Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Hosea - Das siebente Kapitel

Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Hosea - Das siebente Kapitel

beklagt an dem Volk Israel besonders die Unachtsamkeit, dass sie auch durch die anfänglichen Gerichte GOttes nicht verständiger werden, sondern den erlittenen Schaden einander immer wieder vertuschen helfen, eben damit aber einander gewisser die Brücke zum völligen Untergang bauen, wobei er sonderlich seinen obigen Ausspruch (Kap. 4, 11.): Hurerei, Wein und Most machen toll, weiter ausführt, und zeigt, wie diese Art Sünden ihnen alles heilsame Nachdenken benehmen.

I. GOtt beklagt das überhandnehmende Verderben unter Seinem Volk noch umständlicher als vorher.

1. Wenn ich Israel heilen will, so findet sich erst die Sünde Ephraims und die Bosheit Samaria, wie sie Abgötterei treiben. Denn wiewohl sie unter sich selbst mit Dieben, und auswendig mit Räubern geplagt sind; 2. Dennoch wollen sie nicht merken, dass ich alle ihre Bosheit merke. Ich sehe aber ihr Wesen wohl, das sie allenthalben treiben.

Viel Gutes bei Buße und Glauben fängt von dem Bedacht auf die Allwissenheit GOttes und unsers Heilandes an; viel Böses aber entsteht und häuft sich durch Hintansetzung solchen Bedachts, dass Er Alles merke.

3. Sie vertrösten den König durch ihre Bosheit, und die Fürsten durch ihre Lügen;

Die böse Staatskunst, da man nur lauter gute Zeitungen will nach Hof kommen lassen, Mittel und Wege weiß zu verhüten, dass der wahre Notstand nicht kund wird, sieht anfangs einem Vertrösten gleich, aber am Ende findet sich, wie immer Einer dem Andern damit die Brücke zu seinem Verderben gebaut.

4. Und sind allesamt Ehebrecher, gleich wie ein Backofen, den der Bäcker heizt, wenn er hat ausgeknetet, und lässt den Teig durchsäuern und aufgehen. 5. Heute ist unsers Königs Fest (sprechen sie), da fangen die Fürsten an vom Wein toll zu werden; so zieht er die Spötter zu sich. 6. Denn ihr Herz ist in heißer Andacht, wie ein Backofen, wenn sie opfern und die Leute betrügen; aber ihr Bäcker schläft die ganze Nacht, und des morgens brennt er lichterloh. 7. Noch sind sie so heißer Andacht, wie ein Backofen. Obgleich ihre Richter aufgefressen werden, und alle ihre Könige fallen; noch ist keiner unter ihnen, der mich anrufe.

Die beständige Entzündung zur Hurenlust und zum üppigen Getränk wird hiermit gar kläglich vorgestellt, teils mit deutlichen Worten: Sie sind allesamt Ehebrecher, sie fangen an toll zu werden vom Wein; teils mit Gleichnissen vom Bäcker und dessen Verrichtungen, worunter an diesen Sünden gar lebhaft abgemalt wird, sowohl die schreckliche Brunst und Heftigkeit des Triebs, der sich dabei findet, worin der Sünder einem heißen Backofen gleich ist; als auch die Gewalt, so dergleichen Sünden über den ganzen Menschen gewinnen. Sie, ihr Herz, ihre Andacht, ihr Nachsinnen, ihre Phantasie, ihr Sagen, Alles wird davon entzündet und in Lauf gebracht; sonderlich aber auch das Tag und Nacht ununterbrochen fortgehende Gären, dass kein Nachlassen ist; der Wein und die so tief ins Herz genommene Lust wirkt auch im Schlaf fort, des Morgens erwacht man schon weiter entzündet, woraus dann auch die Schwierigkeit entsteht, irgend zum Heil zu gelangen. Es kommt nie eine nüchterne Zeit dazwischen. Es ist Alles ineinander gerichtet, wie bei einem Backwesen. Die böse Lust muss ausgeübt sein, und kaum ist sie ausgeübt, so stärkt und entzündet man sich wieder zu einer neuen, und so geht es fort.

II. Zu der weiter fortgehenden Beschreibung von ihrem Sünden-Gräuel kommen noch häufigere Ankündigungen der unausbleiblichen vielfachen Strafen.

8. Ephraim mengt sich unter die Völker; Ephraim ist wie ein Kuchen, den Niemand umwendet. 9. Sondern Fremde fressen seine Kraft; noch will er es nicht merken: er hat auch graue Haare gekriegt; noch will er es nicht merken.

Mit fremden Völkern vermengt man sich, und wird von ihren Sünden angesteckt, und diese Fremden fressen dann auch eines Landes Kraft; so geht es im Großen eben so, wie Salomo im Kleinen jedem Ehebrecher droht, dass sich Fremde von seinem Vermögen sättigen, und seine Arbeit in eines Andern Hause sei. Sprüchw. 5, 10.

10. Und die Hoffart Israels wird vor ihren Augen gedemütigt; noch bekehren sie sich nicht zum HErrn, ihrem GOtt, fragen auch nicht nach ihm in diesem allem. 11. Denn Ephraim ist wie eine verlockte Taube, die nichts merken will. Jetzt rufen sie Ägypten an, dann laufen sie zu Assur. 12. Aber indem sie hin und her laufen, will ich mein Netz über sie werfen und herunter rücken, wie die Vögel unter dem Himmel; ich will sie strafen, wie man predigt in ihrer Versammlung. 13. Wehe ihnen, dass sie von mir weichen; sie müssen verstört werden, denn sie sind abtrünnig von mir geworden. Ich wollte sie wohl erlösen, wenn sie nicht wieder mich Lügen lehrten.

Das Rechthaben wollen bei seinem Bösen, oder die Einbildung, GOtt mit Lügen und fälschlich vorgegebener Besserung befriedigen zu können, macht einen vollends aller Hilfe unfähig und unwürdig.

14. So rufen sie mich auch nicht an von Herzen, sondern lören1) auf ihren Lagern. Sie versammeln sich um Korns und Mosts willen, und sind mir ungehorsam 15. Ich lehre sie, und stärke ihren Arm; aber sie denken Böses von mir. 16. Sie bekehren sich, aber nicht recht, sondern sind wie ein falscher Bogen; darum werden ihre Fürsten durch das Schwert fallen; ihr Drohen soll in Ägyptenland zum Spott werden.

Das Innerste des Herzens, und was darin von Vertrauen und Gehorsam haftet, oder was abgeht, das prüft GOttes Auge gar genau, und wo man sich bloß um Korn und Mostes willen vor Ihm bückt, wo es einem bloß um das Irdische zu tun ist, und man doch beim nächsten Umstand wieder schnell ist, Böses von GOtt zu denken, wie die in Israel nie von ihrem Kälberdienst abgelassen haben, aus dem misstrauischen Gedanken, ihr Königreich könnte sonst nicht bestehen, wenn sie sich zum Gottesdienst nach Jerusalem hielten; da merkt freilich GOtt, der Lust zur Wahrheit hat, den losen Bogen, der nicht zum Ziel trifft, und lässt freilich auch zur Strafe die gehoffte Hilfe, und den mit Dräuen schon darauf gesetzten und ausgeübten Trotz zu Spott werden.

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leyren, heulen
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autoren/r/rieger_k/12_kleine_propheten/hosea/rieger_-_hosea_7.txt · Zuletzt geändert: von aj
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