Lobstein, Johann Friedrich - Die Geheimnisse des Herzens - II. Die Salbung

Die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt bei euch, und dürfet nicht, dass euch jemand lehre, sondern wie euch die Salbung allerlei lehret, so ist's wahr und ist keine Lüge; und wie sie euch gelehrt hat, so bleibt bei demselbigen.
1. Joh. 2,27

Es gibt mehrere Merkmale, an denen man eine wahre Bekehrung erkennen kann. Prüfe dich über folgende Punkte; sie werden dir zeigen, wie die verschiedensten Wirkungen aus einer und derselben Ursache entspringen. Hast du gelernt bei dem, was du hast, dir genügen zu lassen? Bist du derselbe in Mangel wie in Überfluss, ob du satt bist oder Hunger hast? Kannst du in allen Dingen danken nach dem Willen Gottes in Christo Jesu an uns? Wenn dich der Gerechte schlägt, tut es dir wohl? Oder wenn er dich erinnert, ist es dir wie ein Balsam auf deinem Haupt? Hast du keine Aufwallungen mehr von Eigenliebe, von Empfindlichkeit, von unterdrücktem Stolz? Alles, was du willst, dass dir die Leute tun sollen, tust du es ihnen zuerst? lauten so dein Gesetz und deine Propheten? Oder vorausgesetzt, dass du auch alle deine Pflichten erfüllst und nur eine einzige nicht, empfindest du in deinem Gewissen eine Angst wegen der Übertretung dieses einzigen Gebotes, wie wenn du sie alle übertreten hättest? Ist es wirklich deine Überzeugung, dass du der größte unter den Sündern bist? Und wenn du deine Lage mit der jedes Andern vertauschen würdest, glaubst du, dass jeder Andere vortrefflicher wäre als du? Nur noch eine Frage, und damit sind wir bei unserm Text angelangt: Hast du die Salbung von Oben empfangen und bist du ihren Ermahnungen gehorsam? Ein Christentum ohne Salbung ist noch keine Bekehrung. Die Salbung ist das Zeichen der geistlichen Reife, das Zeichen, dass man in der Schule des Geistes Gottes ist, das Zeichen der geistlichen Beharrlichkeit. Dies ist ein Prüfstein, der unsere ganze Aufmerksamkeit verdient. Fragen wir uns: was ist die Salbung und woran erkennt man sie? und dann lasst uns sehen, wie man dazu gelangt, ein Gesalbter des Herrn zu werden.

I.

Das Bild der Salbung ist hergenommen von dem Öl, das bei den heiligen Gebräuchen im alten Bunde eine so große Rolle spielte. Die Propheten, die Könige und die Hohenpriester wurden zu ihrem heiligen Amte mit Öl gesalbt, welches man auf ihr Haupt ausgoss, und welches von da in ihren Bart und auf ihre Kleider herunter floss. Diese Ausgießung war eine symbolische Handlung und bedeutete das Leben des heiligen Geistes und jene Fülle geistlicher Gaben, welche den geheiligten, von Gott eingesetzten Dienern notwendig sind, um die Völker zu regieren und um an der Ausbreitung seines Reiches zu arbeiten. Diese, unter der Herrschaft des Gesetzes nur einigen wenigen Auserwählten zu Teil gewordene Salbung, ist im neuen Bunde das Teil eines jeden Gliedes am Leibe Christi. Das ganze Volk des Herrn ist ein auserwähltes Geschlecht, ein Königs- und Priestervolk. In dem Gleichnis von den zehn Jungfrauen ist es das Öl oder der Mangel an Öl, welches die endgültige Annahme oder Verwerfung bedingt; und das Gefäß mit wohlriechender Narde, welches das Weib im Evangelio zerbricht und auf die Füße des Heilandes ausgießt, ist das Bild des Geruches des Lebens, der aus der Salbung mit dem heiligen Geiste herkommt und den wir alle um uns her verbreiten sollen. Diese Salbung ist ein göttliches Siegel, welches dem, das da von oben kommt und ewig gültigen Wert hat, seinen erkennbaren Charakter aufdrückt. Nichts in der Welt kann dieses Siegel Gottes ersehen. Die Salbung ist eine wesentliche Kraft, die in uns bleibt; sie ist eine Kraft und zugleich ein geistiges Erkenntnisvermögen. Diejenigen, die sie empfangen haben, haben nicht nötig, dass sie jemand lehre; sie sind unter dem Einfluss der Wahrheit, weil sie unter der Leitung des heiligen Geistes stehen. Diese Salbung lehrt sie Alles und erzieht sie, indem sie dieselben erinnert, überzeugt, züchtiget oder unterrichtet in der Gerechtigkeit. Sie ist eine göttliche Luft, die man einatmet, in welcher man wächst und fruchtbar ist für den Herrn, wie ein Baum gepflanzt an den Wasserbächen. Die Salbung dient dazu, einen vollkommenen Menschen Gottes zu bereiten, zu allem guten Werke vollkommen geschickt. Diese Salbung ist ein Unterricht, durch welchen wir lernen, die bösen Neigungen des Herzens, die rauen Seiten des Charakters und alle Auswüchse des alten Menschen auszurotten und seine Lüste und Begierden zu bezähmen. Die Wirkungen dieser Salbung erstrecken sich über unser ganzes Sein; so mannigfaltig dieselben auch sein mögen: überall erkennt man sie, so wie alles, was aus Gottes Händen hervorgeht. So wie die heilige Schrift überall heilige Schrift ist, auf welcher Seite man sie auch aufschlägt: so ist auch die Salbung des heiligen Geistes überall dieselbe, nichts Ungleiches, nichts Widersprechendes findet sich in ihrem Wirken.

Sowie jedes Werk Gottes eine Innen- und eine Außenseite hat, so auch die Arbeit des heiligen Geistes. Sie beginnt mit Erneuerung des Sinnes, mit der Umwandlung des Herzens; von da verbreitet sic sich nach der Außenseite bis in die Worte, die Handlungen, und das ganze Tun und Lassen. Sowie das Öl die Körper, in die es eindringt, durchscheinend und geschmeidig macht, so verleiht auch die Salbung dem christlichen Leben einen Lichtcharakter und eine bewunderungswürdige Weichheit. Es geht nicht vorwärts mit Hüpfen und Springen; man ist nicht heute vom Feuer der Liebe durchglüht und morgen wieder eiskalt; sondern man wird von der göttlichen Natur so durchzogen, wie der Teig durchsäuert wird, und Geist, Seele und Leib stehen unter demselben willigen Gehorsam. Wollen wir diese Salbung näher kennen lernen, wollen wir wissen, wie sie in uns bleibt, wie sie uns Alles lehrt: so müssen wir auf Jesum sehen und ihn in seinem innern und äußern Leben betrachten. Überall sieht man bei ihm dieselbe heilige Triebfeder, die sich durch alle seine Worte und Handlungen hinzieht. Gehorsam und Liebe, Sanftmut und Demut des Herzens, Alles ist in schönster Harmonie und strahlt nach allen Seiten. Diese Harmonie, die in seiner Seele waltet, findet sich in den allerkleinsten Zügen seines Lebens. Dieselbe stille Majestät, derselbe, mit der innigsten Herzlichkeit gepaarte Ernst fühlt sich überall hindurch in den allerverschiedensten Lagen und Beziehungen. Wenn man auch alle Wundertaten des Heilandes leugnen könnte, so wäre die Salbung, welche über sein Leben ausgegossen ist von der Krippe bis zum Kreuz, immer noch ein unerklärbares Wunder. Diese Salbung war es, die ihn alles lehrte, die das beständige Gefühl in ihm rege erhielt, dass er gekommen sei, nicht um seinen, sondern den Willen seines Vaters zu tun; dass er nur tun konnte, was er gesehen hatte seinen Vater tun; dass er gekommen sei, nicht um die Welt zu richten, sondern um sie selig zu machen. Diese heilige, unzerstörbare Einheit muss sich auch bei uns zeigen. Zu diesem Ziel führt die Erkenntnis des Sohnes Gottes und die Kraft, die er jedem seiner Glieder mitteilt. In der Seele, in welcher Christus lebt und ungehindert wirken kann, entsteht ein Leben, welches harmonisch in alle einzelnen Teile sich verbreitet, wo eines auf das andere einwirkt und ineinander gefügt ist, wie Glieder eines und desselben Leibes. Sie hinkt nicht mehr auf beiden Seiten, sie wächst in allen Stücken an dem, der das Haupt ist. Das Öl, das von Oben auf sie fließt, verbreitet sich auf ihre Kleider; alles was sie tut, tut sie durch den Herrn und für den Herrn. Güte und Treue begegnen sich in ihr; Gerechtigkeit und Frieden küssen sich. Ein Kind dieser Welt bemerkt das Göttliche sehr wohl, das aus einem solchen dieses himmlische Siegel tragenden Leben ausströmt. Es ist eine sanfte Gewalt, welche Herzen gewinnt und Festungen hinweghebt; aber das Kind dieser Welt unterscheidet ebenfalls sehr gut eine erheuchelte Salbung, die menschliche Nachahmung des göttlichen Werkes. Es wird die wirkliche Salbung nie verwechseln mit einem falschen, erzwungenen Ernst. Es gibt Leute, welche eine wichtige Miene annehmen, einen feierlichen Ernst, majestätische Gebärden, eine Sprache der Weisheit, einen nachdrucksvollen Vortrag oder eine herzzerschmelzende, pathetische Ausdrucksweise, und das Alles meinen sie sei die rechte Salbung. Aber die Salbung von Oben ist etwas ganz Anderes. Sie ist eine sanfte, liebliche, einfache, erquickende, göttliche Lebenswärme, welche die Seelen und Herzen heilig durchwittert und durchdringt. Die Gottseligkeit ist nicht eine Rolle, die man einstudieren kann; wer es versuchen wollte, würde nichts weiter als ein Komödiant werden. Eine Sprache, die man nur angenommen hat, verrät sich sehr oft, ohne dass man es weiß. Man erhält sich nicht lange in einer Rolle, die nur einstudiert ist. Wenn die Wahrheit durch die trügerische Larve hindurchschimmert, so werden die Gegensätze nur um so auffallender. Banknoten, eine Salonsprache oder der Ausdruck einer Leidenschaft lassen sich nachahmen; aber nie kann man die Wahrheit Gottes nachahmen. Der natürliche Mensch vernimmt nichts von dem, was des Geistes Gottes ist. Ein vom Geiste Gottes erfülltes Herz hat eine Sprache für sich; derjenige, der sie nachahmen will, ist nur ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.

II.

Fragen wir nun: Wie gelangt man zu dieser Salbung?

Vor allen Dingen müssen wir in der Selbstbeherrschung Fortschritte machen. Wir müssen unser Herz bewahren. Unsere Rückfälle kommen daher, dass wir uns von den bösen Neigungen hinreißen lassen, und dieses Hingerissenwerden ist die Ursache, dass wir nicht immer bei gleicher Laune sind; eben daher kommen auch unsere Charakterfehler. Je mehr wir unser Gemüt beherrschen, desto mehr bahnen wir der Salbung von Oben den Weg. Alles was vom Geiste Gottes kommt, ist dem entgegengesetzt, was leidenschaftlich, unordentlich, aufbrausend ist. Der Herr weckt uns alle Morgen, er weckt uns das Ohr, dass wir hören, wie ein Jünger.

Die Erinnerungen und Zurechtweisungen des Geistes Gottes geschehen auf sehr mannigfache Weise. Hören wir auf dieselben, und sie werden uns bewahren vor jenem Geiste der Schlaffheit und vor jenem innern Aufruhr, der dem Ausbruch der Sünde gewöhnlich vorausgeht. Es ist ein großer Gewinn, wenn man das Böse mit Gutem überwinden kann. So wie ein einziger Funke einen ganzen Wald anzünden kann, so ist es sehr oft hinreichend, um das geistliche Gleichgewicht zu verlieren und einer Menge von Sünden mit die Türe zu öffnen, wenn man einer einzigen bösen Neigung nachgibt. Darum lasst uns wachen und nüchtern sein! denn der Mensch, der sich nicht besitzt, ist wie eine Stadt, deren Mauern Risse haben oder die von gar keiner Mauer umgeben ist.

Das ist das Erste, worauf wir zu merken haben. Ein Zweites ist, dass wir uns in Acht nehmen vor allen weltlichen Einflüssen; denn nichts ist der Salbung eines Christen so entgegen, wie der weltliche Sinn. Es genügt nicht, dass wir das Böse in uns bekämpfen, wir müssen auch die Feinde kennen lernen, die uns von Außen bedrohen; wir müssen uns hüten vor jener Lust der Eitelkeit, in welcher wir leben. Der Apostel Johannes sagt vor unserm Text: Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist; so jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters, und auch nicht die Salbung des Geistes. Die Welt ist hier der an der Erde klebende Sinn, das, was wir dem Herrn und den himmlischen Gütern vorziehen. Ob unser Herz an den Vergnügungen oder an unsern Geschäften hängt, ob es sich durch Gewohnheiten oder durch Neigungen binden lässt; immer ist's eine Sklaverei im Dienste des Irdischen. Was wir nicht beherrschen, davon werden wir beherrscht, und in einem gebundenen und beherrschten Herzen kann die Salbung nicht bleiben. Gebrauche darum der Güter dieser Welt, als gebrauchtest du ihrer nicht. Bekümmere dich um das, was um dich her vorgeht, aber werde in nichts ein Sklave. Nur Eins ist not; dieses Eine beherrsche uns, dieses Eine wird uns frei machen.

Es gibt Christen, die beständig in ihrem Gemüte aufgeregt sind; fast nie trifft man sie in einer ruhigen Stimmung. Diese Geschäftigkeit kommt her von der Liebe zur Welt; denn der weltliche Sinn ist ein Sauerteig, der das Innere in Aufruhr bringt und die Salbung vertreibt. Die unschuldigsten Gewohnheiten, die allererlaubtesten Herzensneigungen können, sobald man sie nicht überwacht, zu einer starken Fessel werden. Es gibt auch einen ernsten weltlichen Sinn, so wie es einen leichtfertigen weltlichen Sinn gibt; desgleichen gibt es einen halb weltlichen Sinn, der sich sehr oft tief in das Innere einschleicht und der uns durchaus nicht daran hindert, auf den Knien zu beten oder in eine Versammlung zu gehen. Wie groß oder wie klein der Anteil auch immer sein mag, den die Welt über unsre Beziehungen zum Herrn davon trägt, so wird doch immer unser inneres Leben darunter leiden und seinen wahren Charakter, d. h. die Salbung des heiligen Geistes verlieren.

Je mehr wir uns von der Liebe zur Welt losmachen, desto näher kommen wir dem Herrn; desto mehr sind wir im Stande, Alles für ihn dran zu geben; und dies ist das sicherste Kennzeichen, dass wir die Salbung empfangen haben von dem, der da heilig ist, und dass diese Salbung bei uns bleibt. Sehen wir den Apostel Johannes: welch eine göttliche Salbung durchzieht seine Briefe und sein Evangelium! Wie kam er zu dieser Salbung? Nur durch Lieben. Lieben heißt, sich hingeben, heißt den Herrn Jesum Christum in sich aufnehmen. Das tat Johannes; sein Meister lebte dergestalt in ihm, dass er, der Jünger der Liebe, ausruft: Wer den Sohn hat, der hat das Leben; werden Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht. Also ausgehen muss man von seinem eigenen Leben, um das Siegel der Kindschaft Gottes zu empfangen. Die Christen, welche am meisten Salbung haben, sind diejenigen, welche am leichtesten sich dem Herrn hingeben, und Alles, was sie berührt, unter das Kreuz stellen können. Je weniger Widerstand wir dem Heiland entgegensetzen, wenn er etwas von uns verlangt, desto mehr wird er sich in uns verherrlichen. Die Berge werden erniedrigt, die Täler ausgefüllt, was krumm ist, wird gerade und was höckerig ist, wird eben. Kannst du dir das Zeugnis geben, dass du ausgegangen bist von dir selbst und in aller Einfalt des Herzens an Jesum gebunden bist? Hast du den aufopfernden Sinn, oder zitterst du noch davor, wenn Jesus ein Opfer verlangt? Von Stephanus sagt die Schrift, dass in dem Augenblick, wo er gesteinigt wurde, sein Angesicht gewesen sei wie das eines Engels. Das ist die Salbung von oben; es ist die Freude, die aus einer Seele hervorstrahlt, welche ihr eigenes Leben zu den Füßen Jesu niedergelegt hat. Johannes sagt von einem solchen Menschen: er bedürfe nicht, dass ihn jemand lehre, sondern diese Salbung lehre ihn, und wie sie ihn gelehrt habe, so bleibe er bei derselbigen.

Diese Worte zeigen uns, warum die Salbung das Siegel einer wahren Bekehrung ist, denn eben diese Salbung ist es, die uns ein solches geistliches Verständnis gibt, dass wir den Willen Gottes klar und deutlich erkennen und uns darin nicht mehr täuschen können. Hat man diese Salbung, so braucht man vor seinen Augen kein Register von Pflichten; denn das ganze Leben gehört alsdann so ausschließlich dem Herrn, dass die allergeringste Störung unserer Verbindung mit ihm sich im Gewissen augenblicklich fühlbar macht. Sie gibt uns einen richtigen Takt, so dass wir nicht mehr nötig haben, dass uns jemand lehre. Man lebt in der Gemeinschaft seines Herrn, seine Natur fließt in uns hinüber, man bekommt geöffnete Augen des Verständnisses, man ist unter dem Einfluss der Wahrheit, und die Unwahrheit wird augenblicklich erkannt und gerichtet. Die Salbung ist nicht eine falsche Erleuchtung. Der Mystizismus behauptet ebenfalls, eine Offenbarung Gottes zu sein, fern von aller Täuschung; aber die Grundlage dieser mystischen Erleuchtung ist nicht diejenige der evangelischen Salbung. Die Mystiker sehen an die Stelle des geschriebenen Wortes ein inneres Wort, welches aber nur zu oft nichts weiter ist, als eigener Wille und geistlicher Hochmut. Die Salbung hingegen ist eins mit dem geschriebenen Worte, dessen lebendigmachende Kraft in das Christentum übergeht. Der heilige Geist erinnert die Freunde des Heilandes an die Gebete ihres Meisters; und so wie die ganze heilige Schrift Wahrheit ist und frei von allem Irrtum, so hat auch die Salbung des Geistes, unter dessen Einfluss die Schrift geschrieben wurde, dasselbe Siegel, und bewahrt uns vor allem Irrtum.

Johannes fügt den Worten, die wir nun betrachtet haben, noch die Ermahnung bei: Und nun, Kindlein, bleibt bei ihm, auf dass, wenn er offenbart wird, dass wir Freudigkeit haben und nicht zu Schanden werden vor ihm in seiner Zukunft. Die Salbung lässt also keinen Stillstand zu. Sie ist im Gegenteil die Kraft, die zum Fortschritt treibt, zur Beförderung des geistlichen Wachstums. Sie treibt uns an, unaufhörlich und mit Freuden zu laufen in dem Kampfe, der uns verordnet ist. Es ist der beständige Trieb einer unaussprechlichen Liebe, das Seufzen einer in der Hoffnung seligen Seele, die aber fühlt, dass noch nicht erschienen ist, was sie sein wird. Noch hat man zu kämpfen, noch hat man zu weinen; aber es ist ein Kampf, der uns dem Siege mit jedem Schritte näher bringt; es sind Tränen, auf die eine Freudenernte wartet. Man verlässt sich auf die Gnade dessen, der uns berufen hat, und der die Seinen nicht zu Schanden werden lässt in seiner Zukunft. Im geistlichen Leben gilt es Laufen und Warten. Beides wird uns möglich, wenn wir die Gewissheit haben, dass er in uns bleibt und wir in ihm. Diese Hoffnung lehrt uns, was wir zu tun haben, so dass es nicht nötig ist, dass uns jemand lehre oder aufmuntere. Die Salbung ist ein im Herzen brennendes, himmlisches Feuer, ein göttlicher Antrieb, der uns nicht erlaubt, auf halbem Wege stehen zu bleiben.

Man fühlt, wie man erst dann ganz glücklich und selig sein wird, wenn man ganz wird ähnlich sein dem Bilde des Sohnes Gottes, des Erstgebornen unter vielen Brüdern. Es wird uns zu lange, hienieden zu wohnen, wo unsere Liebe nie vollkommen wird, und das Herz immer wieder erkaltet. Ein solcher Zustand macht uns seufzen nach der Freiheit, nach dem Besitze des neuen Namens, den niemand kennt, als der ihn empfängt. Der Jünger der Liebe, der heilige Johannes, ist eingegangen in die Ruhe; er ist einer von denen, die überwunden haben. Die Salbung, die in ihm war, war ihm das Pfand seines himmlischen Erbes. Er hat mit Geduld gewartet auf die Erscheinung desjenigen, der da kommen sollte und der da kam. Lasst uns dieselbe Hoffnung zu ihm haben, wie Johannes! Lasst uns warten des Herrn Jesu! und auch wir werden nicht zu Schanden werden am Tage seiner Zukunft.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/l/lobstein-die_geheimnisse_des_herzens/lobstein-geheimnisse_des_herzens-_ii.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain