Baxter, Richard – Selbstverleugnung - Das XVII. Capitel.
Eigen Gedancken muessen verlaeugnet werden.
Ein ander Stueck von Selbst / das getoedtet und verlaeugnet werden muß / ist eigen Einbildung. Das / was die Gedancken der Menschen suendlich machet / ist die Selbheit / oder daß sie selbtisch sind / und dieses sind die Gedancken / die boese sind immerdar. Unsere Gedancken solten angewndt werden an GOtt und seinen Dienst / unsere Betrachtung von Ihm solten lieblich seyn / und wir solten uns freuen des HErrn / Psalm 104/ 34. und in den Bekuemmernuessen unsers Hertzens solten seine Troestungen unsere Seelen ergetzen / Psalm 94/ 19. Taeglich solten wir von seinem Gebote reden / und Lust haben zum Gesetze des HErrn Psalm 1/ 2. GOtt solte der Ursprung / Ende und Summa aller unser Gedancken seyn. Finden wir einen Gedancken in unserm Hertzen / der nicht nach GOTT schmecket / der nicht von ihm herkommt / und sein Werck verrichtet / denselben muessen wir nicht annehmen / sondern aus unsern Hertzen ausstossen. Aber leyder / wie findet sich allhie bey den meisten das Widerspiel / wie Selbst die Herrschafft hat in ihren Einbildungen / also ordnet und dirigiret es auch alle Gedancken. Worauf sind die Gedancken der Ungeheiligten gerichtet / als nur auf sich selbst und das Ihrige? Ihre Phantasey durchrennet die Welt / aber vor ihnen selbst / vor ihren Nutz und Lust / deß einen Gedancken sind gerichtet auf Geitz / deß andern auf schaendliche Lust / eines andern auf Ergetz- und Froelichkeit / eines andern auf Ehre und Reputation in der Welt. Die Kraeffte ihres Gemueths werden fast zu nichts angewandt / als nur zu selbstischen Sachen / daß sie sich bißweilen ergetzen in ihren Gedancken / wie man so viel auf sie halte / wie sie so trefflichs Auskommen haben in der Welt / was fuer Freude und Lust sie haben / oder noch zu gewarten haben / daß sie bißweilen sich auch selbst betrueben in Betrachtung ihres Mangels oder schlechten Zustandes / oder Creutz oder Unrecht von Menschen ihnen wiederfahren: daß sie bißweilen ersinnen / wie sie moegen ihr Begehren erreichen / und streben und sorgen ihr selbstisch Ende zu vollfuellen: Morgen und Abend / daheim oder draussen / wie die Gedancken der Heiligen auf GOtt und den Himmel und den Weg zu denselben / also sind die Gedancken der Ungeheiligten / alle gerichtet auf Selbst / und was zu Selbst gehoeret / und die Mittel / Selbst zu befoerdern. O reiniget / meine Lieben / eure Gemuether von diesem grossen Unflath / damit sie Selbst beflecket hat. Lasset dieselben reiner und keuscher seyn gegen GOtt: Lasst Selbst nicht so viel Raumhaben in euren Gedancken / und wendet nicht eure Gedancken und Zeit an auf ein so nichtig und unnuetz Werck. Es gebuehret sich nicht / daß wir uns solten so sehr bekuemmern darum / dafuer zu sorgen GOtt nur allein zustehet / der uns befohlen hat: Sorget nicht. Wir erniedrigen unser Gemueth selbst allzuviel / wann wir dasselbe anwenden an ein so schlechtes Objectum, da es moechte sich in Gott und Goettlichen Dingen ueben. Darum sorget nicht / was ihr werdet essen oder trincken / oder womit ihr euch kleiden werdet / dann dafuer sorgen die ungeheiligte Heyden / euer Vater aber weiß / daß ihr alles beduerffet / derowegen trachtet am ersten nach dem Reich GOttes / und nach seiner Gerechtigkeit / so wird euch das andere zufallen / Matth. 6. v. 31.32.33. Selbst beraubet euch des Nutzens eurer Gedancken / den ihr haben moechtet / wann ihr dieselbe auff GOtt richtet.