Spurgeon, Charles Haddon - Ein Brunnen lebendigen Wassers - Das Mitgefühl des leidenden Heilandes.

Spurgeon, Charles Haddon - Ein Brunnen lebendigen Wassers - Das Mitgefühl des leidenden Heilandes.

“Denn darinnen er gelitten hat und versucht ist, kann er helfen denen, die versucht werden.“
Hebr. 2, 18.
„Denn er selbst hat gelitten, indem er versucht ward und kann helfen denen, die versucht werden.“ (N. d. engl. Übs.)

Der Apostel sagt uns im fünften Kapitel, eins der besonderen Erfordernisse für einen Hohepriester sei dieses, dass er Mitleid mit den Menschen haben könne. „Denn ein jeglicher Hohepriester, der aus den Menschen genommen wird, der wird gesetzt für die Menschen, gegen Gott, auf dass er opfere Gaben und Opfer für die Sünden; der da könnte mitleiden über die, so unwissend sind und irren, nachdem er auch selbst umgeben ist mit Schwachheit.“ Ihr seht, Gott wählte nicht Engel zu Hohepriestern, weil diese, wie wohlwollend auch in ihren Wünschen, doch nicht mitfühlend sein konnten. Sie vermochten die eigentümlichen Bedürfnisse und Leiden der Menschen, mit denen sie zu verkehren hatten, nicht zu verstehen. Diener, welche Gott zu Feuerflammen gemacht hat, könnten kaum in vertraulicher Weise mit denen umgehen, die bekennen, dass sie Staub und Asche sind. Aber der Hohepriester war einer aus ihrer eigenen Mitte. Wie erhaben auch sein Amt, er war immer noch ein Mensch. Er war einer, von dem wir lesen, dass er sein Weib, dass er seine Söhne verlieren konnte. Er musste essen und trinken, krank sein und leiden, gerade wie die Übrigen seines Volkes. Und all dieses war notwendig, damit er imstande sei, in ihre Gefühle einzugehen und dieselben vor Gott zu bringen, und damit er, wenn er zu ihnen von Gott spräche, nicht als ein höherer, der auf sie herabblickte, rede, sondern als einer, der an ihrer Seite saß, „ein Bruder in der Not erfunden“, Bein von ihrem Bein, und Fleisch von ihrem Fleisch.

Dies ist nun ganz besonders bei unserem Herrn Jesus Christus der Fall. Er ist mitfühlender als alle. Es ist keiner so weich wie er. Er hat es durch seine Leiden gelernt aber er beweist es durch seine beständige Herablassung gegen sein leidendes Volk. Meine Brüder, wir, die wir das Evangelium predigen, ihr, die ihr in der Sonntagsschule lehrt wir werden immer finden, dass unsere größte Macht in der Liebe liegt. Es ist mehr Beredsamkeit in der Liebe, als in allen Worten, die der gewandteste Rhetoriker je zusammenfügen kann. Wir gewinnen die Menschen nicht so sehr durch Poesie und durch kunstvollen Ausdruck, als dadurch, dass wir die Liebe unseres Herzens ausströmen, die sie fühlen lässt, dass wir sie erretten möchten, dass wir sie segnen möchten, dass wir sie, weil wir zu ihnen. gehören, als Brüder betrachten und als Brüder gegen sie handeln. und uns Mühe geben, ihnen wohlzutun. Nun, wie es mit den Unterhirten sein sollte, so ist es mit dem großen Hirten der Schafe. Er ist reich an Milde, und obwohl er jede andere Eigenschaft hat, die zu einem vollkommenen Hohepriester gehört, obwohl er ganz. vollkommen ist und ihm nichts mangelt, so wäre, wenn ich Eins nennen sollte, worin er uns alle weit übertrifft, worin wir indes. alle ihm nachzuahmen suchen sollten, dies doch sein weiches Mitgefühl für die, welche unwissend und verirrt, und für alle, die leidend und in großer Trübsal sind.

In diesem Geiste brüderlichen Mitgefühls möchte ich versuchen, euch heute mit Hilfe des Heiligen Geistes zu predigen. Darf ich, meine Brüder, deren Herzen zu dieser Stunde voll Freuden sind, bitten, für andere, welche nicht diese Freude haben, zu beten und mir in meinem Bemühen zu helfen, ihnen Worte des Trostes zuzusprechen? Möge der Heilige Geist in Erhörung eurer Gebete, jedes Wort wie Öl und Wein für die Wunden derer machen, die halb tot auf des Königs Hochweg liegen. Wir haben nicht weit nach denen umherzublicken, „die versucht sind“, denn sie sind überall um uns her und verdienen rücksichtsvolle Beachtung von einem jeden. unter uns. Übersieh sie nicht, mein glücklicherer Bruder, „siehe auf dich selbst, dass du nicht auch versucht wirst.“

In meinem Texte glaube ich zwei Dinge sehr klar zu sehen. Den leidenden Jesum: „Er selbst hat gelitten, indem er versucht ward.“ Den helfenden Jesum: „Er kann helfen denen, die versucht werden.“ Und dann glaube ich ein drittes sehr sicher darin zu sehen, nämlich das Suchen nach Jesu: weil in dem Wort, das durch „Helfen“ übersetzt ist, eine verborgene Andeutung von Schreien ist. Er kann das Schreien derer hören, die versucht werden. Es ist ein Wort, das die Schnelligkeit bezeichnet, mit der eine Mutter ihres Kindes Schreien beantwortet; Jesus vermag unseren Schrei zu beantworten, deshalb sollten wir diesen Schrei erheben, wenn unsere Seele in Not ist. Das Beste, was man heute Abend in diesem Tabernakel sehen könnte, wäre das Dritte, nämlich, wenn jede müde und beladene Seele Jesum suchte. Warum sollte dies nicht sein? Komm, Heiliger Geist und schaffe in jedem Trauernden den Geist des Gebetes und die Gnade des Flehens.

I. Lasst uns beginnen mit dem leidenden Jesus.

Ich lenke eure Aufmerksamkeit zuerst auf das Gefühl, das hier ausgedrückt ist: „denn er selbst hat gelitten, indem er versucht ward.“ Viele werden versucht, aber sie leiden nicht dadurch. Wenn Ungöttliche versucht werden, so ist der Köder nach ihrem Geschmack und sie verschlucken ihn gierig. Die Versuchung ist ihnen ein Vergnügen, sie versuchen in der Tat zuweilen den Teufel, sie zu versuchen. Sie werden durch ihre eigenen Lüste abseits geführt und verlockt; so dass die Versuchung, anstatt von ihnen erlitten zu werden, für sie eine grauenvolle Quelle des Vergnügens wird. Aber gute Menschen leiden, wenn sie versucht werden, und je besser sie sind, desto mehr leiden sie. Ich kenne einige Kinder Gottes, deren beständiges Elend Tag und Nacht die Versuchung ist. Wenn sie die Form äußeren Unglücks annähme, so würden sie dieselbe tapfer ertragen, aber sie nimmt die Gestalt schlechter Eingebungen und lästerlicher Einflüsterungen an, die in ihre Seele hineindringen ohne ihren Willen und trotzdem sie dieselben von ganzem Herzen hassen. Diese Eingebungen quälen einige Heilige, die ich kenne, nicht nur täglich, sondern nächtlich, und das Monat auf Monat. Die Gedanken fallen sie an, wie ein Mensch von einem Schwarm Mücken oder Fliegen umgeben wird, von dem er nicht hinwegkommen kann. Solche Brüder werden versucht und leiden dadurch, dass sie versucht werden. Unser Herr Jesus Christus geht völlig ein in diese schwere Erfahrung; denn sein Leiden unter der Versuchung muss viel größer gewesen sein als irgendeins, das der reinste Gläubige kennen kann, weil er reiner ist als irgendeiner von uns.

Es war ein Schweres für den heiligen Christus, hier unter den Menschen auch nur zu wohnen. Er zeigte die herablassendste Vertraulichkeit, aber ihn muss das sehr angeekelt und traurig gemacht haben, was er in dieser Welt der Sünder sah. Sie waren keine passende Gesellschaft für ihn, denn ihre Ansichten und die seinigen waren so verschieden wie nur möglich, und in ihrem Charakter gab es keine Punkte der Übereinstimmung mit dem seinigen. Sie waren so viel Gesellschaft für ihn, wie ein Kranker es für seinen Arzt sein mag; nein, nicht einmal so viel wie ein Schwachsinniger für seinen Lehrer sein mag, oder ein Wahnsinniger für seinen Hüter; sie konnten ihm nicht viel näher kommen, bis seine Gnade sie verwandelt und erneuert hatte. Unser Herr und Meister hatte ein so zartes Gefühl für Heiligkeit, dass der Anblick der Sünde ihn zerrissen haben muss, wie ein nackter Mensch von Dornen und Disteln und Gestrüpp zerrissen werden würde. Seine Empfindlichkeit war nicht abgestumpft. Er hatte sich nicht mit der Sünde durch Ausübung derselben vertraut gemacht, wie viele es getan haben, und er hatte auch nicht so mit denen verkehrt, die dem Bösen folgen, dass er nachsichtig dagegen geworden wäre. Die Gewohnheiten unserer Vorfahren erben sich auf uns fort und wir werfen keine Fragen auf über das, was gemeiniglich getan worden ist; wir beginnen an einem bösen Punkt und gehen von einem falschen Punkte in der Sittlichkeit aus; aber so war es nicht mit unserem Herrn, er hatte keine ursprüngliche, angeerbte oder angeborene Sünde und übte auch während seiner Kindheit das Böse nicht. Wir begehen Sünde, weil wir vergleichungsweise das Übel derselben nicht kennen, aber er kannte das Schreckliche derselben; er fühlte in seiner Seele die Schande, das Unrecht, die ganze Niedrigkeit der Sünde gegen ein heiliges Gesetz und einen liebevollen Gott. Seine unendliche Kenntnis half ihm, die Abscheulichkeit und Höllenwürdigkeit der Sünde zu verstehen und zu messen, und deshalb muss es ihm ein fortwährender Schmerz gewesen sein, mit ihr in Berührung zu kommen. Er litt dadurch, dass er an einem Orte war, wo er versucht werden konnte.

Als die Sünde einen tatsächlichen Angriff auf ihn machte, und ihm zugemutet ward, seine Sohnschaft dadurch zu beweisen, dass er ein Wunder täte, um sich Speise zu schaffen und so der Vorsehung seines Vaters durch eine hastige Tat der Selbstsucht vorzugreifen, wie muss ihn das Ansinnen angewidert haben! Als Satan ihn hieß, sich vermessen von des Tempels Zinne zu stürzen, wie muss ihn der grauenvolle Vorschlag verletzt haben! Als der Versucher ihm jenes abscheuliche Anerbieten ins Ohr zischte, „dies alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest“, da muss es das heilige Herz Jesu tief geschmerzt haben. Er konnte nicht der Versuchung nachgeben, aber er litt unter ihr. Er litt nicht moralisch von ihr, dazu war er zu rein, aber er litt geistig unter ihr, eben um dieser Reinheit willen. Seine Seele war betrübt und bekümmert und beunruhigt durch die Versuchung, die er zu ertragen hatte. Besonders sehen wir dies, wenn wir ihn in dem Garten finden. Da zeigte er seinen Schmerz, als sein Schweiß wie Blutstropfen ward, die auf die Erde fielen. In mancher andern Weise erduldete er ein solches Widersprechen von den Sündern wider sich, so viele Versuchungen, dass der Heilige Geist in diesem Verse sagt und mit Wahrheit sagt, dass er „litt“ indem er versucht ward.

Nun denn, ihr armen Geschöpfe, die ihr kaum euer Haupt aufheben könnt vor Scham, wenn ihr bei der Erinnerung an eure Gedanken zittert, kommt hierher zu Einem, der litt indem er versucht ward! Er weiß, wie ihr von den Höllenhunden gehetzt werdet, wohin ihr auch geht; er weiß, dass ihr dem Versucher nicht entfliehen könnt, und aus eigener Erfahrung geht er völlig in eure Gefühle ein. Er gibt euch eine Flut von Mitgefühl in diesen tiefen Nöten eurer Seele, wenn ihr wider Apollyon kämpft und gegen die Versuchung ringt; denn er litt indem er versucht ward.

Lasst uns eine Weile über die Tatsache nachdenken, dass unser Herr versucht ward, so versucht ward, dass er darunter litt. Ich muss nicht unterlassen, des besonderen Gebrauchs zu erwähnen, den der Geist hier von dem Worte selbst macht. Es ist nicht nur, „darinnen er litt, da er versucht ward“, sondern ihr seht, dass er selbst gelitten hat, da er versucht ward. Dies Wort wird zuweilen gebraucht, um eine Stelle nachdrücklicher zu machen. „Welcher unsere Sünden selbst geopfert hat an seinem Leibe auf dem Holz.“ Wir lesen öfter von Jesus Christus selbst, wie um zu zeigen, dass er das von ihm Erzählte wirklich, wahrhaft, persönlich, tatsächlich getan hat. Er selbst hat gelitten. Alles, was in ihm war, was sein Selbst ausmachte, litt da er versucht ward. Betrachtet dieses sorgfältig. Unser Herr kam durch seine Lage in Versuchung, gerade wie ihr; ja mehr, als viele von euch, denn er fühlte das Weh der Armut, und zu Zeiten der äußersten Armut. „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hinlege.“ Ihr werdet manchmal von dem Gedanken versucht, dass ihr binnen kurzem kein Haus und Heim mehr haben werdet. Wo wollt ihr ein Obdach für die Nacht finden? Jesus kann mit euch fühlen. Er war auch müde von unaufhörlicher Arbeit. „Da nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich also auf den Brunnen.“ Die Müdigkeit hat ihre Versuchungen. Wer müde ist, der ist kaum in der Lage, richtig über Dinge zu urteilen. Wenn wir müde sind, so sind wir geneigt ungeduldig, klagend, hastig zu sein. Wenn ihr müde seid und kaum die Augenlider vom Sinken abhalten könnt, so denkt daran, ehe ihr der Ermattung ganz nachgebt, dass euer Herr auch müde war. Einmal nahmen sie ihn, wie er war, ins Schiff“; (Marci 4, 36) und ich denke, damit muss gemeint sein, dass er zu müde war, um selbst ins Schiff zu gehen, so dass sie ihn in seiner völligen Erschöpfung aufhoben und ihn sanft hinten in dem Schiff niederlegten, und sein Haupt auf ein Kissen betteten. Tadelt euch nicht, weil ihr euch im Hause des Herrn müde fühlt, wenn ihr nach langem Wachen oder harter Arbeit mehr zum Schlafen als zum Anhören einer Predigt aufgelegt seid. Ich werde euch gewiss nicht tadeln, denn ich weiß, wie wenig mein Herr die Jünger tadelte, als sie während seines Kampfes im Garten einschliefen. Er sprach: Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“, und er würde nie an eine so freundliche Entschuldigung für ihren unfreundlichen Schlummer gedacht haben, wenn sein eigenes Fleisch nicht auch in seiner Müdigkeit schwach gewesen wäre. So seht ihr, dass der Herr aus eigener Erfahrung weiß, was die Versuchungen der Armut und der Müdigkeit sind. Ihn selber hungerte. Er selber sprach: „Mich dürstet.“ Alles um ihn her trug dazu bei, das Maß seiner Leiden voll zu machen. Er selbst war mehr als wir alle, „voller Schmerzen und Krankheit.“

Und ferner litt er selbst unter Versuchungen, die von Menschen herrührten. Er erduldete traurig viel von guten Menschen. Es scheint, als wenn sogar seine geliebte Mutter seine Geduld auf die Probe stellte. Die Mutter war bei seinen Brüdern, als sie draußen standen und ihn rufen ließen. War es nicht damals, als sie ihn mit sich zu nehmen wünschten, denn sie sagten: „Er wird von Sinnen kommen?“ Seine eigenen Verwandten dachten, dass er ein Irrsinniger wäre, der unter Aufsicht gestellt werden müsse. „Denn auch seine Brüder glaubten nicht an ihn.“

Von seinen Jüngern, obwohl er sie so sehr liebte, stellte doch ein Jeder seine Geduld auf die Probe. Sogar Johannes, der liebste von allen, muss um Sitze zur Rechten und zur Linken seines Thrones für sich und seinen Bruder Jakobus bitten. Sogar Petrus „nahm ihn zu sich und fing an ihm zu wehren“. Alle Jünger waren ähnlichen Sinnes wie Petrus, als er davon redete, dass er gekreuzigt und getötet werden müsse. Ihr Sinn war oft so weltlich, so selbstsüchtig, so töricht, dass sie ihren Herrn und Meister tief betrübten. Während er der Diener Aller war, verhandelten sie darüber, wer den Vorrang haben sollte. Während er die Verlorenen suchte, waren sie dafür, Feuer vom Himmel auf die Empörer fallen zu lassen. Sie sprachen unvorsichtig mit ihren Lippen und gefährdeten ihren Meister durch ihre Worte. Und das Schlimmste von allen war, wie ihr wisst, dass er in der größten Bitterkeit des Schmerzes zu klagen hatte: Der mein Brot isst, der tritt mich mit Füßen“. So waren für ihn in dem Kreise der von ihm Bevorzugten mehr Dornen als Rosen. Er empfing Wunden in dem Hause seiner Freunde, eben wie ihr es getan haben möget. Hierin seht ihr seine Macht, Mitgefühl mit uns zu zeigen. Er litt grade wie wir es tun. „Er litt, indem er versucht ward“, sogar durch die Fehler derer, die er liebte.

Und seine Feinde, brauche ich von denen zu sprechen? Versuchten sie ihn nicht alle? Herodianer und Sadduzäer die offen Zweifelnden, Pharisäer und Schriftgelehrten die für religiös Geltenden, waren ebenso seine bitteren Feinde. Die, deren Wohltäter er war, hoben abermals Steine auf, ihn zu steinigen; und Jerusalem, über das er geweint hatte, rief: „Kreuzige ihn, kreuzige ihn“, und wollte nicht ruhen, bis er getötet war. Ach Herr! Keiner von uns hat solche Feinde, wie Du hattest. Wie grausam auch unsere Gegner, sie sind weder so zahlreich noch so grimmig wie die Deinen. Außerdem haben sie einige Ursache, uns zu hassen, aber von Deinen Feinden ist es wahr, dass sie Dich ohne Ursache“ hassten. Sie konnten keine wahre Anklage gegen ihn vorbringen und deshalb schmiedeten sie grausame Lügen, bis ihre Vorwürfe sein Herz brachen. So seht ihr, wie er versucht ward und wie er litt.

Überdies, es ist eine sehr wunderbare Sache man hätte sie sich kaum vorstellen können - aber der Bericht ist sehr klar - war er vom Teufel versucht: er ward vom Teufel versucht. Der, in dem alles Böse personifiziert ist, wagte es, sich in einen Zweikampf einzulassen mit ihm, in dem alles Gute vereinigt ist. Der höllische Feind wagte es, sich dem menschgewordenen Gott gegenüber zu stellen. Gott in unserm sterblichen Fleische stritt mit dem Teufel in der Wüste der Versuchung. Wie konnte der Feind es wagen, unsern Herrn anzugreifen? Wahrlich, Luzifer hatte sich zum Gipfel seines Stolzes erhoben, als er sich vermaß, so seinem Herrn gegenüber zu treten. Christus ward vom Teufel am Beginn seiner öffentlichen Laufbahn versucht, und kurz vor dem Schlusse derselben rief er wiederum aus: „Dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.“ Er schien die Drachenflügel zu hören, als sie durch die Mitternachtslüfte schwebten; und er rief: „Der Fürst dieser Welt kommt.“ Ruhig fügte er hinzu: „Und hat nichts an mir“; doch sein Herz schauerte in der grässlichen Gegenwart des großen Gegners. Es war nicht weniger als ein Todeskampf in Gethsemane ein peinliches Ringen zwischen Jesu und den Mächten der Finsternis. Ihr, die ihr von dem Teufel versucht werdet; ihr, die ihr durch ein geheimnisvolles Flüstern beunruhigt werdet; ihr, denen eine Lästerung eingegeben wird, wenn ihr singt oder betet; ihr, die ihr selbst aus euren Träumen mit Grausen auffahrt vor den Gedanken, die in eure Seele kommen, seid getröstet, denn euer Herr kennt völlig die Versuchungen.

Einige von euch verstehen dieses nicht, und ich hoffe, ihr werdet es nie verstehen; aber ich spreche absichtlich zu andern, denen ihr Leben dadurch verdunkelt wird. Euch sage ich, ihr könnt eingehen in die Gemeinschaft mit eurem Herrn, darin, dass er vom Teufel versucht ward: das, was andern unbegreiflich ist, ist euch deutlich genug. Seid getrost, denn hierinnen hat euer Herr selbst gelitten, indem er versucht ward.

Noch eins: unser Herr kannte jene Versuchungen, die aus dem Verlassensein von Gott entspringen. Es kommen Zeiten für einige von uns, wo unsere Seele niedergeschlagen ist, wo unser Glaube schwach wird und unsere Freude erlischt, weil das Licht des göttlichen Angesichtes uns entzogen ist. Wir können unsern Gott nicht finden. Wir sprechen mit Hiob: „Ach, dass ich wüsste, wie ich ihn finden und zu seinem Stuhl kommen möchte!“ Wir schreien mit David: „Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue? Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt, wo ist nun dein Gott?“ Wenn der Herr sich von uns zurückzieht, so werden die starken Helfer schwach.

In dieser großen Versuchung hat unser Herr sein volles Teil gelitten. Er schrie laut: „Eli, Eli, lama asabthani.“ In diesen Todesschrei war eine Unendlichkeit des Schmerzes zusammengedrängt, wie wir sie nicht begreifen können. Einige von uns wissen etwas von der Oberfläche dieses schwarzen Meeres, aber wir sind niemals in seine äußerste Tiefe hinabgestiegen, wie er es tat; und wenn wenn wir es getan haben, so ist dies unser Trost dass Er dagewesen ist. Er ist bis auf dem Grund desselben gewesen. Er hat gelitten, da er versucht ward von diesem schwersten aller Leiden, die über Gottes Kinder kommen.

Ich wünsche einen Schritt weiter zu gehen, um euch mit der Frucht von all diesem zu trösten; denn obgleich unser Herr so litt, da er versucht ward, litt er doch nicht vergeblich; er wurde durch seine Leiden vollkommen gemacht und für sein feierliches Amt als Hohepriester bereitet. Zieht hieraus Nutzen für euch selber, denn euer himmlischer Vater beabsichtigt auch euch zu segnen. Wir können andere nicht trösten, wenn wir niemals selbst getröstet worden sind. Ich habe gehört - und ich bin gewiss, dass es wahr ist - dass für eine Witwe keine Trösterin derjenigen gleicht, die selbst ihren Mann verloren hat. Die, welche keine Kinder gehabt und nie ein Kind verloren haben, mögen sehr freundlich reden, aber sie können nicht in das gebrochene Herz einer Mutter eingehen, wenn sie über jenen kleinen Sarg sich beugt. Wenn ihr nie gewusst habt, was Versuchungen bedeuten, so fällt es armselig aus, wenn ihr euch bemüht, den Versuchten beizustehen. Unser Herr erlangte einen Segen durch das Erleiden der Versuchung, und ihr könnt es auch. Bruder, der Herr will aus dir einen Mann machen, der wie Barnabas, ein „Sohn des Trostes“ sein soll. Er will eine Mutter in Israel. aus dir machen, meine liebe Schwester, so dass du, wenn du andere antriffst, die sehr niedergeschlagen sind, es verstehen mögest, ein freundliches Wort zu sagen, durch das sie getröstet werden. Ich denke, du wirst eines Tages sprechen: „Es war der Mühe wert, durch jenes Leid hindurchzugehen, um im Stande zu sein, diesem verwundeten Herzen Erleichterung zu bringen.“ Werdet ihr nicht andre trösten, wenn ihr befreiet seid? Ich bin gewiss, dass ihr es werdet. Ihr werdet gewandt und erfahren in der heiligen Wundarzneikunst des Tröstens sein. Darum seid es zufrieden, von der Versuchung zu leiden und erwartet die tröstliche Frucht, welche all dieses in euch hervorbringen wird.

So habt ihr das Gefühl, die Tatsache und die Frucht gesehen. Nun, was sind die Schlüsse, die aus diesem Teil unseres Themas zu ziehen sind? Ich muss sie kurz angeben.

Ich wünsche, ihr, die ihr versucht werdet, möchtet die folgenden Schlüsse aus den Leiden und Versuchungen des Herrn Jesu ziehen:

Zuerst, dass Versuchung zur Sünde keine Sünde ist. Es ist keine Sünde, versucht zu werden, denn in ihm war keine Sünde, und doch ward er versucht. „Er litt, da er versucht ward“, aber es war keine Sünde darin, weil keine Sünde in ihm selber war. Ihr mögt entsetzlich versucht werden, und doch durchaus nicht zu tadeln sein, weil es nicht euer Fehler ist, dass ihr versucht werdet. Ihr braucht das nicht zu bereuen, worin keine Sünde ist. Wenn ihr der Versuchung nachgebt, darin ist Sünde; aber die bloße Tatsache, dass ihr versucht werdet, wie entsetzlich die Versuchung auch sei, ist nicht eure Sünde.

Und ferner, Versuchung zeigt kein Missfallen von Seiten Gottes. Er gestattete, dass sein eingeborener Sohn versucht war; er war der Sohn seiner Liebe und dennoch ward er versucht. „Dies ist mein lieber Sohn“, sprach er bei seiner Taufe; und dennoch wurde dieser Sohn in der nächsten Stunde von dem Geist in die Wüste geführt, um vom Teufel versucht zu werden. Es zeigt nicht einmal ein Missfallen von Seiten Gottes, wenn er zulässt, dass du versucht wirst. Im Gegenteil, es kann mit den deutlichsten Kundgebungen göttlicher Gunst zusammen bestehen.

Ferner, die Versuchung schließt keinen Zweifel an deiner Gotteskindschaft ein, denn der Sohn Gottes wurde versucht, der unzweifelhafte Sohn des Höchsten. Das Urbild und Vorbild der Sohnschaft, Christus selber, wurde versucht. Warum du denn nicht? Versuchung ist eher ein Kennzeichen der Kindschaft, als ein In-Frage-stellen derselben.

Beachtet sodann, dass die Versuchung nicht notwendig böse Folgen herbeiführt. Bei unserm Herrn führte sie nicht zur Sünde. Der Herr Jesus war in der Versuchung und nach derselben ebenso unschuldig als vorher, und durch seine Gnade können auch wir so sein. Johannes, der Jünger, den Jesus lieb hatte, schreibt von dem, der von Gott geboren ist: „Der bewahrt sich und der Arge wird ihn nicht antasten“.

Und dann, klagt nicht darüber, dass ihr versucht werdet. Wenn euer Herr versucht ward, soll der Jünger über seinen Meister sein oder der Knecht über seinen Herrn? Wenn der Vollkommene Versuchung erdulden muss, warum nicht ihr? Nehmt sie deshalb von den Händen des Herrn an, und haltet sie für keine Unehre oder Schande. Sie verunehrte und beschimpfte euren Herrn nicht und sie wird euch nicht verunehren und beschimpfen. Der Herr, der sie sendet, sendet auch mit ihr einen Weg zum Entrinnen und es wird eure Ehre und euer Gewinn sein, wenn ihr auf diesem Wege entrinnt.

Ferne sei eurem Herzen der Gedanke, dass irgendeine Versuchung euch zur Verzweiflung leiten werde. Jesus verzweifelte nicht. Jesus triumphierte, und ihr sollt es auch, und deshalb ruft er: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Du bist ein Glied seines Leibes, und wenn das Haupt den Sieg gewinnt, so hat der ganze Leib Teil an dem Triumph. Ich lebe“, spricht er, und ihr sollt auch leben“, und das sollt ihr, sogar in der vergifteten Atmosphäre der Versuchung sollt ihr gesund bleiben. Vor Alters überwanden sie durch das Blut des Lammes und ihr sollt ein Gleiches tun. Darum tröstet euch untereinander mit diesen Worten: Er selbst hat gelitten, indem er versucht ward“; denn ihr, die ihr sein Leben in euch habt, sollt erst mit ihm leiden und dann mit ihm herrschen.

Das ist der erste Teil unserer Rede; und er ist reich an Trost, wenn der Geist Gottes ihn dem versuchten Herzen einprägt. Ich fühle, dass ich ein so armer Stümper bin, ich habe Salbe hier und weiches Linnen, um sie damit aufzulegen; aber vielleicht binde ich zu fest oder zu lose, und wenn das der Fall ist, so mag es misslingen. O göttlicher Tröster, übernimm du das Werk! Es bedarf der durchbohrten Hand, um die heilige Salbe richtig aufzulegen.

II. Aber nun will ich zweitens und kurz den helfenden Jesus betrachten.

Das Leiden Jesu bereitet die Hilfe Jesu vor. Beachtet, „Er kann helfen denen, die versucht werden“. Hierin nehmen wir sein Mitleid wahr, dass er sich diesem Geschäfte hingibt, den Versuchten zu helfen. Habt ihr einen, der versucht wird in eurem Hause? Wenn das so ist, so habt ihr ein tägliches Kreuz zu tragen, denn wenn wir uns bemühen, Trauernde zu trösten, werden wir oft selbst niedergeschlagen, und sind in Versuchung, uns von ihnen loszumachen oder ihnen aus dem Wege zu gehen. Ist nie irgendeinem hier der Gedanke gekommen, zu sagen, „Dieser gute Bruder, der neben mir sitzt, ist mir eigentlich eine Last. Ich habe mehrmals mit ihm gesprochen, aber er ist so unglücklich, dass er mich auch traurig macht. Ich gehe aus einer andern Tür, um ihm auszuweichen?“ So könnte es euer Herr mit den Unglücklichen gemacht haben und mit euch, wenn es nicht euer Herr wäre; aber er ist so mitleidig, dass er diejenigen aussucht, die niedergeschlagen sind; er heilet die zerbrochenen Herzens sind und verbindet ihre Wunden. Er bietet seine ganze Kraft auf, denen zu helfen, welche versucht sind und verbirgt sich deshalb nicht vor ihnen und geht nicht an ihnen vorüber. Was für ein Beispiel ist dies für uns! Er widmet sich diesem göttlichen Geschäft, alle zu trösten, die trauern. Er ist der Herr über alles und macht sich doch zum Diener der Schwächsten. Was er auch immer mit den Stärksten tun mag, er hilft denen, „die versucht werden“. Er gibt das Geschäft nicht mit Widerwillen auf; er wird nicht verdrießlich oder zornig auf sie, weil sie so töricht sind, sich eitlen Befürchtungen hinzugeben. Er sagt ihnen nicht, dass es nur ihre Nerven seien, und dass sie dumm und albern wären und solchen Unsinn abschütteln sollten. Ich habe oft Leute in dieser Weise reden hören und halb gewünscht, sie möchten selbst eine kleine Probe von Schwermut haben, nur um sie in eine teilnehmendere Stimmung zu versetzen. Der Herr Jesus treibt nie ein lahmes Schaf zu stark an, sondern renkt das Bein ein und trägt das Schaf auf seinen Schultern, so sanft und erbarmungsvoll ist er. Hieran erkennt sein Mitleid.

Der Text handelt indes auch von seiner Befähigung dazu. Er ist gerade der rechte Helfer für die, welche versucht werden. Ich habe euch dies schon gezeigt. Er hat das Recht durch sein Leiden erworben, unter die Leidenden zu treten und mit ihnen zu verkehren. Er hat freien Zugang zu der Versammlung der Trauernden. Er hat das Recht, denen zu helfen, die versucht sind, denn sie sind sein eigen, da er sie mit seinem Blut erkauft hat. Die Schwachen, die Zitternden, die Verzagten sind seine Sorge, ihm von Gott übergeben. Er sprach: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde“, womit er andeutet, dass seine Herde klein und schüchtern ist. Er spricht: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde“, weil sie große Neigung zur Furcht hat und weil er sie nicht gern so beunruhigt sehen mag. Er hat sie erkauft und deshalb hat er das Recht, ihr zu helfen und sie bis ans Ende zu bewahren.

Aber er hat auch die Geneigtheit, ihr zu helfen. Er erlangte diese Milde durch Leiden, da er selber versucht ward. Wer Trübsal gesehen hat, ist, wenn er von Gott gesegnet ist, geneigt diejenigen aufzumuntern, welche betrübt sind. Ich habe von einer Dame gehört, die eines Abends im Schnee sich draußen befand und die so fror, dass sie ausrief: „O, die armen Leute, die so wenig Geld haben, wie wenig Feuerung haben sie und wie müssen sie frieren! Ich will einen Zentner Kohlen zu wenigstens zwanzig Familien senden!“ Aber ich hörte sagen, dass sie, als sie ihr eigenes Wohnzimmer erreichte, wo ein schönes Feuer brannte und ihre Füße davon wärmte und sich an trefflichem Tee erfreute, zu sich selbst sagte: „Nun, es ist doch im Grunde nicht so kalt. Ich denke nicht, dass ich diese Kohlen senden werde, wenigstens vorerst noch nicht.“ Der Leidende denkt an den Leidenden, eben wie die Armen den Armen helfen. Das göttliche Wunder ist, dass dieser unser Herr, „ob er wohl reich war, doch arm wurde um unsertwillen“, und jetzt Freude daran hat, den Armen zu helfen. Da er selber versucht ist, hilft er den Versuchten; seine eignen Leiden geben ihm den Wunsch, die Leidenden zu segnen.

Und dann hat er die besondere Fähigkeit. „Er kann denen helfen, die versucht werden.“ Ich kenne gewisse gute Brüder, die ich sehr gerne sehe und in deren Gesellschaft ich sehr vergnügt bin, wenn ich mich vollkommen wohl fühle; aber ich erfreue mich nicht an ihrer Gegenwart, wenn ich krank bin. Danke euch; nein, ich möchte lieber nicht ihre Besuche haben, wenn ich unwohl bin. Sie klotzen schwer im Zimmer herum und haben eine Weise, die Tür offen zu lassen oder zuzuschlagen; und wenn sie sprechen, so sprechen sie so laut und rau, dass der arme Kopf wehtut und der Kranke gequält wird. Die Worte, die sie sagen, obwohl freundlich gemeint, sind Bemerkungen, die Essig in eure Wunden gießen. Sie verstehen den Zustand eines Leidenden nicht, und deshalb sagen sie alles in ganz verkehrter Weise. Wenn Christen Tröster sein sollen, so müssen sie die Kunst des Tröstens dadurch lernen, dass sie selbst leiden. Sie können sie nicht anders lernen. Unser teurer Herr, nachdem er ein Leben des Leidens gelebt hat, versteht den Zustand eines Leidenden so wohl, dass er ein Bett für ihn zu machen weiß. „Was für ein sonderbares Ding, zu sagen!“ ruft einer von meinen Hörern aus. Durchaus nicht. David sagt: „Du wirst sein Bett in seiner Krankheit machen.“ (Ps. 41,4. n. d. engl. Üb.) Er würde das nicht gesagt haben, wenn der Herr nicht ein Bett zu machen wüsste. Es gibt eine zarte Weise, das Kopfkissen zurecht zu schieben und eine besondere Kunst, das Bett aufzuschütteln, wenn der Kranke herausgehoben wird; ja, und es gibt eine Art, jedes Stück der Decke so zu legen, dass es bequem ist. Dieses Bild lehrt uns, dass der Herr Jesus Christus weiß, wie er mit uns in der Schwäche und dem Schmerz unserer Leiden zu verfahren hat. Er ist eine so gute Wärterin, ein so göttlicher Arzt, ein so zärtlich Mitfühlender geworden, weil er unsere Schmerzen durchgemacht hat. „In all unseren Leiden litt er auch.“ (Jes. 63,9 n. d. engl. Üb.) Er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen.“

„Er weiß, was die Versuchung ist,
Er hat sie selber ja gefühlt.“

Er ist dazu geeignet, die Versuchten zu behandeln.

Lasst mich ein paar Minuten dabei verweilen, auch die Art zu zeigen, in welcher er den Versuchten hilft. Er tut es auf mancherlei Weise, und vielleicht mögen viele hier sein, die mehr davon wissen, als ich. Gewöhnlich hilft er den Versuchten, indem er sie sein Mitgefühl empfinden lässt. Sie sagen: „Ja, mein Herr ist hier. Er fühlt mit mir.“ Das ist an sich selbst schon eine Hilfe von keiner geringen Art.

Zuweilen hilft er ihnen dadurch, dass er sie an köstliche Wahrheiten erinnert, die das süße Gegengift für das Gift des Schmerzes sind. Es ist in. der Bibel ein Heilmittel, das genau für deinen Kummer passt, wenn du es nur finden könntest. Manchmal verlierst du den Schlüssel zu deiner Schieblade, du musst sie geöffnet haben und schickst deshalb nach dem Schlosser und er kommt mit einem großen Bund Schlüssel. Irgendwo hat er einen Schlüssel darin, der deine Schieblade aufschließt. Die Bibel enthält Schlüssel, welche die eisernen Pforten deines Leides auftun und dir Freiheit von deinem Schmerz gewähren werden. Das, worauf es ankommt, ist: die rechte Verheißung zu finden; und der Geist Gottes hilft uns oft in dieser Sache, indem er uns die Worte des Herrn Jesu in unser Gedächtnis zurückbringt. Wir würden nie den Reichtum des Wortes Gottes gekannt haben, wenn nicht der Herr uns in unsern mannigfaltigen Nöten gezeigt hätte, dass er sie alle vorhergesehen und in dem Bund seiner Verheißungen dafür gesorgt hat.

Mitunter hilft der Herr den Seinen, indem er sie innerlich stärkt. „O“, hat Einer gesagt, „ich habe ein schweres Leiden, aber ich weiß nicht, wie es ist, ich kann es so viel besser tragen, als ich dachte.“ Ja, durch die Gnade wird eine geheime göttliche Kraft in die Seele eingegossen. Wir werden versorgt, wie Bunyan sich ausdrückt, durch geheime Zuflüsse von Gnade, die in verborgener Weise kommen. Wir gleichen jenem Feuer dort. Einer gießt Wasser darauf, und dennoch brennt es fort. Hinter der Mauer ist ein anderer, der insgeheim Öl nachgießt, so dass es immer weiter brennt.

Ich habe es gesehen, dass der Herr die Seinen dadurch segnet, dass er sie sehr schwach macht. Das Nächstbeste nach dem Starksein in dem Herrn ist, äußerst schwach in uns selber zu sein. Beides ist miteinander verknüpft, aber zuweilen ist es getrennt in der Erfahrung. Es ist großartig, zu fühlen: „Ich will nicht mehr ringen. Ich will alles aufgeben und ruhig in der Hand des Herrn liegen.“ O, es ist das süßeste Gefühl, meine ich, außerhalb des Himmels! Ihr mögt es sonderbar von mir finden, dass ich es sage, aber ich glaube, dass wie es im Zentrum eines Wirbelwindes ein kleines Fleckchen gibt, wo vollkommene Stille ist, und wie es im Mittelpunkt des größten Feuers, das je brannte, eine Stelle geben soll, wo kein Feuer wütet, so ist in einem tiefen Gefühl der Ergebung an Gott, recht im Mittelpunkt eures Schmerzes, eures Kummers, eures Elends und eurer Niedergeschlagenheit ein Platz vollkommener Ruhe, wenn ihr euch einmal völlig Gott hingegeben habt. Ich weiß, dass dies wahr ist, selbst wenn ich vielleicht nicht verstanden werde. Auf diese Weise hilft er, der selbst versucht ward, denen die versucht werden.

III. Ich will schließen mit dem Gedanken an das Suchen nach Jesus.

Lasst uns ihn suchen. Kommt, ihr Mühseligen und Schwerbeladenen, kommt zu ihm, der im Stande ist, euch zu helfen. Bleibt nicht weg, bis ihr ein wenig getröstet seid, sondern kommt in eurer Verzweiflung. Wartet nicht, bis ihr ein wenig mehr Glauben habt, sondern kommt gerade wie ihr seid und sprecht zu ihm: „Lieber Herr, du hast all dieses gefühlt, und ich lege mich nieder zu deinen teuren Füßen! Hilf mir, ich bitte dich!“ Lasst diese paar Gedanken dazu helfen, euch jetzt in Gebet und Vertrauen und Hoffnung zu den Füßen dieses großen Hohepriesters zu bringen.

Zuerst, wohin anders könnt ihr gehen? Wer kann einer Seele wie der euren helfen? Kommt denn zu ihm! Menschen sind nichts; leidige Tröster sind sie alle. Die Brunnen sind alle löchrig: kommt zu der Quelle. Kommt zu meinem Herrn. Jede andere Türe ist verschlossen, aber dennoch müsst ihr nicht verzagen, denn er sagt: „Siehe, ich habe vor dir gegeben eine offene Tür.“

Zu welchem Besseren könnt ihr gehen? Wollt ihr einen Freund finden, der im Stande ist, euch zu helfen? Verlangt ihr wirklich nach einem Gefährten, der euch ein Bruder sein kann? Zu. wem solltet ihr anders gehen, als zu eurem eignen Herrn, dem mitfühlenden Menschensohn? Zu wem könnt ihr besser gehen? Sagt ihr, dass ihr niedergedrückt seid? Erzählst du mir, dir wäre bange, du seist kein Kind Gottes? Kümmere dich darum nicht. Komm als ein Sünder, wenn du nicht als ein Heiliger kommen kannst. Trauerst du, dass du keine guten Gedanken hast? Komm und bekenne deine schlechten. Klagst du, dass du nicht so zerbrochenen Herzensbist, wie du sein solltest? Komm denn, um dein Herz zerbrechen zu lassen. Bist du traurig, weil du unaussprechlich schlecht bist?` Dann komme in deinem schlimmsten Zustande. Es ist niemals gut, wenn du einen Arzt brauchst, zu sagen: „Mein Knochen ist gebrochen, aber ich will ihn nicht eingerenkt haben, bis er anfängt, sich zu bessern.“ Armes, törichtes Ding! gehe, während er gebrochen ist. O Sünder, im Begriff zu verderben, schreie zum Heiland. Bitte ihn jetzt, dich zu retten. Bist du von allen Menschen der schlechteste? Dann gehe zu ihm, der der Beste ist. Erinnere dich, er stieß niemals Einen hinaus. Noch niemals! Niemals Einen! Ich habe dies überall erklärt und ich habe gesagt: „Wenn Jesus Christus irgendeinen von euch ausstößt, wenn ihr zu ihm kommt, so bitte, lasst mich's wissen; denn ich will nicht das Land auf und ab gehen und Lügen erzählen.“ Wiederum lasse ich die Herausforderung ergehen. Wenn mein Herr eine arme Seele hinausstößt, die zu ihm kommt, so lasst mich's wissen, und ich will das Predigen aufgeben. Ich würde nicht die Dreistigkeit haben, dann noch aufzutreten und Christum zu predigen; denn er selbst hat es gesagt: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen“; und er würde ein falscher Christus sein, wenn er seinem Wort zuwider handelte. Er kann dich nicht hinausstoßen; warum sollte er es? „O, aber ich bin so schlecht.“ Umso weniger wahrscheinlich ist es, dass er dich verstoßen wird, denn umso mehr Raum ist für seine Gnade da.

„Ich bin verloren“, sagte Whitefields Bruder zu der Gräfin von Huntingdon. „Ich freue mich, das zu hören“, antwortete die Gräfin. „O“, rief er aus, „wie schrecklich, das zu sagen!“ „Nein“, erwiderte sie, „denn des Menschen Sohn ist gekommen zu suchen und selig zu machen, was verloren ist; deshalb weiß ich, dass er gekommen ist, um Sie selig zu machen.“ Sünder, es würde unvernünftig sein, zu verzweifeln. Je zerbrochener du bist, je ruinierter du bist, je schlechter du in deinen eigenen Augen bist, desto mehr Raum ist da für die Entfaltung unendlicher Gnade und Macht.

Komm also gerade wie du bist, Heiliger oder Sünder, wer du auch sein magst. Denke nicht mehr an dein Ich, an dein gutes Ich, und auch nicht an dein schlechtes, und sage: „Wenn ich umkomme, so will ich auf Jesum vertrauen.“ Vertraue auf Jesum, so kannst du nicht umkommen. Falls du umkommst, wenn du an Jesum glaubst, so muss ich mit dir umkommen. Ich bin in demselben Boot mit dir. Du magst ein sehr seekranker Passagier sein und ich ein tüchtiger Seemann; aber wenn du ertrinkst, so tue ich es auch, denn ich kann nicht besser schwimmen als du. Ich verlasse mich auf die Seetauglichkeit dieses Schiffes der freien Gnade, in dem wir uns eingeschifft, und wir müssen entweder zusammen den schönen Hafen erreichen oder zusammen sinken. Du und ich, armer Niedergebeugter, o, wollen wir nicht singen, wenn wir sicher ans Land kommen? Wollen wir nicht singen? Wenn wir dereinst in den Himmel gelangen, wollen wir nicht laut singen und die hochtönenden Zimbeln mit aller Macht erklingen lassen? Ich will mit dir streiten, wer Gott am meisten loben soll. Du sagst, du wirst es. Ich sage, ich werde es. Wollen wir nicht wetteifern mit einander und mit allen Bluterlösten, Gott und dem Lamme Halleluja singen? Wenn solche Sünder wie du und ich je durch die Pforten des Himmels eingehen, so wollen wir in solche Jubeltöne heiliger Freude und Fröhlichkeit ausbrechen, wie sie nie aus der Brust der Engel kamen, sondern nur von den Lippen der mit Blut erkauften Sünder kommen können. Der Herr, welcher den Versuchten hilft, segne und tröste euch!

Amen.

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autoren/s/spurgeon/d/spurgeon-das_mitgefuehl_des_leidenden_heilandes.txt · Zuletzt geändert: von aj
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