Körber, Emil - Ölblatt - Christen sind selige Leute.
(9. Februar 1873.)
Text: 2 Korinth. 5, 1-10.
Wir wissen aber, so unser irdisches Haus dieser Hütte zerbrochen wird, dass wir einen Bau haben von Gott erbauet, ein Haus nicht mit Händen gemacht, das ewig ist, im Himmel. Und über demselbigen sehnen wir uns auch nach unserer Behausung, die vom Himmel ist, und uns verlangt, dass wir damit überkleidet werden; so doch, wo wir bekleidet, und nicht bloß erfunden werden. Denn dieweil wir in der Hütte sind, sehnen wir uns und sind beschwert, sintemal wir wollten lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden, auf dass das Sterbliche würde verschlungen von dem Leben. Der uns aber zu demselbigen bereitet, das ist Gott, der uns das Pfand, den Geist gegeben hat. Wir sind aber getrost allezeit, und wissen, dass, dieweil wir im Leibe wohnen, so wallen wir dem Herrn. Denn wir wandeln im Glauben, und nicht im Schauen. Wir sind aber getrost, und haben vielmehr Luft außer dem Leibe zu wallen, und daheim zu sein bei dem Herrn. Darum fleißigen wir uns auch, wir seien daheim, oder wallen, dass wir ihm wohlgefallen. Denn wir müssen Alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf dass ein Jeglicher empfange, nach dem er gehandelt hat bei Leibes Leben, es sei gut oder böse.
Wo findet die Seele die Heimat, die Ruh?
Wer deckt sie mit schützenden Fittichen zu?
Ach, bietet die Welt keine Freistatt uns an,
Wo Sünde nicht herrschen, nicht anfechten kann?
Nein, nein! Hier ist sie nicht;
Die Heimat der Seele ist droben im Licht!
Ja, im Herrn Geliebte, so ist es, und dabei bleibt es:
die Heimat der Seele ist droben im Licht, nur himmelan soll unser Wandel gehen!
Darum himmelan streben, daran werden wir durch die eben verlesenen Textesworte aufs neue mächtig gemahnt. In denselben weht eine selige Himmelsluft; nicht Sturmwind, der die Felsen zerbricht, nicht Feuer, das zerstört und verzehrt, sondern ein stilles, sanftes Säuseln aus dem oberen Heiligtum, das die Seele von der Erde aufwärts zum Himmel erhebt. Der Apostel Paulus steht vor uns, der Mann nach dem Herzen Gottes, der treue Zeuge Jesu Christi, der allezeit das Sterben des Herrn Jesu an seinem Leibe umherträgt, der immerdar in den Tod gegeben wird um Christi willen also steht der Apostel vor uns in der Gebrechlichkeit und Hinfälligkeit seines zarten und schwachen Leibes; aber stark und gesund im Geist, kann er ruhig sagen: Wir wissen, so unser irdisches Haus dieser Hütte abgebrochen wird, haben wir einen Bau von Gott erbaut, ein Haus nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. O welch ein seliges Wissen ist das im Blick auf das Sterben! Wie kann der Christ ruhig das Haupt niederlegen, und die müden, matten Glieder zum Tode auseinschlafen in seinem süßen, hochgelobten Heiland! Wir wissen, dass wir einen Bau haben, von Gott erbaut. Zu diesem seligen Wissen kommt ein heiliges Sehnen. Der Apostel und mit ihm jeder wahre Christ hebt nach unserem Texte das Haupt auf, und schaut sehnsuchtsvoll und verlangend zum Himmel empor; dort leuchten seine Sterne, dort sucht er seine Ruh!
Sein Sehnen geht hinüber,
Sein Liebstes liegt im Grab:
Die Blumen wachsen drüber,
Die Blumen fallen ab.
Drum weckt ihn auch hienieden
Das Heimweh früh und spät;
Er sucht dort oben Frieden,
Wohin sein Sehnen geht.
Er hat vielmehr Lust außer dem Leibe zu wallen und daheim zu sein bei dem Herrn. Aber dieses Verlangen nach dem Himmel darf nicht ausarten in ein kränkelndes und schmachtendes Sehnen nach dem Jenseits. Wir vergessen nicht über dem Jenseits das Diesseits mit seiner Aufgabe, mit seiner Christenarbeit in Heiligung und Reinigung von den Sünden, und mit seiner irdischen Arbeit in den Dingen dieser Erde.
O nein! zu der heiligen Sehnsucht nach dem Himmel kommt das stille Getrostsein auf Erden. Wir sind getrost allezeit, so lange wir hienieden wallen, und fleißigen uns, dass wir dem Herrn wohlgefallen in leiblichen und geistlichen Dingen, in irdischen und himmlischen Dingen. Wir mögen daheim sein oder wir wallen, so sind wir selig im Herrn. Bei diesen Gedanken lasst uns stille stehen und miteinander näher betrachten:
Wie die Christen so selige Leute sind.
Denn sie haben:
I. ein seliges Wissen im Blick auf das Sterben;
II. ein heiliges Sehnen, den Himmel zu erben;
III. ein stilles Getrostsein in irdischen Werken.
Du aber Herr Jesus, unser teurer und geliebter Heiland, sei mitten unter uns nach deiner Verheißung! Lass das sanfte, stille Säuseln deines Geistes durch unsere Seelen wehen, und eindringen in unsere Herzen, dass wir aufwärts gezogen werden zum Himmel, zur oberen Heimat. Nimm dich ganz besonders der Mühseligen und Beladenen, der Leidtragenden und Bekümmerten, der Trauernden und Angefochtenen herzlich an; sie sind in dein Haus gekommen, o Herr, um Trost und Erquickung zu suchen. O lass keines unerquickt und ungetröstet von dannen gehen; nimm sie an dein Herz, an dein treues Heilandsherz, da lass sie und uns Alle ewiglich ruhen! Amen.
Christen sind selige Leute; sie haben nach unserm Texte
I. ein seliges Wissen im Blick auf das Sterben.
„Wir wissen, so unser irdisches Haus dieser Hütte abgebrochen wird, dass wir einen Bau haben von Gott erbaut, ein Haus nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.“ was sind das für herrliche, köstliche Worte im Blick auf Tod und Ewigkeit! Was für liebliche Laute, was für selige Stimmen und himmlische Klänge aus dem oberen Heiligtum! Und welche Ruhe, welche Klarheit, welche selige Gewissheit und Überzeugung leuchtet aus diesen Worten des Apostels. Das ist nicht die Sprache eines Phantasten und Schwärmers, sondern eines Mannes, der mit seinem ganzen Leben in Gott gegründet und gewurzelt ist, und aus göttlicher Überzeugung redet und schreibt. Wir wissen, sagt Paulus, nicht: wir wähnen und meinen, wir haben die Ansicht, wir hoffen und wünschen, es möchte und könnte und dürfte wohl also sein. O nein! das ist viel zu wenig, das reicht nicht zu; wir wissen, wir tragen die felsenfeste, unbewegliche, unerschütterliche Überzeugung in uns; wir wissen es so gewiss, als die Sonne am Himmel steht des Tages und der Mond und die Sterne des Nachts, so gewiss als es eine sichtbare Welt gibt, so gewiss als unsere Füße auf der Erde wandeln und wir nicht in der Luft schweben, so gewiss als ein jeder Mensch, der ärmste wie der reichste, der König wie der Bettler sterben muss: so gewiss wissen wir Christen, dass es ein ewiges Leben gibt, eine ewige Seligkeit und Herrlichkeit bei Christo; dass wir mit dem Tod nicht in Nichts zerfallen oder uns auflösen in den allgemeinen Weltgeist, sondern wir wissen, dass, wenn unser Leib stirbt und zerfällt, wir einen Bau haben für unsere Seele von Gott erbaut, den geistlichen, himmlischen, verklärten Leib, ein Haus nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Wie sagen nun die sadduzäisch gesinnten, leichtsinnigen Leute aus alter und neuer Zeit, man wisse nicht, ob es ein ewiges Leben gebe? Wie mussten wir jüngst in den Mauern unserer lieben Stadt von einem Vertreter des modernen, freien Christentums das Wort hören, das Jenseits sei eine offene Frage! Dies Wort wird durch die ganze heilige Schrift, die klare und deutliche Aussprüche vom ewigen Leben und ewiger Verdammnis hat, Lügen gestraft. Ach, Geliebte, wenn Männer, die Hirten der Herde sein sollten, heilige Lehren des göttlichen Wortes in Zweifel ziehen und gar dem Spotte preisgeben: so ist das - sie mögen es nun bedenken, oder nicht eine schwere, furchtbare Sünde, die zum Himmel schreit, ein Verbrechen an der Majestät des ewigen Gottes und seines offenbarten Wortes, aber auch ein Verbrechen an der Majestät eines freien, souveränen Christenvolkes, ein Faustschlag in das Gesicht einer Christengemeinde. O teure Gemeinde, du bist eine Christengemeinde! O Berner Volk, du bist ein Christenvolk, ja ein Christenvolk! denn Christi Name, der Name des, der starb und ewig lebt, ist dir auf die Stirne gelegt worden schon in der Wiege. Dadurch bist du geadelt und gefürstet und ein königliches Volk. O lass dir diesen Adel nicht rauben, dieses Kleinod nicht stehlen durch eitle Phrasen der falschen Aufklärung und seichtes Wortgeklingel; bewahre dieses edle Stirnband deines Christenglaubens, diese schöne Krone auf deinem Haupte. Schleudere von dir den Unglauben und den Zweifel, die sich wie Schlangen um deine Brust gelegt haben und das Lebensmark dir aussaugen. Wende und kehre dich ganz zu deinem Herrn, der dich teuer erkauft hat mit seinem Blut und dir ein ewiges Erbe und eine ewige Herrlichkeit bereitet hat. Ja suche, forsche, frage nach in Gottes Wort, ob sichs also verhalte, und du wirst im Glauben deiner Väter aufs neue gewurzelt und gegründet werden, blühen und grünen inmitten der Völker wie ein Baum gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit und dessen Blätter nicht welken. Das Jenseits ist keine offene Frage! Wenn wir nur den ersten Vers unseres Textes wüssten, der von dem himmlischen, verklärten Leibe spricht, und den letzten Vers, der vom Gericht handelt: so wüssten wir wahrlich genug. „Wir müssen Alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf dass ein Jeglicher empfange, nachdem er gehandelt hat bei Leibes Leben, es sei gut oder böse.“ Kann da noch von einer offenen Frage die Rede sein? Ich meine, das sei deutlich, furchtbar deutlich, ja zum Entsetzen deutlich gesprochen.
Aber die Heilige Schrift gibt uns noch viele andere herrliche und selige Aufschlüsse über das Jenseits. Unser Heiland spricht: In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, so wollte ich zu euch sagen: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten. Es gibt also eine Stätte im Jenseits, ein Vaterhaus mit vielen Wohnungen. Ebenso redet der Apostel Paulus von dem Erbteil der Heiligen im Licht, und Petrus von dem Erbe der Christen, das er als unverweslich, unbefleckt und unverwelklich beschreibt. Ja die Welt geht nicht auf in der Sichtbarkeit, im Diesseits, sondern es gibt eine überirdische, unsichtbare, himmlische, ewige Welt; und diese unsichtbare Welt ist so wenig eine bloße Idee und Phantasie des menschlichen Kopfes, dass sie vielmehr der verborgene Hintergrund, der Träger, die Quelle des Lebens für die sichtbare Welt ist. Die unsichtbare Welt ist das Urbild, die sichtbare Welt ist das Abbild. Die Naturschönheiten der irdischen Welt, die über unsere Täler und Berge, Fluren und Wälder, Flüsse und Seen, so wunderlieblich ausgegossen sind, die unser Auge entzücken und unser Herz oft wonnetrunken machen in heiliger Anbetung des ewigen Gottes, diese irdischen Naturschönheiten sind nur schwache, matte und blasse Abbildungen von den unbegreiflich und unbeschreiblich herrlichen Schönheiten der unsichtbaren, himmlischen Welt. Die herrlichen Töne und Melodien, die beim Orgelspiel und Gemeindegesang dieses Gotteshaus durchrauschen, uns im Grunde des Herzens erfassen und die Seele wie auf Adlersflügeln aufwärts zum Himmel erheben sie sind nur leise, schwache, arme Nachklänge der himmlischen Melodien, der Jubellieder und Freudengesänge derer, die auf dem ewigen Zion die Harfen spielen. Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, das hat Gott bereitet denen, die ihn lieben. Dort ist das himmlische Jerusalem, die Stadt des lebendigen Gottes; dort sind die vielen Wohnungen des Vaters, da keine Wohnungsnot ist, auch Väter und Mütter mit vielen Kindern nicht ausgeschlossen, sondern freudig begrüßt und gerne aufgenommen werden; dort ist der Berg Zion, das obere Heiligtum, der, Thron des Lammes, das kristallene Meer. Dort sind die Lebenswasser, da man den Durst auf ewig stillt, und die Lebensbäume, die Lebensfrüchte tragen und deren Blätter zur ewigen Gesundheit dienen. Dort sind die heiligen Engel Gottes, die Cherubim und Seraphim; dort ist die obere triumphierende Gemeinde, die nie satt werden kann Gottes Angesicht zu schauen und das ewige Halleluja zu singen. O meine Lieben, das Herz will uns frohlocken und jauchzen, hüpfen und springen ob den Lieblichkeiten, Seligkeiten und Herrlichkeiten der unsichtbaren, himmlischen Welt.
Freilich bis jetzt ist diese Welt uns verhüllt und verdeckt, der Vorhang ist herabgelassen, obwohl besonders auserwählte Menschen wie Johannes und Paulus und Andere auch himmlische Töne vernommen und himmlische Herrlichkeiten geschaut haben. Doch fürs Allgemeine gilt es: wir wandeln im Glauben, und nicht im Schauen. Aber das Schauen kommt gewiss, so gewiss der Glaube da ist. Selig sind die Toten, die im Herrn sterben von nun an, vom Augenblick des Todes an. Wenn das leibliche Auge sich schließt im Tode, so erwacht die Seele zum ewigen Leben, da kein Schlaf und Tod mehr ist; die Seele darf aus der Tiefe des Erden-Lebens, -Leidens und -Sterbens entschweben zu den lichten Höhen der ewigen Freude und Jesum schauen von Angesicht zu Angesicht und bei Ihm sein allezeit.
Ernten werden wir mit Freuden,
Was wir weinend ausgesät,
Jenseits reift die Frucht der Leiden
Und des Sieges Palme weht.
Unser Gott auf seinem Thron,
Er, Er selbst ist unser Lohn.
Die ihm lebten, die ihm starben,
Bringen jauchzend ihre Garben.
Das ist das selige Wissen der Christen im Blick auf das Sterben. Wir sind nicht wie die, so keine Hoffnung haben, oder keine Hoffnung haben wollen; gelobt sei Gott, Halleluja! Und nun, mein lieber Zuhörer! hast auch du dieses selige Wissen im Blick auf deinen Tod? Merke wohl, was ich frage und meine. Ich frage nicht, ob du im Allgemeinen weißt, dass es eine himmlische Welt gibt, ein seliges Leben nach dem Tode daheim bei dem Herrn; sondern das frage ich: weißt du von dir: wenn mein irdisches Haus dieser Hütte abgebrochen wird, dann habe ich einen Bau, von Gott erbaut, der ewig ist im Himmel? Ach, es gibt auch einen Bau in der Hölle. Aber hast du einen Bau von Gott erbaut im Himmel? Wenn du mir nun sagst: ja, das kann kein Mensch gewiss von sich wissen; so antworte ich dir: o freilich, ein Christenmensch weiß das im Glauben ganz gewiss; ein Christenmensch, der im Blut des Lammes die Versöhnung und Vergebung seiner Sünden gefunden hat, der so schon jetzt mit dem Hochzeitskleid der Gerechtigkeit Christi bekleidet und nicht bloß erfunden ist, ein Christ weiß das ganz gewiss. Paulus weiß es ja auch nach unserem Texte, und spricht es mit großer Klarheit aus im Namen aller wahren Christen. Darum säume nicht länger, mein lieber Freund, diese selige Gewissheit im Blick auf das Sterben zu erlangen! Wir müssen ja Alle sterben. O Mensch! was ist dein Leib? Ein irdisch Haus, eine Hütte, ein Zelt, zerbrechlich und hinfällig, eine Strohhütte, eine Lehmhütte! Und bei wie Vielen ist diese Hütte schon bei Leibes Leben baufällig, vom Sturmwind des Lebens halb zertrümmert, von den Wassern der Sünde und Lüsten des Fleisches unterminiert und durchbohrt, so dass überall Risse und klaffende Öffnungen sind. Ja das sage dir oft und viel: mein Leib ist nicht von Stahl und Eisen, nicht von Stein und Erz; das Haus meines Leibes ist nicht gleich einer Burg, die auf Felsen gebaut unbezwinglich emporragt, nicht gleich einem Palaste aus gewaltigen Quadern aufgeführt, die Jahrhunderte lang Sturm und Wetter trogen; nein, nein, mein Leib ist eine zerbrechliche Hütte; und diese Hütte wird abgebrochen, früh oder spät, aber ganz gewiss! O Mann, der du wie ein Fels gegründet dastehst in der Kraft deiner Jahre, voll Energie, unermüdlich und rastlos in deinem Beruf deine Hütte wird abgebrochen! Und du Jüngling, dem das Feuer des Lebens aus den Augen blitzt, dem Jugendlust und Jugendkraft durch alle Glieder strömt auch deine Hütte wird abgebrochen! Und du Jungfrau, blühend wie eine Lilie und duftend wie eine Rose - ach wie bald, ach wie bald schwindet Schönheit und Gestalt! du wirst alt, welk, und fällst ab ins Grab auch deine Hütte wird abgebrochen! Ja unser Aller Hütte wird abgebrochen; nicht Eines von uns darf sich hier ewig einbürgern. Fort, fort musst du aus deinen schönen Gemächern, mit Gemälden geziert und mit Teppichen belegt; fort aus deinem angenehmen Land- oder Stadthause; fort von deinen Lustbarkeiten, Tänzen und Genüssen; fort von deinen schönen Kleidern, Kleinodien und Edelsteinen; fort auch von deinen Lieben, von deiner Gattin, von deinem Manne, von deinen Kindern. O wehe! wenn du nicht hast einen Bau von Gott erbaut, ein Haus nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Wo soll dann deine Seele wohnen? - Christen sind selige Leute; denn sie haben ein seliges Wissen im Blick auf das Sterben, aber auch
II. ein heiliges Sehnen, den Himmel zu erben.
Über demselbigen sehnen wir uns nach unserer Behausung, die vom Himmel ist, und uns verlangt, dass wir damit überkleidet werden. „Dieweil wir in der Hütte sind, sehnen wir uns und sind beschwert; und haben vielmehr Lust, außer dem Leibe zu wallen und daheim zu sein bei dem Herrn.“ Seht da, Geliebte, die heilige Sehnsucht des Apostels, die heilige Sehnsucht aller Kinder Gottes nach der oberen Heimat. Die Ewigkeit ist den Christen ins Herz geschrieben. Wenn gleich ihre Füße auf Erden wandeln, ihr Herz und ihr Sinn ist im Himmel, sie suchen was droben ist, da Christus ist, sitzend zur rechten Hand der Kraft. Hier unten sind wir nur Gäste, Fremdlinge und Pilgrime, wir haben keine bleibende Stätte hienieden; droben ist unser Bürgerrecht, droben ist unsere Heimat. Dieses heilige Sehnen, dieses tiefe Verlangen, dies Heimweh gottverlobter Seelen nach dem Himmel ist das Kennzeichen und Siegel eines wahren Christentums.
Kein Fluss kann so zum Meere laufen,
Kein Stein eilt so der Tiefe zu,
Als wie ein Christ zur Himmelsruh
Hinweg eilt von dem Erdenhaufen.
Ob seine Füß die Welt berühren,
So ist das Haupt doch in der Höh;
Er sucht den Wandel so zu führen,
Dass Herz und Sinn im Himmel steh.
Aber was zieht denn die Christen so gewaltig aufwärts gen Himmel? Sinds die Lebensströme und Lebensbäume? Sinds die Cherubim und Seraphim? Sinds die Lobgesänge und Jubellieder am Throne Gottes? Oder ist es die Sehnsucht nach den vorangegangenen Lieben, nach Vater und Mutter, nach Kind und Gattin, die in verklärtem Lichte auf den Gefilden. der Ewigkeit lustwandeln? Ja, das Alles zieht unsere Seelen, aber nicht zuerst und nicht zumeist, sondern Jesus. Christus, der Herr. Ach, wie wünsch ich dich zu schauen, Jesu, liebster Seelenfreund! Wir haben vielmehr Lust außer dem Leibe zu wallen und daheim zu sein bei dem Herrn! Jesus ist der ewige Magnet, der die Seelen anzieht nicht nur nach Golgatha, sondern auch nach den Himmelshöhen des ewigen Zion. Bei Ihm, ja bei Ihm sein, das ist die Vollendung der Seligkeit, das ist das Ziel der Sehnsucht, das ist die ewige Heimat der Seele. Ohne Ihn wäre der Himmel kein Himmel, mit Ihm ist die Hölle ein Himmel.
Wie steht es bei uns, Geliebte? Wissen wir etwas von dem heiligen Sehnen, den Himmel zu erben, von dem tiefen Verlangen daheim zu sein bei dem Herrn? Ist unser Lauf durch diese Welt ein Pilgerlauf zur Sabbatruhe des Volkes Gottes? Seht in die Christenheit hinein, die von Christo, unserem Herrn, den Namen trägt; seht in die christlichen Länder, Städte und Dörfer, in die christlichen Gemeinden, in unsere Gemeinde, seht in die christlichen Häuser, in das eigene Herz hinein! Die meisten Herzen zieht es nicht aufwärts zur ewigen Heimat, sondern abwärts zur Erde wie mit ehernen und eisernen Ketten. Zur Erde mit ihrem eitlen Tand, zur Erde mit ihren bald welkenden Ehrenkränzen, mit ihren Titeln und Ämtern, mit ihren kleinen und großen Würden, mit ihren Kronen und Zeptern; zur Erde mit ihren Lustbarkeiten und Genüssen, mit ihren Trinkgelagen und Tänzen, mit ihren langweiligen und faden Gesellschaften; zur Erde mit ihren irdischen Schätzen, die Motten und Rost fressen, da die Diebe nachgraben und stehlen. Ja, wie Viele zieht es abwärts zur Erde mit ihrer Sünde, mit ihrem Sündenschlamm und Kot, mit ihrer Fleischeslust. Das Fleisch ist ihr Paradies, sie wälzen sich in der Sünde wie unvernünftige, unflätige Tiere. In der Sünde ist es ihnen wohl, so lange sie in der Aufregung und Sinnenbetäubung sich befinden, so dass sie denken und singen: ach wenn es nur immer so bliebe! Mensch! o Christ! O hinweg von der Erde und Sünde! empor das Haupt! schaue aufwärts, gen Himmel! Wir sind nicht für die Erde, nicht für die Sünde, nicht für den Tod und die Verwesung, auch nicht für die Hölle und die Verdammnis, sondern für den Himmel und die Ewigkeit geboren. Dort leuchten unsere Sterne, dort geht erst recht die Sonne des ewigen Lebens auf, die nimmer erbleicht und nimmer untergeht. Darum
Fahr hin mit deinen Schätzen,
Du trügerische Welt,
Wir fliehn aus deinen Netzen;
Dort ist, was uns gefällt!
Der Herr ist unsre Bier,
Der Herr ist unsre Wonne,
Zu unserer Lebenssonne,
Zu Jesu ziehen wir.
Christen sind selige Leute; denn sie haben ein seliges Wissen im Blick auf das Sterben, ein heiliges Sehnen den Himmel zu erben, und
III. ein stilles Getrostsein in irdischen Werken.
Das Eilen nach dem Himmel ist gemäßigt mit Gelassenheit. Wir haben wohl Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein, welches auch viel besser wäre; aber sintemal und so lange es dem Herrn gefällt, dass wir auf Erden im Leibe wallen, so sind wir fröhlich und getrost allezeit. Die Sehnsucht, daheim zu sein bei dem Herrn, artet bei den Kindern Gottes nicht aus in ein kränkelndes und schwächliches Sehnen und Schmachten nach dem Jenseits; sie werden nicht heimweh- und sterbekrank, und wissen nichts von falscher Weltflucht und törichtem Weltschmerz. Nein, die Welt ist schön, denn sie ist unseres Gottes Schöpfungswerk. Die Welt ist eine Stätte, da wir unsere Kräfte und Gaben entfalten und wirken, gern und freudig wirken, so lang es Tag ist, und die Aufgaben dieses Lebens zu lösen suchen im Kleinen und Großen, in Kirche und Staat, in Schule und Haus, im gewöhnlichen und täglichen Leben. Die Welt ist eine Schule des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung, eine Vorbereitung für den Himmel. So sind wir denn, so lange wir hienieden wallen, fröhlich und getrost allezeit, wie Paulus sagt, und fleißigen uns, wir seien daheim oder wir wallen, dass wir Ihm, dem Herrn, wohlgefallen. Vom Morgen bis zum Abend, und vom Abend bis zum Morgen lassen wir den Herrn sorgen und fassen unsere Seelen in Geduld. Wir befehlen uns mit Leib und Seele, mit all unserem Tun und Lassen in die Hände unseres treuen Schöpfers, Erlösers und Trösters, Er wirds wohl machen; wir nehmen einen Tag um den andern aus seiner lieben Vaterhand und fürchten nicht, was kommen mag. So sind wir getrost allezeit: in guten und in bösen Tagen, in Gesundheit und in Krankheit, in Sturm und Wetter wie beim lieblichen Sonnenschein; wir sind getrost allezeit und überall daheim oder draußen in der weiten Welt, auf dem Felde oder in der Werkstätte, im Geschäftslokal oder im Studierzimmer, in der Schule oder auf der Kanzel, auf den Straßen und dem Markte der Stadt, oder am stillen häuslichen Herde. Wir sind getrost allezeit; denn der Herr ist mit uns und wir mit Ihm. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn; darum, wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.
So nimm denn meine Hände
Und führe mich
Bis an mein selig Ende
Und ewiglich!
Ich kann allein nicht gehen,
Nicht einen Schritt;
Wo du wirst gehn und stehen,
Da nimm mich mit.