Müller, Heinrich - Prognostikon aus der Kindschaft Gottes in Christo.

Müller, Heinrich - Prognostikon aus der Kindschaft Gottes in Christo.

Epistel am Neujahrstage. 1)

Text: Galater 3, 23-29.

Geliebte in Christo Jesu! Was künftig ist und geschehen soll, weiß Gott allein; auch kann von Niemand, als von Gott und durch Gott zuvor verkündigt werden. Wie denn die göttliche Majestät deswegen aller Hoheit Trotz bietet, beim Jesaiä im 44.: Wer ist mir gleich, der da rufe und etwas verkündige? Lasst sie ihnen die Zeichen und was kommen soll, verkündigen. Denn weil Gott nicht allein zuvor sieht, was einer in künftiger Zeit gedenken oder vornehmen wird, sondern auch Alles in seinen Händen hat, zu hindern, zu ändern oder fortzuhelfen, so kann auch Niemand ohne Gott wissen oder sagen, was künftig uns widerfahren soll.

Also wenn wir jetzt stehen in der Tür eines neuen Jahrs, haben wir vor uns manchen Tag und manche Stunde, deren eine jegliche ihre eigene Plage und Erquickung haben wird, davon doch Niemand weiß, was es sein wird, das darin uns begegnen werde, allein vor Gott ist es offenbar. Fragen wir denn, wie wird dein Amt und Beruf fortgehen? muss man sagen: Das weiß Gott. Fragen wir? Was für ein Zufall wird dich treffen, was für ein Glück oder Unglück wird dir begegnen? muss man sagen: Das weiß Gott. Fragt man auch: Wirst du auch dies Jahr erleben oder sterben? muss man auch sagen: Das weiß Gott.

Eins ist gleichwohl, das offenbart, was künftig ist, und das ist die Zeit, wie man sagt: Die Zeit eröffnet Alles. Also was im Anfang des gewichenen Jahres verborgen gewesen, ist durch die Zeit eröffnet, da wir jetzt wissen, wie es uns hat sollen im verwichenen Jahre ergehen, und was uns oder auch den Unsrigen darin hat widerfahren sollen. Darum wir denn vor der Zeit uns der Sorge und des unzeitigen Nachforschens entschlagen sollen und uns nicht viel darum bekümmern, was uns begegnen werde; nach der Erinnerung Christi: Euch gebühret nicht zu wissen Zeit oder Stunde; oder was zu jeder Zeit und Stunde geschehen solle. Es wird ja eine jegliche Stunde das Ihrige offenbaren, darum wir es daran sollen lassen genug sein, dass ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe.

Will man ja etwas vom künftigen Zufall wissen, ist der beste Rat, dass man durch Erkenntnis des brüderlichen Herzens Christi schaue in das Herz des himmlischen Vaters; daraus denn leichtlich zu schließen, was uns künftig widerfahren soll.

Es ist Alles schon abgemessen und abgewogen, und in ein Buch geschrieben; dasselbige Buch ist dem heiligen Johannes in der himmlischen Offenbarung vorgetragen, aber beschlossen und mit sieben Siegeln verwahrt; und ward Niemand würdig erfunden, das Buch aufzutun und zu lesen, noch darein zu sehen, ohne allein das Lamm, das erwürgt ist, der Löwe vom Geschlechte Juda, welcher überwunden hat, und würdig ist aufzutun das Buch, und zu brechen seine sieben Siegel. Wie in ihm verborgen liegen alle Schätze der Weisheit, also ist auch vor seiner Augen offenbar, was im Rat Gottes versiegelt war, und weiß zuvor, was seiner Gemeinde und allen seinen Gliedern begegnen werde.

Durch diesen ist uns vergönnt zu schauen in die Tiefe der Gottheit, zu erkennen Gottes Herz, und zu sehen, was er mit uns vor hat, dass wir uns vor keinem Unfall zu fürchten haben. Solches Nachforschen ist dann nicht eine törichte Vermessenheit, sondern eine christliche Vorsichtigkeit, die uns der Vater der Weisheit selbst anwünscht: O dass sie weise wären und vernähmen doch, was ihnen künftig widerfahren werde!

Damit wir nun nicht mit Ochsen oder Schweinen unvorsichtig ein neues Jahr anfangen, gebührt uns wohl anzusetzen das köstliche Neujahrs-Geschenk, das wir haben in unserm Jesulein, welcher durch seine Menschwerdung uns aufgeschlossen hat die Tür zur Kindschaft Gottes; wie uns denn solches edle Geschenk die vorgesetzte epistolische Lektion vorhält. Durch welches Erkenntnis uns die Augen weiter können aufgetan werden, nicht allein recht zu verstehen; was vergangen ist, sondern auch bei uns abzunehmen, was künftig von der Liebe Gottes, des himmlischen Vaters, zu uns fließen werde. Gott verleihe Herz und Sinne! Amen.

Es ist vorhabende Lektion auf den Neujahrstag eines Inhalts mit der vorgehenden, mit welcher die sonntäglichen Feiertage des alten Jahres geschlossen worden. Denn allhier werden uns auch vorgestellt die unterschiedlichen Jahreszeiten der Kirche Gottes, in welchen doch allezeit alle Heiligen allein durch den Glauben an unsern Jesum sind Gottes Kinder und Erben worden, doch mit dem Unterschied, dass die Heiligen des Alten Testaments sind verbunden gewesen an viele Zeremonien und Satzungen, von welchen wir zu dieser Zeit frei sind.

Die erste Zeit nennt allhier Paulus eine Zeit vor dem Glauben, die andere Zeit nennt er eine Zeit nach dem Glauben, um zu merken, dass durch den Glauben in diesem Fall verstanden. werde das Evangelium oder die Lehre von Christo, darin verkündigt wird, wie Christus nun allbereit ins Fleisch kommen, und das Werk der Erlösung vollführt hat. Auf welche Weise in eben dieser Epistel an die Galat. Kap. 1 Paulus von sich meldet, wie nach seiner Bekehrung er gepredigt habe den Glauben, welchen er weiland verstörte; versteht aber durch den Glauben die Lehre des Glaubens.

Von der ersten Zeit spricht Paulus: Ehe denn aber der Glaube kam (ehe Christus öffentlich gepredigt ward, als ein Heiland aller Welt, der schon das Werk der Erlösung vollführt hatte), wurden wir unter dem Gesetz verwahrt und verschlossen auf den Glauben, der da sollte offenbart werden. Also ist das Gesetz unser Zuchtmeister gewesen auf Christum, dass wir durch den Glauben gerecht würden.

Wenn er spricht: Wir wurden unter dem Gesetz verwahrt und verschlossen auf den Glauben, der da sollte offenbart werden; das wird erklärt durch die Worte, die unmittelbar folgen: Das Gesetz ist unser Zuchtmeister gewesen auf Christum, dass wir durch den Glauben gerecht würden. Wie nun das Amt eines Schul- und Zuchtmeisters in zweierlei besteht, erstlich, dass er seine Schüler fleißig unterweise und lehre; zum andern, dass er sie im Zwang und in der Zucht halte: also hat auch beides das Gesetz verrichtet bei den Gläubigen des Alten Testaments.

Erstlich hat es dieselben unterwiesen in der Hoffnung Christi, welche dermaleinst sollte offenbart werden, und die Erlösung vollführen; und solches hat das Gesetz getan, einmal mit seinem Fluch und Drohen, damit es dringt auf Alle, die nicht von allen Kräften, mit ganzem Herzen in allen Dingen, ohne Empfinden der geringsten widerwärtigen und unheiligen Begierden, dem Gesetz Gottes vollkommenen Gehorsam leisten; welches, weil es den Menschen unmöglich ist, zeigt das Gesetz mit seinem Fluchen, dass anderswo Heil und Seligkeit zu suchen seien. Hernach absonderlich bildet es Christum ab in Opfern und vielfältigen Vorbildern und Reinigungen. Da denn fast keine einzige Satzung und Zeremonie im Gottesdienst gewesen, die nicht etwas Besonderes vom Reich Christi andeutet und vorgebildet.

Zum andern hat das Gesetz die Heiligen auch im Zwang gehalten, und an die von Gott angeordneten Satzungen verbunden, bei Verlust der Seligkeit und der Bürgerschaft Israels, also, dass ein Verbrecher sollte aus dem Volk Gottes ausgerottet werden. Da ward Niemand zugelassen, Gottesdienst oder Vorbilder von Christo zu erdenken, wie er wollte, sondern sie mussten sich schlecht an Gottes vorgeschrittene Weise verbinden lassen. Denn dieweil es Mittel sein sollten, dadurch Christus den Vätern verheißen, mit seinen Wohltaten angekündigt, vorgetragen, und zugeeignet würde, musste hier eigene Weisheit innehalten, nichts erfinden, nichts zusetzen oder verändern. Das war nun fast eine schwere und kostbare Art Gott zu dienen, und erforderte viel Mühe und Unkosten. Doch waren die Gläubigen im Volk Israel daran verbunden.

Also sind sie unter dem Gesetz, als unter einem Zuchtmeister, gezwungen und gebunden und doch also verwahrt worden, dass sie auf Christum sehen sollten, der ihnen versprochen war, und zu seiner Zeit kommen und vollziehen sollte, was ihnen im Gesetz vorgebildet; damit sie durch den Glauben an Christum selig würden, eben wie auch wir.

Solches Werk treibt das Gesetz noch in gewissem Maße bei den unwiedergeborenen Menschen. Da heißt es auch: Ehe der Glaube kommt, werden wir unter dem Gesetz verwahrt und verschlossen auf den Glauben. Also ist das Gesetz unser Zuchtmeister auf Christum, dass wir durch den Glauben gerecht werden. Ein Mensch, der nicht wandelt in der Wiedergeburt, ist gleichsam ein unbändiger Bube, der unter einem scharfen Zuchtmeister muss bezwungen werden; da treibt und bezwingt das Gesetz den mutwilligen Sinn, damit der Mensch Gottes und aller Ehrbarkeit nicht gar vergesse und ganz sicher werde. Hernach, wenn das Gewissen aufwacht, zerbricht das Gesetz dem Menschen das Herz, und hält ihn gefangen unter dem Fluch; aber eben damit, dass es den Menschen also ängstet, treibt es auf einen Versöhner, damit wir durch den Glauben an Christum gerecht und lebendig werden.

Das lassen wir aber fahren, und kommen auf die andere Zeit, davon Paulus sagt: Nun aber der Glaube kommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister. Denn ihr seid Alle Gottes Kinder, durch den Glauben an Christum Jesum. Die Meinung ist: Nachdem Christum durchs Evangelium öffentlich gepredigt worden, als ein geoffenbarter Heiland der Welt, der nun die Erlösung vollführt hatte; da endigt sich die Zuchtmeisterschaft des Gesetzes, also, dass wir an die Satzungen nicht gezwungen und gebunden werden. Denn dieweil Christus, unser Erlöser, nun all dasselbe vollbracht, was in Vorbildern unter dem Gesetz angedeutet und gleichsam zuvor gepredigt ward, ist nicht mehr vonnöten, der Unvollkommenheit anzuhangen, dieweil uns nun ein viel klarer Licht aufgegangen. Daher werden wir Gottes Kinder und Erben, ohne alle andere Verpflichtung an die Satzungen des Gesetzes; allein darum, dass wir Christum im Glauben kennen und annehmen.

Es kann aber auch dies verblümter Weise verstanden werden, also: Wenn ein Mensch nicht lebt in der neuen Geburt, so ist er unter dem Zwang und Fluch des Gesetzes, das treibt ihn; wenn er aber in Bußfertigkeit durch den Glauben sich zu Christo kehrt, hört auf das Fluchen und Zwingen des Gesetzes; denn weil er durch den Glauben Gottes Kind ist, so sendet Gott den Geist seines Sohnes in sein Herz, dass er im willigen Geist mit kindlicher Furcht Gott diene. Davon aber ist nun nicht mehr zu reden.

Wir kehren uns vielmehr auf das, darin vornehmlich unser Zweck steckt, nämlich wie Paulus beweist, dass wir durch den Glauben an Christum Jesum (ohne einiges Zutun unserer Stärke oder eigener Würde) die Seligkeit ererben. Ihr seid Alle Gottes Kinder, durch den Glauben an Christum Jesum. Denn wie viel euer getauft sind, die haben Christum angezogen. Hier ist kein Jude noch Grieche, hier ist kein Knecht noch Freier, hier ist kein Mann noch Weib; denn ihr seid allzumal einer in Christo Jesu. Seid ihr aber Christi, so seid ihr ja Abrahams Samen, und nach der Verheißung Erben.

In erzählten Worten zeigt Paulus einen kurzen, doch vollkommen und untrüglichen Weg zur Seligkeit, in solcher Ordnung, Erstlich, die getauft sind, die haben Jesum Christum durch die Taufe angezogen. Hernach, die Christum durch den Glauben angezogen haben, die sind durch den Glauben Gottes Kinder. Letztlich, die durch den Glauben Gottes Kinder worden sind, sind auch durch den Glauben Gottes Erben und Abrahams Samen.

Hier geht die heilige Taufe vorher, denn die getauft sind haben Jesum Christum angezogen. So ist nun die Taufe nicht ein bloß schlecht Wasser, sondern sie ist ein heilig und kräftig Bad, darin wir mit Christo durch den Glauben vereinigt und teilhaftig werden aller seiner Wohltat und seines Verdienstes. Denn das heißt Christum anziehen.

Hernach, die Christum also angezogen haben, sind dadurch Gottes Kinder. Weil ich in Christo, Christus in mir, so findet mich Gott in Christo, und liebt mich in Christo, und liebt mich als sein Kind. Spreche ich dann: Ach Herr, ich bin ein Sünder; so antwortet er: Sei getrost, mein Kind, deine Sünden sind dir vergeben. Gleich wie in der Welt ein Kind seines Vaters Kind ist, dadurch, dass es von ihm gezeugt, also werden auch wir Gottes Kinder durch eine Geburt, nämlich durch die neue Geburt, wenn wir wiedergeboren werden durch Wasser und den heiligen Geist, und Christum im Glauben anziehen.

Endlich wenn wir Gottes Kinder sind, so sind wir auch Erben Gottes; denn ein Kind ist ja seines Vaters Erbe. Ist nun Gott unser Vater, so haben wir einen himmlischen, unendlichen, guten Vater, so muss auch das Erbe himmlisch und ein unendliches Gut sein. Dafür sei Gott gelobet, und Christus Jesus, der es erworben hat.

Aus diesem schließt auch Paulus, dass wir durch den Glauben sind Abrahams Samen. Es ist der Segen des himmlischen Erbes allein Abraham verheißen und seinem Samen. Damit nun kein Jude komme und sage: Wir gehören Abraham nicht an, weil wir nicht von Abraham geboren, oder nach dem Bund Abrahams beschnitten sind, und haben also keinen Teil an der Verheißung des himmlischen Erbes; so sagen wir mit Paulo: Wir sind dennoch Abrahams Samen, dadurch dass wir an Christum glauben. Denn so wir durch den Glauben mit Christo vereinigt, Gottes Kinder und Erben worden sind; so ist daraus leichtlich abzumessen, dass wir Abrahams Samen sind. Daher auch in der Lehre Pauli für Abrahams Samen ausdrücklich gerechnet werden, nicht die nach dem Fleisch von Abraham gezeugt sind, sondern die des Glaubens Abrahams sind.

Damit wir ja der Sachen gewiss seien, es gelte hier weder fleischliche Geburt oder Beschneidung, oder sonst etwas, spricht Paulus: Hier ist kein Jude noch Grieche, hier ist kein Knecht noch Freier, hier ist kein Mann noch Weib; denn ihr seid allzumal einer in Christo Jesu. Tröstlich ist dies für die Heiden, tröstlich ist es für die Geringen. In der Welt muss Ordnung gehalten werden, der Bauer muss kein König sein, und der König darf kein Bauer sein; der Mann muss regieren, das Weib muss gehorsam sein; also auch Herr und Knecht. Aber in Christo ist all dieser Unterschied zunichte gemacht, da ist der Knecht so hoch als der Herr, und gilt das Weib so viel als der Mann, und hat der Bauer so viel als der König; so wir glauben, sind wir Alle eins in Christo Jesu, da hilft uns nichts, denn der Glaube, und hindert uns nichts, denn der Unglaube. Merkt es doch, ihr Dürftigen, ihr Knechte, ihr Mägde. Paulus, als ein Diener Gottes, sagt von euch und euren Herren, und von allen Fürsten und Königen, die an Christum glauben: Ihr seid allzumal einer in Christo Jesu. Leidet hier um Gottes Ordnung willen, und lasst euch ja daran begnügen, dass ihr in Christo so viel Reichtum, Ehre und Seligkeit habt, als eure Herren. Und sollte euer Herr ein Ungläubiger sein, so ist er vor euch gar unselig, denn er hat keinen Anteil am Erbe Gottes. Merkt es auch, ihr Gewaltigen; seid ihr gewaltig und reich und Herren, so gilt das nicht mehr noch weiter, denn in dieser Welt; sondern gedenkt daran, dass Paulus von euch und euren Knechten und Mägden sagt: Ihr seid allzumal einer in Christo Jesu. Wie denn auch Jacobus ermahnet: Ein Bruder, der niedrig ist, rühme sich seiner Höhe, und der reich ist, der rühme sich seiner Niedrigkeit.

Es kann aber Einer sagen: Ich bin zwar groß und selig worden in der Taufe, da gebe ich's zu, dass ich Christum angezogen, Gottes Kind und Erbe geworden bin; ich bin aber öfter mal bundbrüchig geworden, und habe durch mutwillige Sünden das Kindrecht verloren. Wie kann ich mich denn aufrichten, dass Paulus mich hinführet auf das Recht der heiligen Taufe? Darauf fasse diese Antwort. Genug ist, dass Paulus bezeuget habe, dass der Glaube so kräftig ist, dass er ohne alles Zutun einziger Würde uns zu Erben der Seligkeit mache, indem er uns mit Christo vereinigt, und durch Christum zu Gottes Kindern macht. Wie nun der Glaube solches tut in der heiligen Taufe, so tut er's auch hernach in der rechtschaffenen Bußfertigkeit, wenn wir von Sünden wiederkehren; da vereinigt er uns wieder mit Christo, bringet uns dadurch wieder zur Kindschaft Gottes, und zum Recht, das wir in Christo haben, an der ewigen Seligkeit. Denn Christus Jesus ist uns gemacht von Gott zur Weisheit, und zur Gerechtigkeit, und zur Heiligung. Nicht dass wir nur einmal durch ihn Vergebung der Sünden hätten, und zum Recht der Seligkeit kämen, und hernach uns nicht mehr nütz würde. Nein, nicht also; sondern Christus ist ein ewiger Hoherpriester, und hat eine ewige Erlösung erfunden, auf dass durch seinen Tod, so geschehen ist zur Erlösung von der Übertretung, wir, die wir berufen sind, das verheißene ewige Erbe empfangen. Nicht dass er sich öfter mal opfere, sonst hätte er oft müssen leiden von Anfang der Welt her. Nun aber am Ende der Welt ist er einmal erschienen, durch sein eigen Opfer die Sünde aufzuheben, und mit einem Opfer hat er in Ewigkeit vollendet, die geheiligt werden. So ist auch kein anderer Weg gen Himmel als Christus Jesus; wer gen Himmel kommen will, muss durch Christum dahin kommen, und durch nichts anders.

Es ist kein anderes Heil, und kein anderer Name den Menschen gegeben, dadurch er könnte selig werden, als der Name Jesus. Darum, obschon wir durch Sünde vielfältig und oft uns der Kindschaft verlustig machen, so haben wir doch wieder einen Zutritt zu derselben, durch eben denselben Weg, dadurch wir anfänglich dazu gekommen, nämlich durch den Glauben an Christum Jesum. Nicht dass es not sei, von Neuem getauft zu werden, dessen haben wir keinen Befehl. Sondern die einmal getauft sind, haben diese Verheißung von Gott: so oft sie durch den Glauben an Christum mit bußfertigem Herzen sich zu ihm kehren, so oft sollen sie Gnade und ewiges Leben haben; denn wer glaubet und getauft wird, der soll selig werden. So ist nun die Meinung des Heiligen Geistes an diesem Ort: dass, nachdem der Sohn Gottes ins Fleisch kommen und die Erlösung vollführt, die Gläubigen keines Zuchtmeisters mehr bedürfen, wie zur Zeit der Altväter, die unter dem Gesetz verbunden waren; sondern dass sie frei sind, freie Kinder und Erben Gottes, durch den Glauben an Christum Jesum.

Nun sagt, ihr gläubigen Herzen, ob nicht allhier in eurem Jesulein ein rechtschaffenes Neujahrs-Geschenk euch vorgetragen werde? Ihr seid eines großen Königs Kinder, ihr seid Söhne und Töchter des lebendigen Gottes; ihr habt Teil am Erbe, das im Himmel bei Gott und ewig ist. Was sollten wir Höheres wünschen? Seid ihr reich, so schadet's euch nicht, so ihr nur bleibt in Christo Jesu. Seid ihr arm und in der Welt verachtet, hindert's euch auch nicht. In Christo gilt nicht reich noch arm sein, ihr seid allzumal einer in Christo Jesu. Ach, dass ihr wüsstet, wie reich, wie hoch ihr vor Gott wäret, weil ihr Gottes Kinder und Erben seid! Habet ihr Christum angezogen, so habt ihr gleich Glück mit Christo, und kann euch Gott nicht verwerfen, er muss denn seinen Sohn verwerfen. Wie Gott der Vater nicht hat können oder mögen seinen allerliebsten Sohn verlassen, so kann er auch uns nicht verlassen, obschon wir im Elend stecken, denn wir sind ja eins mit seinem Sohn. So lang ich an ihm bleibe, bleib ich unverloren, wollte Gott mich verlassen, müsste er seinen Sohn verlassen.

Was sollen wir doch Gott nicht zutrauen, so er unser liebreicher Vater in seinem allerliebsten Sohn Christo Jesu geworden ist? Ach, der liebreiche Gott und Vater trägt uns in seiner Liebe, als in seinem Herzen. Er gedenkt allezeit an uns, vergisst unser nicht, sorgt für uns, hört unser Gebet, zählet unsere Tränen, sieht unser Seufzen, er kennet unser Herz und weiß all unser Trübsal, und ist herzlich begierig, uns auszuhelfen und Gutes zu erzeigen. Ach, dass wir deiner Liebe nimmermehr vergessen! Wir sind nicht würdig, liebreicher Vater, dass wir dich lieben, oder von dir geliebt zu werden. Denn was sind wir? Elende Würmlein, ein stinkender Kot. Du aber, durch deine Liebe, machest uns würdig deiner Liebe, weil wir in Christo Jesu deine Kinder worden sind.

Wer dies gefasst, der mag nicht allein recht verstehen, was im vorigen Jahr geschehen ist, sondern kann auch die Rechnung machen, was in diesem Jahr ihm widerfahren werde.

Was uns widerfahren ist von der Hand des Herrn ist zweierlei, Glück und Unglück, Gutes und Böses. Haben wir Gutes empfangen, was ist es anders als Stricke der Liebe, dadurch die Gottseligen mehr und mehr dem lieben Gott verbunden, die Sünder aber zur Liebe Gottes gezogen werden? Verachte nicht den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmütigkeit! Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet? Ach Herr, ich bin unwürdig aller Barmherzigkeit, die du mir tust. Haben wir Böses empfangen? Ach, was kann doch Böses aus dem väterlichen Herzen Gottes kommen? Was wollen wir denn sagen? Es ist ja kein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht tut. Da sagen wir: Haben wir Gutes getan, da lasst uns freuen; es ist all unser Unglück nur eine Läuterung, dass unser Vertrauen rechtschaffen und viel köstlicher erfunden werde, denn das vergängliche Gold, das durchs Feuer bewähret wird, zu einem Lob, Preis und Ehre, wenn nun offenbart wird Jesus Christus. Haben wir aber Böses getan, so lasst uns dem Herrn danken. Wir danken dir, Vater, dass du uns züchtigest, und strafest uns nicht nach unserm Verdienst. Das väterliche Herz Gottes vermag es, dass es uns nicht lasse frei hinlaufen mit der Welt, wenn wir sündigen.

Nun auf, liebe Seele, und siehe in das Vaterherz auf das Zukünftige, dass du weise werdest und verstehen mögest, was künftig dir begegnen werde. Wir stehen in der Tür dieses angehenden Jahrs und sehen hinein; was uns darin begegnen werde, wissen wir nicht, Gott weiß es. Die Zellen, dadurch wir gehen müssen, sind verschlossen; wir wissen nicht, was darin steckt, ob Tod oder Leben darin verborgen ist. Insgemein Alles in ein Bündlein zu fassen ist dreierlei, das künftig zu erwarten steht. Eins, das Frommen und Gottlosen gemein ist; als Glück und Unglück dieser Welt, der Tod und das Gericht. Das andere gehöre allein für die Gottlosen, und ist die Verdammnis. Das dritte gehört allein für die Frommen und Gläubigen, und ist das ewige Leben. Dieses ist es, das die göttliche Liebe von uns will bedacht haben, wenn sie ruft: O, dass sie weise wären, und bedächten doch, was ihnen widerfahren würde!

So hört nun, ihr Gottesverächter, euer Prognostikon. Wie kann es euch wohlgehen, weil ihr den Brunn alles Guten von euch gestoßen? Ihr wünscht euch untereinander ein fröhliches neues Jahr. Habt ihr nie gehört, was geschrieben steht im 112. Psalm? Was die Gottlosen gern wollten, das ist verloren. Wenn ihr steht und wünscht euch untereinander mit prächtigen, hervorgesuchten Worten ein glücklich neues Jahr, so sieht es Gott im Himmel, und hört es, und denkt: O Toren! Mich, den Brunn des Guten, verlasst ihr und denkt noch fröhliche Jahre zu erlangen. Gesetzt, ihr werdet alt in guten Tagen, so wird euch doch das Unglück plötzlich überfallen. Denn, so die Guttaten Gottes, die euch sollten zur Buße ziehen, euch nur verhärten, dass ihr fortfahrt, euch mutwillig abzukehren von Gott, dem Brunn alles Guten, so wird euer Gutes nur ein Fluch. Gehet ihr schon frei hin in der Welt, sicher vor allem Bösen, so bleibt euch doch das schreckliche Ende; schrecklich ist euch der Tod, schrecklich das Gericht, zum allerschrecklichsten die höllische Verdammnis. Ihr seid zwar Gottes Kinder geworden durch den Glauben; alldieweil ihr Christum habt angezogen in der Taufe, gleich wie wir: aber wehe euch, dass ihr solche Würde geringschätzig geachtet habt.

Ich wende mich aber auch zu euch, ihr gottergebenen Herzen. Billig trauern wir, wenn wir sehen, dass die dicken Wolken der Trübsal und gemeiner Landstrafen uns über dem Haupt schweben, nicht um unserthalben, denn wir sind verschlossen in der väterlichen Liebe Gottes; sondern darum, dieweil Land und Leute jämmerlich verdorben, gut Regiment zerstört, Zucht, Ehrbarkeit und Gottesfurcht verachtet werden.

Doch so fasset etwas aus dem väterlichen Herzen Gottes, das gewiss ist. 1. ist euch kund, dass Gott seine Gemeine nicht gleich will verwerfen, er läutert aber dieselbe durch gemeine Landplagen, damit er nur etwas Gutes für sich behalten möge, nach dem Wort des Herrn beim Jesaias im 48: Um meines Namens willen bin ich geduldig, und um meines Ruhmes willen will ich mich dir zu gut enthalten, dass du nicht ausgerottet werdest. Siehe, ich will dich läutern, doch aber nicht wie Silber (darunter nichts Unreines bleibt, dieses will Gott sparen bis zum andern Gericht), sondern ich will dich auserwählt machen im Ofen des Elendes. Er will sich begnügen lassen, so Etliche bekehret werden, läutern will er sie aber, dass er etwas Lauteres unter seinem Haufen habe.

2. So sich ja Jemand will zu Gott kehren, und Gott seine Schmach mit Strafen rächen muss: so wird doch müssen ein Häuflein der Gottesfürchtigen bleiben, die Gott wird wissen zu versorgen und zu erhalten; wenn schon die Berge einfielen, soll doch die Stadt Gottes fein lustig bleiben. Sollte denn ja Gott unser Land verderben, was sollen wir tun? Musste doch Lot leiden, dass Sodoma verbrannt, Noah, dass die erste Welt durch die Sündflut verdorben wurde. Der Herr weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu erlösen, die Ungerechten aber zu behalten zum Tage des Gerichs, zu peinigen; 2. Petr. 2.

Was nun deine Person betrifft, du gläubiges Kind Gottes, weißt du zwar nicht, was dir begegnen wird; Eines aber ist gewiss: Herr, Herr, du wirst kein Gutes mangeln lassen den Frommen. Es mangelt aber daran, dass wir oft blind sind, und achten für Schande, das in der Wahrheit uns gut ist; und hingegen für gut achten, das in der Wahrheit uns schädlich ist. Gib Gott deinem Vater die Ehre, und glaube ihm, dass er zum besten weiß, was dir an Leib und Seele das Nützlichste und Heilsamste ist, und dass er solches, kraft seiner väterlichen Liebe, dir nicht entziehe. Sollte uns auch der bittere Tod und alles Unglück überfallen, müsste es uns doch zum Besten dienen. Denn wir sind eingeschlossen in der Liebe und in dem Herzen Gottes unsers himmlischen Vaters, der uns liebt in Christo Jesu, als seine Kinder und sorgt für uns, als für seine Kinder, das sollen wir ihm zutrauen. Es wird uns nicht eher ein Unglück verderben, man nehme uns denn diesen Vater, der für uns sorgt.

Darum, so ich euch, liebe Christen, zum neuen Jahr etwas wünschen soll, so wünsche ich euch das väterliche Herz Gottes in Christo Jesu, dass ihr solches fruchtbar erkennt und selig besitzt. So es euch wohl geht, so sei das väterliche Herz Gottes eure Ergötzlichkeit. So es euch unglücklich geht, so sei es eure Stärke. dass die väterliche Liebe unsers Gottes nimmermehr aus unserm Herzen verloren werde! Dass wir darin gehen und liegen, schlafen und wachen, leben und sterben und ewig selig werden!

Seid aber auch gewarnt, dass Keiner diese Gabe mit Füßen trete. Gedenke, so oft du eine Sünde begehst, wie dir das väterliche Herz nachrufe: Habe ich dir darum meinen Sohn geschenkt, dass du ihn verwirfst? Habe ich dich darum zu meinem Kinde gemacht, dass du mich sollst geringschätzig achten und verschmähen? Habe ich dir darum mein väterliches Herz geoffenbart, dass du darein solltest speien? Hüte dich, dass das väterliche Herz durch dich nicht verbittert werde. Es ist nachdenklich, was geschrieben steht im Prediger Salomo im 7. Kap.: Gott schaffet die Tage des Unglücks neben dem Tag der Wohlfahrt, dass der Mensch nicht erfinden möge, was geschrieben werde. Warum das? Nämlich darum, dass der Mensch bleibe in stetiger Furcht Gottes. Derwegen ist kein besser Rat, des Neujahr-Geschenks, das wir in unserm Jesulein haben, nämlich der Kindschaft Gottes, nützlich und selig zu gebrauchen, denn dass wir in kindlicher Furcht vor Gott wandeln, und auf seine väterliche Liebe und Fürsorge uns gänzlich verlassen; und lass dann kommen, was nicht will ausbleiben unser Gott und Vater hat Gefallen, nicht an Stärke, die auch bei den Rossen ist, noch an Gewalt, sondern an denen, die ihn fürchten und auf seine Güte warten.

So springen wir mit gutem Mut ins neue Jahr. Wissen wir nicht, was uns begegnen werde, so wissen wir doch, dass wir in dem liebreichen Herzen Gottes unsers Vaters eingeschlossen sind. Dem übergeben wir uns; was uns widerfährt, wollen wir aufnehmen als von der Hand unsers lieben Vaters im Himmel. Der Herr segne unsern Eingang und Ausgang von nun an bis in Ewigkeit! Amen.

1)
Aus dem Herzensspiegel, Epistel-Teil.
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