Comenius, Johann Amos - Das wiedergefundene Paradies - Das 14. Capitel.

Comenius, Johann Amos - Das wiedergefundene Paradies - Das 14. Capitel.

Der Wandersmann betrachtet die Christen nach ihren Ständen.

Und also habe ich bis dato allerley Zufälle wahrer Christen beschrieben. Ich habe aber unter ihnen ebenfalls, gleichwie in der Welt, unterschiedliche Stände und Lebensarten wahrgenommen, und gesehen, wie ein jeder seine Pflicht beobachtet. Und da fand ich wieder bey allem eine vortrefliche Ordnung, daß es recht lieblich anzusehen war. Aber dieses will ich anjetzo nicht weitläuftig beschreiben, sondern nur kürzlich davon etwas berühren.

Nemlich ich sage, daß ihr Ehestand von dem freyledigen Stande nicht viel unterschieden war; darum, weil bey ihnen, wie in den Begierden, also auch in den häuslichen Sorgen gewisse Ordnung und gehörige Maß gehalten wird. An statt der stählernen Fessel sahe ich hier goldene Geschmeide; an statt der jämmerlichen Zerrung und Trennung von einander, eine sehr angenehme Vereinigung des Lebens und Herzens: Und wenn auch schon einige Uneinigkeit in diesem Stande sich äussern wollte, so wurde dieses durch Vermehrung des Reiches Gottes ersatzet.

Wenn es einem unter ihnen begegnete, daß er über andere gesetzet, und als Obrigkeit bestellet wurde, verhielt er sich gegen die ihm anvertraute Untergebene, wie Eltern in ihrer Liebe und Sorgfalt gegen ihre Kinder sich zu verhalten pflegen; welches anzusehen überaus erfreulich war. Und da wurde ich gewahr, wie viele für solche Obrigkeit Gott mit aufgehobenen Händen lobeten: Hingegen aber, wer einem solchen unter seine Gewalt anvertrauet war, der verhielt sich also, daß er nicht nur in Worten, sondern in der That unterthänig wäre; indem er dafür hielt, daß er damit Gott ehrete, wenn er gegen den, welchen er ihm vorgesetzet, er möchte sonst von besonderm oder schlechtem Ansehen seyn, alle Ehrerbietung und Hochachtung sowohl mit Worten als Werken und Gedanken bezeigete. Als ich unter ihnen weiter gieng, sahe ich nicht wenig gelehrte Leute, welche, wider die gemeine Gewohnheit der Welt, je gelehrter sie waren als andere, so viel mehr auch andere an Demuth übertraffen und gleichsam die Leutseligkeit und Freundlichkeit selber waren. Mit einem unter ihnen hatte ich das Glück zu sprechen, vor welchem, wie man dafür hielte, nichts von allen menschlichen Wissenschaften verborgen war, der sich aber als der Einfältigste bezeigete, und klagte immer über seine Ungeschicklichkeit und Unwissenheit. Die Wissenschaft der Sprachen ist bey ihnen in gar geringem Werth, wenn nicht die Erkanntniß der wahren Weisheit dazu kommt. Denn die Sprachen (wie sie sagen,) ermehreten die Weisheit nicht, sondern wären nur allein dazu, daß man mit mancherley Einwohnern des Erdkreises, sie seyn lebendig oder todt, sprechen könnte. Und deswegen wäre der nicht gelehrt, wer viele Sprachen, sondern wer nützliche Sachen reden könnte. Nützliche Sachen aber nennen sie alle Werke Gottes, zu derer Erkenntniß die Künste und Wissenschaften etwas behülflich seyn könnten: Der eigentliche Brunnen solcher Erkenntniß aber sey die Heilige Schrift, und der allerbeste Lehrer der Heilige Geist, das Ziel aber alles dessen Christus der Gecreutzigte. Derohalben habe ich alle diese gesehen, daß sie mit aller ihrer Wissenschaft auf Christum, als den Mittelpunct zieleten: Wenn sie aber etwas sahen, das zu Christo zu gelangen hinderlich wäre, verwarfen sie es, wenn es auch sonst das scharfsinnigste gewesen wäre. Ich bemerkte auch, daß sie allerhand von Menschen verfertigte Bücher lesen, wenn sie dazu Ursach und Gelegenheit finden: Dabey aber sehen sie immer nach den auserlesensten, und halten menschliche Schriften und Vorstellungen nur für was menschliches. Sie schreiben auch selber Bücher; aber nicht ihren Namen dadurch bekannt zu machen, sondern wenn sie hoffen, daß sie dem Nächsten etwas nützliches mittheilen, das gemeine Beste dadurch befördern, oder dem Bösen Einhalt und Widerstand thun könnten.

Derer Priester und Prediger sahe ich hier eine gewisse Anzahl, nach Nothdurft der Kirchen, und zwar alle in geringer Kleidung, von sanftmüthigen und angenehmen Geberden, so wohl unter einander selbst, als auch insgemein gegen andere; die mehr Zeit mit Gott als mit Menschen zubrachten, nemlich beym Gebet, Lesen und Nachsinnen; die übrige Zeit wendeten sie auf Bekehrung anderer, entweder öffentlich in der Versammlung, oder mit einigen absonderlich. Die Zuhörer gaben ihnen auch das Zeugniß, und ich habe es selber erfahren, daß ihre Predigten niemals ohne innerliche Bewegung des Herzens und Gewissens gehöret worden; darum, weil aus ihrem Munde eine durchdringende Kraft göttlicher Beredsamkeit fliesset: Ja ich habe Frohlocken und auch Thränen bey denen Zuhörern wahrgenommen, wenn entweder von der Gnade Gottes, oder von der menschlichen Undankbarkeit gegen dieselbe geredet wurde; denn es wird alles von ihnen mit wahrem Ernst lebendig und eifrig verrichtet. Sie würden sichs auch für eine grosse Schande achten, andere etwas zu lehren, was sie nicht zuerst an sich selbst mit ihrem Exempel zeigeten, ja auch, wenn sie still schweigen, kann man etwas von ihnen lernen. Ich trat aber absonderlich zu einem von ihnen, und wollte mit ihm reden, welcher ein ehrbarer Greis war, aus dessen Gesichte gleichsam etwas Göttliches hervor leuchtete. Als er nun mit mir sprach, war seine Rede von einer sehr angenehmen Ernsthaftigkeit, und ganz deutlich abzunehmen, daß er ein Abgesandter Gottes sey, roch auch im geringsten nicht nach der Welt.

Als ich ihn nach unserm Gebrauch tituliren wollte, liest er es nicht zu, und sagte, daß dieses nur Weltpossen wären; ihm sey es Tituls und Ehre genug, wenn ich ihn nur einen Diener Gottes, und, wo es mir gefällig wäre, Vater nennen wollte. Als er darauf einen Segen über mich aussprach, habe ich darüber ich weiß nicht was für einen angenehmen Geschmack, und eine im Herzen entstehende Freude empfunden; vernahm auch in der Wahrheit, daß die wahre Gottesgelahrtheit etwas mächtigeres und durchdringenderes sey, als man es insgemein erfähret. Wobey ich ungemein schamroth wurde, indem mich an etlicher unserer Priester Aufgeblasenheit, Hoffart, Geitz, Zwietracht, Neid, Mißgunst, Schwelgerey, und in Summa, an ihr eiteles und fleischliches Wesen gedachte; derer Worte und Werke so weit von einander, daß sie scheinen nur aus Scherz und zum Zeitvertreib von den Tugenden und christlichem Leben zu reden. Hier aber gefielen mir (wenn ich die Wahrheit bekennen soll,) diese Männer, weil sie brünstigen Geistes, gezähmten Leibes, Liebhaber himmlischer Dinge, Verächter alles Irdischen, wachsam über ihre Heerde, ihrer selbst vergessend, nüchtern von Wein, hingegen voll vom Geiste Gottes, mässig im Reden, reich aber und überfliessend an guten Werken waren. Unter ihnen wollte ein jeder der erste an der Arbeit, und der letzte im Rühmen seyn. Summa: Sie trachteten mit Werken, Worten und Gedanken alle und jede, bey denen sie waren, zu erbauen.

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