirft sich Ihm ganz, sie erlangt durch diese Verklärung Gnade und Frieden, Gerechtigkeit und Stärke. Die Wichtigkeit derselben zeigt schon an, daß sie kein Werk der menschlichen Vernunft und Kraft, sondern ein Geschäfts des Geistes der Wahrheit sei, den Jesus gesandt hat, und noch sendet. Derselbige, sagt Christus, wird Mich verklären. Man predige also einem Menschen den ganzen christlichen Glauben, man erkläre und beweise ihm einen jeden Artikel auf das Deutlichste und Gründlichste: ohne die Wirkung des Heiligen Geistes wird doch der Mensch blind und finster bleiben, und Jesus wird in ihm nicht verklärt werden. Wenn aber der Heilige Geist das gehörte oder gelesene Wort, das von Jesu handelt, dem Menschen klar und kräftig macht, so geschieht diese Verklärung in ihm, und diese währt fort und nimmt zu, bis endlich der von allem Uebel erlöste Mensch Jesum in jener Welt so erkennt, wie er von Ihm erkannt ist, und von Seiner Herrlichkeit ganz durchdrungen und erfüllt ist. Himmlischer Vater, verkläre Deinen Sohn in uns durch Deinen Geist.
Ich verlasse die Welt, und gehe zum Vater.
Joh. 16,28.
Der HErr Jesus redete diese Worte, da es nicht mehr 24 Stunden bis zu Seinem Tod anstund. Ich verlasse die Welt, sagte Er. Was die Welt sei, wußte Er nach Seiner hellen Erkenntniß und nach Seinem zarten Gefühl besser als ich und alle Sünder. Er hatte beinahe 33 Jahre in der Welt unter vielen Leiden zugebracht. Er hatte schwere Arbeiten verrichtet, und mühsame Reisen gethan. Er hatte den Menschen wohl gethan, ja gedienet, und von Vielen Undank zur Vergeltung bekommen. Er hatte einen lautern Samen des göttlichen Wortes mit aller Weisheit und Treue ausgestreuet, und war inne worden, daß er bei Vielen keine Frucht gebracht habe. Seine Jünger waren die besten und Ihm die liebsten unter allen Männern auf dem Erdboden, und doch machten sie so viele Ihm beschwerliche Fehler, daß Er Luk. 9,41. zu ihnen sagte: o du unglaubige und verkehrte Art, wie lange soll Ich bei euch sein und euch dulden? Seine Seele war überdieß frei von Augenlust, Fleischeslust und hoffärtigem Wesen. Woran Andere in der sichtbaren Welt klebten, daran klebte Er nicht. Zwar sind die Werke des HErrn auch in dieser sichtbaren Welt groß, und wer ihrer achtet, hat eitel Lust daran. Diese reine Lust genoß der HErr Jesus auch bei dem Anblick der sichtbaren Geschöpfe; weil Er aber wußte, daß die vortrefflichsten Werke und die edelsten Geschöpfe in der unsichtbaren Welt seien, ja, weil Er immer in des Vaters Schooß war, und Seine zärtlichste Liebe genoß, so konnte Ihn keine Schönheit der sichtbaren Welt fesseln. Er verließ diese Welt gern, da Er noch in der Mitte des gewöhnlichen Maßes des menschlichen Alters stand, und ging alsdann zum Vater, zu dem Er auch Joh. 17,11. sprach: Ich komme zu Dir. Das Ziel war gut und herrlich im allerhöchsten Verstand; der Gang selber aber, oder das Kommen, faßte noch das schwerste und bitterste unter allen Seinen Leiden in sich. Er ging durch’s Leiden des Todes zum Vater, Er ging zu Ihm als der Hohepriester, der Sein eigenes Blut Ihm darbrachte. Er ging aber auch als der Edle, oder als der hochgeborne Sohn zum Vater, um ein Reich einzunehmen, Luk. 19,12. Er ging zum Vater, der größer war als Er, Joh. 14,28., das ist, der nicht erniedrigt war wie Er. Denn eben deßwegen sollten sich Seine Jünger aus Liebe zu Ihm über diesen Hingang freuen, weil er Ihn auch nach Seiner menschlichen Natur zu der Größe, das ist zur Herrlichkeit des Vaters führte, sintemal Er alsdann bei dem Vater verklärt wurde mit de Herrlichkeit, die Er bei Ihm gehabt hatte, ehe die Welt war, Joh. 17,5. Er ging zum Vater, um den Tröster, den Heiligen Geist zu senden, Joh. 16,7. Er ging hin in den Himmel, um wieder zu kommen, und diejenigen Knechte, denen Er Gaben anvertraut hatte, zur Rechenschaft zu ziehen, und Seine aufrührerischen Unterthanen zu strafen, Luk. 19,12. u. ff. Daß der HErr Jesus in der Welt gewesen, ist für mich und Alle, die darin sein müssen, tröstlich, denn Er hat uns ein Vorbild und einen überschwänglichen Segen hinterlassen. Daß Er die Welt verlassen hat, und zum Vater gegangen ist, erinnert mich, daß ich ein Pilgrim in der Welt sei, und mein Vaterland im Himmel habe, wo Christus ist.(Magnus Friedrich Roos)
Joh. 17
Ich habe Deinen Namen kund gethan.
Joh. 17,6.
Ehe Christus in der Welt erschien, sagte zwar der HErr: Ich bin Israels Vater, und: Israel ist Mein erstgeborner Sohn, Jer. 31,9. 2 Mos. 4,22., doch erkühnten sich einzelne Israeliten nicht, Gott in ihren Gebeten Vater zu nennen, wie denn im ganzen Psalter und überhaupt in allen Büchern des Alten Testaments diese Ansprache an Gott nie vorkommt, außer Jes. 63,16., wo sie den Israeliten, die sich zur Zeit des Neuen Testaments bekehren werden, in den Mund gelegt wird. Als aber der eingeborne Sohn Gottes in der Welt erschienen war, that Er den Menschen, die Ihm der Vater von der Welt gegeben hat, den Vaters-Namen desselben so kund, daß Er sie belehrte, der Gott, den sie anbeten, sei Sein Vater und ihr Vater. Er sagte deßwegen, wenn Er mit Seinen Jüngern redete, sehr oft: euer Vater, oder: euer himmlischer Vater, und that dieses zuerst in der Bergpredigt, die Er eigentlich an Seine Jünger hielt, und befahl ihnen sogar, in ihrem Gebet zu sagen: unser Vater, der Du bist im Himmel. Indem Er aber so von dem himmlischen Vater redete, ließ Er auch das herumstehende Volk zuhören, um es zu reizen, daß es auch in das Recht, Gott Vater zu nennen, durch die Buße eintreten möchte. Als Er einmal mit rohen und feindseligen Leuten redete, welche trotzig sagten: wir haben einen Vater, nämlich Gott, so widerlegte Er dieses Vorgeben, und sagte: wäre Gott euer Vater, so liebtet ihr Mich, denn Ich bin ausgegangen und kommen von Gott – ihr seid vom Vater dem Teufel, Joh. 8,41.42.44. Johannes aber schreibt Joh. 1,12.13.: wie Viele Jesum aufnahmen, denen gab Er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an Seinen Namen glauben, welche nicht von dem Geblüt, noch von dem Willen des Fleisches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind. Hieraus lernen wir, daß der Heiland alle diejenigen, welche als Wiedergeborne an Ihn glauben und Ihn lieben, vergewissert habe, daß Gott ihr Vater sei, und daß Er hiebei nichts auf die Abstammung von Abraham oder Israel gebauet habe. Diejenigen aber, die Gott im Geist und in der Wahrheit Vater nennen, dürfen nach dem Kindrecht ein großes Zutrauen zu Ihm haben, und das himmlische Erbe hoffen. Es ist also etwas sehr Großes, daß der Heiland den Namen Seines Vaters kund gethan hat. Ob aber gleich der Vaters-Name Gottes oft in den Büchern des Neuen Testaments steht, so ist doch auch eine innerliche Offenbarung des Vaters nöthig, denn Christus sagt Matth. 11,27.: Niemand kennet den Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren, was der Vater sei. Der Sohn offenbart aber den Vater durch den Geist der Weisheit und der Offenbarung, denn dieser Geist ist es, der in den Herzen der Glaubigen rufet: Abba, lieber Vater, folglich die Erkenntniß des Vaters, das kindliche Vertrauen zu dem Vater, und die geziemende Ansprache an den Vater wirkt. Gleichwie nun die aufgehende Sonne die Nacht vertreibt, also vertreibt der Vaters-Name Gottes, wenn er den Menschen durch den Geist geoffenbart wird, die Nacht des Unglaubens und der knechtischen Furcht, und macht den Menschen willig, diesem himmlischen Vater und Seinem eingebornen Sohn Jesu Christo mit einer kindlichen Liebe in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die Ihm gefällig ist, zu dienen. HErr Jesu, offenbare uns den Vater, so genüget uns.
Die Du Mir gegeben hast, habe Ich bewahret.
Joh. 17,12.
Der Heiland sagte diese Worte, als Er vor Seinem Hingang in den Garten Gethsemane zu Seinem himmlischen Vater betete, und setzte hinzu: und ist Keiner von ihnen verloren, ohne das verlorene Kind (Judas Ischarioth), daß die Schrift erfüllet würde. Nach dem eigentlichen Laut dieser Worte möchte man meinen, der Heiland rede nur von der vergangenen Zeit, allein Johannes, der mit den übrigen Aposteln das Gebet Jesu angehört hatte, erzählt Joh. 18,8.9., der HErr Jesus habe bei Seiner Gefangennehmung am Oelberg zu Seinen Feinden gesagt: suchet ihr Mich, so lasset diese Meine Jünger gehen, auf daß das Wort erfüllet würde, welches Er sagte: Ich habe der Keinen verloren, die Du Mir gegeben hast. Hieraus erkennen wir, daß die Worte Jesu: die Du Mir gegeben hast, habe Ich bewahret, und ist Keiner von ihnen verloren, auch auf diejenige Zeit zu deuten sei, die von Seine Gebet an bis auf Seinen Tod verfloß. Der Heiland betete damals schon als ein Sterbender, oder als Einer, der zum Vater kam, V. 13. Er war im Geist schon nicht mehr in der Welt, V. 11. Es däuchte Ihn, Er stehe am Rand der Welt und am Eingang des Himmels, und bei dieser Erhebung Seines Geistes legt Er Seinem Vater Rechenschaft ab wegen der Treue, die Er gegen Seine Jünger bewiesen hatte, und in diese Rechenschaft war auch dasjenige noch eingeschlossen, was Er ihretwegen am Oelberg zu Seinen Feinden sagte. Als Er nämlich am Oelberg gefangen genommen wurde, waren Seine Jünger noch nicht so befestigt im Glauben, daß sie mit Ihm in’s Gefängniß und in den Tod hätten gehen können, ob sie sich schon vorher dazu anheischig gemacht hatten; allein die Furcht, womit sie flohen, und die Schwachheit, welche Petrus im Hof des Hohenpriesters zeigte, da ihn eine vermeinte Lebensgefahr bewog, Jesum zu verläugnen, bewies deutlich, daß es zur Bewahrung der Jünger in der Gnade höchst nöthig gewesen, daß der Heiland sie vor den Banden und dem Tod bewahrte, und durch das Machtwort: lasset diese gehen, Seine Feinde bewegte, sie laufen zu lassen.
Joh. 6,37. sagt der Heiland: Alles, was Mir Mein Vater gibt, das kommt zu Mir, und wer zu Mir kommt, den werde Ich nicht hinausstoßen. Will Er den Kommenden nicht hinausstoßen, so will Er ihn in Seine Gnade und in Sein Reich aufnehmen; will Er ihn aufnehmen, so will Er ihn auch bewahren bis an sein Ende. Er hat die Treue, die Er in den Tagen Seines Fleisches gegen diejenigen, die Ihm der Vater gegeben hat, bewiesen, bei Seiner Erhöhung nicht abgelegt, sondern beweiset sie noch auf dem Thron Seines Vaters, und bewahret sie, bis sie das Ziel ihrer Vollendung erreicht haben. Weil Er sie aber bewahren will, so wendet Er alle Versuchungen von ihnen ab, die ihnen zu schwer sind, gibt ihnen Licht in zweifelhaften Fällen, gibt ihnen, wenn sie müde sind, neue Kraft, erhält sie, wenn sie fallen, richtet sie auf, wenn sie niedergeschlagen sind, läßt sei bei dem Sterben einen sonderlichen Beistand genießen, vollführt das in ihnen angefangene gute Werk bis an den Tag Seiner herrlichen Erscheinung, und bewahrt auch die Seele eines Jeden, wenn sie von dem Leib geschieden ist, als eine Ihm anvertraute Beilage, bi sie mit dem auferweckten und verklärten Leib wieder vereinigt ist. Dank sei Dir, lieber Heiland, gesagt für Deine Treue. Bewahre uns ferner, bis wir aller Gefahr entgangen sind.
Ich bitte nicht, daß Du sie von der Welt nehmest, sondern daß Du sie bewahrest vor dem Argen.
Joh. 17,15.
Hätte der HErr Jesus begehrt, daß der himmlische Vater Seine Apostel zur Zeit Seines Leidens von der Welt nehme, und sie dadurch aller fernern Leiden überhebe, so wäre es geschehen, weil der Vater den Sohn allezeit erhört. Es wäre auch damals allen treuen Aposteln das Sterben ein Gewinn gewesen, weil sie im Glauben und in der Gnade standen: allein der Heiland hatte noch andere Absichten mit ihnen, und wollte sie in die Welt ausschicken, um das Evangelium zu predigen. Auch das Leben eines Menschen, der einem unfruchtbaren Feigenbaum gleich ist, wird durch Seine Fürbitte so lange erhalten, bis alle Gnadenmittel zu seiner Zurechtbringung an ihn gewandt sind, sie mögen hernach die gehörige Frucht wirken oder nicht, Luk. 13,6-9. Aber auch ein jedes Kind, ein jeder Knecht Gottes hat die Erhaltung seines Lebens unter den vielen Nachstellungen des Satans, der ein Mörder von Anfang ist, Seiner Fürbitte zu danken. Wenn ein begnadigter Christ auch, wie Paulus sagen kann: ich habe Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein, so muß er doch seinen Willen dem Willen seines HErrn unterwerfen, und wenn dieser ihn bleiben heißt, um mehr Frucht zu schaffen, sich es gefallen lassen. Phil. 1,22-24.
Aber die gegenwärtige Welt ist eben der Ort nicht, worin wahre Christen, welche die Kräfte der zukünftigen Welt schon geschmeckt haben, zu ihrem Vergnügen lange bleiben möchten. Es sei dem also: der HErr Jesus weiß aber besser als wir, was die Welt sei; denn Er hat gegen dreiunddreißig Jahre darin zugebracht, und Alles, was einem Pilgrim darin begegnen kann, auf das Hellste erkannt, und auf das Genaueste empfunden. Er hat auch das Wort Welt in seinem unvergleichlichen Gebet, das Joh. 17 steht, sechszehnmal ausgesprochen, und dadurch angezeigt, daß Er sie gar wohl kenne, und Sich dessen bewußt sei, was Er in Seinem Lauf durch die Welt erfahren habe. Wir dürfen auch nicht denken, daß Er den Unterschied zwischen Ihm selbst und Seinen Kindern und Knechten nicht wisse und zu Herzen nehme. Er ist aber in Allem versucht worden, und kann Mitleiden haben mit denen, die versucht werden, und weiß, was für eine Bewahrung sie nöthig haben.
Niemand denke, daß die göttliche Bewahrung nur den Aposteln zugedacht gewesen sei. Ihre Arbeiten, Leiden und Gaben waren ungemein, ihr Gott ist aber auch unser Gott, und wir sind durch eben das theure Blut Jesu Christi erlöset, durch welches sie erlöset worden sind, ja Alles, was Paulus Röm. 8,31-39. als den Grund des Sieges über Alles anführt, geht alle Glaubigen an. Deßwegen konnte Paulus an die Thessalonicher 2 Ep. 3,3. schreiben: der HErr ist treu, der wird euch stärken und bewahren vor dem Argen, und Petrus 1 Petr. 1,5. bezeugen, daß die Gerechten aus Gottes Macht durch den Glauben bewahret werden zur Seligkeit. Durch den Glauben sagt er, denn ein Jeder, der unter allen Versuchungen vor dem Argen bewahrt werden will, muß auch darunter Gott vertrauen, und auf die Gnade und Kraft desjenigen, der stärker ist, als Alles, seine Zuversicht setzen.(Magnus Friedrich Roos)
Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an Mich glauben werden.
Joh. 17,20.
Es ist etwas sehr Erfreuliches für uns, daß der HErr Jesus auch für diejenigen gebeten hat, die durch das Wort Seiner Apostel an Ihn glauben würden: denn fürwahr, Er ist der Sohn Gottes, den der Vater allezeit hört, Joh. 11,42. Was begehrte Er aber, da Er für sie betete? Er sagte zu Seinem Vater: Ich begehre, daß sie Alle Eines seien, gleichwie Du Vater in Mir, und Ich in Dir, daß auch sie in Uns Eines seien, auf daß die Welt glaube, Du habest Mich gesandt. Dieses Eines sein muß etwas sehr Großes sein, und die ganze Seligkeit in sich fassen, weil der Heiland für die Glaubigen sonst nichts als dieses begehrt hat. Er hatte Seinen himmlischen Vater V. 3. dadurch geehrt, daß Er Ihn den einigen wahren Gott nannte, und nun begehrte Er, daß die Glaubigen auch Eines, das ist Eine Heerde, Ein Volk, Ein Leib, Eine Braut, übrigens aber von der Welt geschieden sein sollen, V. 16. Er begehrte, daß sie Alle Eines sein sollen, gleichwie der Vater in Ihm, und Er in dem Vater sei, oder wie Er und der Vater Eines seien, wie Er V. 22. redet. Der Vater und Sohn sind also nicht nur wegen der Uebereinstimmung des Willens Eins; denn wenn Zwei einstimmig denken und wollen, so sagt man deßwegen nicht, daß Einer in dem Andern sei. Auch wird von den Glaubigen nicht gesagt, daß Einer in dem Andern sein müsse, gleichwie der Vater in dem Sohn, und der Sohn in dem Vater ist, sondern Christus sagt nur, sie sollen Eines sein, gleichwie der Vater in Ihm sei, und Er in dem Vater. Der Vater und der Sohn sind also auf eine höhere Art Eins, als die Glaubigen unter sich sein können: doch sollen auch diese Alle Eins sein auf eine niedrigere Weise, wie der Vater und Sohn auf eine höhere Art Eines sind. Sie sollen in dem Vater und Sohn Eins sein. Alle und ein Jeder für sich sollen mit dem Vater und Sohn Gemeinschaft haben, Alle sollen den Geist des Vaters und des Sohnes empfangen haben, und dadurch mit dem Vater und Sohn vereinigt sein. Alle sollen des Vaters Kinder, des Sohnes Glieder, und Tempel des Heiligen Geistes sein. Bei Allen sollen alle die Gründe der Geistes-Einigkeit vorhanden sein, die Eph. 4,4.5.6. angeführt werden. Ob also gleich die Einigkeit der Glaubigen unter sich nicht an die Einigkeit des Vaters und des Sohnes heranreicht, so reicht sie doch weit über den Gedanken von Freundschaft und Uebereinstimmung im Denken und Wollen hinaus. Ein göttlicher Geist ist nach Seinem Wesen in Allen, Ein HErr siehet Alle als Sein Eigenthum an, Ein Gott und Vater ist über Allen, durch Alle und in Allen. Ob sie also gleich nicht Einen Menschen miteinander ausmachen, gleichwie die drei göttlichen Personen Ein Gott sind, so werden sie doch durch das einige göttliche Wesen zusammen gehalten und miteinander verbunden. So lange die Sünde nicht ganz vertilgt, und die Heiligen nicht ganz verklärt und über alles Stückwerk der Erkenntniß erhöhet sind, kann diese Einigkeit noch nicht vollkommen sein. Sie werden aber einmal vollendet werden in Eines, Joh. 17,23., das ist, sie werden so vollendet werden, daß sie im höchsten Grad, dessen die menschliche Natur fähig ist, in Gott Eine, folglich auch in der Liebe des einigen Gottes ewiglich und völlig vergnügt sein werden. An diesem Allen haben wir vermöge der Fürbitte Jesu Antheil, wenn wir durch das Wort der Apostel an Ihn glauben.(Magnus Friedrich Roos)
Vater Ich will, daß, wo Ich bin, auch die bei Mir seien, die Du Mir gegeben hast, daß sie Meine Herrlichkeit sehen, die Du Mir gegeben hast.
Joh. 17,24.
Mit einer Freimüthigkeit, welche nur dem eingebornen Sohn Gottes gebührt, sagt der HErr Jesus in Seinem Gebet: Vater Ich will. Kein Prophet, kein Apostel hat jemals so zu Gott gesagt. Am Oelberg sagte der HErr Jesus: nicht Mein Wille, sondern Dein Wille geschehe, und meinte, da Er von Seinem Willen redete, den Willen Seiner dem Vater zum tiefsten Gehorsam unterworfenen, aber doch schwachen menschlichen Natur. Joh. 17. aber sagte Er als Gottmensch, und als der eingeborne Sohn, der in des Vaters Schooß ist: Vater Ich will, und war gewiß, daß, was er wollte, auch der Vater wollte. Was wollte Er denn? Ich will, sagte Er, daß, wo Ich bin, auch die bei Mir seien, die Du Mir gegeben hast, daß sie Meine Herrlichkeit sehen. Wo ist denn Christus, nachdem Er in die Herrlichkeit aufgenommen worden? Er hat es selber angezeigt, da Er sagte: Ich gehe hin zu Dem, der Mich gesandt hat; Ich verlasse die Welt und gehe zum Vater, und da Er betend zu Seinem Vater sagte: Ich komme zu Dir, verkläre Mich nun bei Dir selbst. Christus ging zu Seinem Vater: wer also nach dem Tod da ist, wo Christus ist, der ist auch bei dem Vater, nämlich in des Vaters Haus, wo viele Wohnungen sind, im Tempel Gottes und vor Seinem Thron, und im neuen Jerusalem, welches eine Hütte Gottes bei den Menschen sein wird. Stephanus betete, als er sterben sollte. HErr Jesu nimm meinen Geist auf. Der Geist des Stephanus kam also zu dem HErrn Jesu, da er aus der irdischen Hütte ging, und eben dieses wird den Geistern oder Seelen aller Gerechten widerfahren, und doch wird das Sein bei Christo erst am jüngsten Tag seine Vollendung erreichen; denn Er wird alsdann noch zu den Gerechten sagen: kommet her, und sie werden, wenn sie dem HErrn in der Luft werden entgegen gerückt sein, also auf eine neue Weise, bei dem HErrn sein allezeit, 1 Thess. 4,7. Wer aber bei Christo ist, siehet auch Seine Herrlichkeit. Die Apostel sahen sie bei Seiner Taufe, bei Seinen Wundern, bei Seiner Verklärung auf dem Berge, und nach Seiner Auferstehung, doch war dasjenige, das sie sahen, eine noch verhüllte Herrlichkeit. Wenn man aber Jesum sehen wird, wie Er ist, so wird man Seine Herrlichkeit als ganz aufgedeckt sehen. Es ist die Herrlichkeit, welche Er schon als das Wort bei dem Vater gehabt hatte, ehe die Welt war, folglich eine göttliche Herrlichkeit, die aber Ihm hernach auch als einem Menschensohn gegeben ward, folglich im Himmel aus Seiner menschlichen Natur herausleuchten wird. Wer sie siehet, in dem spiegelt sie sich, in wem sie ich aber spiegelt, der wird in Sein Bild verkläret, und dieses fängt nach 2 Kor. 3,18. schon in dieser Welt bei den Gerechten an, wird aber in jener Welt vollkommen geschehen. Es wird nach dem Willen des Sohnes Gottes bei Allen geschehen, die Ihm der Vater durch Seine ewige Gnadenwahl und durch Seinen kräftigen Gnadenzug gegeben hat. HErr Jesu, ich bin Dein: Dein Wille geschehe auch an mir. Laß mich immer gewisser werden, daß ich auch unter denjenigen sei, die Dir der Vater als eine Beute und al ewiges Eigenthum gegeben hat.(Magnus Friedrich Roos)
Joh. 18
Die Schaar und der Oberhauptmann und die Diener der Juden nahmen Jesum und banden Ihn.
Joh. 18,12.
Um den HErrn Jesum gefangen zu nehmen, wurde von den römischen Soldaten, welche zur zeit des Osterfestes bei dem Tempel die Wache hatten, eine Schaar, die aus einigen hundert Mann bestand, und der ihnen vorgesetzte Oberhauptmann oder römische Oberste abgeschickt, diesem heidnischen Haufen aber die Amtsdiener der jüdischen Hohenpriester und vielleicht auch der Rathsherrn zugestellt. Diese Leuten nun nahmen Jesum und banden Ihn. Es war dem Rath Gottes nicht gemäß, daß Jesus in ein Gefängniß gelegt würde: aber gebunden ist Er worden, entweder mit Stricken, oder, wie es wahrscheinlich ist, mit Ketten. Man sah also den großen Wunderthäter, den Messias, den Sohn Gottes, als einen gefangenen und gebundenen Mann in die Stadt Jerusalem hinein gehen. Zuerst führte man Ihn zu dem abgesetzten Hohenpriester Hannas, der in großem Ansehen stand, und der Schwäher des wirklichen Hohenpriesters war. Jener sandte Ihn gebunden zu dem Kaiphas, welcher Ihn in seinem Palast im Beisein mehrerer Rathsherren zur Nachtzeit verhörte. Früh Morgens wurde Er vor den ganzen versammelten Rath auf dem Tempelberg, wo dessen Rathsstube war, hinaufgeführt, und nach einem kurzen Verhör für todeswürdig erklärt. Als Jesus vor diesem Rath stand, waren Ihm die Bande abgenommen; denn als man Ihn von da aus zu dem Pilatus führte, band man Ihn auf’s Neue. Matth. 27,2.
Ohne Zweifel haben sich Paulus und viele Märtyrer dieser Bande Jesu zu ihrem Trost erinnert, wenn sie auch Bande trugen, und dadurch in eine Aehnlichkeit mit dem gebundenen Jesu gesetzt wurden. Wann uns Todesbande umfangen, Ps. 18,5., wenn Trübsale wie Bande uns bedrängen, Jes. 52,2., ja wenn wir beängstigt sind, es möchte uns gehen, wie von Jenem, der kein hochzeitlich Kleid an hatte, geschrieben steht: bindet ihm die Hände, daß er sich nicht wehren kann, und die Füße, daß er nicht entlaufen kann, und werfet ihn in die äußerste Finsterniß hinaus: so können wir uns des gebundenen Jesu glaubig erinnern, der uns die wahre Freiheit erworben hat, und wenn wir Ihn anhaltend darum bitten, schenken will. Freiheit ist das Gegentheil der Bande. Wen aber der Sohn Gottes frei macht, der ist recht frei. Joh. 8,36. Er hat in den Tagen Seines Fleisches den Gefangenen eine Erledigung und den Gebundenen eine Oeffnung gepredigt, Jes. 61,1., und verschafft sie denjenigen wirklich, welche Sein Evangelium annehmen und glauben, und verhilft ihnen endlich zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes, Röm. 8,21.
Der HErr Jesus trug Seine Bande freiwillig, denn Er hätte sie viel leichter zerreißen können, als Simson die seinigen. Er trug sie aber als ein Zeichen, daß Er nun in der Sünder Hände übergeben, und unter die Uebelthäter gerechnet sei. Uebrigen hatte Er schon in dem Lobgesang, den Er mit Seinen Jüngern nach der Osterlamms-Mahlzeit sprach, in der Anwendung auf Sich selber gesagt: o HErr, Ich bin Dein Knecht; Ich bin Dein Knecht, Deiner Magd Sohn; Du hast Meine Bande zerrissen. Dir will Ich danken, und des HErrn Namen predigen , Ps. 116,16.17. Freilich zerriß der himmlische Vater alle sichtbaren und unsichtbaren Bande des HErrn Jesu, und erhöhete Ihn zu Seiner Rechten; und auch wir haben durch Christum die Hoffnung, als befreiet von allem Uebel mit Ihm zu herrschen.
Joh. 19
Da nahm Pilatus Jesum und geißelte Ihn.
Joh. 19,1.
Weil der Landpfleger Pilatus nur etliche matte Versuche machte, Jesum, dessen Unschuld er erkannte, loszulassen, und bei der ganzen Sache wankelmüthig war, so ist es bei dem Gericht, das er über Jesum hielt, unordentlich hergegangen. Er sagte von Jesu: ich finde keine Ursache des Todes an ihm, darum will ich ihn züchtigen und loslassen. Worin diese Züchtigung hätte bestehen sollen, wissen wir nicht, vielleicht in harten Schlägen. Weil aber dieser Vorschlag von den Juden verworfen wurde, so gab er auf ihr ungestümes Begehren Barrabam los, aber Jesum übergab er ihrem Willen, Luk. 23,25. Er übergab Jesum den Juden, daß Er gegeißelt und gekreuzigt würde. Die Geisselung auf den bloßen rücken ging nämlich gewöhnlicher Weise vor der Kreuzigung her, und geschah entweder unterwegs, alldieweil der Verurtheilte zu dem Richtplatz hinausgeführt wurde, oder auch vorher. Weil also Pilatus beschlossen hatte, Jesum kreuzigen zu lassen, so nahm er Ihn, und geißelte Ihn, oder ließ Ihn durch seine Gerichtsdiener geißeln, alldieweil Er, wie die alten Schriftsteller sagen, an eine Säule angebunden war. Hierauf trieben die Soldaten ihren Muthwillen mit Jesu als einem zur Hinrichtung bestimmten Menschen. Sie legten Ihm einen Purpurmantel an, setzten eine Krone von Dornen auf Sein Haupt, gaben Ihm ein Rohr in die Hand u.s.w. Nach diesem Allem kam den Pilatus wieder eine Reue an, daß er den letzten Versuch machte, die Juden zu bewegen, daß sie in die Loslassung Jesu, den Er ihnen in Seiner erbärmlichen Gestalt zeigte, einwilligen möchten, ja er trachtete Jesum, nachdem er Ihn wieder in’s Richthaus hineinführen lassen, auch wider der Juden Willen loszulassen und hätte solches desto füglicher thun können, weil er zwar die Geisselung befohlen, übrigens aber das Todesurtheil noch nicht förmlich auf dem Richtstuhl über Jesum ausgesprochen hatte. Er wurde aber durch die drohende Rede der Juden, die sein Vorhaben merkten, davon abgeschreckt und verdammte hernach den gegeißelten Jesum wirklich zum Kreuzestod, Joh. 19,4-16.
Der HErr Jesus ist also vor der Kreuzigung nach der Weise der Römer gegeißelt worden. Man band Ihn an eine Säule: man entblößte Seinen heiligen Rücken, man geißelte Ihn so, daß Sein Rücken dadurch wund wurde. Das römische Bürgerrecht schütze den Paulus wider das Geißeln, Ap. Gesch. 22,25., aber Jesus hatte kein solches Bürgerrecht auf Erden; und Sein Recht, welches Er als der heilige und eingeborne Sohn Gottes hatte, wurde von den Menschen nicht erkannt. Menschen haben ihren Gott und Erlöser gegeißelt, da Er als ein Mensch unter ihnen war, und Er hat’s geschehen lassen, um auch durch die geduldige Uebernahme der damit verbundenen Schmach und Schmerzen unsere Versühnung und Gerechtigkeit zu sein. Dank sei Ihm für dieses Leiden. Der Heilige Geist mache es uns zu einer Trostquelle, aber auch zu einer Arznei wider den Stolz, wider die Wollust, und wider die Ungeduld, welche oft durch die Vorstellung eines Rechts, das wir zu haben meinen, unterstützt wird.(Magnus Friedrich Roos)
Sie legten Ihm ein Purpurkleid an.
Joh. 19,2.
Als die Soldaten des Pilatus den HErrn Jesum wegen Seiner königlichen Würde verspotteten, so flochten sie eine Krone von Dornen, und setzten sie auf Sein Haupt. Diese Dornenkrone sollte die spöttische Vorstellung einer mit Gold und Edelsteinen gezierten Krone sein, dergleichen die Könige tragen. Sie gaben Ihm ferner ein Rohr, welches ein goldenes Scepter bedeuten sollte, in Seine rechte Hand, und legten Ihm ein Purpurkleid, welches Matthäus einen Mantel nennt, an; weil damals die morgenländischen Könige solche purpurne Oberkleider trugen, die wegen ihrer rothen kostbaren Farbe einen besondern Werth hatten; wiewohl auch andere reiche Leute sich solcher Kleider bedienten (Luk. 16,19.). Die Soldaten ließen es aber an diesem Allem nicht bewenden, sondern fielen spottend auf die Kniee, und sagten: sei gegrüßt, lieber König der Juden! Sie speieten Ihn auch an, und nahmen das Roh, schlugen damit Sein Haupt, und gaben Ihm auch (mit den Händen) Backenstreiche. Welch’ ein angstvolles Erstaunen muß es bei diesen muthwilligen Leuten erweckt haben, wenn sie bei Leibesleben oder nach ihrem Tod vergewissert worden sind, daß Derjenige, den sie so mißhandelten, der Sohn des hochgelobten Gottes, und der Richter der ganzen Welt sei!
Was aber nun den Purpurmantel anbelangt, den man Jesu anlegte, so können wir denselben mit dem weißen Kleid vergleichen, welches Ihm Herodes anziehen ließ. Dieses letztere sollte ein Zeichen Seiner Unschuld sein, doch steckte unter demselben auch ein bitterer Spott: denn wenn Herodes Jesum für unschuldig hielt, so hätte er Ihn loslassen können, weil er Sein Landesherr war, und Pilatus ihm denselben übergeben hatte. Hat er aber je den HErrn Jesum dem Pilatus aus Gefälligkeit zurückschicken wollen, so hätte er dessen Unschuld schriftlich oder durch einen seiner Hofleute bezeugen können.
Uns soll der Anblick des dem öffentlichen Spott in Seinem Purpurmantel ausgesetzten HErrn Jesu einen tiefen Eindruck geben. Er litt diesen Spott, weil wir wegen unserer Unreinigkeit und Bosheit, welche wir mit einer falschen Weisheit und falschen Tugend zuzudecken gewohnt sind, Spott und Schmach verdient haben. Er litt es, daß man Ihn mit Kleidern verhöhnte, weil die Kleiderpracht eine meistens unerkannte, aber doch gemeine Sünde unter den Menschen ist. Der Heilige Geist hat durch den Jesaias Kap. 3,18-23. den ganzen hoffärtigen Putz des israelitischen Frauenzimmers beschrieben, und nicht undeutlich zu verstehen gegeben, daß Gott ein Mißfallen daran habe, und deßwegen in Seinem Zorn ihn wegnehmen wolle. Auch hat der HErr Jesus nicht umsonst von dem reichen Mann gesagt, daß er sich bei seinem täglichen Wohlleben in Purpur und köstliche Leinwand (byssus) gekleidet habe, weil auch diese Kleiderpracht ein Zeichen seines eiteln Sinnes war. Wenn nun ein Mensch sich dieser Sünde in einem größern oder kleinern Grad schuldig gemacht hat, so soll er vor Jesu, welcher wegen derselben aus Spott einen Purpurmantel getragen hat, sich schämen und beugen, und Vergebung suchen, und hinfort der Hoffart redlich feind werden. Der HErr Jesus trug auch, indem Er noch frei unter den Menschen wandelte, eine Zeit lang bei einer tiefen Traurigkeit einen Sack, oder ein schlechtes Trauerkleid, und wurde darüber verspottet, Ps. 69,12. Seinen Nachfolgern gebührt es nicht, in hoffärtigen Kleidern einherzugehen, und bei Andern dadurch eine Bewunderung oder fleischliche Liebe zu erwecken. O wie wird Alles so gar verändert, ja mit dem Gegentheil verwechselt! Die Widersacher Jesu müssen mit Schmach angezogen werden, und mit ihrer Schande bekleidet werden, wie mit einem Rock, Ps. 109,29. Er aber wurde verklärt und diejenigen, die durch Seine Kraft Alles, auch das hoffärtige Leben überwinden, werden mit Ihm in weißen Kleidern wandeln, und Er wird ihre Namen aus dem Buch des Lebens nicht austilgen, sondern vor Seinem Vater und vor Seinen Engeln bekennen. Off. Joh. 3,4.5.(Magnus Friedrich Roos)
Und sie flochten eine Krone von Dornen, und setzten sie auf Sein Haupt.
Joh. 19,2.
Wenn der Unglaube zum Muthwillen wird, so entsteht eine Spötterei daraus. Die Wahrheit scheint alsdann dem unglaubigen Menschen nicht nur falsch, sondern auch lächerlich und ungereimt zu sein, und deßwegen spottet er darüber, und solches kann sowohl durch Worte, als auch durch Werke geschehen. So ging’s im Richthaus Pilati, wo der HErr Jesus dem Muthwillen heidnischer Soldaten überlassen war. Diese hatten gehört, daß die vornehmste Anklage wider Jesum darin bestand, Er gebe Sich für einen König aus. Auch hatten sie vielleicht vernommen, daß Er vor dem Pilatus bekannt hatte, Er sei ein König. Und endlich hatten sie gehört, daß Pilatus, um der Juden zu spotten, und ihnen wehe zu thun, Ihn den König der Juden genannt habe. Ihnen kam es nun bei ihrem blinden Unglauben lächerlich vor, daß man von einem Mann, der als ein Gefangener wehrlos dastand, und der keinen bewaffneten Anhang hatte, sagen mochte, er sei ein König, und daß derselbe sich für einen König ausgebe. Sie flochten also, um Seiner zu spotten, eine Krone von Dornen, und setzten sie auf Sein Haupt. Durch die Spötterei wurde der HErr Jesus an Seiner Seele angegriffen, die Dornen aber verwundeten ohne Zweifel Sein heiliges Haupt, und verursachten Ihm an demselben empfindliche Schmerzen. Pilatus befahl seinen Soldaten nicht, diesen Muthwillen auszuüben, weil er ihn aber gestattete, so machte er sich dieser Sünde auch theilhaftig.
Diese Geschichte erinnert uns an das Wort Jesu: richtet nicht nach dem Ansehen; richtet ein rechtes Gericht. Der HErr Jesus hatte freilich im Richthause des Pilatus kein königliches Ansehen, und war doch König. So war Hiob auf allen Seiten bedrängt, Lazarus ein armer und kranker Bettler, Stephanus als ein Ketzer verdammt, und diese Alle waren doch Heilige und Geliebte Gottes. Die Griechen däuchte die Predigt von Christo dem Gekreuzigten und der Glaube an Ihn eine Thorheit zu sein, und doch lag die höchste Weisheit darin. Der Schein kommt nicht immer mit dem Wesen, und das Aeußerliche nicht immer mit dem Innerlichen überein. Eben der Jesus, dem die Soldaten des Pilatus eine Dornenkrone aufsetzten, erscheint Off. Joh. 19,12. als ein Solcher, dessen Augen wie eine Feuerflamme, und auf dessen Haupt viele Kronen sind. Und wie groß wird die Herrlichkeit sein, in welcher man Ihn zur Rechten auf dem Thron der Majestät im Himmel sehen wird!
Die Geduld, mit welcher Sich Jesus die Dornenkrone aufsetzen ließ, beschämt unsern Stolz, welcher gern Ehre von Menschen nimmt, und gegen Spott und Verachtung unlittig ist. Die Menschen meinen oft, sie seien Etwas, da sie doch Nichts sind. Sie betrügen sich selbst, sie betrügen einander, sie wollen den Schein von etwas haben, wovon sie doch das Wesen nicht besitzen. Dieses Alles ist Heuchelei, die Heuchelei aber wird zur Schande, wenn sie entdeckt wird. Deßwegen sagt die Schrift oft, daß die Unglaubigen am Tage des Gerichts werden zu Schanden werden. Dieser Schande zu entgehen gibt es kein anderes Mittel, als den Glauben an Jesum, welcher unsere Schande auf Sich genommen, und Sich, ob Er schon wahrhaftig, ja die Wahrheit selber war, gröblich schmähen und verspotten lassen, als ob Er ein Heuchler, Betrüger und Wahnsinniger gewesen wäre. Wer an Ihn glaubt, soll nicht zu Schanden werden, ja um Seinetwillen soll denen, die mit Geduld in guten Werken nach dem ewigen Leben trachten, Preis und Ehre und unvergängliches Wesen widerfahren. Röm. 2,7.(Magnus Friedrich Roos)
Allda kreuzigten sie Ihn, und mit Ihm zween Andere zu beiden Seiten, Jesum aber mitten inne.
Joh. 19,18.
Auch dieses gehörte zu der Schmach, die man Jesu anthat, daß man Ihn zu dem gewöhnlichen öffentlichen Richtplatz hinausführte, und allda kreuzigte. Es hieß dieser Platz Golgatha oder Calvaria, weil er ein runder Hügel war, und die Gestalt einer menschlichen Hirnschale hatte. Er lag außer dem Lager oder außer der Stadt Jerusalem, und daraus zieht Paulus Hebr. 13,13. den Schluß, daß auch wir zu Jesu hinausgehen sollen außer dem Lager, und Seine Schmach tragen. Jesus wurde nämlich als ein Verbannter und Unreiner, oder als Einer, der nicht werth wäre, mit dem Volk Israel, mit der Stadt Jerusalem und mit dem Tempel in einer Gemeinschaft zu stehen, den Heiden übergeben, und an einen unreinen Ort zur Stadt Jerusalem hinausgeführt; die Christen aber sollten zur Zeit Pauli, da die Juden noch mächtig und trotzig waren, und Jerusalem und der Tempel noch stand, freiwillig aus Jerusalem, das ist aus dem Judenthum ausgehen, sich zu dem gekreuzigten Heiland bekennen, in Ihm, und nicht in dem irdischen Jerusalem und Tempel ihr Heil suchen, und sich bei ihrem Glauben an Jesum und bei ihrem brüderlichen Umgang mit den Glaubigen aus den Heiden, gern auch für unreine und verbannte Leute halten lassen, folglich die Schmach Jesu tragen. Sie sollten mit ihrem Herzen nicht an Jerusalem und dem Land Kanaan hangen, weil sie doch hier keine bleibende Stätte haben, sondern die zukünftige suchen, Hebr. 13,14.
Man kreuzigte mit Jesu zween Andere zu beiden Seiten. Diese zween Andere waren Missethäter, und zwar Schächer oder Mörder, die bei dem Straßenraub Mordthaten begangen hatten. Einer unter denselben sagte selber zu seinem Kameraden: wir empfangen, was unsere Thaten werth sind. Hiemit wurden denn die Weissagungen Jes. 53,12. erfüllt: Er ist den Uebelthätern (den Malefikanten) gleich gerechnet worden. Der HErr Jesus erinnerte sich dieser Weissagung selber, ehe sie erfüllt wurde, Luk. 22,37., und wußte also, daß Er wie ein Malefikant behandelt, und in der Malefikanten-Gesellschaft sterben werde. Tiefer hätte sich Jesus in der menschlichen Gesellschaft nicht erniedrigen können. Der ärmste Bettler und der ekelhafteste Kranke dünkt sich noch besser zu sein, als ein Malefikant. Jenem gönnt man noch die Verlängerung seines Lebens: diesen aber sieht man als einen Menschen an, der aus der Gemeinschaft der Lebenden ausgestoßen werden soll. Wer will nun sagen, daß der HErr Jesus sich eines Menschen schäme, oder Jemand wegen seines schlechten Standes äußere, oder einen greulichen Sünder, der sich zu Ihm wenden will, zurückstoßen werde. Ist Er doch ohne Murren einmal in der Gesellschaft der Malefikanten gewesen, und hat einen derselben noch vor Seinem Ende begnadigt und damit getröstet, daß er selbigen Tages noch mit Ihm im Paradies sein werde. Auch dieser Umstand, daß Er zwischen zween Malefikanten gekreuzigt wurde, hatte etwas zu bedeuten. Er mochte auf die rechte oder linke Seite sehen, so sahe Er einen von ihnen. Auch konnte Er ihre, und sie konnten Seine Worte in dieser Stellung leicht vernehmen. Er streckte Seine Arme am Kreuz aus, wo sie angenagelt waren, und war von der Erde erhöhet. Wenn Er uns so durch’s Evangelium vor die Augen gemalt wird, so werden wir angemahnt, daß Er die ganze Welt gleichsam mit den Armen Seiner Liebe umfassen, und diejenigen, die sich selig machen lassen, zu Sich, und zugleich von der Erde himmelwärts ziehen wolle.(Magnus Friedrich Roos)
Pilatus aber schrieb eine Ueberschrift, und setzte sie auf das Kreuz, und war geschrieben: Jesus von Nazareth, der Juden König.
Joh. 19,19.
Pilatus, der die Juden in seinem Herzen haßte, und den es verdroß, daß sie ihn durch ihr ungestümes Geschrei genöthigt hatten, Jesum zum Tod zu verdammen, spottete ihrer durch die Ueberschrift, die er auf das Kreuz Jesu setzen ließ, und sie merkten auch diesen Spott, und baten den Pilatus, er solle sie ändern, und schreiben: Jesus von Nazareth, der gesagt hat: er sei der Juden König; Pilatus aber antwortete: was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben. So weit war’s also mit dem HErrn Jesu gekommen, daß Pilatus mit Seinem Namen der Juden spotten konnte. Sie hatten dem Pilatus vornämlich diese Klage wider Jesum vorgetragen, daß Jesus sage, Er sei Christus, ein König; und Pilatus hatte hierauf Jesum gefragt: bist du der Juden König, und freilich hatte die Anklage selbst diesen Sinn, wiewohl die Juden ihren eigenen Namen dabei zu nennen sich schämten. Als auch Pilatus sie fragte: soll ich euren König kreuzigen? so protestirten sie wider diese Worte: euren König und sagten: wir haben keinen König, denn den Kaiser, gleichwie sie hernach wider die Ueberschrift, die auf das Kreuz Jesu gesetzt wurde, protestirten. Die Juden schämten sich also des HErrn Jesu, und wollten nicht, daß Er ihr König heiße. Wie sieht es nicht jetzt unter den Christen aus? Schämen sich nicht Viele des HErrn Jesu? Ist es nicht so weit gekommen, daß man sich lieber zu diesem oder jenem großen oder gelehrten Mann bekennt, als zu dem HErrn Jesu? Nach einem Menschen, der ein Sünder ist, will man sich bilden, ihm will man folgen, von seiner Partei will man sein, nach ihm will man genennet werden; aber des HErrn Jesu schämt man sich. An Ihn von Herzen glauben, Ihm dienen und Sein Bild an sich tragen, däucht Manche eine große Schande zu sein. Es müssen auch Alle, die Jesum lieben, ihren Namen an das Kreuz Jesu heften lassen, wenn sie Ehre bei Gott haben wollen. Wenn die Menschen Ehre von einander nehmen, wenn Jeder nach eitler Ehre geizig ist und über seinem eigenen Namen eifert, so ist’s ein thörichter Stolz. Lasset uns vor das Lager der Welt hinausgehen und Seine Schmach tragen. Der Name eines frommen Christen, der auf Erden an’s Kreuz Jesu geheftet worden, ist im Himmel in’s Buch des Lebens geschrieben, und der HErr Jesus wird ihn am jüngsten Tag bekennen vor Seinem Vater und vor Seinen Engeln.
Die Ueberschrift, welche Pilatus auf das Kreuz Jesu setzen ließ, war auch ein Zeugniß von Seiner Unschuld. Auf die Kreuze, an welchen die zwei Uebelthäter aufgehängt wurden, waren auch Ueberschriften gesetzt, welche nebst ihren Namen anzeigten, daß sie Mörder oder Straßenräuber seien. Von Jesu wußte aber Pilatus nichts zu schreiben, als daß Er der Juden König sei; aber in demjenigen Verstand, in welchem Pilatus es schrieb, war es von den Juden nicht bewiesen, und von Jesu nie eingestanden worden. Diese Ueberschrift zeigte also an, daß Pilatus keine Schuld an Jesu gefunden habe. Viele Juden lassen dieselbe, und konnten dadurch gerührt und zum Nachdenken gebracht werden; denn sie wußten besser als Pilatus, daß das Wort König hier den Messias bedeute, gleichwie sie auch in ihrer Anklage die Namen Christus und König zusammengesetzt hatten. Nun bist Du der Gesalbte, HErr Jesu, Du bist der König aller Könige. Dich bete ich an, Dir will ich auch heute gehorsam sein.(Magnus Friedrich Roos)
Jesus sprach: es ist vollbracht, und Er neigte das Haupt und verschied.
Joh. 19,30.
So beschreibt Johannes den Ausgang des Leidens und Lebens Jesu am Kreuz; Lukas aber meldet Kap. 23,46., Er habe nach dem Wort: es ist vollbracht, auch noch laut ausgerufen: Vater, Ich befehle Meinen Geist in deine Hände, und sei alsdann verschieden. Das Wort: es ist vollbracht, war kurz, aber von einer sehr großen Bedeutung. Vorher sagte Johannes V. 28., Jesus habe gewußt, daß schon Alles vollbracht sei, daß die Schrift erfüllet würde, oder was zur Erfüllung der Schrift nöthig sei. Indem Er also sagte: es ist vollbracht, gab Er Seinem himmlischen Vater Rechenschaft wegen Seines Lebens und Leidens, daß es zur Erfüllung der Schrift hinreichend, folglich die Wahrheit Gottes dadurch bestätigt, und Sein Rath ausgeführt worden sei. Schon bei Seiner Taufe hatte Er gesagt, es gebühre Ihm, alle Gerechtigkeit zu erfüllen, und Joh. 4,34.: Meine Speise ist die, daß Ich thue den Willen deß, der Mich gesandt hat, und vollende Sein Werk. Es war also immer bei Ihm auf etwas Ganzes, auf eine Vollendung angesehen. Nun hatte Er schon Joh. 17,4. in der Rücksicht auf Seinen Wandel unter den Menschen und auf Sein geführtes Lehramt zu Seinem himmlischen Vater gesagt: Ich habe Dich verklärt auf Erden und vollendet das Werk, das Ich thun sollte. Es war damals noch Sein letztes wichtiges Leiden übrig; da aber auch dieses vorbei war, sagte Er: es ist vollbracht, da Er denn freilich Sein ganz nahes Sterben auch mit einrechnete, und die wenigen Augenblicke, die bis dahin noch verfloßen, für keine Zeit mehr achtete. Er sprach aber das Wort: es ist vollbracht, mit einem Herzen aus, das aus der vorigen Beklemmung und Finsterniß empor stieg, und nun der nahen Ruhe zueilte. Das Werk, das Er hatte vollbringen sollen, war freilich ein sehr schweres Werk gewesen, sonderlich nach dem letzten Theil desselben; Er hatte es auch im lautersten Gehorsam gegen Seinen himmlischen Vater und in großer Treue gegen uns, deren Erlösung es betraf, vollendet, folglich nicht voreilig abgebrochen, nichts dabei übereilt und übergangen; doch war Er nun froh, daß Er nun sagen konnte: es ist vollbracht. Aber auch für uns ist dieses Wort des Heilands sehr tröstlich; denn wir wissen nun, daß Er mit einem Opfer vollendet, das ist vollkommen erlöset und mit Gott versöhnt habe alle, die geheiligt werden, so daß man zu diesem Seinem Werk nichts hinzu zu thun hat, und es für Alle, die selig werden wollen, ein genugsamer und fester Grund des Glaubens und der Hoffnung ist.
Zwischen der Schöpfung, welche vollendet worden, und zwischen der Verherrlichung, welche geschehen wird, steht die Erlösung mitten inne, welche von Christo vollbracht worden ist. Nach der Vollendung der Schöpfung folgte die Ruhe Gottes. Auch Christus ruhete, da Er Seine Arbeit vollbracht hatte; und wenn von dem Werk der Verherrlichung wird gesagt werden können: es ist geschehen, Off. 21,6., so werden alle verherrlichten Geschöpfe zu ihrer völligen Ruhe kommen, Hebr. 4,10.11. Gott treibt Alles bis zum Ziel.
Als Jesus gesagt hatte: es ist vollbracht, neigte Er das Haupt, wie ein Sterbender zu thun pflegt, und verschied. Er starb also wahrhaftig, und da Er uns in Allem, außer der Sünde, gleich werden wollte, so nahm Er auch die gewöhnliche Geberde eines Sterbenden, hernach aber auch die Gestalt eines Todten an sich. Wir sollen uns nicht weigern, Ihm auch hierin ähnlich zu werden.(Magnus Friedrich Roos)
Joh. 20
Jesus sprach zu Thomas: sei nicht unglaubig, sondern glaubig. Thomas antwortete und sprach zu Ihm: mein HErr und mein Gott!
Joh. 20,27.28.
Die Lehre von der Auferstehung Jesu ist ein sehr wichtiger und nothwendiger Artikel unseres christlichen Glaubens; denn wenn Christus nicht auferstanden wäre, so wäre unser Glaube eitel, und wir wären noch in unsern Sünden, wie Paulus 1 Kor. 15,17. bezeugt. Der auferstandene Jesus war den heiligen Weibern, und hernach den Aposteln erschienen. Weil aber damals von vielen Erscheinungen geredet wurde, sintemal viele Leiber der Heiligen aus den Gräbern gegangen, und in der Stadt Jerusalem Vielen erschienen waren, so besorgte Thomas, die Weiber und die Apostel haben sich in Ansehung der Person, die ihnen erschienen war, geirrt, und sagte deßwegen: es sei denn, daß ich den Händen Jesu sehe die Nägelmale, und lege meine Finger in die Nägelmale, und lege meine Hand in Seine Seite, will ich’s nicht glauben, daß Er’s sei. Er glaubte also, die Wunden, die der auferstandene Jesus noch an Seinem Leib haben müsse, seien allein die sicheren Kennzeichen, welche Ihn von andern auferstandenen Heiligen unterscheiden, und nahm es hierin so genau, daß er nicht einmal seinen Augen trauen, sondern diese Wunden auch betasten wollte. Besser wäre es freilich gewesen, er hätte dem Wort der Propheten, welche die Auferstehung Jesu vorher geweissagt hatten, und den Worten Jesu selbst, wodurch Er verkündigt hatte, daß Er am dritten Tage nach Seinem Tod wieder auferstehen werde, geglaubt, als daß er’s auf das Sehen ankommen lassen, und bei demselben sogar eine mißtrauische Untersuchung anstellen wollte, weßwegen auch der HErr Jesus zu ihm sagte: selig sind, die nicht sehen, und doch (um des Wortes willen) glauben. Indessen kostete den Thomas sein Unglaube, den er für eine kluge Vorsichtigkeit hielt, noch eine achttägige Trockenheit und Finsterniß seiner Seele. Weil er aber doch ein redliches Herz hatte, und einer von denen war, denen der Heiland versprochen hatte: über ein Kleines werdet ihr Mich sehen, so erschien Er ihm und den andern Aposteln abermal, reichte ihm, um zu zeigen, daß Er seine Worte gehört habe, Seine durchstochenen Hände hin, und zeigte ihm Seine geöffnete Seite, und sagte zu ihm: sei nicht unglaubig, sondern glaubig; Thomas aber antwortete und sprach zu Ihm: mein HErr und mein Gott! Zu Ihm sagte Thomas diese Worte, folglich hielt er Ihn für seinen HErrn und für seinen Gott. Es ist also ungeschickt, wenn man diese Worte nur für einen Ausruf hält, womit Thomas seine Verwunderung habe anzeigen wollen; denn zu geschweigen, daß man von einem solchem Ausruf, der heut zu Tage nur allzugewöhnlich ist, keine Spur bei den Juden findet, so wird nie gesagt, daß die Worte eines solchen Ausrufs zu demjenigen, der nicht selber Gott war, gesprochen worden seien.
Wenn ein Mensch das erstemal vom Unglauben zum Glauben übergeht, so geht die allerseligste Veränderung mit ihm vor, denn er wird alsdann wiedergeboren, gerechtfertigt und mit dem Heiligen Geist begabt. Hernach aber muß der Mensch noch oft in Ansehung gewisser Lehrpunkte und Theile des Evangeliums vom Unglauben zum Glauben übergehen, und auch dieses ist immer ein seliger Uebergang.
Selig sind, die nicht sehen, und doch glauben.
Joh. 20,29.
Wer etwas deßwegen glaubet, weil es Gott gesagt hat, ehret Gott als einen Wahrhaftigen, und wer Ihn so ehret, den will Er wieder ehren. Wer aber Gott nicht glaubet, wenn Er in Seinem Wort redet, hält Ihn für einen Lügner, und verunehrt Ihn also auf eine sträfliche Weise. Wer etwas siehet, muß glauben, daß dasjenige sei, das er sieht. Auf diese Weise werden Alle, die bei Leibesleben unglaubig gewesen waren, am jüngsten Tag durch das Sehen gedrungen werden, zu glauben und zu bekennen, daß Jesus lebe, daß Er der HErr über Alles sei, daß es ein himmlisches Freudenleben und eine Hölle gebe u.s.w., allein dieser glaube wird sei alsdann nichts nützen. So glauben auch die Teufel, daß ein einiger Gott sei, weil sie Seine Herrlichkeit im Himmel gesehen haben, und zittern, Jak. 2,19. Die Menschen, welche auf Erden leben, sind mit ihrem Glauben an’s Wort Gottes gewiesen: und wenn ihnen wachend oder träumend Erscheinungen widerfahren, so ist solches eine Ausnahme von der allgemeinen Regel. Als der HErr Jesus von den Todten auferstanden war, so wollte Er, daß Seine Jünger glauben sollten, daß Er auferstanden war, ehe sie Ihn sahen. Sie sollten es glauben wegen der Weissagungen der Propheten, und wegen Seiner eigenen Worte, worin Er Seine Auferstehung deutlich verkündiget hatte. Auf gleiche Weise sollte man bei dem Grab des Lazarus glauben, daß Jesus die Auferstehung und das Leben sei, und den Lazarus auferwecken werde, ehe man die Herrlichkeit Gottes sahe, die hernach aus dieser Auferweckung herausleuchtete, Joh. 11,23.25.40. Ueberhaupt mußte man bei Seinen Wundern glauben, daß Er sie verrichten könne, ehe Er sie verrichtete, Matth. 8,13. 9,28. 14,36. Mark. 9,23. Und bei dem Beten sollen wir glauben, daß wir dasjenige, um das wir bitten, empfangen werden, ehe wir’s empfangen, Mark. 11,24. Dieser thätige, siegreiche und seligmachende Glaube ist eine gewisse Zuversicht des, das man hoffet, und eine Ueberzeugung von demjenigen, das man nicht siehet, Hebr. 11,1., und wird 2 Kor. 5,7. dem Schauen entgegengesetzt. Gelobet sei Gott, daß Er uns Sein Wort zum Glauben gegeben hat. Einzelne Propheten haben in Entzückungen Etwas, das sonst unsichtbar ist, gesehen und davon geweissagt: aber dieses Weissagen war bei einem jeden Propheten ein Stückwerk. In der Bibel aber sind viele solche Stückwerke bei einander enthalten, auch steht sehr Vieles darin, das der Heilige Geist den Propheten, Evangelisten und Aposteln ohne eine Entzückung eingegeben hat. Sie ist also eine sehr reiche Fundgrube der Wahrheit: sie sagt uns viel mehr, als ein jeder einzelner Prophet gesehen hat. Das Sehen kann einen tiefen Eindruck machen, weil es aber nicht an Einem fort währen kann, so verliert sich der Eindruck nach und nach. Dagegen ist das Wort Gottes ein täglicher Gegenstand des Glaubens, und der Eindruck davon kann nicht veralten und vergehen, weil er täglich erneuert wird. Und wie es die geistlichen und himmlischen Dinge vor unsere Augen stellt, so stellt es sie auch vor die Augen Anderer dar, und wirkt dadurch eine Einförmigkeit des Glaubens und der Erkenntniß. Auch werden wir selbst nach vielen Jahren nichts anders darin lesen, als wir heute lesen, folglich vor dem einem Christen unanständigen Wankelmuth in Glaubenssachen bewahrt werden. Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. (Magnus Friedrich Roos)
Diese aber sind geschrieben, daß ihr glaubet, Jesus sei Christus, der Sohn Gottes, und daß ihr durch den Glauben das Leben habet in seinem Namen.
Joh. 20, 31
In diesen Worten hat Johannes, der Liebling Jesu, den Hauptzweck der evangelischen Geschichte recht eigentlich zu erkennen gegeben.
Die wohlthätigen Wunder, welche im Alten Testament auf Christum geweissagt waren, hat Jesus, der Sohn Maria, vor den Augen vieler tausend Menschen verrichtet, und Sich selbst Matth. 11,4. ff. ausdrücklich darauf berufen, daß es nicht schwer sei, daran zu erkennen, ob in Seiner Person der verheißene Messias in der Welt erschienen sei oder nicht. Weil aber Jesus in Seinen Reden nicht nur behauptete, daß Er Christus, sondern auch, daß Er der Sohn Gottes, daß Er mit dem Vater Eines, daß Er vor Abraham schon gewesen sei, so sind Seine Wunderwerke zugleich auch ein Beweis von Seiner ewigen Gottheit, welche freilich nach Seiner wirklichen Erscheinung auf Erden deutlicher und allgemeiner bekannt wurde, als zuvor; ob es schon auch zu den Zeiten des Alten Testaments nicht an Zeugnissen von der göttlichen Würde des zukünftigen Messias gefehlt hatte. Darum versichert Johannes, man könne durch die Erzählung von den Wundern Jesu nicht nur überzeugt werden, daß Er Christus sei, sondern auch, daß Er der Sohn Gottes sei: zugleich aber versichert er, durch den Glauben an den Sohn Gottes erlange man das ewige Leben in Seinem Namen. Die Propheten im Alten Testament und die Apostel im Neuen Testament haben auch durch Wunder und Zeichen erwiesen, daß sie von Gott gesandt, und göttliche Botschafter an das menschliche Geschlecht seien, deren Zeugniß nicht nur glaubwürdig, sondern schlechterdings unbetrüglich und unverwerflich ist. Ihren Reden ist man also Beifall, und ihren Anweisungen Gehorsam schuldig, nicht weniger, als den Worten und Vorschriften Christi selbst. Man kann aber doch von keinem Propheten und von keinem Apostel sagen, daß er in dem Verstand, wie es von Jesu wahr ist, der Sohn Gottes sei, und daß man durch den Glauben an ihn das Leben habe in seinem Namen; man wollte denn die Ehre, die Gott allein gebührt, auf eine höchst strafbare Weise einem Geschöpf zuwenden. Durch den Namen Jesu haben also diejenigen, die an Ihn, als an den eingebornen Sohn des Vaters, glauben, das Leben; nicht nur darum, weil sie sich durch Seine weisen und heiligen Lehren zu Vermeidung der Laster und zur Ausübung der Tugend bewegen lasen (denn sonst hätte Er vor andern Knechten Gottes einen schlechten oder gar keinen Vorzug); sondern darum, weil sie Ihn für den erkennen und verehren, der Er in der That ist; weil sie Ihm den Respekt, der Ihm gebühret, williglich zukommen lassen, und sich dadurch von den Rebellen, die Seine unumschränkte Herrschaft nicht anerkennen wollen, unterscheiden; weil sie durch Ihn und in Ihm allein dasjenige Heil suchen, das Er als der einige Mittler zwischen Gott und Menschen durch Seinen blutigen Versühnungstod am Kreuz erworben hat; weil sie in demüthiger Erkenntniß ihrer verdammlichen Sündenschuld diejenige Gerechtigkeit, die allein vor Gott gilt, und die Er ihnen selbst durch das Evangelium anbietet, dankbarlich annehmen, und dem göttlichen Erlöser die schuldige Ehre lassen, daß Er allein ihr Versühner, Mittler und Seligmacher sei, durch den sie zu Gott kommen, und Seiner Gemeinschaft auf Zeit und Ewigkeit froh sein können. (Magnus Friedrich Roos)