Girgensohn, Thomas - Zur Erbauung - Advent.
Macht die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehren einziehe.
(Psalm. 24, 7.)
Dieses Psalmwort sei unsere Losung für das neue Kirchenjahr, in welchem der König der Ehren, unser Heiland, aufs Neue durch sein Evangelium bei uns Einzug halten will. Er will immer aufs Neue Einzug halten in unsere Kirchen; o dass die Tore derselben weit geöffnet wären einzulassen ein großes Volk, eine größere Gemeinde als bisher, die bereit wäre dem Herrn zu dienen in heiligem Schmuck. Er will Einzug halten in unsere Häuser und Familien, o dass die Türen ihm offen ständen, dass man auch dort hörte die Stimme des Dankes und predigte alle seine Wunder. Aber nicht nur in Kirche und Haus will der Herr zu uns kommen; es soll das Ziel erreicht werden, dass Himmel und Erde den Herrn verkündigen und er auch durch ihre Predigt Einzug bei uns hält, dass es an jedem Orte heißt: hier ist wahrlich Gottes Haus, hier ist die Pforte des Himmels, wie es entspricht dem Worte: die Himmel erzählen die Ehre Gottes (Psalm 19, 2) und die Erde ist des Herrn und was darinnen ist (Psalm 24, 1). Damit es aber dazu komme, dass wir dieses Zeugnis vernehmen, damit wir auch in Kirche und Haus mit hörenden Ohren das Evangelium aufnehmen, bedarf es vor Allem dessen, dass unsere Herzen bereitet würden den Herrn zu empfangen und er in dieselben einziehen könnte. Darum sollten die vorstehenden Psalmworte zu allererst an unseren Herzen sich erfüllen. Freilich steht es nicht in unserer Macht, die Herzenstore weit und hoch zu machen, aber der Herr ist ja auch schon am Anfang unseres Lebens bei uns eingekehrt, und hat schon vielfach an uns sein Werk getrieben und ist uns auch im verflossenen Kirchenjahre nahe getreten und will auch im neuen Kirchenjahre in den Schwachen mächtig sein; daher heißts: macht die Tore weit und die Türen hoch: lasst den Herrn in euch die Herzen weit und hoch machen. Darnach wollen wir trachten in dem neuen Lebensabschnitt, der vor uns liegt, dass wir empfangen je mehr und mehr ein Herz weit in der Buße, im Glauben und in der Liebe und ein Herz, hoch erhoben in der Hoffnung. Wo der Christ in der Buße immer mehr mit göttlicher Traurigkeit die Wurzel der Sünde und die einzelnen Sünden in immer größerem Umkreise erkennt, wo er im Glauben dem Ziele sich nähert, die Tiefe und die Höhe, die Breite und die Länge der Liebe Gottes in Christo zu begreifen, wo er in der Liebe wachsend, sich immer erschließt gegenüber den Mitmenschen, die Gott auch also geliebt, dass er seinen Sohn für sie gegeben hat, wo er in der Hoffnung der nichtigen Welt gekreuzigt, trachtet nach dem, was droben ist, der empfängt durch die Gnade des Herrn ein Herz, das sich auftut dem König der Ehren, da geschieht es, was der Psalmist ersehnt: macht die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehren einziehe. Ja, dann wird er im neuen Kirchenjahre auch bei uns einziehen, um seine Herrlichkeit uns zu offenbaren und das gute Werk, das er in uns angefangen, der Vollendung entgegenzuführen.
R. K. 96. Nr. 48.