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Calvin, Jean - Die Kirche

Calvin, Jean - Die Kirche

Wie wir über die sichtbare Kirche urteilen sollen, geht aus den bisherigen Darlegungen schon hervor. Übrigens redet die heilige Schrift von der Kirche in doppelter Weise. Einmal meint sie die vor Gottes Angesicht stehende wahre Kirche, deren Glieder allein solche sind, die durch die gnädige Annahme Gottes Kinder wurden und durch die Heiligung des Geistes wahre Glieder Christi, Dabei ist nicht bloß an die Heiligen zu denken, die sich auf Erden befinden, sondern alle Erwählten, die von Anbeginn der Welt gelebt haben. Im Unterschied davon wird als Kirche oft auch die über die Erde zerstreute Menge von Menschen bezeichnet, die sich zu einem Gott und Christus bekennen, die durch die Taufe als sein Eigentum erklärt wurden, durch die Teilnahme am heiligen Abendmahl ihre Zustimmung zur wahren Lehre und ihre Liebe bezeugen, die sich an Gottes Wort halten, und bei denen die Verkündigung desselben durch das von Christo eingesetzte Predigtamt gepflegt wird. Dieser Menschenmasse sind auch sehr viele Heuchler beigemischt, die von Christo nichts haben als Namen und Schein, viele ehrgeizige, goldgierige, neidische und schmähsüchtige Menschen, einige auch, die ein noch viel unreineres Leben führen. Solche Leute werden für eine gewisse Zeit getragen, weil sie durch ein rechtmäßiges Urteil nicht überführt werden können, oder weil die erforderliche strenge Zucht nicht immer im Schwange geht. So müssen wir uns treulich zu der Kirche halten, welche vor Menschen so genannt wird, und ihre Gemeinschaft pflegen.

Wir haben nunmehr von der Ordnung zu handeln, nach welcher der Herr seine Kirche regiert wissen will Allerdings will er allein regieren und herrschen, und zwar durch sein Wort. Weil er aber nicht in sichtbarer Gegenwart unter uns wohnt und seinen Willen uns nicht mit eigenem Munde kundtut, gebraucht er den Dienst der Menschen, macht sie gleichsam zu seinen Stellvertretern, überträgt auf sie sein Recht und seine Ehre aber immer nur so, daß er durch ihren Mund selbst sein Werk treibt, wie ein Künstler sich seines Werkzeugs bedient. Der Herr hat also seine Kirche dadurch an das festeste Band der Einheit gebunden, daß er die Ehre des Heils und ewigen Lebens bei Menschen niederlegte, um sie durch deren Hand weiterzugeben. Daran denkt Paulus, wenn er im Brief an die Epheser an die Mahnung zur Einheit im Geist die Aussage schließt, daß einem jeden die Gnade nach dem Maß der Gabe Christi gegeben ward, und daß der zum Himmel erhöhte Herr die einen zu Aposteln, die andern Propheten, Evangelisten, Hirten oder Lehrern machte um seinen Leib aufzubauen, Diese Worte zeigen, daß der Dienst der Menschen, dessen Gott in der Regierung seiner Kirche sich bedient, das Einheitsband ist, welches die Gläubigen zu seinem Leibe zusammenfügt. Durch diesen Dienst werden die Heiligen zugerichtet und der Leib Christi erbaut, durch ihn wachsen wir in allen Stücken an dem, der das Haupt ist, und wachsen untereinander zusammen. Wer diese Weise des Regiments auszutilgen trachtet oder als weniger notwendig erklärt, wird die Kirche zerstreuen und umstürzen.

Kirche und Welt

Jedoch hat jene Unterscheidung nicht etwa den Sinn, daß wir die ganze Gestaltung des bürgerlichen Lebens für etwas Beflecktes halten, das einen Christenmenschen nichts anginge. Zwar schreien und pochen die Schwarmgeister, die an ungebundener Zügellosigkeit ihre Freude haben, solchermaßen: nachdem wir durch Christus den Elementen dieser Welt gestorben sind und, in Gottes Reich übergegangen, unter den Himmlischen unseren Platz haben, ist es unserer unwürdig und liegt es weit unter unserer hohen Stellung, uns mit jenen unheiligen und unreinen Sorgen zu befassen, die zu Geschäften gehören, die einem Christenmenschen fremd sind. wozu, so sagen sie, soll es denn Gesetze geben ohne Urteile und Gerichtshöfe? Was aber hat ein Christenmensch mit solchen Urteilen zu tun? Ja wenn es nicht erlaubt ist, zu töten was sollen uns dann Gesetze und Urteile? Aber wie wir oben darauf aufmerksam gemacht haben, daß diese weltliche Art des Regiments von einem geistlichen, innerlichen Reiche Christi verschieden ist so müssen wir auch wissen, daß diese beiden in keiner Hinsicht zueinander im Widerspruch stehen. Denn das letztere läßt zwar gewisse Anfänge des himmlischen Reiches schon jetzt auf Erden in uns beginnen und läßt in diesem sterblichen, vergänglichen Leben gewissermaßen die unsterbliche, unvergängliche Seligkeit anfangen. Das bürgerliche Regiment aber hat die Aufgabe, solange wir unter den Menschen leben, die äußere Verehrung Gottes zu fördern und zu schützen, die gesunde Lehre der Frömmigkeit und den (guten) Stand der Kirche zu verteidigen, unser Leben auf die Gemeinschaft der Menschen hin zu gestalten, unsere Sitten zur bürgerlichen Gerechtigkeit heranzubilden, uns miteinander zusammenzubringen und den gemeinen Frieden wie die öffentliche Ruhe zu erhalten. Ich gebe zu: dies alles ist überflüssig, wenn das Reich Gottes, wie es jetzt in uns beschaffen ist, das gegenwärtige Leben auslöscht. Denn wenn sie vorschützen, es müsse eben in der Kirche Gottes eine solche Vollkommenheit herrschen, daß für sie die eigene Selbstregierung an Stelle des Gesetzes ausreichend wäre, so beruht diese Vollkommenheit auf ihrer eigenen, törichten Einbildung, da sie in der Gemeinschaft der Menschen niemals zu finden ist. Denn die Frechheit der Bösen ist so groß, ihre Nichtsnutzigkeit so widerspenstig, daß sie kaum durch große Strenge der Gesetze in Schranken zu halten ist und was würden sie dann wohl nach unserer Meinung tun, wenn sie sähen, daß man ihrer Bosheit ungestraft freien Lauf läßt? Es sind doch Menschen, die nicht einmal mit Gewalt zureichend davon abgehalten werden können, Böses zu tun. Aber von dem Nutzen der bürgerlichen Ordnung zu sprechen, wird an anderer Stelle passendere Gelegenheit sein. Jetzt wollen wir nun, daß man begreift, daß es eine entsetzliche Barbarei ist, wenn man daran denkt, sie abzuschaffen, ist doch ihr Nutzen unter den Menschen nicht geringer als der von Brot und Wasser, Sonne und Luft, ihre Würde aber noch viel hervorragender. Denn sie dient nicht nur - was jene alle bezwecken - dazu, daß die Menschen atmen, essen, trinken und erwärmt werden: allerdings schließt sie sicherlich das alles in sich, in dem sie ja bewirkt, daß die Menschen miteinander leben, aber trotzdem, sage ich, dient sie nicht allein dazu, nein, sie hat auch den Zweck, daß sich Abgötterei, Frevel gegen Gottes Namen, Lästerungen gegen seine Wahrheit und andere Ärgernisse bezüglich der Religion nicht öffentlich erheben und sich unter dem Volk verbreiten, sie hat den Zweck, daß die bürgerliche Ruhe nicht erschüttert wird, daß jeder das Seine unverkürzt und unversehrt behält, daß die Menschen unbeschadet untereinander Handel treiben können und daß Ehrbarkeit und Bescheidenheit unter ihnen gepflegt werden. Kurz, sie dient dazu, daß unter den Christen die öffentliche Gestalt der Religion zutage tritt und unter den Menschen die Menschlichkeit bestehen bleibt.

Es darf auch niemand stutzig werden, daß ich die Fürsorge für eine rechte Regelung der Religion der bürgerlichen Ordnung der Menschen übertrage, obwohl ich sie doch oben außerhalb des menschlichen Urteils gestellt zu haben scheine. Denn ich überlasse es den Menschen hier ebensowenig wie zuvor, über Religion und Verehrung Gottes nach ihrem eigenen Ermessen Gesetze zu erlassen, wenn ich die bürgerliche Ordnung gutheiße, die darauf dringt, daß die wahre Religion, die in Gottes Gesetz beschlossen liegt, nicht ungestraft öffentlich und mit öffentlichem Frevel geschändet und geschmäht wird.

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