Hörschelmann, Ferdinand - Halte, was du hast - Am zweiten Adventssonntage.

Hörschelmann, Ferdinand - Halte, was du hast - Am zweiten Adventssonntage.

Gnade sei mit euch von dem, der da war, der da ist und der da kommt.
Römer 15, 4-13.

Was aber zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, auf dass wir, durch Geduld und Trost der Schrift, Hoffnung haben. Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einerlei gesinnt seid unter einander, nach Jesu Christo; auf dass ihr einmütig mit Einem Munde lobt Gott und den Vater unseres Herrn Jesu Christi. Darum nehmt euch unter einander auf, gleichwie euch Christus hat aufgenommen zu Gottes Lobe. Ich sage aber, dass Jesus Christus sei ein Diener gewesen der Beschneidung, um der Wahrheit willen Gottes, zu bestätigen die Verheißung, den Vätern geschehen. Dass die Heiden aber Gott loben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht: Darum will ich dich loben unter den Heiden, und deinem Namen singen. Und abermals spricht er: Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk. Und abermals: Lobt den Herrn, alle Heiden, und preist ihn, alle Völker. Und abermals spricht Jesaias: Es wird sein die Wurzel Jesse, und der auferstehen wird zu herrschen über die Heiden, auf den werden die Heiden hoffen. Gott aber der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr völlige Hoffnung habt durch die Kraft des Heiligen Geistes.

„Siehe dein König kommt zu dir sanftmütig“, das war die Verkündigung des ersten Advents. „Siehe, er wird kommen in großer Kraft und Herrlichkeit“, so ruft das heutige Evangelium uns zu. Unbeschreiblich majestätisch und erhaben tritt uns der Herr in seinem zweiten Advent entgegen. Aus dem Munde dieses erhabenen majestätischen Herrn, der da kommt zu richten die Lebendigen und die Toten, tönt uns aber ein freundlich, trostreiches Wort entgegen: „Hebt eure Häupter auf, darum dass eure Erlösung naht“. Unsere Epistel bringt uns den Wiederhall dieses trost- und liebreichen Wortes. Der Hinweis auf die Christenhoffnung ist der helle Adventston, der die ganze Epistel durchklingt. Mit dem Kommen des Herrn geht ja die Vollendung seines Reiches, seiner Gemeinde Hand in Hand. Und das Licht, das uns vom Ziele entgegenstrahlt, erhellt auch den Weg, den wir wandeln, erfüllt uns für unsern Wandel mit Kräften der zukünftigen Welt. Eine Wartezeit ist es, in der wir stehen, eine Zeit der Arbeit, des Kampfes und der Trübsal, durch die wir gehen. Dass wir in der Arbeit nicht ermüden, in dem Kampf nicht mutlos werden, in der Trübsal nicht verzagen, dazu richtet der Apostel unsern Blick auf das Ziel unseres Weges, an dem offenbar werden soll die Herrlichkeit unseres Herrn, und auf die Gaben und Kräfte, die er uns auf dem Wege zu diesem Ziele darreicht.

Die Lebenskräfte aber, die unser Adventskönig uns spendet, sie bestehen in

1) der Geduld und Beharrlichkeit für das Werk, das uns befohlen ist,
2) dem Frieden und der Einmütigkeit in dieser Welt des Streites,
3) dem Trost und der Hoffnung in dem Leiden dieser Zeit.

I.

„Was aber zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, auf dass wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben“. Geduld und Trost, das sind die Gottesgaben, die uns vor Allem Not tun in dieser unserer ernsten und schweren Zeit. Geduld ist die erste Gabe, die der Herr uns darreicht. Und diese Gabe schließt beides ein, was wir bedürfen, die Kraft zum Tragen der Lasten, die uns auferlegt, und zum Vollbringen der Werke, die uns befohlen sind, das Vermögen zum Ausharren in Leiden wie zur Beharrlichkeit im Tun.

Solche Geduld ist aber eine Gabe des Herrn, den der Apostel selbst einen Gott der Geduld nennt, dessen Geduld wir für unsere Seligkeit zu halten haben. Und auch seine Geduld erweist sich nicht nur im langmütigen Tragen unserer Schwachheit, sondern ebenso im treuen, ausharrenden Tun.

Die Wahrheit und Barmherzigkeit Gottes rühmt der Apostel in unserem Text. „Gnade und Wahrheit“ sind ja die beiden Strahlen der Herrlichkeit, in der sich der eingeborene Sohn vom Vater den Seinen offenbart. Gnade, freie, zuvorkommende Gnade, ist der tiefste Grund und eigentliche Quell alles seines Tuns an uns. Schauen wir aber die beiden großen Menschheitsgruppen an, auf die der Apostel uns hinweist, so hat Gott seine Wahrheit und Treue insonderheit Israel gegenüber offenbart, „zu bestätigen die Verheißung, den Vätern geschehen“, den Heiden aber, die außer der Bürgerschaft Israels gestanden, ist seine Gnade so recht als freie Barmherzigkeit kund geworden. Freilich auch die ihnen widerfahrene Barmherzigkeit ist in den den Vätern geschehenen Verheißungen mit beschlossen. An vier solcher Verheißungen erinnert der Apostel uns in unserem Text, wie sie sich in den Büchern Mose, den Propheten und den Psalmen finden. Und diese Verheißungen, dem alttestamentlichen Bundesvolk und den Heiden gegeben, sie sind nun erfüllt, da über Zion aufging der schöne Glanz Gottes und aus Zion sich ergoss in die Finsternis der Heidenwelt. Von Stufe zu Stufe haben sich die Verheißungen Gottes erfüllt, ein Volk nach dem andern ist aus der Finsternis heidnischen Wesens hineingeführt in das Licht, das uns vom Gnadenantlitz Gottes strahlt. Auch wir, die wir in unsern Vätern Heiden gewesen, wandeln nun in diesem Licht und stimmen ein in den tausendfachen Chor: Lobt den Herren, alle Heiden, jauchzt ihm, alle Völker. Und seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, seine Treue ist groß. Derselbe treue, wahrhaftige Herr, der die Verheißung der Väter bestätigt durch sein Kommen in der Fülle der Zeit, der wird auch treu hinausführen, was er geredet von der Vollendung seines Reiches am Ende der Tage.

Dieser Gott der Gnade und Wahrheit, der Geduld und Treue, er ruft nun auch uns auf zur Beharrlichkeit und Ausdauer in dem Werk, das er uns befohlen. Wie seiner Verheißung die Hoffnung der Völker begegnet, so soll seiner Wahrhaftigkeit unsere Treue, dem Dienst seines Erbarmens der Dienst unserer dankbaren Liebe entgegenkommen. Unser Auge schaut auf seine Gnade. Seine Augen schauen auf unseren Glauben. So gilt es denn Treue beweisen vor Allem im Glauben. Der Glaube ist ja die Hand, die sich unserem Gott entgegenstreckt, das Herz, das sich ihm öffnet, der Boden, in den die Gottessaat sich senkt, welche in unserem Leben ihre Früchte tragen soll. Treue also haben wir zu beweisen im Glauben, Treue weiter im Dienst des Gehorsams, Treue und Beharrlichkeit auch da, wo unser Auge nur kümmerliche Frucht unserer Arbeit sieht, wo unsere Arbeit eine Aussaat auf Hoffnung ist. Auch in der bangen Sorge für die Zukunft, die in dunkle Wolken sich uns hüllt, sollen wir nicht müde und lässig werden, sollen schlicht und treu das Unsrige tun in dem Beruf, den der Herr uns geordnet, treu ausharren auf dem Posten, den er uns gewiesen. Es wird kein verlorener Posten sein, wo wir nur wirklich Treue halten, Treue im Großen und im Kleinen. Eine Gabe Gottes, ein Vermächtnis unserer Väter ist solche Treue, von Freund und Gegner anerkannt. O hört es, denen die Ehre, der gute Name, die Wohlfahrt unserer Kirche, unseres Landes am Herzen liegt: Nicht ein außerordentliches Tun wird von uns verlangt, nur Treue gegen Gott, Treue gegen die Obrigkeit, Treue in jeglichem Beruf. Hört es, ihr Lehrer und Leiter, ihr Richter und Beamten, ihr Väter und Mütter, ihr Schüler und Kinder! Wo nur Treue, unbestechliche Wahrhaftigkeit, Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit unsern Christennamen ziert, und wir also verkündigen die Tugenden des, der uns berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht, da wird der Herr sich zu uns bekennen, da werden wir, da wird unsere Sache nicht verloren sein.

Treue gegen Gott im Glauben und Gehorsam, das ist das Erste, was Gott von uns fordert, Treue gegen einander in der Liebe und in gegenseitigem Dienst, das ist das Andere. „Nehmt euch unter einander auf, gleich wie euch Christus hat aufgenommen zu Gottes Lobe“ mahnt uns der Apostel. Welches auch die Aufgaben seien, die wir an einander haben, in Lehre und Leitung, in Zucht und Regiment, in Hilfe und Dienst, einander aufnehmen sollen wir in fördernder und tragender Liebe, einander aufnehmen in die Teilnahme des Segens und der Gaben, die uns Gott beschert, in die Teilnahme der Arbeit und des Dienstes, die wir einander tun, vor Allem einander aufnehmen in die Teilnahme der Liebe, in der wir einander umfangen. Sind wir darin treu, so will er; der Herr, sich treulich zu uns halten und uns helfen, in seiner Nachfolge, in gegenseitigem Dienst dem großen Tage entgegenzureifen, da seine Treue in der Vollendung seiner Gemeinde sich bewähren und unsre Treue die Krone des Lebens empfangen soll.

II.

Damit sind wir schon auf die zweite Gabe gewiesen, die der Adventskönig uns darreicht: Friede und Einmütigkeit in dieser Welt des Unfriedens und Streites.

„Gott aber der Geduld und des Trostes gebe Euch, dass ihr einerlei gesinnt seid untereinander nach Jesu Christo; auf dass ihr einmütig mit Einem Munde lobt Gott und den Vater unseres Herrn Jesu Christi.“ Einerlei gesinnt sein! welch köstliches Gut von dem Gott des Friedens uns dargereicht, der uns zu Einem Leibe vereinigt. Einerlei gesinnt sein! wie ein lichtes Traumbild aus einer besseren Welt strahlt es hinein in diese Welt des Unfriedens und des Streites. Wie soll der Friede hier eine Stätte finden, wo Kampf und Unfriede allenthalben wohnt, wo Hader und Streit auseinanderreißt, was Gott zusammengefügt in großen und kleinen Gemeinschaftskreisen? Bis an die Zähne geharnischt stehen in unsern Tagen die Völker einander gegenüber. Keines kann sich darin genugtun. Jedes will dem andern zuvorkommen in unaufhörlicher Rüstung zum Streit. Nur den Gewaltigen und Edlen in den Staaten gelingt es, mit starkem Arm und kluger Vermittlung noch auf eine Zeit lang Krieg und Blutvergießen unter den Völkern zu verhüten, das wilde Auflodern des verborgenen Feuers in den gärenden Massen niederzuhalten. Wo aber diejenigen, welche Gewalt über uns haben, sich nicht als „aufhaltende Macht“ erweisen, ihre Gewalt nicht zum Schutz und Schirm der Völker brauchen, da fällt der Große über den Kleinen, der Starke über den Schwachen, der Mächtige über den Ohnmächtigen, und es bleibt dem Bedrückten und Vergewaltigten kein anderer Rat, als das Gewissen rein und das Herz treu zu erhalten, auf dass er vor Schuld sich bewahre und, wo sich Schuld an ihm findet, sich selbst richte, da bleibt ihm kein anderer Trost, als das Vertrauen auf den, welcher recht richtet, der das Schreien der Armen hört und das Seufzen der Unterdrückten vernimmt, der in der Trübsalshitze die Seinen läutert und aus dem Leiden uns seine Segensfrucht erwachsen lässt.

Doch was brauchen wir auf die großen Gemeinschaften und Gemeinwesen der Völker zu sehen, wo derselbe Feind, die Zwietracht und der Unfriede, in die innersten Heiligtümer der Häuser und der Herzen sich den Weg bahnt, den Frieden stört und das Glück untergräbt. Was hat nicht die untergehende Sonne unter den Nächsten und Allernächsten, unter Freunden und Hausgenossen, Geschwistern und Gatten an Unfriede und Zwist, an unversöhntem, unausgeglichenem Zwist täglich auch unter uns sehen müssen! O weh der Spaltungen und Zerwürfnisse, des gegenseitigen sich Bekämpfens und sich Befehdens, nicht um der Sache willen, denn wo es eine heilige Sache, ein teures uns anvertrautes Gut gilt, da hat ein Jeder mit seinem Zeugnis und seiner Person einzutreten, - sondern wehe des persönlichen, neidischen bitteren Verdächtigens und Befehdens, mit dem wir uns untereinander beißen und fressen, zerreißen und zerfleischen! Hier gilt es mit ganzem Ernst uns selbst richten, mit rücksichtsloser Energie diesen Feind bekämpfen und Alles hinaustun, was dem Einzug des Friedens und der Eintracht in unseren Herzen, Häuser und Gemeinschaften entgegensteht. Einerlei gesinnt sein! wahrlich, aus Fleisch und Blut kommt es nicht, ob auch die innigsten Bande des Blutes uns umschlingen. Aus der Welt kommt es nicht, ob sie auch noch so gebildet, fortgeschritten und äußerlich verfeinert ist. Eine Gottesgabe ist solcher Friede, vom Himmel kommt solche Einmütigkeit und Eintracht. Ihr Ehegatten, ihr Eltern und Kinder, ihr Brüder und Schwestern, ihre Freunde und Genossen, wo euch das Große und Köstliche beschieden ist, dass zwei oder drei wirklich mit einander eins, unter einander gleich gesinnt sind, - ihr wisst es: nicht eure Tugend und Kraft, nicht euer Verdienst ist es, wo ihr solches erfahrt. Aus euch selbst, aus eurem Eigenwesen kommt nichts anders, als das, was den Frieden verletzt und zerstört. Das treibt in täglichen Kampf gegen solche Eigensucht, insonderheit gegen das Eine, was der Apostel in der römischen Gemeinde als den Grund ihres Haders bekämpft, das ist das „an sich selbst Gefallen haben“, das Seine suchen. Dagegen gilt es, sich in einander finden, in einander hineindenken, leben und lieben, einander tragen, Geduld mit einander haben, die Hand zur Versöhnung bieten, dessen eingedenk, wie sehr ein Jeder von uns dessen für sich bedarf.

Ein Wunder der Gottesgnade ist es, wo etwas von solcher Einheit, solchem Frieden unter uns wohnt, eine Frucht seines Geistes ist es, die er in denen wirkt, die auf dem einen Grunde stehen, den einen Weg wandeln, das eine Ziel im Auge haben, die eine Gnade im Glauben ergreifen, an der einen Liebe in dankbarer Gegenliebe hangen, dem einen Herrn in Treue dienen. Das gibt einerlei Sinn, erhält und erneuert den Frieden. Aus der Liebe Christi, aus der Kraft seines Geistes kommt uns solcher Sinn. Köstlich ist es, wo solcher Geist im Hause wohnt, wo solcher Sinn unter Hausgenossen waltet, köstlich, wo Einmütigkeit im Geist und Dienst des Herrn in der Gemeinde voll und ungetrübt offenbar wird. In den Feierstunden unserer Gottesdienste, in denen wir einmütig mit Einem Munde loben Gott und den Vater unseres Herrn Jesu Christi, in den Werken der Liebe und Barmherzigkeit, die wir in der Liebe zu Gott und den Brüdern gemeinsam treiben, in den Zeugnissen und im Dienst der Wahrheit, im Kampf für solche Wahrheit, den wir als Bekenner und Streiter des Herrn zu führen berufen sind, da erfahren wir mitten im Leid und Streit der Welt etwas von der Süßigkeit und Kraft des Friedens, der von oben kommt. Da schaut die streitende Gemeinde hinauf zur triumphierenden. Da tritt der zersplitterten, zerschlagenen Gemeinde vor die Seele das wunderbare Bild der Einheit, da Christus, der Eine große Hirte, die Völker der Erde um sich schart. Was seit Babels Zertrennung geschieden, was durch Sünde und Feindschaft zertrennet ist, das schauen wir im Geist da auf ewig vereint, die Eine Herde geschart um den Einen Hirten, den Einen Leib zusammengefasst unter das Eine Haupt als die Fülle des, der Alles in Allem erfüllt.

III.

Als streitende Gemeinde gehen wir diesem Ziele entgegen. Die streitende Gemeinde ist aber zugleich die leidende, die Kreuzgemeinde. Damit wir nun unter Kreuz und Leiden nicht verzagen, gibt uns der Herr als dritte, köstliche Gabe: Trost und Hoffnung im Leiden dieser Zeit.

„Was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, auf dass wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben“, so heißt es am Anfang unseres Textes. Und am Schlusse: „Gott aber der Hoffnung, erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr völlige Hoffnung habt durch die Kraft des Heiligen Geistes.“ Wir gehen dahin durch den Wechsel und Wandel der Zeit. In ein neues Kirchenjahr sind wir eingetreten. Was wird es uns bringen? Das alte hat neben reichem Segen und treuem Beistande von dem gnädigen und barmherzigen Herrn viel Not und Sorge, Schmerz und Leid uns gebracht. So haben wir es im Einzelleben erfahren, in noch reicherem Maße aber in unserm Gesamtleben. Da gab es viel Leid und Druck und Schmerz und Schläge, die bis ins Mark uns getroffen und bis ins innerste Herz uns verwundet.

Was wird das kommende Kirchenjahr uns bringen? Das weiß Gott allein. Sehen wir aber an die Zeichen der Zeit, die Zeichen, die unsere Geschicke uns deuten, so scheint's uns wohl, als ob das, was geschehen, nur die Vorbereitung und der Anfang von noch viel ernsteren, schwereren Zeiten sei. Und nun siehe an die Zeichen in deinem Herzen. Greif in die eigene Brust. Die alten Quellen des Leides sind noch immer da. Von einem Jahre gehen wir in das andere, die Zeiten wechseln, aber das sündige Herz, das alte Wesen, der natürlich fleischliche Sinn bleiben. Sie sind da, und wo die bittere Wurzel ist, da wird's auch nicht fehlen an der bitteren Frucht. O wie trostlos und haltlos wären wir, wenn wir unsere Hoffnung nur aufs Irdische und Zeitliche setzten! Wie kann uns aufrichten, was selbst dahinsinkt, wie kann uns halten, was selbst weicht? Ja haltlos und trostlos wären wir, preisgegeben den Fluten der Trübsal, wenn wir nicht einen andern Grund und Halt, wenn wir nicht einen Gott der Verheißung und Hoffnung, ein Wort des Trostes und der Geduld hätten.

Dieses Wort reicht der Herr unser Gott, als einen Stecken und Stab auf unserem Wege, als Trost und Halt in unserer Trübsal uns dar. Wir haben ein festes prophetisches Wort, als ein Licht, das da scheinet in einem dunklen Ort. Wie hell leuchtet es und wie fest und über Alles gewiss ist dieses Wort! Es ist dasselbe von dem der Herr im Evangelium sagt: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht.“ Unser Glaube, unsere Hoffnung gründet sich auf das Gewisseste, was es im Himmel und auf Erden gibt, auf Gottes ewiges, wahrhaftiges Wort. Wie das Wort der Verheißung, das den Vätern gegeben, in dem erschienenen Herrn erfüllt ist, so wird die herrliche Verheißung, die wir empfangen, erfüllt in dem, der noch erscheinen wird. Im Geiste sehen wir schon den Herren. Paulus, derselbe Apostel, der uns das Wort der Verheißung verkündigt, er hat ihn gesehen im Lichte der Verklärung zu Damaskus, er hat ihn geschaut in seiner Herrlichkeit, da er in den dritten Himmel entrückt ward und hörte unaussprechliche Worte. Johannes, der Prophet des neuen Bundes, er hat im Geiste geschaut das vollendete Reich unseres Herren, den neuen Himmel, die neue Erde, das neue Jerusalem, bereitet als eine geschmückte Braut.

Von diesem uns bereiteten Ziel strahlt das Licht uns auch schon auf den Weg, aus der Zeit der Vollendung strömen Kräfte des Trostes und der Hoffnung auch schon in die Gegenwart, in das Dunkel und die Trübsal dieser Zeit. Schauen wir unsere Trübsal an mit den Augen unseres fleischlichen Sinnes, da schwillt unser Leid und unsere Trübsal riesengroß an, und die Herrlichkeit des Herrn erscheint verschwindend klein. Wir sehen über uns nichts als dunkle, drohende Wolken, und das Licht der Herrlichkeit wird zu einem matten, verlöschenden Schein. Da sollen wir uns aber um solch' ungläubigen, fleischlichen Sinn strafen und um erleuchtete Augen des Geistes und Glaubens bitten. Und sind uns die Augen geöffnet, da schauen wir das Licht über den Wolken in ewig herrlicher, strahlender Pracht. Die Wolken des Leides und der Sorge, sie schwinden wie Nebel dahin, das Licht von oben aber, von dem Angesicht unseres Herren, es gibt auch in unsere Herzen einen hellen Schein, es erfüllt uns mit Freude und Frieden im Glauben durch die Kraft des Heiligen Geistes. Friede in Gott, Freude an ihm, Freude an seiner Hilfe, an seinem Segen, an jeder seiner Gaben, das ist das helle Licht in unserem Herzen, auf den dunklen Wegen der Trübsal. Friede in allem Streit, Freude in allem Leid! Denn wir gründen uns auf ihn, dessen Gnade unser Trost, dessen Geduld unsere Seligkeit ist. Er wirkt in uns, dass wir in aller Trübsal an seiner Gnade uns genügen lassen. Diese Gnade ist die Kraft, die in den Schwachen mächtig ist, und die Freude an dem Herrn soll unsere Stärke sein.

Das sind die herrlichen Gaben, die wir von dem Gott der Geduld und des Trostes, des Friedens und der Hoffnung empfangen.

Wollen wir nun müde werden, - wir stärken die schwankenden Knie in der Kraft des Herrn. Droht uns der Mut zu sinken, wir richten einander auf in einmütigem Preis der Gottesgnade und Treue. Will Bangen und Zagen uns beschleichen, - wir erquicken uns an dem Trost und der Hoffnung, die der barmherzige Adventskönig uns gibt. Wahrlich, es ist ein ewiger, reicher, unermesslicher Trost, den wir in ihm haben.

So ziehen wir denn getrost und fröhlich unsere Straße, pilgern voller Sehnsucht, Friede und Freude unserem herrlichen Ziele zu. Unter aller Last der Leiden heben wir unsere Augen auf zu den Bergen, von denen uns Hilfe kommt, in aller Drangsal der Arbeit, in aller Hitze der Trübsal heben wir getrost unsere Häupter auf, dieweil wir wissen, dass mit der herrlichen Zukunft des Herrn auch unsere Erlösung naht. Amen.

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autoren/h/hoerschelmann_f/hoerschelmann_f_2_advent.txt · Zuletzt geändert: von aj
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