Spurgeon, Charles Haddon - Ein Brunnen lebendigen Wassers - Das Lied von einer Stadt und die Perle des Friedens.
Gehalten am Sonntagmorgen den 4. Januar 1885.
„Du erhältst stets Frieden nach gewisser Zusage; denn man verlässt sich auf dich.“
Jes. 26,3.
„Du wirst ihn in völligem Frieden erhalten, des Herz sich stützt auf dich; denn er vertraut dir“ (n. d. engl. Üb.).
Dies ist kein trockner, lehrhafter Ausspruch, sondern ein Vers aus einem Liede. Wir sind unter den Dichtern der Offenbarung, die nicht Balladen für die vergängliche Stunde verfassten, sondern Lieder dichteten, die das Volk Gottes in späteren Tagen singen sollte. Ich führe euch eine Stanze an aus dem „Lied von einer Stadt“. Juda hat früher nicht so vor seinem Gott gesungen, aber es hat viel zu lernen, und eines Tages soll es auch diesen Psalm lernen: „Wir haben eine feste Stadt, Mauern und Wehre sind Heil.“ In das offene Land rückt der Gegner leicht ein, aber Städte mit Mauern sind ein Hindernis für den vordringenden Feind. Diese Leute, die hin und her als Gefangene geschleppt worden waren, und denen die Plünderer oft ihr Eigentum geraubt hatten, waren froh, wenn sie in ihrem Lande eine Stadt erbaut sahen, eine wohlverteidigte Stadt, die der Mittelpunkt ihres Volkes und der Schild ihrer Nation werden sollte.
Dies Lied von einer Stadt mag indessen ebenso sehr das unsere sein, wie das der Männer von Juda, und wir können einen tieferen Sinn in dasselbe hineinlegen, den sie nicht wahrnahmen. Wir waren einst ohne Schutz vor der Sünde und brachten unsre Tage in beständiger Furcht zu; aber der Herr hat uns eine feste Stadt, eine Burg der Zuflucht errichtet. Wir haben ein Bürgerrecht in dem neuen Jerusalem, das unser aller Mutter ist, und in dieser festen Stadt wohnen wir sicher. Lasst uns heute Morgen singen: „Wir haben eine feste Stadt“. Der Mann, der in Gemeinschaft mit Gott getreten ist durch das versöhnende Opfer, ist an einem Ort vollkommener Sicherheit gelangt, wo er wohnen kann, ja, wohnen kann auf ewig ohne Furcht vor Angriff. Wir werden nicht von einem Heer der Befürchtungen verfolgt und von dunkler Verzweiflung niedergedrückt; sondern „Wir haben eine feste Stadt“, die dem Feinde Furcht einflößt und uns ruhig macht. Unsre evangelischen Gesänge sind Lieder von Menschen, die im wahrsten geistlichen Sinne ein Ende des Schreckens gesehen, weil sie das von Gott bereitete Mittel gegen Unruhe des Herzens angenommen haben.
Beachtet, wie das Lied noch weiter die Festigkeit der Stadt beschreibt. „Mauern und Wehre sind Heil.“ Unsre Zuflucht wird die Mühe einer genauen Prüfung belohnen. Wir sind doppelt verteidigt. In ihren hohen Mauern liegt vornehmlich die Sicherheit einer Stadt; wenn sie stark und hoch sind, so halten sie den Feind ab, wenn er gleich mit Sturmleitern oder Mauerbrechern angreift. Außerhalb der Mauern, auf der andern Seite des Grabens, liegt das, was die „Wehre“ oder Bollwerk genannt wird; der Erdwall, wo in Friedenszeiten die Bürger sich so gern im Freien ergehen. Das Bollwerk ihrer Zuversicht ist das Boulevard ihres Zusammenkommens. Der Herr, unser Gott, hat Ring auf Ring, Verteidigungswerk auf Verteidigungswerk um sein Volk her gezogen. Alle Mächte der Vorsehung und der Gnade beschützen die Heiligen. Materielle sowohl wie geistliche Kräfte umgeben sie. Der Herr hält sein Volk zwiefach beschützt durch Mauern und durch Bollwerke, und deshalb spricht er von einem zwiefachen Frieden. „Du wirst ihn in Frieden, Frieden erhalten“, heißt es nach dem Hebräischen. Gott tut nichts halb, sondern alles doppelt. Sein Heil ist beschlossen und bestimmt, und es ist zur Grundlage für die ungestörte Gemütsruhe aller seiner Erwählten gemacht.
Das Lied endet indessen nicht mit Versen über die Stadt, sondern führt uns hinein innerhalb ihrer Mauern. „Tut die Tore auf, dass hineingehe das gerechte Volk, das den Glauben bewahrt.“ Das Hineingehen in diese Gnade, in der wir stehen, ist ein auserlesenes Vorrecht. Die größte Freude wahrer Gottseligkeit liegt darin, dass wir fähig sind, in sie einzugehen. Wenn die Stadt Gottes vor uns verschlossen wäre, so würde das wahrlich traurig für uns sein. Wenn ihr und ich heute draußen vor ihr stünden, welchen Wert würden ihre Mauern und Bollwerke für uns haben? Alles, was Gott für sein Volk getan hat, ist weit eher ein vergrößerter Schmerz als eine vermehrte Freude für uns, wenn wir keinen Anteil daran haben. Dass es einen Christus gibt und dass ich Christuslos bin; dass es eine Reinigung gibt und dass ich befleckt geblieben; dass es eines Vaters Liebe gibt und dass ich ihr fremd bin; dass es einen Himmel gibt und dass ich in die Hölle geworfen werde, das macht die Trauer noch bitterer, den Schmerz noch härter. Kommt also, lasst uns singen von unserm eigenen Hineingehen in die Stadt Gottes. Das Saitenspiel und das Fest ist nicht draußen vor dem Tor: um uns daran zu erfreuen, müssen wir hineingehen. Unser Bürgerrecht ist nun im Himmel. Nichts ist vor uns verriegelt, denn der Sohn Davids hat uns eine offene Tür gegeben und niemand kann sie zuschließen. Lasst uns nicht die Gelegenheit versäumen. Lasst es nicht gesagt werden, „Sie konnten nicht hineinkommen um ihres Unglaubens willen.“ Nein, lasst uns vom Heile singen, weil wir uns dessen in seiner Fülle erfreuen. Möge unser Lobgesang niemals schweigen.
Nun, wenn wir so weit gekommen eine feste Stadt und eine Stadt, in die wir eingegangen sind, so freuen wir uns noch mehr, zu lernen, wer der Hüter und wer die Schuhmannschaft dieser Stadt ist, denn eine Stadt muss bewacht werden, wenn so viele Feinde draußen sind. Um alles sicher zu machen, muss ein Führer und Befehlshaber für die Leute da sein, der Macht hat, die Mauern zu besetzen und Belagerer fortzutreiben. Unser Text sagt uns, wie sicher diese feste Stadt bewahrt wird so sicher, dass keiner ihrer Bürger je unruhig in seinem Herzen werden soll, „Du wirst ihn in völligem Frieden erhalten, des Herz sich stützt auf dich, denn er vertraut dir.“
Gestattet mir, euch wieder daran zu erinnern, dass mein Text ein Vers aus einem Liede ist. Ich wünsche ernstlich, dass ihr fühlt, als wenn ihr singen möchtet, während ich predige; lasst die Worte des Textes in eurem Herzen ertönen mit tiefem, geheimnisvollem Glockenspiel, wie von einem Lande jenseits dieser Wolken und Stürme, „Du wirst ihn in völligem Frieden erhalten, des Herz sich stützt auf dich: denn er vertraut dir“. Mein Wunsch ist nicht, dass ihr denkt, „Ich wollte, der Herr hielte mich in Frieden“; was ich wünsche, ist, dass ihr jetzt eingeht in die Ruhe vor dem Herrn. Sprecht nicht: „Ich ängstige und quäle mich, weil ich diesen Frieden nicht erreichen kann“; sondern betet, dass ihr ihn heute Morgen empfinden mögt. Herr und Geber des Friedens, gewähre ihn unserem Glauben sogleich! O ihr Vertrauenden, geht sogleich in die offenen Tore der Friedensstadt ein, und dann lobt Gott, dass ihr nicht wieder hinaus getrieben werden könnt, denn der Herr verheißt, euer Schutz und Schirm zu sein. Möge der Heilige Geist, der der Tröster ist und dessen Frucht Frieden ist, nun Frieden in einem Jeden von uns wirken!
I.
Zuerst wollen wir die Frage beantworten, so gut wir können, Was ist dieser völlige Friede? Der Text lautet im Original, wie ich euch gesagt, „Du wirst ihn halten in Frieden, Frieden.“ Es ist die hebräische Art, einen besonders großen Frieden auszudrücken; wahren und wirklichen Frieden; doppelten Frieden, Frieden von großer Tiefe und weiter Ausdehnung. Viele von euch wissen, was dieses ist; und euch wird wahrscheinlich meine Antwort eine sehr armselige dünken. Ich werde die beste geben, die ich kann, mehr vermag ich nicht zu tun; und wenn ihr versucht, meine Mängel zu ergänzen, so werden unsere Brüder dabei gewinnen. Ich bekenne, dass ich nicht völlig den Frieden zu beschreiben vermag, den wir genießen können, wenn unser Glaube stark ist und unser Vertrauen auf Gott seine angemessene Höhe erreicht hat.
Der Friede ist ein Kleinod von so seltenem Werte, dass nur derjenige ihn richtig geschätzt, der alles, was er besaß, verkauft hat, um ihn zu kaufen. Ihn beschreiben? Nein, wahrlich, das können wir nicht.
Dieser „Friede, Friede“ bedeutet, denke ich, ein Freisein von allem Krieg und aller Kriegsunruhe. Ihr, die ihr euch die volle Bedeutung von Belagerung, Sturm, Eroberung und Plünderung vorstellen könnt, vermögt auch den glücklicheren Zustand zu ahnen, wenn eine Stadt nicht mehr den Marsch der Armeen hört, wenn von ihren Wällen und Türmen keine Spur des Feindes mehr wahrgenommen werden kann, sondern alles Friede ist. So ungefähr ist die Lage der Kinder Gottes, wenn der Herr sie in Frieden hält. Gott selbst schien zu einer Zeit wider uns zu sein; die zehn großen Geschütze seines Gesetzes waren gegen unsre Mauern gerichtet; der Himmel und die Erde versammelt zum Kampf; Gott selbst war wider uns, wenigstens meldete das Gewissen von seiner Warte herab dieses. Aber jetzt in diesem Augenblick, nachdem wir an Jesum Christum geglaubt haben, sind wir in die Ruhe eingegangen und haben völligen Frieden in Bezug auf unsere früheren Sünden. Wer ist es, der euch schaden könnte, o ihr, die ihr mit Gott versöhnt seid? „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?“ „Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen?“ Wir haben durch den Glauben einen Stand vollkommener Versöhnung mit Gott erreicht. Die göttliche Vaterschaft hat uns gedeckt. Wir haben den kindlichen Geist ererbt, den Geist der Liebe und des zweifellosen Vertrauens. Alles ist ruhig, denn wir wohnen in unseres Vaters Hause. Blickt hinauf und ihr gewahrt keinen Sitz feurigen Zornes, der verzehrende Flammen schießt. Blickt hinab, und ihr entdeckt keine Hölle, denn es ist keine Verdammung da für die, die in Christo Jesu sind. Blickt zurück, und die Sünde ist ausgetilgt. Blickt umher, und alle Dinge müssen denen, die Gott lieben, zum Besten dienen. Blickt vorwärts, und die ewige Herrlichkeit scheint durch den Schleier der Zukunft wie die Sonne durch den Nebel des Morgens. Blickt nach außen, und die Steine des Feldes und die Tiere des Feldes sind im Frieden mit uns. Blickt nach innen, und der Friede Gottes, der höher ist denn alle Vernunft, bewahrt unsre Herzen und Sinne in Christo Jesu. Der Herr führet uns zu stillen Wassern in solchen glücklichen Zeiten, den Weg entlang, von dem wir lesen: „Es wird kein Löwe da sein“. Wenn ihr, die ihr an Christum glaubt, für gewöhnlich nicht diesen Frieden genießt, so muss die Schuld davon vor eure eigene Tür geschoben werden: ihr macht euch selber Unruhe, denn Gott spricht zu euch, „Friede, Friede“, und er wird euch darin erhalten, wenn euer Herz sich auf ihn stützt. Glücklich ist der, dessen Kampf geendet und dessen Krieg vorüber ist, durch den Glauben an Christum Jesum.
Ferner, dieser völlige Friede herrscht über alle Dinge innerhalb seines Kreises. Nicht nur ist kein Feind nahe, sondern die Einwohner der Stadt sind alle ruhig und alle ihre Angelegenheiten gehen glücklich. Von niemand kann man sagen, dass er in völligem Frieden sei, wenn er überhaupt irgendeine Ursache zur Unruhe hat. Dennoch hat das Kind Gottes diesen völligen Frieden nach unsers Herrn eigenem Ausspruch; und es muss deshalb wahr sein, dass der Gläubige über alle Unruhe hinweggehoben ist.
„Was“, sagt ihr, „hat er nicht ein arges ungläubiges Herz?“ Ja, und das verlangt Wachsamkeit, aber es sollte ihm keinerlei Schrecken erregen, denn „Gott ist größer als unser Herz“, und wo die Sünde mächtig geworden ist, da ist die Gnade noch viel mächtiger geworden. Das Fleisch hat sein Todesurteil empfangen, und der Unglaube ist nur ein Teil des Fleisches, das zum Tode verdammt ist. Das heilige Leben in uns muss triumphieren. „Glauben wir nicht, so bleibet er treu, er kann sich selbst nicht leugnen.“ Obgleich wir jetzt noch wie der glimmende Docht sind, sollen wir doch bald hell leuchten, „bis dass er ausführe das Gericht zum Siege“. „Ach“, sagt jemand, „ich habe aber Unruhe in meiner Familie, ich habe einen wilden, widerspenstigen Sohn“; oder „ich habe ein krankes, dahinsiechendes Kind, das mir bald an der Schwindsucht sterben wird.“ Ja, Freund, aber wenn dein Herz sich auf Gott stützt und du Gott solche Sachen überlassen kannst, so solltest du nicht einmal durch so etwas deinen völligen Frieden verlieren. Denn wie, wenn dein Herz unruhig ist? Wird dies das schwindsüchtige Kind stärker machen? Oder wird dein Trübsinn deinen rebellischen Sohn in Schranken halten? Nein, sondern „der Gerechte wird durch seinen Glauben leben“ und soll durch seinen Glauben auch triumphieren. Deine Stärke soll die sein, deine Kranken herzubringen und sie zu. Jesu Füßen zu legen; deine Hoffnung soll die sein, deinen Widerspenstigen herzubringen und zu sprechen, „Herr, treibe den Teufel aus meinem Kinde heraus und lass es für dich leben“. Nichts sollte im Stande sein, den Frieden des Gläubigen zu stören; der Schild des Glaubens sollte alle feurigen Pfeile auslöschen. Denn beachtet, dass eure Sünde um Christi willen vergeben ist, und dies ist ein für alle Mal geschehen. Beachtet, dass Christus euch in Besitz genommen hat, ihr seid sein; er wird euch nicht verlieren, sondern er ganz allein wird euch gegen Welt, Tod und Hölle behaupten. Beachtet auch, dass euer himmlischer Vater euer Schicksal lenkt und euch gibt, was euch nötig ist, denn er hat erklärt: „Kein Gutes will ich mangeln lassen denen, die aufrichtig wandeln“. Er herrscht in Macht und kommt jeder Gefahr zuvor, denn er hat erklärt: „Aller Zeug, der wider dich zubereitet wird, dem soll es nicht gelingen; und alle Zunge, so sich wider dich setzt, sollst du im Gericht verdammen“. Gottes Friede bedeckt das Gebiet in seiner ganzen Ausdehnung. Verkündet es in jeder Straße der Stadt „Menschenseele“, dass der Fürst Emanuel gekommen ist und dass jeder Kreatur innerhalb der Stadtmauern der Friede Gottes gewährt wird, den sie in Freude und Fröhlichkeit besitzen soll.
Wir bekommen jetzt eine Vorstellung, hoffe ich, von diesem Frieden, obgleich Worte sie nicht vollständig geben können; wir müssen ihn selber kennen. Doch ist es angenehm zu bemerken, dass dieser Friede tief, wahrhaft und wirklich ist. Kein völliger Friede kann genossen werden, wenn nicht jede geheime Ursache zur Furcht ausfindig gemacht und entfernt ist. Flüstert es in den Toren und in den Gasthäusern, dass die Stadt durch einen Überfall genommen werden könnte und dass Spione in den Wiesen, drunten beim Osttore gesehen worden, so wird alsbald die Stadt in Gärung sein. Nein, der Friede kann nicht atmen, wenn Argwohn in den Gassen schleicht. Unser Friede mag ein falscher Friede sein, eines Toren Friede; wir mögen in fleischliche Sicherheit gelullt sein. Im Politischen sind Völker selbstvertrauend geworden, haben von Frieden geträumt, wenn die Schmiedestätten von den Kriegshämmern erdröhnten; und so ist es ihnen schlecht ergangen. Im Geistlichen gibt es eine Menge von Personen, die denken, dass alles richtig mit ihren Seelen stehe, wenn in Wahrheit alles unrichtig steht für die Ewigkeit. Es ist zu fürchten, dass einige „kräftige Irrtümer“ aufgenommen haben, „dass sie glauben der Lüge.“ Nun, Nun, wir können das nicht völligen Frieden nennen, was nur auf der Oberfläche liegt und die Prüfung nicht ertragen kann. Wir wünschen einen Frieden, der öffentlich zu Gericht sitzt und den Gesandten weder Augen noch Mund verbindet. Der Friede, der ein Vertuschen von Diesem und Jenem erfordert, ist eine schlechte Sache. Er ist das gerade Gegenteil von dem Frieden Gottes. Wenn irgendeine Anklage gegen das Volk Gottes da ist, so werden die Menschen aufgefordert, sie vorzubringen, „Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen?“ Der Friede, den Gott uns gibt, ist nicht ein Verhüllen unserer Sünden oder ein Blindmachen der Gerechtigkeit. Gott ist so gerecht in seiner Vergebung wie in seiner Strafe. Es wird am letzten Ende, wenn die Gläubigen in die Herrlichkeit eingehen, gesehen werden, dass sie nach dem Gesetze dorthin sich erheben, ebenso gewiss wie die Verlorenen in die Hölle sinken nach dem Gesetze, das heißt: der Herr Jesus Christus hat durch seinen vollkommenen Gehorsam und durch seine unvergleichliche Sühne dem Gesetz eine solche Genugtuung gegeben, dass es von Seiten Gottes ebenso gerecht sein wird, seine Auserwählten selig zu machen als die ungläubige Welt zu verdammen. Wir behaupten, dass unser Friede recht und gerecht ist. Er mag geprüft und erprobt werden; denn hier haben wir keine Erfindung. Wenn die Wahrheit irgendwo unter den Sternen zu finden ist, so ist es in dem Frieden, der durch das kostbare Blut des Sohnes Gottes kommt. Der Friede, den Gott gibt, geht ganz bis auf den Grund der Dinge und bringt uns hinein in die ewigen Harmonien.
Wir mögen auf diese Wahrheit mit dem aufmerksamsten Auge blicken, aber wir werden nur umso klarer sehen, dass der, welcher an Jesum glaubt, das Heil als Mauern und Bollwerke hat. Unter jedem Gesichtspunkte sind die Gläubigen sicher. Du magst in sehr schwierige Umstände versetzt sein, du magst am Rande des Todes und dem Gerichte Gottes nahe stehen; und doch, lieber Freund, der Gott, auf den du traust, wird dich nicht verlassen. Dein Herz verlässt sich auf seine Verheißungen und seine Treue, und es ist kein Grund da, weshalb dein Friede gestört werden sollte.
Ist dies nicht ein vollkommener Friede? Wenn ich hier stünde, um eine Art schwärmerischer Zuversicht zu predigen, die keine Probe vertrüge, so würde ich mich schämen; aber wenn ich diesen Frieden Gottes predige, der höher ist denn alle Vernunft, dem keine zweite Nachrechnung folgt, hinter dem sich nichts befindet, was zuletzt sich eindrängen und ihn zerstören könnte, so predige ich etwas, was des Habens wert ist. Ich wünsche und bete, jeder Mann und jede Frau hier möchten ihn kennen, wie ich ihn kenne; denn ich habe Frieden mit Gott und deshalb ist mein Herz froh. O, dass ihr alle, die ihr hier gegenwärtig seid, jetzt Gott glauben und euch auf ihn stützen möchtet; dann würdet ihr den Herrn sagen hören, „Friede! Friede!“
Noch Eins mehr. Friede in einer Stadt würde sich nicht mit Stockung des Handels vertragen. Während des völligen Friedens geht der Verkehr mit allen Orten der Umgebung weiter und die Stadt wird durch ihren Handel reicher. Wo völliger Friede mit Gott ist, da ist reger Verkehr zwischen der Seele und dem Himmel. Fromme haben Gemeinschaft mit Frommen, und dadurch vermehrt sich ihr Gefühl des Friedens. Wenn ihr vollen Frieden habt, so habt ihr Verbindung mit allen Heiligen: persönliche Eifersucht, sektiererische Bitterkeit und unheilige Nebenbuhlerschaft sind alle bei Seite gelegt. O, es ist ein glücklicher Gemütszustand, wenn wir keine Vorurteile haben, die einen Erben des Himmels aus unserm Herzen fern halten können, keine Eigentümlichkeiten, welche die Gottesfürchtigen von der Gemeinschaft mit uns ausschließen können! O wie gesegnet, bereitwillig zu sagen, „Wenn er ein Kind Gottes ist, so liebe ich ihn, wenn er ein Mitglied der himmlischen Familie ist, so ist er mein Bruder, und ich heiße ihn willkommen!“ Wenn wir mit dem ganzen Volk Gottes eins sind, so sind wir von einer Menge Kriege befreit.
Noch besser, es ist ein süßer Friede zwischen dem Herzen und seinem Gott, wenn wir von Tag zu Tag durch Gebet und Preis mit dem Höchsten Gemeinschaft haben. Jeder Friede, der mit dem Vergessen Gottes verknüpft ist, ist ein schreckliches Ding: es ist der Friede des Miasmas, das ruhig brütet, ehe es den Pfeil des Todes aussendet; es ist jene Totenstille, die dem Orkan oder dem Erdbeben vorhergeht. Der völlige Frieden, den Gott gibt, sonnt sich in der Gegenwart Gottes; er ist eine Tropenblume, die im flammenden Sonnenlicht lebt; ein Vogel mit Regenbogenflügeln, der daheim ist am hohen Mittag der Sommerzeit des Himmels. Gott gebe, dass wir mehr und mehr von diesem völligen Frieden kennen lernen, indem er uns fähig macht, immer völliger in sein eigenes Selbst hinein zu tauchen! Eins mit Gott und Christo Jesu haben wir ewigen Frieden erreicht.
Lasst mich weiter von diesem Frieden reden, den Gott uns gibt. Er besteht in Ruhe der Seele. Ihr wisst, wie der Körper sich mit allen Gliedern auf das Lager wirft, und wie sie dort gemächlich liegen; so streckt sich unsre geistliche Natur gemächlich aus Das Herz ruht auf der Liebe Gottes, und das Urteil lehnt sich auf seine Weisheit; die Wünsche ruhen, die Hoffnungen rasten, die Erwartungen liegen still, die Seele wirft ihr ganzes Gewicht und ihre ganze Müdigkeit auf den Herrn, und dann folgt ein vollkommener Friede. Zu diesem gänzlichen Stilleliegen kommt noch hinzu eine vollkommene Ergebung in den göttlichen Willen. Wenn du mit Gott haderst, so hat dein Friede ein Ende; aber wenn du sprichst: „Es ist der Herr; er tue, was ihm wohlgefällt“, so hast du einen der Hauptbestandteile völligen Friedens erlangt. Wenn des Herrn Wille anerkannt und geliebt wird, so ist aller Grund zum Hadern vorüber: der Friede muss tief sein. Er besteht auch in süßer Zuversicht auf Gott, bei der nicht ein Schatten von Zweifel betreffs irgendetwas, was Gott tut, vorhanden ist, denn ihr seid gewiss, wenn von nichts anderem, so doch davon, dass Gott wahr sein muss, dass er irrtumslos und freundlich sein muss und in allen Dingen freundlicher gegen euch, als ihr gegen euch selber seid. Alles Gott überlassen, auf immer ihm vertrauen, weil in ihm ewige Stärke ist das ist Friede. Er bedeutet in der Tat das Verschlungenwerden des Selbst von dem großen Meere Gottes, das Aufgeben von allem, was wir sind und allem, was wir haben, an Gott, so völlig, dass wir fortan nicht mehr beunruhigt oder gestört werden können, weil das, was Unruhe verursachen könnte, schon verpflichtet worden ist, stille zu schweigen. Da kommt eine selige Zufriedenheit; wir brauchen nichts mehr; wir haben genug. „Der Herr ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen.“ Wenn ich ihn habe, so bleiben alle meine Wünsche zu Hause bei ihm. Lasst mich ihn nur besser kennen, und ich werde immer befriedigter werden von unaussprechlichen Schönheiten, von seinen unbeschreiblichen Vollkommenheiten.
Ich hoffe, ihr kennt diesen Frieden; und wenn ihr ihn kennt, so brauche ich euch nicht zu sagen, dass er Freiheit von allem, was der Verzagtheit gleicht, bedeutet. Die Seele kann sich. dem Misstrauen nicht hingeben, denn des Herrn Friede hält sie. Der Kompass an Bord eines eisernen Dampfers wird hoch hingestellt, damit er nicht so sehr vom Metall des Schiffes beeinflusst werde; obgleich umgeben von dem, was sie aus ihrem Platze rücken würde, bleibt die Nadel doch dem Pole treu, weil sie über den missleitenden Einfluss hinaus gestellt ist. So mit dem Kinde Gottes, wenn der Herr ihm Friede gegeben: es ist über die Herrschaft seiner traurigen: Umgebungen hinausgehoben und sein Herz ist von dem schmerzlichen Einfluss frei.
So werden wir vor aller Voreiligkeit bewahrt; in Gott ruhend, haben wir keine sündhafte Hast; wir können Gottes Zeit für unsere Befreiung erwarten, da wir wissen, dass Liebe in jeder Sekunde der Verzögerung ist. Wir schlagen nicht aus, wie der ungezähmte Stier gegen den Stachel ausschlägt, sondern wir gehen um. so eifriger in unsrer Furche weiter und arbeiten bis zum Ende, wo Gott zu unsrer Hilfe erscheint. So werden wir von den Versuchungen errettet, die mit unsern Prüfungen kommen. Wir haben das Schmelzen des Feuerofens ohne seinen Ruß. Wir ertragen den Schmerz, aber entgehen der Sünde, und dies ist Freude genug für einen Pilger in diesem Tränental.
Freunde, wer diesen Frieden hat, ist der reichste Mann in der Welt! Was sind große Ländereien, wenn du ein beunruhigtes Gemüt hast? Was sind Millionen Goldes, in der Bank aufgelegt, wenn du keinen Gott hast, zu dem du in der Stunde der Not gehen. kannst? Was wäre es, ein Fürst, ein König, ein Kaiser zu sein, wenn du keine Hoffnung für das Jenseits, keinen Schatz ewiger Liebe hättest? Ich beschwöre dich deshalb, diesen Frieden diesen völligen Frieden zu erlangen und zu bewahren.
II.
Möge der Herr mich stärken in dieser Zeit der Schmerzen1) und der Schwäche, während ich über eine andere Frage spreche. Wer allein kann uns diesen Frieden geben und ihn in uns bewahren? Die Antwort ist in den Worten des Liedes enthalten: „Du wirst ihn in völligem Frieden erhalten.“ Seht, es ist Gott selber, der uns diesen Frieden geben und uns darin erhalten kann. Die Antwort ist Eine und eine unteilbare. Ich weiß, während ich sprach, sagten Einige: „Der Pastor zeigt uns eine hohe Stufe des Lebens; wie können wir sie erreichen?“ Aber wenn der Friede Gottes Gabe ist, und wenn der Herr selbst uns darin bewahren wird, wie leicht können wir ihn erreichen, indem wir uns ganz in seine Hände geben. Nach Friede zu streben, ist harte Arbeit, denn gerade durch unser angstvolles Suchen verlieren wir seine Spur. Wie anders erscheint die Sache, wenn wir lesen: „Du wirst ihn in völligem Frieden erhalten!“
Wie erhält der Herr sein Volk in Frieden? Ich antworte: zuerst durch eine besondere Wirkung auf die Seele in den Leidenszeiten. Wir lesen im zwölften Verse: „Herr, du wirst Frieden für uns verordnen: denn du hast auch alle unsre Werke in uns gewirkt.“ Wenn dies so ist, können wir verstehen, wie der Herr Frieden in uns wirken kann unter allen andern Werken. Es gibt ein Wirken Gottes auf die Seele, ein geheimnisvolles und unergründliches, dessen Folgen offenbar genug sind; und unter diesen Folgen ist eine Ruhe des Herzens, eine Gelassenheit des Geistes, die nie auf andere Weise kommt. Der Schöpfer unsrer Seele weiß, wie er auf sie durch seinen hl. Geist zu wirken hat. Herz und Wille mag so frei sein, wie ihr wollt, dennoch hat der Herr Freiheit, darauf zu wirken. Wie wir die Saiten einer Harfe stimmen können, so kann der Herr die Saiten unseres Herzens zu fröhlicher Heiterkeit stimmen. Nicht nur durch das Wort Gottes und durch unsre Betrachtung, sondern durch seine eigne direkte Einwirkung kann der Herr Frieden schaffen auf dem vom Land umschlossenen Meer des menschlichen Geistes. Der Herr kann die Menschen erreichen und sie ohne äußere Mittel zu den höchsten Zwecken beeinflussen. Ich habe bemerkt, dass ich zuweilen, ganz abgesehen von den Gegenständen meines Nachdenkens, plötzlich besondere Ruhe und Frieden des Geistes direkt von Gott empfangen habe. Ich kann mich solcher Gelegenheiten erinnern, wo ich durch stürmische Wasser getrieben wurde; die Winde waren wild und meine kleine Barke war im einen Augenblick aus dem Wasser herausgehoben und im nächsten unter die Wellen gestoßen. Dann, in einem Nu war alles ruhig, wie ein Sommerabend, stille wie wenn das Schweigen des Sabbats auf eine Hütte in den einsamen Hochlanden fällt. Mein Herz war königlich erfreut, denn es war in völligen Frieden eingegangen. Ich denke, ihr müsst etwas derartiges bei euch selber wahrgenommen haben. Gewöhnlich, das geb' ich euch zu, werden wir in diesen Frieden durch Betrachtung der Verheißungen Gottes hineingeführt; aber zuweilen sind wir auch ohne dies, und ohne zu wissen warum und weshalb, plötzlich aus der Finsternis in das Licht hinein geglitten durch die besondere Wirkung des Geistes Gottes auf die Seele.
Aber gewöhnlich erhält der Herr sein Volk in völligem Frieden durch gewisse Betrachtungen, die seine unendliche Weisheit zu diesem Zwecke bestimmt hat. Wenn z. B. die Sünde vor der Seele steht, mag sie einen Menschen wohl beunruhigen, aber wenn er erwägen würde, dass Christus für unsere Sünden starb nach der Schrift, so hat er das vor sich, was die Unruhe stillt. Wenn er erwägt, dass der Herr Jesus durch seinen Tod Gott eine volle und genügende Versöhnung für alle Sünde seines gläubigen Volkes darbrachte, so wird der Mensch sogleich durch diese Erwägung in völligen Frieden geführt. Oder gesetzt, ein zeitliches Leiden bringt das Gemüt außer Fassung, der Geängstigte wendet sich zur Schrift und findet, dass die Trübsal nicht als gesetzliche Strafe gesandt, sondern nur als väterliche Liebeszüchtigung, dann ist die Bitterkeit derselben verschwunden. Lasst einen Menschen nur wissen, dass alle seine Leiden zu seinem Besten dienen, so ist jeder genügende Grund zur Unzufriedenheit hinweggenommen. Er nimmt wahr, dass Gutes in dem Bösen ist, was ihn umgibt; in der Tat, er bemerkt, dass der Herr überall tätig. ist, und deshalb nimmt er die Schickungen der Vorsehung ohne Misstrauen an, und sein Herz ist in Frieden. Verlass dich darauf, lieber Freund, wenn du auf und ab geworfen wirst wie die Heuschrecke, so wirst du nur Frieden finden, wenn du zu den Feldern der Schrift fliegst. In diesem Garten des Herrn blühen Blumen, die einen Balsam für jede Wunde des Herzens gewähren. Es war noch nie ein Schloss des Seelenleidens da, für das es nicht einen Schlüssel in dem Worte Gottes gab, der es öffnete. Für unsern Schmerz ist hier ein schmerzstillendes Mittel; für unsere Dunkelheit eine Lampe; für unsere Verlassenheit ein Freund. Es ist gleich dem Garten Eden: ein doppelter Fluss des Friedens gleitet hindurch. Wendet euch also zum Wort Gottes, zur Gemeinschaft mit seinem Volke, zum Gebet, zum Lobe des Herrn oder irgendeiner andern Form heiligen Dienstes, und Gott wird euch in völligem Frieden erhalten.
Ich glaube auch, dass der Herr sein Volk in Frieden hält durch besondere Wirkungen seiner Vorsehung. Wenn eines Mannes Wege dem Herrn wohlgefallen, so macht er selbst seine Feinde zufrieden mit ihm. Durch verborgenes Wirken kannst du, o Herr, die Gegner beruhigen, dass sie still wie ein Stein sind, bis dein Volk vorübergezogen ist. Wenn eine Schickung scheinbar gegen euch ist, wird eine andere kommen euch zu befreien. Des Herrn Gedanken über die Seinen sind Gedanken des Guten und nicht des Bösen; und sie werden sehen, dass es so ist. Entweder sollen die Leidenden einen Platz der Ruhe erreichen oder doppelte Kraft soll ihnen für die doppelte Prüfung gegeben werden. Gott wird in seiner Vorsehung keinen Krieg gegen sein eigenes Kind zulassen, alles muss dort für dich sein. Wenn du Gottes Jona bist und ins Meer geworfen wirst, so muss ein Walfisch dich bedienen; und wenn du Gottes Knecht bist und in den tiefsten Kerker Ägyptens gebracht wirst, so muss Pharao selber nach dir senden und dich herausholen, um dich auf einen Thron zu setzen. Hebt eure Augen auf, o ihr, die ihr in der Asche sitzt mit eurer täglichen Sorge! Kriecht nicht länger im Staube! Der Herr ist euer König; nichts kann euren Frieden stören. Der Schöpfer jener Sterne und Wolken, der Herr des Universums, der Beherrscher der ganzen. Natur: denkst du, dass er dir nicht schleunigst Befreiung schicken kann? Alle diese Zeiten hindurch hat er dich geliebt; kannst du ihm misstrauen? Weißt du nicht, dass er die Sperlinge ernährt, ja, und die Fische des Meeres und die Myriaden der lebendigen Geschöpfe, die nur sein Auge sehen kann? Es gibt keine Grenzen für seine Vorräte und keine Schranken für seine Macht. Kannst du ihm nicht vertrauen, dass er dir durchhelfen und dir Ruhe geben wird? So, seht ihr, kommt unser Friede von Gott in der einen oder andern Weise, und ich bitte euch deshalb umso ernstlicher, niemals Frieden anderswo zu suchen. Sucht nicht Frieden, indem ihr betet, dass euch kein Leiden treffen möge. Ihr könnt gerade ebenso glücklich in der Trübsal sein, als ohne sie, wenn der Herr mit euch ist. Sucht nicht Frieden durch Streben nach Härte des Herzens und Gleichgültigkeit des Sinnes. Nein, wenn ihr Leiden habt, so sollt ihr es fühlen, Gottes Absicht ist dies; und ihr müsst lernen, es zu fühlen und doch in vollem Frieden zu sein. Bildet euch nicht ein, ihr könntet Frieden erlangen durch Philosophie oder durch Betrachtungen, die aus der Vernunft hergeleitet sind, oder durch Kenntnis, die aus der Erfahrung gewonnen ist. Es ist nur Ein Brunnen da, aus dem ihr die süßen Wasser vollkommenen Friedens schöpfen könnt, und der hat an seinem Rande die liebliche Inschrift: - „Du wirst ihn in völligem Frieden erhalten, o Jehovah.“ Solcher Friede, wie Gott ihn gibt, macht uns Gott ähnlich, er füllt uns mit seiner Liebe, er lässt uns in Übereinstimmung mit seiner Heiligkeit handeln, er bereitet uns vor für seinen Palast, wo ewiger Friede jedes Zimmer durchduftet und das ganze Gebäude mit Herrlichkeit bedeckt.
III.
Ich habe eine andere Frage diesen Morgen zu beantworten und die ist „Wer wird diesen Frieden erlangen?“ Du wirst ihn in völligem Frieden erhalten, des Herz sich stützet auf dich.“ Das Hebräische ist sehr in einander geschoben und schwer zu. verstehen, aber wir werden nicht irren, wenn wir dem Spruch gestatten, uns zu lehren dass unser ganzes Wesen sich auf Gott stützt bei diesem Frieden. Das Wort für „Herz“ ist sehr unbestimmt, aber es muss unsere Gedanken einschließen. Wenn eure Gedanken sich auf Gott stützen, so werdet ihr vollkommenen Frieden haben: unser Elend kommt von irregegangenen, herumschweifenden, unsteten Gedanken. Wenn ihr an nichts denken wollt, ausgenommen in Verbindung mit Gott, wenn ihr an eure Sünden nur denken wollt in Verbindung mit einem barmherzigen Gott, wenn ihr an eure Trübsale nur denken wollt in Verbindung mit einem treuen Gott, wenn ihr euch den Herrn allezeit vor Augen stellen wollt, so dass er zu eurer Rechten ist, dann werdet ihr nicht. bewegt werden; aber ihr könnt sicherlich nicht in vollem Frieden sein, bis jeder Gedanke gefangen gehalten wird und lernt, sich auf ihn zu stützen. Der Ausdruck im Hebräischen schließt die Einbildungskraft ein. Die Einbildungen sind sehr unbezähmbare, wilde Bestien und verursachen ungemein viel Schrecken in furchtsamen Seelen. O, dass wir Gnade hätten, die Einbildungskraft in des Herrn eigenem Käfig zu befestigen. Wir müssen uns nichts für möglich einbilden, wodurch der Herr als unfreundlich oder unwahr erscheinen würde. Betet, dass eure Einbildungskraft sich auf Gott stützen möge, dass ihr euch niemals wieder etwas einbildet, was der Gnade, Güte und Liebe eures himmlischen Vaters widerspricht. Welcher Friede würde herrschen, wenn dies der Fall wäre! Ich denke, unser Text schließt besonders die Wünsche ein. Wünsche sind sehr gierige Dinge. Es ist ganz unmöglich, das Herz eines Weltmenschen zu befriedigen: wenn er alles hätte, was er jetzt wünscht, so würde er sicherlich seine Wünsche weit machen wie die Hölle, und noch mehr verlangen. Aber du, lieber Freund, musst deine Wünsche auf die eine oder die andere Schranke stützen, und was ist passender als sie auf Gott zu stützen? Sprich: „Ich will nichts, als was Gott mir geben will; ich wünsche nichts zu haben, als das, was ihm zu seiner Ehre und zu meinem Nutzen nötig däucht.“ Wenn du einmal auf diesen Punkt gelangt bist, wenn deine Einbildungen und Wünsche alle ihr Zelt aufschlagen innerhalb des Bereichs Gottes selber, der dein himmlisches Teil ist, dann wirst du in völligem Frieden erhalten werden.
Was ist mehr mit dem Stützen gemeint? Meint es nicht ruhen? Wenn deine Gedanken gemächlich und gelassen ruhen in dem geoffenbarten Willen Gottes, das heißt sich auf Gott stützen. Wenn deine Wünsche erfüllt sind und nicht länger ihren gierigen Mund nach mehr öffnen, weil Gott sie erfüllt hat, das heißt sich stützen.
Heißt es nicht auch verweilen? Wenn unser Herz sich auf Gott stützt, so verweilen wir eben bei ihm; wir nehmen uns nicht vor, weiter zu gehen; wir wünschen nicht, vorwärts zu eilen, dem Wege voraus, den Gott führt. Unser Herz ist gewurzelt und gegründet in des großen Vaters Liebe, und deshalb stützen wir unsere Seele auf ihn.
Stützen bedeutet aufrechthalten. Wir sprechen von einer Stütze und einer Hauptstütze; es ist etwas, von dem wir abhängen. Jemand ist die Stütze des Hauses der Haupt-Erhalter und Träger desselben. Seht also, was es bedeutet, eure Seelen auf Gott zu stützen, und traget Sorge, dass ihr es täglich tut. Einige stützen sich auf einen Freund, andere stützen sich auf ihre eigene Fähigkeit, aber gesegnet ist der Mann, der sich auf Gott stützet. Wir sollen kein Vertrauen haben, ausgenommen auf den allmächtigen Arm; unsere Zuversicht muss auf diesen allein gestellt sein. Wenn wir in unserem Gott leben, in ihm uns bewegen und unser Dasein haben, so ist dies der höchste Zustand eines Geschöpfes. O, dass wir bis aufs Äußerste fühlten, dass wir ganz des Herrn sind, und dass, ob sein Wille uns Freud oder Leid bestimmt, wir gleichmäßig zufrieden sein werden, weil wir dahin gekommen sind, uns auf seinen Willen niederzulegen und nicht weiter zu gehen. Ich liebe gelassene Personen - man weiß, was sie sind und wo sie sind. Sie werden nicht leicht in Verwirrung gebracht und verlassen nicht leicht eine Sache, der sie sich einmal angeschlossen haben. Wer sich auf Gott verlässt, ist der gelassenste Mensch in der Welt; er ist beständig, fest, gesetzt und kann nicht von der seligen Hoffnung des Evangeliums abgewendet werden. Wer sich völlig stützt, ist der Mann, der völligen Frieden haben soll. O, wohin wollt ihr gehen, ihr Unentschiedenen? O, wohin wollt ihr, arme Herzen? Wollt ihr über jeden Berg wandern? Wollt ihr nie bei Gott eine Stätte suchen und ruhig in ihm wohnen? Seid dessen ganz versichert, eure Seelen sind im Flug begriffen und müssen hin und her fliegen auf ewig, wenn sie nicht die Kühnheit haben, sich auf den Herrn, ihren Gott niederzulassen. In Gott ist Ruhe, aber in keinem andern. Erde und Himmel, Zeit und Ewigkeit können einem niedergeschlagenen Gemüt keinen Frieden geben, aber ein Wort vom Herrn verleiht ihn unwiderruflich.
Bemerkt, es heißt „stützt auf dich“. Verweilt mit Nachdruck hierbei, denn es gibt viele Arten von Stützen, aber ihr müsst im Gedächtnis behalten, dass ihr euch nur auf Gott stützen müsst; auf euren himmlischen Vater, der euch kein Gutes vorenthalten wird; auf euren göttlichen Heiland, der zur Rechten Gottes für euch bittet; auf den heiligen Geist, der in euch wohnt; auf den dreieinigen Gott, der gesagt hat, „Ich will dich nicht verlassen, noch versäumen.“
Nun möchte ich, anstatt noch weiter davon zu reden, lieber, dass ein Jeder von uns, wenn Gott der Heilige Geist uns helfen wollte, jetzt alle seine Sorgen auf den Herrn würfe. Lasst uns uns selber und alles, was wir sind und alles, was wir haben und alles, was wir zu tun haben und alles, was wir zu leiden haben der Obhut unseres liebevollen Gottes übergeben und alle unsere Sorge auf ihn werfen, denn er sorgt für uns. Hier sind wir in Gott und hier meinen wir zu bleiben. Wir klagen nicht um die Gnade von gestern und seufzen nicht um die Gnade für morgen. Wir bleiben, wo wir sind daheim bei Gott. Unser Anker ist niedergelassen und wir haben nicht die Absicht, ihn wiederum aufzuziehen. Mein Herz ist fest, o Gott, mein Herz ist fest: ich will singen und loben.“ Ps. 57, 8. „O“, sagt jemand, „du kennst nicht mein Leiden!“ Nein, aber ich erinnere mich der Geschichte von einem armen Methodisten in der Schlacht bei Fontenay. Beide Beine waren ihm abgeschossen, und als der Arzt kam, ihn zu verbinden, war er augenscheinlich nahe daran, zu verbluten, aber er rief aus: „Ich bin so glücklich, wie ich außerhalb des Paradieses nur sein kann!“ Nun, wenn er noch in der Todesstunde und leidend, wie er war, von Glück überströmen konnte, gewiss, dann könnt ihr und ich uns in vollkommenem Frieden freuen. Ich möchte, ihr wäret alle wie Dr. Watts, der sagte, dass er schon seit vielen Jahren abends zu Bette ginge ohne die geringste Kümmernis darum, ob er in dieser Welt aufwachen würde oder in jener. Auf Gottes Wort ruhen, in Gottes Bund sich freuen, auf das göttliche Opfer vertrauen, in Gottes Willen ergeben sein, an Gott selbst unsre Wonne haben, das heißt, uns auf Gott stützen, und die Folge davon ist vollkommener Friede.
IV.
Warum will der Herr den Mann in völligem Frieden erhalten, der sich auf ihn stützt? Die Antwort ist: „Denn er traut auf dich.“ Liebe Freunde, damit ist sicherlich gemeint, dass in dem Glauben etwas liegt, was Frieden schafft und nährt. In allen andern Versuchen, vor Gott zu leben, ist etwas, was Unruhe erzeugt; aber wer glaubt, soll ruhen. Der Glaube legt eine kühle Hand auf eine brennende Stirn und nimmt das Fieber des mit Furcht erfüllten Herzens hinweg. Der Glaube hat eine Silberstimme, womit er flüstert: „Friede, sei still!“ Nichts kann so viel zu einem ruhigen Leben beitragen, als ein festes, unerschütterliches Vertrauen auf die Treue der Verheißung Gottes und auf die Tatsache, dass er im Stande ist, das zu tun, was er verheißen hat.
Ferner bedeutet der Text dies: wenn ein Mann sich auf Gott stützt, so ist es nicht nur sein Glaube, der ihm Frieden bringt, sondern sein Glaube wird auch durch Frieden belohnt, den ihm der Herr als Zeichen des Beifalls gibt. Eine Art von Zucht geht in unseres himmlischen Vaters Familie vor sich, nicht Strafe, wie der Richter sie Verbrechern zuerkennt, sondern so wie Väter sie ihren Kindern erteilen. Hierdurch werden wir erzogen für die vielen Wohnungen in des Vaters Hause droben. Wenn wir uns auf Gott stützen wollen, so werden wir Frieden haben; wenn wir es nicht wollen, so werden wir keine Ruhe haben, sondern in schwerer Unruhe sein. „Euer Herz erschrecke nicht. Glaubt ihr an Gott, so glaubt ihr auch an mich.“ Der Druck des Leidens kommt mit der Abnahme des Glaubens. Wenn du mehr Glauben hast, so macht dich das nicht reicher, aber du wirst deine Armut nicht so schmerzlich fühlen. Wenn du mehr Glauben hast, so mag dies deinen Körper nicht gesunder machen, aber du wirst dich wegen deiner Krankheit nicht ängstigen, wenn du mehr Glauben hast, so wird dir dies deine Begrabenen nicht zurückgeben, aber es wird dein Herz mit einer noch höheren Liebe erfüllen. Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt“, und Friede, Friede ist unter diesen Möglichkeiten; aber wenn du nicht glauben willst, so sollst du auch nicht feste stehen, dein Unglaube soll eine Rute für deinen eigenen Rücken sein, ein bitterer Trank für deinen eigenen Becher. Wenn du nicht deinem Gott trauen willst, sollst du in ein ödes Land wandern, Ruhe suchen und keine finden. Kommt, Brüder und Schwestern, lasst uns vor einem solchen Geschicke fliehen und vollen Frieden gewinnen als Lohn für volles Vertrauen.
Ich denke, dieser Frieden kommt aus dem Glauben, weil der Glaube sich durch ihn ankündigt. Wenn Gott dir vollkommenen Frieden gibt, so hast du nicht nötig, wenn du heimgehst, deinen Freunden zuzurufen: „Ich bin ein Gläubiger!“ Sie werden dies bald sehen. Du hast jemand verloren, der dir sehr teuer war, und anstatt dich zu härmen und zu grämen, küsst du die Hand Gottes und gehst mit Geduld an deine täglichen Pflichten. Das ist eine sehr wunderbare, durch den Glauben gewirkte Frucht des Geistes, und so wird der Glaube gesehen. Ein Mann hat durch Feuer oder sonst wie Verlust erlitten und die Annehmlichkeit des Lebens ist für ihn dahin. Wenn er ein Ungläubiger ist, so wundern wir uns nicht, dass er sich die Haare ausrauft und Gott flucht, rast und wütet. Aber wenn er sich auf Gott stützt, wird er in Frieden sein und sprechen: „Der Herr hat es getan. Es ist der Herr, er tue, was ihm wohlgefällt.“ Hierbei wird man erkennen, dass ihr die Jünger Christi seid, wenn ihr eure Seelen in Geduld fasset. Glaube, der nur wirksam ist, wenn alles gut geht, ist das falsche Scheinbild eines Glaubens; die Liebe, die Gott lobt, wenn er dir nach deinem Wunsche gibt, ist nicht mehr als die Liebe einiger Hunde für ihre Herren, die sich nur so viel um sie kümmern wie um die Anzahl der Brocken. Willst du eine solche Brotkorbliebe wie diese? Es wäre viel besser, dahin zu kommen, dass du sprächst: „Ob er mich auch tötete, so will ich doch auf ihn trauen.“ Wenn du diesen Glauben in dir hast, dann soll dein Frieden wie ein Strom sein. Der Friede Gottes, der höher ist denn alle Vernunft, soll dein Herz und deine Sinne bewahren in Christo Jesu.
Es liegt mir sehr am Herzen indem ich euch verlasse, liebe Freunde, dass ihr recht nach dem Besitz dieses Friedens streben möchtet. Es ist eine Art der Ausbreitung des Evangeliums, die nie zu verachten ist. Eine Menge Leute sind bekehrt worden dadurch, dass sie die heilige Geduld des Volkes Gottes sahen; die hat Eindruck auf sie gemacht und sie haben gesagt: „Es muss etwas in einer Religion sein, die einen solchen Frieden geben kann.“ Wenn ihr euch grämt und quält, so vernichtet ihr das Werk eures Predigers. Wenn die Kinder Gottes so ungemein beunruhigt sind; wenn sie das Leben für eine Bürde halten, weil die Sachen nicht so stehen, wie sie es wünschen, so verleumden sie in Wahrheit ihren himmlischen Vater und halten die Verirrten ab, zurück zu kommen. Die Unbekehrten sagen: „Warum sollten wir zu Gott gehen, um elend gemacht zu werden?“ O, ihr Verbannten, seid froh! O, ihr Leidenden, freut euch! Obgleich ihr jetzt eine kleine Zeit (wo es sein soll) traurig seid in mancherlei Anfechtungen, hebt eure Häupter auf, denn eure Erlösung ist nahe. In kurzer Zeit sollst du die Kleider deiner Herrlichkeit und Schönheit anziehen und die Trauergewänder sollen bei Seite gelegt werden. Deshalb sei ein Mann; besser noch, sei ein Christ und lass alle Menschen wissen, dass da, wo Gott ist und wo der Herr das Herz regiert, ein tiefer, stiller Friede ist und sein muss. Möge Gott euch segnen um Jesu Christi willen. Amen.