Kierkegaard, Sören Aabye - Die Lilien auf dem Felde - Vorwort zu den ersten erbaulichen Reden vom 5. Mai 1843

Kierkegaard, Sören Aabye - Die Lilien auf dem Felde - Vorwort zu den ersten erbaulichen Reden vom 5. Mai 1843

Ungeachtet dies kleine Buch nur zu sein wünscht was es ist, ein Überfluss, und nur begehrt im Verborgenen zu bleiben gleichwie es in der Stille entstand, habe ich doch nicht Abschied von ihm genommen ohne eine fast abenteuerliche Hoffnung. Insofern es durch die Ausgabe in uneigentlichem Sinn eine Wanderung antritt, ließ ich ihm eine kleine Weile mein Auge folgen. Ich sah da, wie es seinen Gang ging auf einsamen Wegen oder einsam auf den vielbetretenen. Nach einem und dem andern kleinen Missverständnis, wo es durch eine flüchtige Ähnlichkeit betrogen wurde, traf es endlich jenen Einzelnen, den ich mit Freude und Dankbarkeit meinen Leser nenne, jenen Einzelnen, den es sucht, nach dem es gleichsam seine Arme ausstreckt, jenen Einzelnen, der wohlwollend genug ist sich finden zu lassen, wohlwollend genug es aufzunehmen, ob es ihn im Augenblick der Begegnung froh und getrost findet oder müde und gedankenvoll. – Insofern es dagegen in eigentlicherem Sinn bei der Ausgabe in der Stille bleibt ohne von der Stelle zu kommen, ließ ich eine kleine Weile mein Auge auf ihm ruhen. So stand es da wie eine unbedeutende kleine Blume in der Verborgenheit des großen Waldes, nicht gesucht wegen ihrer Pracht noch wegen ihres Duftes oder ihrer Nährkraft. Aber ich sah auch oder glaubte zu sehen, wie der Vogel, den ich meinen Leser nenne, plötzlich sie erblickte, auf seinen Schwingen sich herabließ, sie abpflückte und mit sich nahm. Und da ich dies gesehen, sah ich nichts mehr.

S. K.

Vater im Himmel! Was man in der Gesellschaft der Menschen und besonders im Menschengewimmel so schwer zu wissen bekommt, und was auch so leicht wieder vergessen wird, wenn man es zu wissen bekam – was es heißt, ein Mensch zu sein, und welches die Aufgabe für uns Menschen ist: daß wir dies lernen möchten von der Lilie und dem Vogel; daß wir es lernen möchten, wenn nicht auf einmal und, ganz, so doch etwas davon und nach und nach, daß wir diesmal vom Vogel und von der Lilie lernen möchten: Schweigen, Gehorsam und Freude!

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