Calvin, Jean - Psalm 8.
Inhaltsangabe: David überdenkt die väterliche Güte Gottes gegen die Menschen. Dabei begnügt er sich nicht mit einer einfachen Danksagung, sondern bricht in Bewunderung aus.
V. 1 und 2. Nach der Gittith. Ob damit auf ein Instrument oder auf eine Melodie verwiesen wird, mag dahingestellt bleiben. – Wichtiger ist der Inhalt des Psalms. David hält sich die wunderbare Kraft und Herrlichkeit Gottes vor, die sich in der Schöpfung und Regierung der Welt offenbart. Aber hieran geht er schnell vorüber und verweilt besonders bei der Betrachtung seiner sehr großen Güte gegen uns Menschen. Gewiss gibt die ganze Ordnung der Natur uns sehr viel Stoff zum Lobe Gottes. Da aber die eigene Erfahrung auf uns den größten Eindruck macht, so preist David diese besondere Gnade, die Gott dem menschlichen Geschlecht erweist, vor allem, und das nicht ohne Grund, da sie der deutlichste Spiegel ist, in dem wir Gottes Herrlichkeit schauen. Auffallend ist, dass der Psalm mit einem Ausrufe beginnt. Sonst pflegt man ja zuerst eine Sache zu beschreiben und dann erst ihre Größe zu preisen. Wenn wir jedoch bedenken, was sonst schon gesagt worden ist, dass Gottes Werke nicht mit Worten beschrieben werden können, so wundern wir uns nicht mehr, dass David diese Redeweise gebraucht. Er will eben dadurch zu erkennen geben, dass Worte zur Beschreibung nicht zureichen. Während David die unschätzbare Gnade, deren Gott das menschliche Geschlecht gewürdigt hat, bei sich bedenkt, merkt er, wie sein Geist davon ganz überwältigt wird, und ruft aus, dass man es hier mit einem Gegenstand zu tun habe, den man mehr bewundern als beschreiben könne. Wenn man ferner bedenkt, dass der heilige Geist Davids Zunge regiert, so ist es klar, dass der Geist durch ihn die Menschen aus dem Schlafe aufrütteln will, damit sie die unermessliche Liebe Gottes und die unzähligen Wohltaten, die sie genießen, nicht nur nach ihrer Gewohnheit rühmen, kühl und sparsam, sondern vielmehr alle ihre Kräfte zu dieser Übung der Frömmigkeit anstrengen. David gibt also mit seinem Ausruf zu verstehen, dass der Mensch, wenn er auch die ganze Fähigkeit seines Geistes anwendet, eine völlige Erkenntnis nie erreichen wird.
Der Name steht hier für die herrliche Erkenntnis Gottes, soweit diese uns offenbar geworden ist; denn die scharfsinnigen Grübeleien einiger Erklärer, dass der Name Gottes gleichbedeutend sei mit Gott selbst, finden nicht meine Billigung. Der Name bezieht sich mehr auf die Werke und die Kraft Gottes, an denen er erkannt wird, als auf sein eigentliches Wesen. David sagt also, dass die Erde so voll sei der Herrlichkeit Gottes, dass ihre Pracht bis über den Himmel steigt. Daraus entnehmen wir, dass die Erde zu klein ist, um die Pracht und die herrliche Erscheinung Gottes zu fassen.
V. 3. Jetzt wendet sich der Sänger dem eigentlichen Thema zu, dessen Behandlung er sich vorgenommen hatte. Er weist darauf hin, dass die göttliche Vorsehung nicht wartet, bis der Mensch erwachsen ist, um sich ihm erst dann zu offenbaren, sondern dass sie schon von der ersten Kindheit an glänzend hervortritt, und zwar so deutlich, dass dadurch allein schon alle Gottlosen, die mit ihrer ruchlosen Verachtung Gottes Namen auszurotten trachten, genügend widerlegt werden. Wenn Gott seine Vorsehung verherrlichen will, so hat er dazu nicht die Beredsamkeit der Redner nötig, ja nicht einmal eine wohl gesetzte Rede, sondern schon die stummen Zungen der Kinder sind fähig und beredt genug, ihn zu preisen. Weshalb überträgt David dieses Amt nicht den Männern? Er will zeigen, dass die stummen Zungen der Kinder, schon bevor sie ein Wort aussprechen können, es bereits vernehmlich aussagen, wie gütig Gott gegen das menschliche Geschlecht ist. Wie kommt es, dass für die Kinder, gleich wenn sie geboren sind, die Nahrung vorhanden ist? Hat nicht derselbe Gott dieses in sie hineingelegt? David hat also guten Grund, zu behaupten dass, wenn auch alle Männer schweigen würden, der stumme Kindermund allein schon imstande sei, Gottes Lob zu verkündigen. Doch er macht die Kleinen nicht nur zu Zeugen und Verkündigern der Herrlichkeit Gottes, sondern gibt ihrem Mund eine Macht. Das ist von großer Bedeutung. Er will damit die Kinder als mächtige, unbesiegbare Kämpfer Gottes hinstellen, die, wenn es zum Kampfe kommt, leicht das ganze Heer der Gottlosen zerstreuen und aufreiben würden. Denn es ist zu beachten, gegen wen die Kinder Gottes Herrlichkeit beschützen sollen. Sie sollen sie verteidigen gegen die wilden Verächter Gottes, die, wie einst die Giganten, sich nicht scheuen, dem Himmel den Krieg zu erklären. Wenn diese Wilden mit wütendem Ansturm alle Frömmigkeit auf Erden zu vernichten suchen, ja mit ihrem harten Schädel den Himmel einstoßen wollen, so führt der heilige Sänger, um ihrer zu spotten, nur den Mund der Kinder gegen sie in den Kampf und sagt, dass Unmündige genügend gerüstet und tapfer genug seien, um ihren Stolz zu Boden zu werfen. Das will der Zusatz besagen: um deiner Feinde willen. Denn wenn Gott die Gläubigen besiegen will, so hat er es nicht nötig, mit großer Macht Krieg zu führen, da diese von selbst seinem Rufe folgen und ihm willig Gehorsam leisten, wenn er nur mit dem Finger winkt. Und wenn auch Gottes Vorsehung sich vor allem der Gläubigen wegen offenbart, da diese allein Augen haben, sie zu sehen, so werden sie doch mit Milde gezogen, weil sie sich gelehrig zeigen. Aber gegen seine Feinde wappnet sich der Herr im vollsten Sinne des Wortes, weil diese nur gezwungen weichen. Nun fragt es sich aber, wie von Gott gesagt werden kann, dass er seine Feinde vertilge, da doch ihr heilloser Mutwille nicht aufhört, den Beweisen der göttlichen Vorsehung zu widersprechen. Ich antworte, dass ihre Demütigung sie freilich nicht innerlich bescheiden macht, aber sie werden doch derartig überwunden, dass sie trotz ihrer Schmähungen und ihres Hundegebells bestürzt daliegen. Alles in allem: die göttliche Vorsehung tritt schon von der Geburt des Menschen an so glänzend hervor, dass die Kinder, die noch an der Mutterbrust liegen, die Wut der Feinde Gottes niederschlagen. Denn wenn diese auch immer wieder aufs Neue ihr Geschrei erheben, so strengen sie sich doch vergeblich an, um die Macht, die sich in jener Schwachheit offenbart, zu überwinden. Der Prophet nennt die Feinde Rachgierige. Er meint damit die Verächter Gottes. Denn wenn die Rachgier sich auch bei allen Ungläubigen regt, ebenso wie Gott seine Kinder durch den Geist der Lindigkeit regiert, so zeigt sie sich doch vor allem bei den Spöttern, die nicht nur grimmig gegen die Menschen sind, sondern auch vor wahnsinniger Wut brennen, um Gott zu bekämpfen. – Nach alledem bleibt nur die eine Schwierigkeit, dass Christus den Sinn unserer Stelle umzubiegen scheint, indem er sie auf größere Kinder anwendet (Mt. 21, 16). Sein Gedanke wird aber sein: soll man sich wundern, dass der Gott, der schon die kleinsten unmündigen Kinder zu Herolden seiner Herrlichkeit bestellt, auch die Zungen von sieben- und mehrjährigen Kindern erweckt, sein Lob auszurufen?
V. 4 u. 5. Das im Hebräischen gebrauchte Umstandswort hat manche Ausleger zu der Übersetzung verleitet: „Denn ich sehe die Himmel“ usw. Indessen ist V. 4 als der Vordersatz mit V. 5 zu verknüpfen. Es gilt also darauf zu achten, dass der Prophet durch einen Vergleich die unermessliche Güte Gottes ins Licht setzen will. Denn es ist ein Wunder, dass der Schöpfer des Himmels, dessen Herrlichkeit uns ganz zur Bewunderung fortreißt, sich so tief herabgelassen hat, sich des menschlichen Geschlechts anzunehmen. Was ist der Mensch? Ein elendes gebrechliches Wesen, das unter den verächtlichsten Geschöpfen im Staub der Erde kriecht! Würde Gott sich durch die Würdigkeit des Menschen bestimmen lassen, so könnte er ihn nur gering und für nichts achten. Durch die Anwendung der Frageform hebt der Dichter diese Niedrigkeit des Menschen noch mehr hervor. Wir sollen Gottes wunderbare Güte daraus am deutlichsten ersehen, dass der große Künstler, dessen Majestät den Himmel mit Glanz erfüllt, dieses elende, nichtsnutzige Lebewesen, den Menschen, mit der größten Herrlichkeit zieren und mit unzähligen Gaben schmücken wollte. Denn wenn Gott beabsichtigte, seine Freundlichkeit zu erweisen, so hatte er es nicht nötig, den Menschen aus dem Staube und dem Kote zu erwählen, um ihn über alle anderen Geschöpfe zu setzen: er hätte dafür auch im Himmel seine Geschöpfe gehabt. Wer vor diesem Wunder nicht staunend still steht, der ist ganz undankbar und stumpfsinnig. Aus dem gleichen Grunde nennt David auch den Himmel den Himmel Gottes und das Werk seiner Hände. Was hat den Herrn bewogen, an diesem edelsten und herrlichsten Teil seines Werkes vorbeizugehen und sich zu uns Würmern herabzulassen? Was anders, als das Verlangen, seine Güte in ihrer ganzen Größe zu zeigen? Hieraus lernen wir, dass diejenigen Gottes Güte schändlich missbrauchen, die sich durch ihren Vorzug zum Stolz verleiten lassen, als ob sie durch ihre Arbeit erworben und verdient hätten, was sie sind. Unser Ursprung muss uns vielmehr immer daran mahnen, dass diese Gnade Wesen geschenkt ward, die sonst ganz verworfen, unrein und unwürdig sein würden. Alles Ehrenwerte, was wir bei uns finden, muss unser Herz antreiben, die unverdiente Güte Gottes zu preisen. Dass Gott des Menschen „gedenkt“, will sagen, dass er mit väterlicher Liebe sich seiner annimmt, um ihn unter seinem Schutze zu bewahren und zu hegen.
V. 6. Und du hast ihn usw. „Und“ hat hier etwa den Sinn: „denn in der Tat“. Damit bekräftigt David, was er soeben von der unermesslichen Gnade Gottes gegen die Menschen sagte, dass er sich nämlich nahe zu ihnen tat und ihrer gedenkt. Zuerst sagt er, dass sie mit solchem Schmuck geziert sind, dass sie nicht weit hinter göttlicher und himmlischer Herrlichkeit zurückstehen. Dann weist er auf die äußere Herrschaft über alle Kreaturen hin, als auf einen deutlichen Beweis für die hohe Ehrenstellung, zu der Gott sie erhoben hat. Doch zweifle ich nicht, dass er vor allem an jene herrlichen Gaben denkt, die ein Kennzeichen dafür sind, dass die Menschen nach Gottes Ebenbilde geformt und zur Hoffnung des seligen Lebens und der Unsterblichkeit erschaffen wurden. Denn die Vernunft, mit der die Menschen begabt sind und kraft deren sie zwischen Gut und Böse unterscheiden, die Anlage zur Religion, die ihnen angeboren ist, die Gemeinschaft, die unter ihnen besteht, weil sie durch heilige Bande zusammengehalten werden, das Gefühl für das Ehrenhafte und die Scham, die sich bei ihnen regen, und die gesetzliche Ordnung, die unter ihnen herrscht, sind deutliche Zeichen der hohen himmlischen Weisheit. Daher ruft David nicht ohne Grund aus, dass das menschliche Geschlecht mit Ehre und Schmuck gekrönt ist. „Krönen“ heißt hier mit solchen Zeichen der Ehre kleiden und schmücken, die dem göttlichen Glanze nahe kommen. – Im Hebräerbrief (2, 7) führt der Apostel unsere Stelle in einer etwas abweichenden Form an: „du hast ihn niedriger sein lassen denn die Engel“. Er folgt darin der griechischen Übersetzung des alten Testaments. So frei können die Apostel sich bewegen, weil ihnen mehr an dem allgemeinen Sinn als an dem Buchstaben des göttlichen Wortes liegt. Schwieriger ist die andere Abweichung, dass der Apostel das, was hier von dem Vorzuge des ganzen menschlichen Geschlechts gesagt ist, auf die Erniedrigung Christi bezieht. Zuerst müssen wir sehen, wie das, was von dem ganzen menschlichen Geschlecht gilt, auf Christi Person angewandt werden kann; dann inwiefern das, was von der Erniedrigung des Menschen unter Gott gesagt ist, auf die Erniedrigung Christi im Tode passt, da er ohne Gestalt und Schöne durch die Schmach des Kreuzes und den Fluch Gottes gleichsam entstellt war. Zur Lösung der ersten Frage könnte schon genügen, was von einigen angeführt wird, nämlich dass von dem Haupt dasselbe gelten muss wie von den Gliedern. Ich gehe jedoch weiter. Christus ist nicht nur der Erstgeborene unter allen Kreaturen, sondern auch der Wiederhersteller des Menschengeschlechts. Das, was David hier aufzählt, bezieht sich aber vor allem auf die erste Zeit nach der Schöpfung, als die menschliche Natur noch unverdorben war. Wir wissen, dass die Menschen diese ihre ursprüngliche Stellung verloren haben, da das Ebenbild Gottes fast zerstört worden ist, und wir der vorzüglichen Gaben, die uns Gott ähnlich machten, beraubt und so aus der höchsten Herrlichkeit in traurigen und schimpflichen Mangel versetzt worden sind. Bei solcher Zerstörung muss Gott seine Güte, die David hier preist, zurückhalten, so dass dieselbe sich jetzt keineswegs mehr in ihrem reinen Glanze zeigt. Denn wenn das Ebenbild Gottes auch nicht ganz zerstört ist, so sehen wir doch bei dieser Verwüstung nur noch geringe Reste desselben. Nun hat aber der himmlische Vater die Fülle aller seiner Güter auf seinen Sohn gelegt, damit wir alle aus dieser Quelle schöpfen sollen. Deshalb kommt ihm das, was Gott uns durch ihn schenkt, mit Recht zuerst zu. Er ist das lebendige Bild Gottes, nach dem wir alle umgestaltet werden müssen, und dieses ist die Vorbedingung für alles andere. Nun könnte jedoch jemand einwenden, wie David dann verwundert fragen könne: „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst?“ – da Christus ja kein gewöhnlicher Mensch ist, sondern Gottes eingeborener Sohn. Aber auch hier ist die Lösung leicht. Denn das, was der menschlichen Natur Christi verliehen ward, ist ein Gnadengeschenk. Es ist der herrlichste Beweis des göttlichen Erbarmens, dass ein sterblicher Mensch und ein Sohn Adams der eingeborene Sohn Gottes ist, der Herr der Herrlichkeit und das Haupt der Engel. Ferner ist zu beachten, dass die Gaben, die Christus empfangen hat, deswegen als Gnadengeschenke zu betrachten sind, weil sie eigentlich uns gelten: denn sein Vorzug und seine göttliche Würde erstrecken sich auch auf uns, da er zu unserem Nutzen diesen Reichtum besitzt. Wenn dann weiter der Hebräerbrief unseren Satz dahin verändert, dass Christus nicht „wenig“, sondern „eine kleine Zeit“ erniedrigt worden sei, so wird dies nicht als genaue Wiedergabe des Sinnes, sondern als eine Ausdeutung für den bestimmten Zweck gemeint sein. So hat auch Paulus (Röm. 10, 6) kein Bedenken getragen, Worte Moses (5. Mo. 30, 12) weiter auszubauen: Wer will hinauf gen Himmel fahren? usw. Der Apostel sieht also in unserer Stelle nicht so sehr auf das, was David eigentlich meint, sondern er berücksichtigt nur die Worte von der Erniedrigung und vom Schmuck, und wendet das erstere auf Christi Tod und das letztere auf seine Auferstehung an. Ähnlich verfährt Paulus (Eph. 4, 8) mit einer anderen Psalmstelle (Ps. 68, 19), die er in erbaulicher Weise etwas umdeutet, um sie auf Christus zuzupassen.
V. 7. Du hast ihn zum Herrn gemacht usw. Damit kommt David auf das zweite Stück, das wir bereits anrührten: mit welcher Liebe Gott die Menschen umfing und wie sehr sie ihm am Herzen liegen, kann man auch daran sehen, dass er ihnen die Herrschaft über alle Dinge übertrug. Da er selbst keines Dinges bedarf, so hat er allen Reichtum des Himmels und der Erde für ihren Nutzen bestimmt. Das ist sicherlich eine seltene und unvergleichliche Ehre, dass der sterbliche Mensch an Gottes Statt in der Welt wie ein freier Herr regiert, und dass er überall, wohin er sein Auge wendet, sieht, dass ihm nicht zu einem glücklichen Leben fehlt. Diese Stelle wird von Paulus 1. Kor. 15, 27 angeführt. Dort handelt es sich aber um die geistliche Herrschaft Christi. Der Apostel kann diese Anwendung machen, weil wir Menschen ja erst durch Christum, den rechtmäßigen Herrn über Himmel und Erde, die Herrschaft wiedererlangen, die uns durch Adam verloren ging. An sich ist die ganze Weltordnung darauf angelegt, dass sie dem Menschen dienen muss. Durchgeführt wird dies aber erst sein, wenn auch der Tod beseitigt ist. Der Apostel macht nun den Schluss: Wenn Christo alles unterworfen sein soll, so darf seinen Gliedern nichts mehr zuwider sein. Nun sehen wir aber, dass der Tod seine Tyrannei ausübt. Daraus folgt, dass ein besserer Zustand noch zu erwarten ist.
V. 8 bis 10. Die vorher behandelte Frage scheint noch nicht vollständig gelöst zu sein: denn bei der nun folgenden näheren Beschreibung, wie Gott uns alles unterworfen hat, redet David nur von dem Nutzen, den diese Unterwerfung uns für das diesseitige Leben gewährt. Wir haben indessen zu bedenken, dass unser Psalm die Herrscherstellung des Menschen nicht erschöpfend beschreibt, sondern nur beispielsweise diejenige Seite herausgreift, die auch einem roheren Verständnis begreiflich ist. Denn niemand ist so stumpfen und trägen Geistes, dass er nicht einsehen könne, wie es ein wunderbares Werk der göttlichen Vorsehung ist, dass die Pferde und Ochsen den Menschen ihre Dienste leisten, dass die Schafe ihre Wolle zur Kleidung der Menschen hergeben und dass Tiere jeglicher Art ihr eigenes Fleisch ihnen zur Nahrung darbieten. Da dieser Beweis unserer Herrschaft so deutlich ist, dass er uns jedes Mal, wenn wir Speise zu uns nehmen oder übrigen Annehmlichkeiten genießen, entgegentritt, so muss dieses Zeichen der göttlichen Gunst uns aufs tiefste bewegen. David meint also nicht allein, dass der Mensch deswegen über alle Werke Gottes gesetzt sei, weil er mit Wolle und Fellen sich bekleidet, weil der das Fleisch der Tiere genießt und weil er ihre Arbeit zu seinem Nutzen gebraucht, sondern er führt dieses nur als Beispiel an, um zu zeigen, dass Gott dem Menschen die Herrschaft über die Schöpfung gegeben hat. Der Hauptgedanke ist, dass Gott durch die Erschaffung des Menschen einen Beweis seiner unermesslichen Güte und seiner mehr als väterlichen Liebe gegen ihn gab, der uns mit Recht alle in Erstaunen setzen muss. Wenn nun dieses Glück auch durch den Abfall der Menschen fast ganz verloren gegangen ist, so sind doch bis jetzt einige Überbleibsel dieser Güte erhalten geblieben, die uns genügenden Stoff zur Verwunderung geben. Und wenn auch die ursprüngliche, regelmäßige Ordnung bei der gegenwärtigen Zerrüttung nicht mehr deutlich hervortritt, so genießen doch die Gläubigen, die Gott unter Christo als ihrem Haupte mit sich vereinigt hat, einen Teil der Güter, deren wir durch Adam beraubt worden sind. Deshalb haben sie den allermeisten Anlass zu anbetender Bewunderung, weil Gott sie so gnädig behandelt. Obgleich also David hier nur die zeitlichen Wohltaten Gottes nennt, so dürfen wir doch dabei nicht stehen bleiben, sondern müssen uns zu den unermesslichen Schätzen des Himmels, die er uns in Christo darbietet, erheben und zu den Gaben, die für das geistliche Leben von Bedeutung sind, und diese überdenken, damit diese Betrachtung unsere Herzen zum Eifer in der Frömmigkeit entzünde und uns antreibe, unablässig sein Lob zu erheben.