Heliand - 43 - Einzug in Jerusalem.

Heliand - 43 - Einzug in Jerusalem.

Da nahte nun der Nothhelfer Christ,
Der gute, Jerusalem. Entgegen gieng ihm
Viel williges Volk und wohlgesinntes.
Die empfiengen ihn festlich und bestreuten vor ihm
Den Weg mit Gewändern und würzigen Kräutern,
Blumen und Blüthen und der Bäume Zweigen,
Mit Palmen das Feld, wohin seine Fahrt gieng,
Als jetzt der Gottessohn einzugehn gedachte
Zu der weltkunden Burg. Ihn umwogte die Menge
Der Leute mit Lüsten, und Lobgesang erhob
Die freudige Menge, den Fürsten verherlichend
Daß er selber gekommen war, der Sohn Davids,
Sein Volk zu erfreuen. Da sah der waltende Fürst
Dort zu Jerusalem, der Guten Bester,
Den Burgwall blinken und der Juden Gebäude,
Die hohen Hornsäle, und das Haus Gottes,
Der Weihthümer wonnigstes. Da wallt' ihm bewegt
Das Herz in der Brust, das heilige Gotteskind mochte
Dem Weinen nicht wehren; viel Worte sprach er
Schmerzlich betrübt und mit schwerem Herzen:
„Weh ward dir Jerusalem, daß du in Wahrheit nicht weist
Die Wehgeschicke, die dir noch werden sollen!
Wie du noch umstellt wirst mit Heeresstärke,
Dich umlagern werden arglistige Männer,
Feindliche Völker; dann findest du nirgens Frieden,
Schutz noch Hülfe. Sie schwingen wider dich viel
Schwerter und Schneiden, schwere Kriegsworte
Verfehmen dein Volk, Feuers Flammen
Verwüsten deine Wohnungen, die hohen Wälle
Fällen sie zu Boden. Kein Fels bleibt dann,
Kein Stein auf dem andern: die Stätte wird wüst
Um Jerusalem den Judenleuten,
Weil sie nicht erkennen, daß ihnen gekommen sei
Die Zeit ihrer Zeiten, denn sie zweifeln noch,
Wißen nicht, daß sie heimsucht des Waltenden Kraft.“

Mit der Menge gieng dann der Männer Fürst
In die prächtige Burg. Als der Geborne Gottes
In Jerusalem mit der gaffenden Menge
Und den Begleitern einzog, da ward der Sänge gröster
In hellen Stimmen erhoben: mit heiligen Worten
Lobte den Landeswart der Leute Menge,
Der Gebornen Besten. Die Burg kam in Aufruhr,
Das Volk war in Furchten, und fragt' alsbald
Wer es wär, der da käme mit kräftiger Schar,
Mit der mächtigen Menge. Da gab ein Mann zur Antwort
Daß da Jesus Christ von Galiläaland,
Von Nazarethburg, der Nothhelfer käme,
Der weise Wahrsager, zu wenden die Noth.
Das schuf den Juden, die ihm gram waren längst,
Abhold im Herzen, Harm im Gemüthe,
Daß ihm so Leute so lauten Lobgesang erhoben
Den Herrn zu verherlichen. Da huben Thoren an,
Die ihre Worte wandten zu dem waltenden Christ,
Er sollte dem Geleite doch Schweigen auferlegen,
Die Leute hindern, daß sie ihm Lobs soviel
Im Gesange spendeten, „ihr Geschrei beschwert
Die Burgleute.“ Der Geborne Gottes sprach:
„Hindert ihr hier die Heldenkinder,
Daß sie des Waltenden Kraft mit Worten verherlichen,
So werden die Steine ihre Stimme erheben,
Die festen Felsen vor dem Volke hier,
Eh es unterbliebe, daß ihm Lob gesungen sei
Weit über die Welt.“

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