Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von der Eitelkeit der Welt.
Das Ewige ist vorzüglicher als das Vergängliche.
O Seele, liebe du das nicht, was in der Welt ist. Die Welt wird vergehen 1 Joh. 2,17. 1 Kor. 7,31, und alles, was in ihr ist, wird verbrennen 2 Petr. 3,10: wo wird also dann deine Liebe sein? Liebe das ewige Gut, auf dass du ewig leben kannst. Alle Kreatur ist der Eitelkeit unterworfen Röm. 8,20. Wer mit Liebe an den Kreaturen hängt, der wird auch selbst eitel werden. Liebe das wahre und beständige Gut, auf dass dein Herz beständig und ruhig werde.
Was hast du Freude an weltlicher Ehre? Wer Ehre bei Menschen sucht, der kann die Ehre, die von Gott allein ist, nicht erlangen Joh. 5,44. Wer weltliche Ehre sucht, der wird genötigt, sich der Welt anzubequemen. Wer der Welt gefällt, kann Gott nicht gefallen Gal. 1,10. Vergänglich und unbeständig ist alles, was von Vergänglichem und Unbeständigem herkommt, daher kann die weltliche Ehre nicht beständig sein. Der heute mit dem höchsten Ruhm bis zum Himmel erhoben worden ist, der wird oftmals morgen mit der größten Schmach überschüttet. Sehne dich, Gott zu gefallen, damit du von Gott geehrt werdest; die göttliche Ehre ist wahr und beständig. Was ist ein Mensch darum besser, weil er von einem Menschen höher geachtet wird? Wie viel ein jeder in Gottes Augen ist, so viel ist er, und mehr nicht. Christus entwich, da sie ihn wollten zum König machen Joh. 6,15. Da sie zu Beschimpfungen und zu dem schmachvollen Kreuzestod ihn führten, bot er sich freiwillig dar. Darum mache dir mehr die Schmach als der Ruhm der Welt Freude, auf dass du Christo ähnlich werdest. Wer um Christi willen die weltliche Ehre nicht verachtet, wie würde der für ihn sein Leben opfern? Zum wahren Ruhm gibt's keinen anderen Weg, als den der Verachtung der weltlichen Ehre, wie Christus durch die Schmach des Kreuzes zu seiner Herrlichkeit eingegangen ist Luk. 24,26. Begehre darum mit Freuden verachtet, für nichts gehalten, verworfen zu werden in dieser Welt, damit du in der künftigen mit Ehren gekrönt wirst. Was von der weltlichen Ehre zu halten ist, das hat Christus uns durch sein Leben gezeigt: Ihm dient alle Herrlichkeit des Himmels, ja er ist selbst die wahre Herrlichkeit, aber er verschmäht gewissermaßen die Herrlichkeit. Je mehr einer geehrt wird und je reicher er ist an leiblichen Tröstungen, um so tiefer und gründlicher muss er sich betrüben, weil er steht, dass er um so ferner ist von der Ähnlichkeit Christi. Menschliche Lobeserhebung ist nichtig, wenn im Inneren er nichts desto weniger von innerer Glut gequält wird? Wahre Ehre und wahres Lob ist das Zeugnis deines Gewissens. Niemand ist ein geeigneterer Richter deiner Taten als Gott und dein Gewissen. Sehne dich, dass vor diesem Gericht deine Taten bestehen. Ist's nicht genug, wenn du dir und, was das Größte ist, Gott bekannt bist?
Was aber verlangst du so heftig nach Reichtum? Der ist über die Maßen geizig, der sich nicht genügen lässt an dem Herrn. Dieses Leben ist der Weg zum ewigen Vaterland: was nützen also große Schätze? Sie beschweren mehr den Wanderer, wie große Lasten das Schiff. Der Schatz der Knechte Gottes ist Christus, der König des Himmels. Der wahre Schatz des Menschen muss in ihm, nicht außer ihm sein. Der wahre Schatz ist der, den du zu jenem allgemeinen Gericht wirst mit dir nehmen können: alle jene äußeren Güter aber werden uns entrissen im Tod. Alles, was gesammelt ist, geht unter, aber noch elender geht der unter, der es gesammelt hat Luk. 12,20. Arm bist du in die Welt gekommen, arm wirst du aus ihr scheiden Hiob 1,21. 1 Tim. 6,7; weshalb müsste die Mitte vom Anfang und Ende sich unterscheiden? Der Reichtum muss dem Nutzen dienen; und wie wenig wird dazu hinreichen! Die geringste Gabe der Gnade und der Tugenden ist köstlicher als aller irdischer Reichtum. Warum? Weil die Tugend Gott gefällt, der Reichtum nur durch die Tugend. Christi Armut muss uns lieber sein als der Reichtum der ganzen Welt: in Christo ist die Armut geheiligt. Er war arm bei der Geburt, ärmer im Leben, am ärmsten im Tod. Was zweifelst du, die Armut dem Reichtum der Welt vorzuziehen, da Christus sie dem Reichtum des himmlischen Reichs vorgezogen hat? Wie wird der Gott seine Seele befehlen, welcher ihm die Sorge des Fleisches nicht befiehlt? Wie wird der sein Leben für den Bruder lassen, der zu dessen Nutzen seines Reichtums sich nicht entäußert? Der Reichtum verursacht Mühe im Erwerb, Furcht im Besitz, Schmerz im Verlust und, was mehr zu beklagen ist, die Mühe der Geizigen ist nicht nur vergänglich, sondern auch entscheidend, wie Bernhardus lehrt. Deine Liebe ist dein Gott: wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz Matth. 6,21. Wer den leiblichen, weltlichen, vergänglichen Reichtum liebt, der kann den geistlichen, himmlischen, ewigen Reichtum nicht lieben. Warum? Weil jener das Herz des Menschen niederdrückt und niederwärts zieht, dieser aber nach oben es richtet. Die Liebe zu den irdischen Dingen ist die Mutter der geistlichen Strafen, hat einer (Augustinus) der wahren Liebhaber Christi gesagt. Lots Weib, die zur Salzsäule wurde 1 Mos. 19,26, wird uns heute noch gepredigt, dass wir nicht hinter uns sehen auf das, was in der Welt ist, sondern gerades Weges nach dem himmlischen Vaterland streben. Die Apostel verließen alles, und folgten Christo nach Matth. 4,22. Warum? Weil die Erkenntnis des wahren Reichtums das Verlangen nach dem fälschlich sogenannten Reichtum aufhebt. Das Fleisch ist dem unschmackhaft geworden, der den Geist geschmeckt hat: wem Christus in Wahrheit lieb geworden ist, dem ist die Welt bitter.
Was verlangst du so heftig nach Ergötzungen? Das Andenken an den Gekreuzigten kreuzige in dir jedes Verlangen nach Ergötzung. Das Andenken an die Glut der Hölle ersticke in dir die Glut der unreinen Lust. Vergleiche den so kurzen Augenblick der sinnlichen Ergötzung mit den ewigen Strafen. Tierisch sind die Ergötzungen, und den Tieren machen sie uns ähnlich. Der schmeckt nichts von der Süßigkeit des Himmlischen Reiches, der sich täglich sättigt mit dem Futter der Säue. Lasst uns alle Ergötzungen der Sinne töten und mit Abraham 1 Mos. 22 im geistlichen Opfer Gott jenen geliebten Sohn, das ist, die Begierden unseres Herzens darbringen, indem wir freiwillig auf alle Ergötzungen verzichten und die Bitterkeit des Kreuzes freudig auf uns nehmen. Der Weg zum Himmelreich ist nicht eben und mit Rosen bestreut, sondern rau und mit Dornen reich besetzt. Der äußere Mensch nimmt zu durch Ergötzungen, der innere durchs Kreuz und durch Anfechtungen; in dem Maß wie der äußere zunimmt, nimmt der innere ab. Dem Körper dienen die Ergötzungen, aber die wahrhaft Frommen sorgen an wenigsten für den Leib, am meisten für die Seele. Die Ergötzungen nehmen unser Herz gefangen, dass es nicht frei ist in der Liebe zu Gott. Nicht die Ergötzungen, sondern die Verachtung der Ergötzungen wirst du im Tod mit dir nehmen und vor das Gericht bringen. Die Furcht Gottes töte darum dein Fleisch, damit die Liebe des Fleisches dich nicht betrüge. Dem Geiste lass fortan das Andenken an das göttliche Gericht vorschweben, damit das verkehrte Urteil der sinnlichen Lust dich nicht gefangen nehme. Siehe das gleißende Antlitz der Schlange nicht an, sondern denke an den zuletzt heftig verwundenden Schwanz derselben. Siege durch Christi Gnade, damit du zuletzt von Christo als Sieger gekrönt werdest.