Augustinus, Aurelius - Soliloquien - XVIII. Von GOttes Wohltaten.

Augustinus, Aurelius - Soliloquien - XVIII. Von GOttes Wohltaten.

Ich aber bin Dein Knecht, Deiner Magd Sohn, und habe mich Deiner Hand befohlen! Lass mich nun mit diesen meinen armseligen Bekenntnissen gegen Dich, o mein Erlöser von ganzem Herzen dankbar beweisen, und zu Herzen fassen alle Wohltaten, die Du mir von meiner Jugend an in meinem ganzen Leben erzeiget hast. Ich weiß, dass Dir die Undankbarkeit sehr missfällt; denn sie ist eine Wurzel alles geistlichen Übels und ein alles Gute austrocknender und verzehrender Wind; sie verstopft den Born Deiner göttlichen Barmherzigkeit über den Menschen, dadurch die erstorbenen Übel und Laster wiederum lebendig werden und das vorhandene Gute erstirbt, und ferner keine Gnade mehr, andres Gute zu üben, erlangt wird. So lass mich denn, o HErr, Dir Dank sagen; lass mich nicht undankbar sein, o Du mein Erlöser, denn Du hast mich erlöst. Wie oft hatte mich jener Drache schon verschlungen, und Du, HErr, hast mich wieder aus seinem Rachen gezogen!

So oft ich gesündigt habe, ist er bereit gewesen, mich zu verschlingen: aber Du, HErr, mein GOtt, hast mich bewahrt! Wenn ich wider Dich ungebührlich handelte, so stand er da und war bereit mich in die Hölle hinunterzustoßen: aber Du hast ihm Solches gewehrt! Ich betrübte Dich und Du bewahrtest mich; ich fürchtete Dich nicht, und Du beschütztest mich! Ich wich von Dir ab und ergab mich meinem Feind, und Du schrecktest ihn ab, dass er mich nicht ergriff! Diese Wohltaten erzeigtest Du mir, o HErr mein GOtt, und ich Elender erkannte es nicht. Oftmals hast Du mich aus des Teufels Schlund erlöst, aus des Löwen Rachen gezogen und hast mich manchmal, ohne dass ichs wusste, wieder aus der tiefen Hölle herausgeholt; denn ich bin hinabgestiegen bis zu den Pforten der Hölle, und dass ich nicht hindurchgegangen, das war die Gnade Deiner Hand!

Ich kam gar nahe an des Todes Pforten, und Du hast es verhindert, dass sie mich nicht beschlossen. Du hast mich auch manchmal vom Tod dieses Leibes errettet, o mein HEiland, wenn ich an schwerer Krankheit darnieder lag; wenn ich in großer vielfältiger Gefahr gestanden, zu Wasser und zu Land, und erlöstest mich von Feuer und Schwert, und von aller Fährlichkeit, standest mir allezeit bei und halfest mir ganz gnädiglich. Denn Du wusstest wohl, o HErr, dass, wenn mich der Tod damals hinweggenommen, alsdann die Hölle meine Seele verschlungen hätte und ich verfallen wäre der ewigen Verdammnis. Also ist Deine Barmherzigkeit und Gnade mir zuvorgekommen und hat mich vom Tod des Leibes und der Seelen errettet, o HErr, mein GOtt! Diese und viel andre Wohltaten mehr hast Du mir erzeigt; ich aber war blind und erkannte es nicht, bis Du mich erleuchtet hast. Wohlan denn, Du Licht meiner Seele, o HErr mein GOtt, mein Leben, dadurch ich lebe; Du Licht meiner Augen, dadurch ich sehe: Du hast mich erleuchtet und ich erkenne Dich, durch Dich lebe ich und darum danke ich Dir, wiewohl mein Dank sehr gering und wertlos und Deinen Wohltaten nicht entsprechend ist. Doch biete ich Dir ihn an, so viel ich in meiner Hinfälligkeit vermag. Du bist allein mein Gott, mein gütiger Schöpfer, der Du unsre Seelen liebst und der Dinge keins hasst, die Du gemacht hast. Siehe ich bin der vornehmste unter den Sündern, die Du selig gemacht hast, damit ich Andern ein Exempel gebe Deiner allermildesten Geduld.

Ich will frei heraus bekennen Deine große Wohltaten; denn Du hast mich errettet aus der untersten Hölle, nicht ein, zwei- und dreimal, sondern wohl hundert und tausendmal. Ich strebte immerdar nach der Hölle; Du aber führtest mich allewege wieder heraus. Du hattest wohl billig Ursache, mich tausendmal zu verdammen; aber Du hast es nicht tun wollen, weil Du die Seelen liebst, und darum tust Du, als sähst Du der Menschen Sünde nicht, damit sie sich bessern. O HErr, mein GOtt, in allen Deinen Wegen ist eitel Barmherzigkeit! Dies Alles sehe ich nun, o HErr, mein Gott und erkenne es durch Dein Licht und meine Seele vergeht über dem Verlangen nach Deiner großen Barmherzigkeit, die Du mir erzeigt hast; denn Du hast meine Seele erlöst aus der untersten Hölle und hast mich zum Leben wiedergebracht. Ich war ganz im Tode, und Du hast mich ganz wieder auferweckt. Nun, so sollte doch billig ganz Dein sein, was immer lebt. Siehe ich stelle mich Dir ganz und gar anheim. Mein ganzer Geist, mein ganzes Herz, mein ganzer Leib, mein ganzes Leben soll Dir leben; denn Du hast mich ganz erledigt, auf dass Du mich ganz besitzt. Du hast mich ganz wiedergebracht, auf dass Du mich ganz wieder hättest: Darum will ich Dich herzlich lieben, HErr, meine Stärke; herzlich will ich Dich lieben, o Du meine unaussprechliche Freude, auf dass forthin mein ganzes Leben nicht mir, sondern Dir lebe. Was sonst verdorben war in meinem Elend, ist wieder auferweckt durch Deine Barmherzigkeit. Du bist gewisslich ein gnädiger und barmherziger GOtt, und bei Dir ist viel Erlösung für viel Tausende, die Deinen Namen lieben.

Darum hast Du mir, o HErr, mein GOtt, mein Heiligmacher, in Deinem Gesetz befohlen, dass ich Dich soll lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüte und aus allen meinen Kräften und meinem ganzen Vermögen, aus tiefstem innerstem Herzensgrunde und zwar jede Stunde und jeden Augenblick, darin ich der Güte Deiner Barmherzigkeit genieße. Ich verdürbe immerzu, wenn Du mich nicht regiertest; ich stürbe alsobald, wenn Du mich nicht erquicktest. Darum bin ich alle Augenblicke Dir verschuldet, weil Du alle Augenblicke an mir Deine großen Wohltaten erweisest. Deshalb, wie keine Stunde und kein Augenblick vergeht in meinem ganzem Leben, darin ich Deiner Wohltat nicht genieße, also soll auch kein Augenblick sein, darin ich Dich nicht vor Augen und im Gedächtnis habe, Dich nach allem meinem Vermögen zu lieben. Aber solches kann ich nicht, es sei denn, dass Du mir Solches gebest, als der, dem alle gute und vollkommene Gabe zugehört, die von Oben herab kommt, von dem Vater des Lichts, bei welchem ist keine Veränderung noch Wechsel des Lichts und der Finsternis. Denn es liegt nicht an Jemandes Wollen noch Laufen, sondern an Deinem Erbarmen, dass wir Dich lieb haben! Diese Liebe, o HErr, ist Deine Gabe, dem ja ganz Alles zusteht, was gut ist. Gebietest Du nun, dass wir Dich sollen lieben, so gib uns, was Du gebietest, und gebiete dann, was Du willst! Amen.

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