Flügge, Carl August - Der Himmel und all sein Heer
Wir sehen von der Schöpfung nur die veränderliche und vergängliche Außenseite. In das Innere der Natur vermögen wir nicht zu dringen. Das unsichtbare Reich der Himmel, die wahre Welt, die Welt des Geistes und die Geisterwelt, die waltenden „Engel“, die treibenden „Gewalten“ und geheimnisvollen „Kräfte“ können wir durch die Schrift und an ihren Wirkungen nur ahnungsweise kennen lernen.
(1. Pet. 3,22; Röm. 8, 38; Kol. 1,16; 2,10; 2. Kor. 4,18)
Fast scheint es, als sei die Erde mit allem, was dazu gehört, der im Irdischen erstarrte Schatten des Himmels mit all seinem Heer. Ob bloß die Stiftshütte und der Tempel mit allen Einzelheiten ein Abbild des oberen Urbildes ist? Oder ist alles Sichtbare ein Gleichnis und „Schatten des Himmlischen“, wie es Heb. 8,5 heißt?
(2. Mose 25,9.40; Apg. 7,44)
Einst werden wir das Wesen sehen, wenn wir erkennen, wie wir erkannt sind; jetzt aber sehen wir zumeist nur die Schatten, durch einen Spiegel oft nur das Bild des Bildes.
(1. Kor. 13,12; Heb. 10,1; Kol. 2,17; 2. Kor. 4,18; 5,7; Heb. 11,1)
Wie der irdische Tempel eine Abschattung der heiligen Wohnung Gottes im Himmel ist
(Ps. 2,4; 3,5; 11,4; 18,7; 29,9; 103,19; 1. Kön. 8,30.32.39.43.49)
so stehen die Führungen und Gerichte Gottes in engem Zusammenhange mit den entsprechenden Vorgängen in der höheren Geisterwelt.
Wenn wir nun im folgenden einige schriftgemäße Andeutungen geben, so wollen wir doch auch sagen, daß wir nur wenig wissen von der himmlischen Hierarchie der starken Helden, der Engel seiner Kraft, nur wenig vom jenseitigen Leben dieser Elohimssöhne, den Engeln und Erzengeln, mit ihren vornehmeren und vornehmsten Fürsten; wir hören nur wenig von den „Beschlüssen im Rate der Wächter“ und können das „Gespräch der Heiligen“ nicht belauschen, wenn sie über uns Menschen, über irdische Könige und deren Reiche „beratschlagen“ (Dan. 4,14). Es mutet uns geheimnisvoll an, wenn wir von den Kämpfen in der Geisterwelt lesen (Dan. 10,13.20; Jud. 9; Off. 12,7), und wir merken, daß noch viel Dinge geschehen zwischen Himmel und Erde, von denen sich unsere Schulweisheit nichts träumen läßt.
Die sieben Geister Gottes
Johannes sah durch eine aufgetane Tür im Himmel Gottes Thron. „Und auf dem Stuhle saß einer.“ (Off. 4,1-5). Und in oder zwischen dem Thron - nicht vor ihm - „stand ein Lamm, wie es erwürgt wäre“, und das Lamm „hatte die sieben Geister Gottes.“ (Off. 5,6). Das sind unmöglich sieben Engelfürsten; denn vor dem Einen, dem Alten, wie ihn Daniel nennt zum Unterschied vom Menschensohn (Dan. 7,9.13.22), und dem Lamm mit den sieben Geistern fällt alles himmlische Heer nieder, „die vier lebendigen Wesen und die vierundzwanzig Ältesten und die viel tausendmal tausend Engel um den Stuhl und alle andere Kreatur, die im Himmel ist, … sprachen: Dem, der auf dem Stuhl sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre … „ (Off. 5, 8-14).
So kann der ganze Himmel doch nur den dreieinigen Gott ehren, und Johannes, der seinen Lesern Gnade und Frieden wünscht von dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umspannenden Jehovagott der Heilsoffenbarung und von Jesu Christo und „den sieben Geistern, die da sind vor Seinem Stuhl“ (Off. 1,4.5), kann hiermit auch nicht geschaffene Wesen meinen, sondern nur den Heiligen Geist in der siebenfachen Mannigfaltigkeit Seiner Wirkungen (Sach. 3,9; 4,2.6.10).
Die Cherubim
Mitten am Stuhl und um den Stuhl waren vier Lebewesen, das sind die Cherubim, die stets die Gegenwart Gottes anzeigen im Paradies wie im Heiligtum des irdischen und himmlischen Tempels. Wo sie sind, ist Gott gegenwärtig; ihr Hüter- und Wächteramt steht im Dienste der Unschaubarkeit und Unnahbarkeit des Heiligen Israels; sie sind die lebendigen Träger des in Seiner Herrlichkeit erscheinenden Gottes.
(1. Mose 3,24; Ps. 18,11; Hes. 1,19; 10,16; 11,22; 2. Mose 19,9.16; 24,15; 26,1.31; 36, 8.35; 1. Kön. 6,23.29.32.35; 8,6; 2. Chr. 3,7.10.14; 5,7).
Die Engel erscheinen immer ohne Flügel in Menschengestalt, die Cherubim sind immer und überall geflügelte Wesen. „Es ist nicht zu verwundern“, sagt v. Meyer, „daß man vielerlei aus ihnen gemacht hat, denn sie sind vielerlei: eine wandelnde Hieroglyphe, bald zwei, bald vier, bald aus zweien oder vieren in eins verbunden.“ Die Tiergestalt dieser Engeltiere, meint er, drücke ihre tiefe Untertänigkeit gegen den Allmächtigen aus, nach dem Verhältnis des Tieres zum Menschen.
Ein jüdisches Sprichwort lautet: „Viere sind die Höchsten der Welt; der Löwe unter dem Wild, der Stier unter dem Zahnvieh, der Adler unter den Vögeln, der Mensch unter allen; aber Gott ist der Allerhöchste.“ Sie sind das Vollendetste der ganzen Schöpfung, die alle kreatürliche Vollkommenheit in sich zusammenfassenden Urbilder; die erhabenste Art der geschaffenen Wesen, die die Herrlichkeit des Universums in sich fassen und in Gottes unmittelbarer Nähe Seine vollkommensten Offenbarungen empfangen.
( Off. 4,6-9; 5,6-14; 6,1-7; 7,11; 14,3; 15,7; 19,4)
Die Schrift sagt nirgendwo, daß die Cherubim und Seraphim Engel sind oder daß gar, wie manche meinen, alle Engel entweder Cherubim oder Seraphim seien. Wäre das der Fall, dann müßten wir unsere Vorstellungen von der Gestalt der Engel nach Jes. 6,2 und Hes. 1 und 10 korrigieren.
Die Seraphim
Diese hohen, wie ihr Name anzeigt, erhabenen, in Heiligkeit, Eifer und Liebe brennenden Himmelswesen dürfen nicht mit den Engeln verwechselt werden. Nach Jes. 6,1-7 standen sie zunächst dem hocherhabenen Gottesthron in ehrfurchtsvoller Scheu vor der unschaubaren und unnahbaren Majestät.
( 2. Mose 3,6; 33,22; 1. Kön. 19,13; Hes. 1,11.23)
Sie verkündigen nicht nur mit lautem, alles erschütterndem Rufe Seine die ganze Erde erfüllende Herrlichkeit, sie wahren auch Seine Heiligkeit, indem sie Unreinheit aus seiner Nähe entfernen (Jes. 6,7).
Der Ratkreis der Heiligen
Nicht nur in den auf den ersten Seiten angeführten Stellen und wie vorstehend in Jes. 6,1ff., auch sonst noch finden wir oft in der Schrift Schilderung des oberen Heiligtums und eine Beschreibung der oberen Gemeinde.
(Ps. 148,2; 150,1; Micha 1,2; Hab. 2,20; Sach. 2,17; Jes. 63,15; Ps. 29,1.9)
Besonders Ps. 89, 6-8 wird dieser „Ratkreis der Heiligen“ geschildert. „Der Herr der Heerscharen, wunderbarlich über alle Söhne Gottes.“ Siehe auch Dan. 7,9.10, Hiob 1,6; 1. Kön. 22,19.
Die vierundzwanzig Ältesten
Manche wollen in diesen höchstbevorzugten Ratsleuten Gottes verklärte Menschen sehen; aber sollten es die zwölf Apostel sein, wo doch Johannes, der vornehmsten einer, sie zu seinen Lebzeiten um Gottes Thron sitzen sah? Und sind unter ihnen nicht die Apostel vertreten, könnten die anderen Zwölf dann die Patriarchen sein? Wer überhaupt von uns Menschen könnte es sein? Sind es Engelfürsten, die die Ratsversammlung Gottes bilden und die als Repräsentanten der Erlösten aus Israel und den Nationen (je zwölf und zwölf) die tiefsten Bedürfnisse der ganzen Menschenwelt fürsorgend bedenken und immer aufs neue vor den gnädigen, allmächtigen Gott bringen?
Diese „Obersten vor Gott, diese vierundzwanzig Obersten im Himmelsheiligtum“ sind „Seine Ältesten in der Herrlichkeit“ (Jes. 24,23) und entsprechen den von Gott verordneten Ältesten in Israel und sind das Urbild der „Obersten vor Gott“, der 1. Chr. 24,5 genannten Priesterfürsten.
(Off. 4,4.10; 5, 5-14; 7,13; 11,16; 14,3; 19,4)
Die sieben Thronengel
Die vierundzwanzig Ältesten sitzen um den Thron, die Engel, selbst die Erzengel, stehen. „Die sieben Engel, die vor Gott stehen“ (Off. 8,2), müssen unterschieden werden von den schon erwähnten „sieben Geistern Gottes“. Von ihnen ist auch wohl Hes. 9 die Rede. In der apokryphischen Stelle heißt es Tob. 12,15: „Ich bin Raphael, einer von den sieben Engeln, die wir vor dem Herrn stehen.“ Es war dieses also eine den alten frommen Juden wohlbekannte Vorstellung, von der auch Johannes als von etwas Selbstverständlichem schreibt. Man nahm an, daß auch im himmlischen Heiligtume wie um den Thron Salomos (1. Kön. 10,8) vor dem Allherrn sieben solcher sind, „die allezeit vor ihm stehen“, die (wie bei Ahasveros) „die Nächsten bei ihm sind, sieben Fürsten, die sein Angesicht sehen und obenan sind im Reiche“. (Est. 1,14).
Die Zahl 7 ist symbolisch, sie ist zusammengesetzt aus 3 und vier, erstere die Zahl Gottes, die zweite die der Welt. Vielleicht, daß Gott vier Wesen geschaffen hat, die die ganze Schöpfung repräsentieren (siehe das über die Cherubim Gesagte), und drei die Abbilder des dreieinigen Gottes sind. Da würde dann Michael schon durch seinen Namen an Gott den Vater erinnern, Gabriel an Gott den Heiligen Geist; - und warum wurde dann der dritte dieser vornehmsten Engelfürsten nicht genannt? Ob es der gefallene Luzifer ist? Das geschöpfliche Abbild der zweiten Person des dreieinigen Gottes, der, als der Erstgeborene eingeführt wurde, Ihm nicht huldigen wollte, sondern später von ihm Anbetung verlangte? Vergleiche
Heb. 1,4-6; Ps. 97,7; Luk. 4,7
Die Erzengel
Wenn man Off. 8,2 vergleicht mit 1. Thess. 4,16 und 1. Kor. 15,52, könnte man sagen, daß Paulus, wenn er spricht von der Zeit der letzten Posaune, auf den letzten der Sieben, die vor Gott stehen, hinweist. Wenn dem so ist, dann dürfte man sagen, daß diese Sieben die Erzengel sind. Wie dieser Erzengel, der mit seiner Posaune die erste Auferstehung einleitet, mit Namen heißt, wird uns nicht gesagt, aber Judas 9 wird Michael ausdrücklich „Erzengel“ genannt.
Michael
Nach einer alten jüdischen Auslegung sind Michael und Gabriel die Höchsten, die zur Rechten und Linken Gottes stehen (Hiob 25,2). Michael heißt: Wer ist wie Gott? Eine alte Geschichte erzählt, daß, als Satan (Luzifer, Jes. 14,12), einer der ersten drei der sieben Engelfürsten, von Gott abfiel, um wie Gott zu werden (1. Mose 3,5), Michael ihm und denen, die ihm folgten, mahnend zurief: „Wer ist wie Gott?“ Da scharten sich um ihn und um diese seine heilige Losung alle treu gebliebenen Engel. Und das Bekenntnis seines Mundes blieb fortan sein Name.
Diese ist „der vornehmsten Fürsten einer“. Es gibt auch weniger vornehme Engelsfürsten., z.B. der Fürst des Königreichs im Perserland (Dan. 10,13.14). Vielleicht hat so jedes der siebzig Völker seinen Elohim, seinen Engelfürsten und Herrn?
Vgl. Dan. 10,21; 2. Thess. 2,7; 1. Kor. 8,5; 1. Mose 10; 11,7
Aber über alle ist Der, „dessen Rede ist wie Volksgetümmel“ (Dan. 10,6). „Der große Fürst Michael, der für die Kinder deines Volkes steht“, hielt mit unantastbarer Hoheit Wache am Leichnam Mosis. Er ist Fürst über Israel auf Erden und über viele Engel im Himmel, mit denen er ernst den Drachen und seine Engel endgültig überwinden wird.
(Dan. 10,13.21; 12,1; Judas 9; Off. 12,7-9)
Wer ist „der Fürst über das Heer des Herrn“? (Jos. 5,13-15)
Gabriel
Er selbst bezeichnet sich dem Zacharias gegenüber als einer der sieben Erzengel: „Ich bin Gabriel, der vor Gott steht.“ (Luk. 1,19). Auch er wird wie Michael zweimal im Alten und zweimal im Neuen Testament genannt. Vertritt Michael mehr den allmächtigen Schöpfer, so Gabriel den erleuchtenden, von Christo zeugenden Heiligen Geist.
(Luk. 1, 19.26; Dan. 8,16; 9,21)
Wenn er von sich sagt, daß er vor Gott stehe, will er damit wohl auch die höhere Stellung und Würde ausdrücken, daß er dem Höchsten am nächsten ist und von Gott mit den wichtigsten Dingen beauftragt wird.
(1. Kön. 10,8; 17,1; Jes. 6,2; Mat. 18,10).
Ob nicht Gabriel und Michael die beiden geheimnisvollen Begleiter Jehovas sind? (1. Mose 18 und 19).
Andere Engel und Himmelswesen
Andere Engel werden uns nicht genannt. Die Namen Raphael, Uriel usw. gehören den Apokryphen an.
Nach Off. 5,13 gibt es außer den Cherubim und Seraphim, außer den Vierundzwanzig, den Erzengeln und Engeln noch allerlei andere Kreaturen, die im Himmel sind. Manches ist aber wohl nur sinnbildlich zu nehmen, wie z.B. das weiße, rote, schwarze und Fahle Pferd in Kap. 6,2.4.5.8 (Siehe auch Sach. 1,8; 6,1-3).
Unter dem Altar (ist das die Erde als Altar des Weltalls, weil Christus da geopfert wurde, oder der Altar im Tempel des Himmels Off. 7,15; 8,3.5; 9,13; 11,1ff) sah Johannes „Seelen derer, die erwürgt waren“ (6,9). Er sah die Vielen in weißen Kleidern, die nie Engel werden, sondern stets von diesen unterschieden sind. (Off. 7,9.11.15). Er sah das weiße Reitpferd des Herrn (Off. 19,11) und all die anderen weißen Pferde, auf denen das Heer im Himmel ihm folgt (Off. 19,14). Auch in 2. Kön. 2,11; 6,17 wird von feurigen Rossen und feurigen Wagen geredet.
Was die Thronen, Herrschaften, Fürstentümer, Gewalten, Obrigkeiten, Mächte und Kräfte sind, werden wir hier nicht ergründen können.
Wer Gottes Willen tun will hier auf Erden, wie diese im Himmel, dem müssen und wollen alle gern dienen (Heb. 1,14; Röm. 8,28.38; Mat. 6,10).
Wer Glück und Zufriedenheit nur in Freiheit und bei Gleichheit zu finden meint, sollte doch nachdenklich werden, wenn er in Eph. 1,20.21; 3,10; Kol. 1,16; 2,10ff von der Unter- und Überordnung der Engelscharen liest.
Das Wort „Engel“ in anderer Bedeutung
Dem Worte Engel liegt sowohl in der hebräischen Sprache des Alten wie in der griechischen des Neuen Testaments die Bedeutung „senden“ zugrunde; ein Engel ist ein Gesandter, ein Bote. So wird in Haggai (Hag. 1,13) und in Mal. 2,7 der Priester ein Engel genannt; und in Off. 2 und 3 tragen diesen Namen die Vorsteher der Gemeinden, die Botschafter an Christi Statt. Der Mal. 3,1 verheißene Engel kam in der Person Johannis des Täufers (Mat. 11,10). Unter dem „Engel des Herrn“, der im Unterschied von „den Engeln“ besonders im Alten Testament oft erwähnt wird und sich göttliche Ehre erweise und anbeten ließ und nie als ein dienstbarer Geist erscheint, verstehen viele Jehova selbst oder unseren Herrn Jesum (Apg. 7,30.32.35.36). Von diesem Engel des Bundes (Mal. 3,1) und Engelmittler (Hiob 33,23.24) wollen wir hier nicht reden und auch nicht von Apollyon, dem Engel des Abgrundes, und den gefallenen Engeln, die gesündigt haben, über die wir einst richten werden (1. Kor. 6,3), sondern nur von den Engeln Gottes im Himmel.
Das himmlische Heer
Diese Engel des Herrn, all sein Heer, wurden nach Ps. 148,2.5 durch das Wort Gottes geschaffen zum Lobe Gottes und um als dienstbare Geister zu Gottes Verherrlichung und ihrer Beseligung seine Befehle auszurichten. Diese unsichtbare Welt der Himmel mit ihren Thronen, Heerschaften, Fürstentümern und Obrigkeiten, ihren Gewaltigen und Kräften (1. Pet. 3,22) ist am Anfang durch Christum und zu ihm geschaffen (Kol. 1,16). „Du hast gemacht den Himmel und aller Himmel Himmel mit alle ihrem Heere, … Das himmlische Heer betet Dich an.“ (Neh. 9,6). Dieses „Heer des Himmels“, von dem man oft nicht weiß, ob es Sterne oder Engel oder beides meint, darf, obwohl aus Heiligen bestehend (Ps. 89,6.8; Hiob 5,1; 15,15), nicht angebetet werden (5. Mose. 17,3; 1. Kön. 22,19), denn es ist durch den Geist seines Mundes geschaffen (Ps. 33,6). Gott ruft alle mit Namen (Jes. 40,26), und alle stehen um Seinen Thron (1. Kön. 22,19); sie stehen in einem geheimnisvollen Zusammenhang. „Vom Himmel ward wider sie gestritten, die Sterne in ihren Läuften stritten wider Sisera. (Rich. 5,20). „Als Gott die Erde gründete, lobten ihn die Morgensterne miteinander, und alle Söhne Gottes jauchzten.“ (Hiob 38,4.7)
Die Menge der himmlischen Heerscharen ist unzählbar (Luk. 2,13; Hiob 25,3). „Der Wagen Gottes sind viel tausendmal tausend, und Seine Kriegsscharen sind nicht zu zählen (Ps. 68,18). Daniel sah tausendmal tausend Gott dienen und hundert Millionen vor ihm stehen (Dan. 7,10). Von dem Heere Gottes (1. Mose 39,1.2; Jos. 5,14) standen mehr denn zwölf Legionen (je fünf- bis sechstausend) dem Menschensohn zur augenblicklichen Verfügung (Mat. 26,53). Er ließ sich von nur einem stärken, geduldig leiden zu können, und myriadenmal Myriaden singen nun dem Lamme, das erwürgt ist (Off. 5,11). Gottes feierlichster und machtvollster Name: „Herr Zebaoth“ bedeutet: Gott und Gebieter dieser Heerscharen.
Die Leiblichkeit der Engel
Nun noch einige Gedanken über ihre Leiblichkeit. Maler, Bildhauer und Dichter schildern uns die Engel meist als schöne Jungfrauen oder Kinder und fast immer, bis auf einige neuere Maler, mit Flügeln, ganz zu schweigen von dem beflügelten Köpfen. Ist das richtig?
Gott hat jedem der „Söhne Gottes“ durch einen unmittelbaren göttlichen Schöpfungsakt, einen Leib gegeben, dem der Auferstehungsleib derer, die würdig sind, jene Welt zu erlangen, ähnlich ist. Unter diesen Elohimssöhnen gibt es keine Ehe, denn sie brauchen sich nicht fortzupflanzen, da sie unsterblich sind. Die Engel müssen eine himmlische Leiblichkeit haben, denn die im Leibe Auferstandenen, und nur diese und nicht auch die abgeschiedenen Seelen, werden ihnen verglichen. (Luk. 20,35.36; Mat. 22,30). Deuten diese Aussprüche Jesu und Off. 21,17 nicht auch an, daß die Form ihrer Leiblichkeit der himmlischen Menschenform ähnlich, wo nicht geradezu dieselbe ist?
Diese Ähnlichkeit ist jedoch, wie Godet sagt, keine Identität, denn die eine Natur kann sich nicht in die andere verwandeln. Als dieselben wie wir hier unsere Augen schließen, machen wir sie in jenem Leben auf; darum wird auch der psychische, in das ganze Wesen unserer Persönlichkeit eingreifende Unterschied der Geschlechter dort schwerlich ganz aufhören, wenn wir auch den Engeln in der Ehelosigkeit gleich sind. Sicher ist, daß wir in jener Welt verklärte Menschen sind, und auch unsere verstorbenen Kinder keine „Engelein“ werden, so sicher Paulus oder Lazarus kein Engel und der reiche Mann kein Teufel wurde, wie auch der auferstandene Jesus, dem die selig Auferstandenen und folglich auch die Engel ähnlich sind, „gleich war eines Menschen Sohn“. (Off. 1,13).
Wohl spricht die Schrift von Männern und Jünglingen in glänzenden Kleidern, nie aber von Engeljungfrauen oder Kindern. Auch erwähnt die Schrift mit keiner Andeutung, daß ein Engel Flügel habe. Niemand sah einen Engel so beflügelt, wie unsere Maler sie darstellen, weder in Visionen, wenn sie im Himmel geschaut wurden, noch wenn sie einen stofflichen Leib annahmen und bei Menschen einkehrten, denen sie dann so völlig gleich erschienen, daß etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt und gespeist haben (1. Mose 18,8). Auch Jakob sah die Engel die Leiter auf und nieder steigen, nicht fliegen; wenn aber doch Dan. 9,20 und Off. 14,6 erwähnt wird: „Ein Engel flog“, so bietet der Grundtext nicht den geringsten Anhalt, an Flügel zu denken, auch sagt man ja z.B. von der Sternschnuppe: „Sie flog am Himmel hin“, und wie soll man solche Bewegung anders ausdrücken? Siehe Ps. 91,5 und Jes. 60,8: „fliegen wie die Wolken.“
Die Engel und wir
Noch immer steht die Jakobsleiter, und Engel Gottes steigen auf und nieder, dienen denen, die ererben sollen die ewige Seligkeit, halten sie von Sünden ab, sind bestrebt, ihnen Leib und Seele zu retten, widerstehen auf bösen Wegen, warnen, umgeben, behüten, beschützen, trösten, belehren, ermuntern, sind bei ihnen und schauen doch auch allezeit das Angesicht des Vaters im Himmel, dem sie Kunde geben von dem, was sie auf Erden schauten, und vermitteln die Gebete der Heiligen (Hiob 1,6; 2,1; Off. 8,4; Dan. 9,23; 10,12). Besonders sehen wir ihren Dienst beim Menschensohn; sie verkündigten Seine Geburt, beim Beginn Seiner öffentlichen Tätigkeit traten sie hinzu und dienten Ihm und fuhren hinauf und herab auf Ihn; in Gethsemane, beim Grabe, bei der Auferstehung und Himmelfahrt stehen wir Engel geschäftig.
Nach Jesu Wort hat auch jeder Kleinste der Seinen seinen Engel. Wohl mag auch jedes Kind einen Schutzengel haben; ob und wann sich dieser später abwendet, sagt die Schrift nicht. Der sinnende Bibelleser wird aus dem Schweigen der Schrift in diesen Dingen ebenso gern lernen als aus ihren Enthüllungen. Daß wir aber wissen, es ist Freude im Himmel bei den Engeln über jeden einzelnen Sünder, der Buße tut, ist mit das Schönste, was uns von ihnen offenbart ist. Engel trugen einst Lazarus in Abrahams Schoß; denn er starb, bevor Jesus hinging, Wohnung zu bereiten. O, daß sie uns alle einst nach dem Abscheiden zu Jesu führen könnten!