Körber, Emil - Der große Tag des Gerichts.

Körber, Emil - Der große Tag des Gerichts.

(Dritter Advent 1871.)

Text: Matth. 25,31-46.
Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle heiligen Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit; und werden vor ihm alle Völker versammelt werden. Und er wird sie von einander scheiden, gleich als ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet; und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen, und die Böcke zur Linken. Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, erbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt. Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränkt. Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich beherbergt. Ich bin nackend gewesen, und ihr habt mich bekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin gefangen gewesen, und ihr seid zu mir gekommen. Dann werden ihm die Ges rechten antworten, und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen, und haben dich gespeist? Oder durstig, und haben dich getränkt? Wann haben wir dich einen Gast gesehen, und beherbergt? Oder nackend, und haben dich bekleidet? Wann haben wir dich krank oder gefangen gesehen, und sind zu dir gekommen? Und der König wird antworten und sagen zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt Einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln. Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich nicht gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich nicht getränkt. Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich nicht beherbergt. Ich bin nackend gewesen, und ihr habt mich nicht bekleidet. Ich bin krank und gefangen gewesen, und ihr habt mich nicht besucht. Da werden sie ihm auch antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich gesehen hungrig, oder durstig, oder einen Gast, oder nackend, oder krank, oder gefangen, und haben dir nicht gedient? Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch, was ihr nicht getan habt Einem unter diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan. Und sie werden in die ewige Pein gehen; aber die Gerechten in das ewige Leben.

Die Weltgeschichte ist das Weltgericht. So hat ein großer Dichter gesprochen. Aber dieses Wort ist, so schön es auch klingt, genau betrachtet, nicht wahr. Der Mund der ewigen Wahrheit redet anders. Freilich richtet Gott schon in dieser Zeit die Menschen; Gott lässt das Böse nicht ungerächt, sondern greift richtend und strafend ein in die Geschichte der Völker im Großen und in die Geschichte jedes einzelnen Menschen im Kleinen; und diese Gerichte Gottes sind oft so gewaltig und in die Augen fallend, dass die Menschen sich demütigen und beugen und ausrufen müssen: Das ist Gottes Finger! Fürchtet Gott und gebt Ihm die Ehre! Aber ganz und endgültig wird das Böse in dieser Zeit nicht gerichtet, so wenig als das Gute seinen ganzen Lohn findet. Der Gottlose grünt und blüht oft wie ein Palmbaum, und die Übeltäter wachsen und gedeihen; dagegen die Frommen sitzen oft in Dunkelheit und Finsternis, die den Herrn fürchten, müssen oft seufzen und weinen. Darum weist die ganze heilige Schrift Alten und Neuen Testaments mit heiligem Ernst unwidersprechlich klar und deutlich hin auf einen großen Tag der Rechenschaft, da Gott geben wird einem Jeglichen nach seinen Werken, nach dem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse; ja die Weltgeschichte mündet einst aus in ein großes Weltgericht. Siehe, es kommt ein Tag, der brennen wird, wie ein Ofen; da werden alle Verächter und Gottlose Stroh sein, und der künftige Tag wird sie anzünden, spricht der Herr Zebaoth, und wird ihnen weder Wurzel noch Zweig lassen. Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln, und ihr werdet aus und eingehen und ewige Weide finden. Ja es bleibt dabei, wie wir gesungen haben:

Die Welt kommt einst zusammen
Im Glanz der ew'gen Flammen
Vor Christi Richterthron.
Dann muss sich offenbaren,
Wer die und jene waren,
Sie kennt und prüft des Menschen Sohn.

Des Menschen Sohn, der Weltheiland, wird auch der Weltrichter sein. Er ist, wie dort Paulus in Athen den Griechen bezeugt hat, der Mann, durch welchen Gott richten wird den Kreis des Erdbodens in Gerechtigkeit. Davon legt auch unser Text ein gewaltiges Zeugnis ab: des Menschen Sohn, Jesus Christus, unser Herr und Heiland, hochgelobt und angebetet im Himmel und auf Erden, der sich zurückgezogen hat eine Zeit lang in die Unsichtbarkeit, das unsichtbare Haupt der Kirche wird sichtbar wiederkommen. zum Weltgerichte am Ende der Tage, zum ewigen Gericht der Gottlosen, zur ewigen Freude der Frommen.

O Geliebte, dass doch diese Wahrheit uns nicht bloß ins Ohr, sondern ins Herz fallen möchte, so dass ernste Buß- und Belehrungsgedanken in uns aufsteigen und zur Reife gelangen, und wir unsere Seligkeit mit Furcht und Zittern schaffen. Wer weiß, wie nahe unser Ende ist? Hin geht die Zeit, her kommt der Tod; ach wie geschwind und wie behände wird kommen unsere Todesnot! Lasst uns besonders wachen und beten, dass wir nicht ergriffen werden von dem Geiste der fleischlichen Sicherheit und Trägheit, der im Genuss dieser Welt spricht: Mein Herr kommt noch lange nicht. O lasst uns allezeit wacker sein und beten, dass wir würdig werden mögen, zu entfliehen dem ewigen Verderben und zu stehen vor des Menschen Sohn.

Zu dem Ende wollen wir noch weiter mit einander reden

Von dem großen Tage des Gerichtes,

dieser Tag ist

  1. ein Ehrentag des Menschensohns,
  2. ein Tag der großen Scheidung und ewigen Entscheidung für alle Menschenkinder.

Herr Jesus Christus, du ewiger Gott und Heiland der Welt, du Richter der Lebendigen und der Toten! Du wirst wieder kommen in Kraft und Herrlichkeit, und alle Völker werden versammelt werden vor deinem Throne. Auch wir alle, die hier versammelt sind in deinem Hause, müssen offenbar werden vor deinem Richterstuhl. O gib, dass wir einst nicht zu Schanden werden, sondern uns ewiglich freuen dürfen in deiner Gemeinschaft. O bekehre, bekehre uns! Amen.

Wir reden, im Herrn Geliebte, von dem großen Tage des Gerichts, und zwar:

I. dieser Tag ist ein Ehrentag des Menschensohnes.

„Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle heiligen Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Stuhle seiner Herrlichkeit, und werden vor ihm alle Völker versammelt werden.“ Fürwahr, der Tag, an dem diese Worte in Erfüllung gehen, ist ein Ehrentag für den Menschensohn. Welche Hoheit, Erhabenheit und Majestät Jesu Christi ist darin angezeigt! Wenn ein Liebhaber des Heilandes diese Worte liest, so muss sein Herz frohlocken und jauchzen über der Herrlichkeit des Menschensohnes. O fasst es doch: Unser Heiland, der in Gethsemane unter der Last der Sünde im Staube lag, unser Heiland, den die Juden verschmäht, verlästert, verspottet, wie einen gemeinen Verbrecher herumgeschleppt, mit Fäusten ins Angesicht geschlagen, gegeißelt und zulegt ans Kreuz genagelt haben zwischen zwei Missetätern, dieser unser Heiland, den wir lieben, anbeten, vor dem wir unsere Knie beugen in Demut, wird wieder kommen in Herrlichkeit.

Himmel, freue dich, und Erde, sei fröhlich! Das Meer brause und was darinnen ist, das Feld sei fröhlich und Alles, was darauf ist! Freue dich, Christengemeinde; freue dich, Kirche; freue dich, meine Seele, vor dem Herrn! Denn er kommt, ja er kommt, zu richten das Erdreich. Er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit Wahrheit. Dagegen, ihr Feinde Christi, die ihr mit frecher Hand unserem Herrn die Krone der Gottheit vom Haupte reißen wollt und den Herrn der Herrlichkeit mit euerm Unglauben aufs neue ins Grab legt und allerhand schöne Blumen eitler Phrasen auf sein Grab pflanzt; o ihr Feinde, die ihr sprecht in euerm Herzen und auch ohne Furcht eures Herzens Gedanken in die Welt hinausposaunt und sagt: Jesus Christus wird nicht wieder kommen! Wo ist die Verheißung seiner Zukunft? Nachdem die Väter entschlafen sind, bleibt Alles, wie es von Anfang der Kreatur gewesen ist; es geht Alles nach bestimmten Gesetzen der Natur, die Welt wird sich fort und fort entwickeln, verbessern, verschönern aus ihrer eigenen Kraft; es gibt keinen Gott, der wunderbar eingreift, keinen Christus, der herrlich wieder kommt, - ach wie werdet ihr dastehen in Schande und Schmach! Wie werdet ihr euch schämen müssen und zunichte werden, wenn des Menschen Sohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle heiligen Engel mit ihm! Wie werden alle eure Träume von Weltverbesserung und Weltverklärung ohne Christus verweht werden von der scharfen Morgenluft des göttlichen Gerichts! Dann wird alles Disputieren und Philosophieren, alles Gespötte und Gelächter des Unglaubens auf ewig verstummen; dann werden alle die hochtrabenden, schön klingenden, stolz absprechenden Worte der falsch berühmten Kunst und Wissenschaft, die im Dienste der Eitelkeit dieser Welt steht und unzählige Herzen verführt und ins Verderben stürzt, sich herausstellen als das, was sie sind - als leerer Schall und eitler Dunst. Ach, Geliebte, nehmt es doch nicht leicht mit dem Unglauben und Halbglauben unserer Zeit; tretet ihm entgegen mit heiligem Ernst, bei euch selbst und bei Andern, wo ihr ihn findet, und sucht euch selbst und Andere zu retten und selig zu machen durch Glauben an Jesum Christum, den persönlichen Heiland der Welt, den Versöhner und Seligmacher, den Richter der Lebendigen und der Toten. Gott wird einst nicht fragen nach unseren religiösen Meinungen und Ansichten, sondern er wird suchen und fragen bei allen Menschenkindern nach dem Glauben an seinen Sohn. Nimmermehr wird sich Gottes Wort nach unserm Kopfe richten; vielmehr wir müssen uns richten nach Gottes Wort und uns beugen unter seine göttlichen Aussprüche.

So hat es denn trotz aller Aufklärung und allen Fortschritts sein Verbleiben bei dem großen Grundsatz des göttlichen Reiches: Wer da glaubt an den Sohn Gottes, Jesum Christum, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.

Er kommt zum Weltgerichte,
Zum Fluch dem, der ihm flucht;
Mit Gnad und süßem Lichte
Dem, der ihn liebt und sucht.

„Des Menschen Sohn, Christus, wird kommen in seiner Herrlichkeit“. Bei seiner ersten Ankunft im Fleisch ist er nicht in Herrlichkeit gekommen, sondern er trug den Orden der göttlichen Majestät auf der Brust verhüllt unter dem Mantel der menschlichen Schwachheit und Niedrigkeit. Sein ganzer Lauf durch diese Welt war ein Weg der Entsagung, ein Pfad der Verleugnung, ein Wandel durch das Tal der Demut, an dessen Ende das Kreuz auf Golgatha steht! Und auch wenn Christus in die Herzen der Seinigen kommt und darin Wohnung macht, kommt er nicht in Pracht und Herrlichkeit nach Außen, sondern es glänzt der Christen inwendiges Leben; nach Außen aber sind seine Kinder gar oft schwach und hinfällig, elend und gebrechlich, arm, verachtet und verschmäht. Ja, nach außen ist Christus und seine Kirche, seine Gläubigen, in dieser Zeit nicht herrlich. Aber nur getrost! Es kommt ein Ehrentag Jesu Christi, des Menschen Sohn wird kommen in seiner Herrlichkeit! Da wird seine Gottheit nicht mehr verborgen sein, wie in den Tagen seines Fleisches, sondern hervorbrechen wie ein Strom und herausstrahlen aus seinem verklärten Leibe wie die Sonne; es wird ein überschwänglicher Glanz sein, in welchem alle Strahlen seiner göttlichen Herrlichkeit sich zusammen fassen und sich offenbaren in anbetungswürdiger Vollkommenheit. Da wird sich auftun ein Abgrund des göttlichen Erbarmens, der ewigen Liebe, aber auch seine Heiligkeit und Gerechtigkeit wird ans Licht treten und sich zeigen, sich nicht mehr einschränken, sondern freien Lauf haben und hinunterbrennen bis in die Hölle. Da wird ein wunderbarer Schauplatz seiner göttlichen Allmacht sein, welche alle Menschenkinder vor den Richterstuhl ruft; es wird sich öffnen eine unergründliche Tiefe seiner Allwissenheit, die Nieren und Herzen prüft und die geheimsten Gedanken der Menschen bloßlegt und nach dem strengen Recht ans Licht zieht. Ja, „des Menschen Sohn kommt in seiner Herrlichkeit und seine heiligen Engel mit ihm“. An dem großen Tage, da die Zeit einmündet in die Ewigkeit, wird die unsichtbare, ewige Welt sichtbar, die persönlichen Wesen der himmlischen Welt, die seligen Geister, die heiligen Engel erscheinen in zahlloser Menge „alle heiligen Engel mit ihm“ als sein Gefolge. Er selbst aber, des Menschen Sohn, „wird sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit“. Jesus, der auf Erden nicht hatte, da er sein Haupt hinlegte, dessen heiliger Leib am Kreuze hing und in fremdem Grabe ruhte Jesus wird sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit. „Und werden vor ihm alle Völker versammelt werden.“ „Ich sah einen großen weißen Stuhl, und den, der darauf saß, vor dessen Angesicht floh die Erde und der Himmel und ihnen ward keine Stätte erfunden.“ „Und ich sah die Toten, beide Groß und Klein, stehen vor Gott, und die Bücher wurden aufgetan. Und das Meer gab die Toten, die darinnen waren, und der Tod und der Hades gaben die Toten, die darinnen waren, und sie wurden gerichtet, ein Jeglicher nach seinen Werken.“ Tag des Gerichts! O Ehrentag Jesu Christi! O Versammlung aller heiligen Engel Gottes! Versammlung aller seligen und unseligen Geister, aller Menschenkinder, der Lebendigen und der Toten.

Die Posaun' im Wundertone
Sprengt die Gräber jeder Zone,
Sammelt Alle vor dem Throne.

Erd' und Tod wird schau'n mit Beben
Alle Kreatur sich heben,
Antwort vor Gericht zu geben.

„Es werden vor ihm alle Völker versammelt werden.“ Alle Menschen vor Gottes Thron! Alle Geschöpfe vor dem Schöpfer! Alle Sünder vor dem Heiligen! Da kann Niemand sich verbergen, Niemand sich verstecken; die Allmacht Gottes bringt Alle herbei, keine Seele wird fehlen. Und wenn Einer sein ganzes Leben hindurch keine Versammlung in der Kirche unseres Gottes besucht hat, um ja nicht in die Reihe der Kirchgänger und Stundenleute gezählt zu werden: diese Versammlung vor Gottes Thron muss er besuchen; da helfen keine Entschuldigungen, keine Einwendungen und Ausreden, keine Redensarten und Komplimente, er muss vor Gottes Thron in der Versammlung aller Völker erscheinen. Alle die Atheisten und Spötter, die über Gott und Ewigkeit sich lustig machten, müssen Gott und der Ewigkeit ins Angesicht sehen. Alle Christusfeinde, denen der Gekreuzigte ein Ärgernis und eine Torheit war, müssen den gekreuzigten und nun verklärten Menschensohn auf dem Throne sehen als ihren Richter. Alle Materialisten, denen nur die Erdscholle als Wahrheit galt, das was sie betasten und greifen konnten, sie müssen die himmlische Geisterwelt in ihrem Glanze erblicken. Alle falschen Hirten und Lehrer, welche ihren Gemeinden nicht das lautere Evangelium predigten, müssen erscheinen vor dem Richterstuhl des großen Erzhirten und hören, wie ihre Zuhörer als Ankläger und Zeugen gegen sie auftreten. Alle Gottlosen, die sich in diesem Leben von Gott losgesagt haben, müssen vor Gott kommen. Alle Hurer und Ehebrecher, die viele Seelen verführt und um ihre Unschuld gebracht haben, alle die feinen und groben Wüstlinge, alle Hoffärtigen und Prunksüchtigen, welche die Kleiderpracht und Eitelkeit zum Götzen ihres Herzens gemacht haben, müssen offenbar werden in ihrer ganzen Schändlichkeit, Jämmerlichkeit und Erbärmlichkeit. Alle Könige und Fürsten müssen ihre Kronen niederlegen vor dem König aller Könige; alle Mächtigen und Gewaltigen, denen die Welt zu Füßen lag, müssen vor dem Throne Jesu in den Staub sinken. Gelehrte und Weltweise, die mit ihren Schriften eine Herrschaft des Geistes über ganze Jahrhunderte übten, müssen vor Gottes Thron erscheinen wie der geringste Taglöhner. Wir alle diese ganze Versammlung wird einst am großen Gerichtstage wieder versammelt sein. O, meine Lieben, werden wir Freudigkeit haben am Tage des Gerichtes und dem Herrn fröhlich entgegen eilen als seine Freunde mit Loben und Jauchzen über seiner herrlichen Erscheinung? Oder müssen wir wehklagen und seufzen: Ihr Berge, fallt über uns, und ihr Hügel, deckt uns vor dem Angesichte des, der auf dem Stuhl sitzt und vor dem Zorn des Lammes. Denn es ist gekommen der große Tag seines Zornes, und wer kann bestehen?

Der große Tag des Gerichts ist ein Ehrentag des Menschensohns; aber er ist auch

II. für alle Menschenkinder ein Tag der großen Scheidung und ewigen Entscheidung.

„Er wird sie von einander scheiden, gleich als ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet, und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken.“ Jetzt ist noch Alles durcheinander auf dieser Erde, Böse und Gute, Gottlose und Fromme, Gläubige und Ungläubige, Kinder der Welt und Kinder des Lichts, heuchlerische Seelen und redliche Herzen. Aber dieser Zustand wird nicht immer so bleiben; es kommt ein Tag der großen Scheidung, welche nicht irgend eine weltliche oder geistliche Behörde, kein irdischer König, kein irdisches Kirchenhaupt vornehmen wird, sondern Er selbst, das bis jetzt unsichtbare, dann aber offenbare Haupt der Kirche, der König aller Könige wird sie scheiden. O Tag der Scheidung! gewaltiger Tag, schrecklicher Tag, furchtbarer Tag! Da werden alle Bande des Blutes, der Freundschaft, der Gesellschaft, der Volks- und Kirchengemeinschaft zerrissen nach dem strengen Rechte der göttlichen Gerechtigkeit. „Er wird sie scheiden von einander.“ Nun muss geschieden, auf ewig geschieden sein! Da werden ungläubige Kinder von ihren gläubigen Eltern geschieden, ungläubige Schüler von ihren gläubigen Lehrern, ungläubige Zuhörer von ihren gläubigen Predigern, ungläubige Prediger von ihren gläubigen Amtsbrüdern, ungläubige Gemeindeglieder von ihren gläubigen Gemeindegenossen. Da muss scheiden der Freund vom Freund, der Bruder vom Bruder, die Schwester von der Schwester, die Gattin von dem Gatten, wenn sie nicht verbunden sind im Glauben und in der Liebe Christi. Es wird nur zwei Menschenklassen geben: Schafe, die in diesem Leben auf die Stimme Jesu, des guten Hirten, gehört haben im Glauben, und ihm nachfolgten in Demut und Sanftmut, mit Reinheit des Herzens und des Wandels, oder Böcke, die im Unglauben dem Evangelium widersprochen und sich widersetzt haben, und nach den feinen oder groben Lüsten des Fleisches wandelten. Wer hier auf Erden zu hochmütig, zu vornehm, zu gebildet war, um zu den Schafen Jesu zu gehören, der wird einst die schändliche Ehre haben und zu den Böcken gestellt werden.

O Tag der großen Scheidung! du furchtbarer, du entsetzlicher Tag! Lasst uns doch weise und klug werden, so lange es heute heißt. Scheidet euch doch in dieser Zeit von der Sünde, von der Ungerechtigkeit, von der Lüge und Heuchelei; scheidet euch von der Unreinheit und Unkeuschheit, die Seele und Leib befleckt und zu Grunde richtet; scheidet euch selbst von dem Unglauben und dem bösen Weltgeist mit seiner Verführungskunst, und stellt euch ganz auf die Seite Christi. Dann dürft ihr auch einst zu seiner Rechten stehen! Betet für Alle, die euch lieb und wert sind, für eure Eltern, Frauen, Kinder, für eure Brüder und Schwestern, für eure Freunde und Verwandten, dass auch sie sich scheiden von der Sünde in der Zeit, damit sie nicht ewig von euch getrennt werden. Lasst uns aber unsere Scheidung von der Sünde beweisen und bewähren, nicht mit dem Munde und schönen Redensarten, sondern mit einem Wandel im Licht, in der Tat und Wahrheit. Unser Glaube muss sich ganz besonders zeigen in der barmherzigen Liebe zu den Brüdern. Zeige mir deinen Glauben mit deinen Werken! Davon redet unser Text gar ernst und eindringlich: „Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränkt. Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich beherbergt. Ich bin nackend gewesen, und ihr habt mich bekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin gefangen gewesen, und ihr seid zu mir gekommen.“ Also wird der König sprechen an jenem Tage. Er wird nicht fragen nach unsern süßen Gefühlen und christlichen Rührungen, nicht nach unsern guten Vorsätzen und Entschlüssen. Auch wird er nicht fragen, wie oft wir zur Kirche und zum heiligen Abendmahl gegangen sind, wie oft wir die christlichen Stunden und Gemeinschaften besucht haben, wie viel Sprüche und Lieder wir auswendig gelernt haben ach, das ist ja Alles recht und gut und soll bei keinem Christen fehlen! Aber vornehmlich und in erster Linie wird der König fragen nach der erbarmenden, helfenden, rettenden Liebe zu den Brüdern; nach den Werken der christlichen Liebe, die nicht bloß in äußerer Ehrbarkeit, nicht aus Rücksicht auf Andere, nicht aus Eigenliebe, Ruhmsucht und Prunksucht getan werden, sondern aus inniger, herzlicher Liebe und Dankbarkeit gegen Jesus, der uns zuerst so hoch geliebt hat, den wir wieder lieben in den Brüdern. „Wahrlich, ich sage euch: was ihr einem unter diesen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan.“ So lasst uns denn den Herrn Jesum recht lieb haben, und aus Liebe zu Ihm, still, ungesehen, ungekannt, ungenannt Gutes tun an den Brüdern, den Armen, Kranken, Notleidenden, Hungernden, die in diesem kalten Winter doppelt leiden müssen. Ja nehmt euch, Geliebte, der mannigfachen Not von Herzen an aus Liebe zum Herrn; wer kärglich säet, wird kärglich ernten, wer reichlich säet, wird reichlich ernten; das wird sich herausstellen an jenem Tage der großen Scheidung.

Seelen, lasst uns Gutes tun,
Gutes, und nicht müde werden!
Wann es Zeit ist, wird man ruh'n,
O wie sanft, von den Beschwerden!
Aber ruhen nicht allein,
Dort wird auch die Ernte sein.

Der Tag der großen Scheidung bringt aber auch mit sich eine ewige Entscheidung. „Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, erbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt. Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln. Und sie werden in die ewige Pein gehen, aber die Gerechten in das ewige Leben.“ O, meine Lieben, was wollen wir hierzu sagen? Diese Worte durchdringen Mark und Bein und zeugen deutlich genug durch sich selbst. Jedes Kind kann sie verstehen und auslegen, dass es sich hier handelt um eine ewige Entscheidung. Es schlägt einmal für die Gerechten eine Stunde der unbeschreiblichen Freude, die ewig währt! Es schlägt aber auch für die Gottlosen eine Stunde unbeschreiblichen Wehes, das ewig währt! Es gibt Gesegnete des Vaters in der Gemeinschaft Jesu Christi und seiner seligen Engel, es gibt Verfluchte in der Gesellschaft des Teufels und seiner unseligen Engel; es gibt ein ewiges Feuer, eine ewige Pein; es gibt ein ewiges Leben, ein Reich der Seligkeit. Also steht es geschrieben. O Geliebte, lasst uns unser Angesicht verhüllen und Gott die Ehre geben und ihn anbeten. Heilig, heilig, heilig ist unser Gott. Ja Herr, du wirst Recht behalten; gerecht und heilig sind alle deine Wege. Wohl denen, die auf dich trauen, aber zu Schanden müssen werden die losen Verächter.

Im Fluch auf ewig brennen,
Gott seinen Gott nicht nennen,
O, das ist ja betrübt!
Ach Gott, ich flieh gerade.
Allein zu deiner Gnade,
Mein Gott, der du die Welt geliebt!

Du hast den Sohn gegeben,
Im Sohn ein ewig Leben;
Im Sohn will ich dich fleh'n,
Dich fleh'n um deine Liebe,
Dich fleh'n aus heißem Triebe:
Lass mich das Heil in Jesu seh'n!

Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/k/koerber_e/oelblatt/koerber-oelblatt-der_grosse_tag_des_gerichts.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain