Thomasius, Gottfried - Am Osterfeste. Das Zeugnis des Auferstandenen von sich selbst.

Thomasius, Gottfried - Am Osterfeste. Das Zeugnis des Auferstandenen von sich selbst.

Herr unser Gott, der du von den Toten ausgeführt hast den großen Hirten der Schafe, Jesum Christum, durch das Blut des ewigen Testamentes, lass uns heute die Kraft seiner Auferstehung an unseren eigenen Herzen erfahren, auf dass wir, los von den Banden der Sünde und des Satans, aus der Knechtschaft zur Freiheit, aus dem Tode zum Leben empordringen, und also an uns selber die siegreiche Kraft der Auferstehung deines Sohnes erfahren, der da tot war und lebendig geworden ist und lebt in Ewigkeit, Halleluja, Amen.

Offenb. Joh. 1, 17 u. 18.

“Fürchte dich nicht. Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit, und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“

Dies, meine Geliebten, ist die Auferstehungspredigt, welche der Herr selber, nachdem er längst zu seiner Herrlichkeit eingegangen war, getan hat. Er spricht diese Worte zu Johannes. Johannes aber ist der Jünger, den Jesus lieb hatte, der beim Abendmahl an seiner Brust gelegen und hernach auf Golgatha unter seinem Kreuze gestanden ist. Da hat ihn der Herr noch einmal mit dem vollen Blick seiner Liebe angesehen und ihm die Sorge für seine betrübte Mutter anvertraut. Danach sprach er: „es ist vollbracht“, und neigte sein Haupt und verschied. Seitdem sind nun viele Jahre vergangen und der Jünger ist ein Mann in dem Herrn, ja bereits ein Greis geworden; aber seine Liebe zu dem unsichtbaren Freund, der unterdessen den Himmel eingenommen, war mit den Jahren nicht erkaltet, sondern glühte noch ebenso frisch und warm, wie damals, als er nach Emmaus mit ihm gewandelt hatte. In dieser Liebe hat er denn auch unablässig sein Wort gepredigt und willig die Gemeinschaft seiner Leiden geteilt, die er hernachmals erfahren musste; denn er ward in der ersten Christenverfolgung, die von den Heiden ausging, nach der Insel Patmos verbannt. In stiller Einsamkeit lebte er hier, von der Welt ausgestoßen, in einer Felsenhöhle am Ufer des Meeres, und hier nun - doch wir hören ihn lieber selbst die große Offenbarung erzählen: „Ich war im Geiste, schreibt er, an des Herrn Tag, und ich hörte hinter mir eine große Stimme, als einer Posaune. Und ich wandte mich zu sehen nach der Stimme, die mit mir redete, und als ich mich wandte, sah ich sieben güldene Leuchter, und mitten unter den Leuchtern einen, der war wie eines Menschensohn, angetan mit einem priesterlichen Gewand, und begürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel, sein Haupt aber und sein Haar war licht wie der Schnee, und seine Augen wie Feuerflammen und seine Stimme wie das Rauschen großer Wasser.“ Leibhaftig, persönlich steht der Herr vor ihm, im Glanze seiner Majestät, im königlichen und priesterlichen Schmuck, die Krone auf dem Haupte, die Geistesmacht in seiner Hand, in seinem Munde das Schwert des lebendigen Gottes, das Wort. Und Johannes sieht ihn mit seinen eigenen Augen. „Und da ich ihn sah, fährt er fort, fiel ich zu seinen Füßen wie ein Toter.“ Ach, was muss das für ein Anblick gewesen sein, wenn ihn selbst der Jünger der Liebe, der doch sonst an seiner Brust gelegen war, nicht zu ertragen vermochte; was für eine Herrlichkeit, wenn sie selbst einen Johannes in den Staub niederwirft und fast des Lebens beraubt. Aber der Herr, welcher tötet, macht auch wieder lebendig; er demütigt, aber er hebt den Gebeugten in großen Gnaden empor. „Und er legte, heißt es weiter, seine Hand auf mich und sprach: „Fürchte dich nicht, ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige; ich war tot, und siehe, ich bin lebendig geworden, und lebe in Ewigkeit, und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“„

Dieses Wort des Herrn lasst uns heut am Osterfeste betrachten, und daraus die Herrlichkeit des Auferstandenen kennen lernen, um uns zu seinem Lob zu ermuntern. Es ist aber ein großes Wort, vielleicht das größte und tiefste in der Schrift. Lasst mich aus seiner Fülle für unsere Andacht schöpfen, und lege Gott seine Gnade auf das arme Zeugnis, das ich von dieser Herrlichkeit zu geben vermag; sind uns einst die Augen zum Schauen geöffnet, dann werden wir sie besser verstehen und würdiger preisen. Bis dahin begnügen wir uns am Stückwerk.

Das Zeugnis Jesu Christi, des Auferstandenen, von sich selbst.

Es ist aber ein dreifaches Zeugnis.

I.

Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. „Ich bin,“ so redet der Herr seinen Jünger an, und man merkt es schon diesem Wörtlein an, dass dies nicht die Rede einer gewordenen und sterblichen Kreatur, sondern die Sprache eines Mannes ist, welcher Gott der Herr ist. Denn: „ich bin,“ so kann kein Wesen von sich sagen, das aus Staub geworden ist und das nichts durch sich selber ist und hat; aber Gott bezeugt von sich: „Ich bin der Herr und sonst keiner mehr, kein Gott ist ohne ich; ich bin's alleine, und außer mir ist kein Gott.“ Ja dieses: „Ich bin's“ ist nichts Geringeres als des Herrn eigner Name; denn also spricht er zu den Vätern: Jehova, das ist mein Name; Jehova aber heißt: ich bin, der ich bin. Wir sehen also, dass hier der Auferstandene als den seienden, lebendigen Gott sich darstellt. Und was sagt er nun weiter von sich? „Ich bin der Erste und der Letzte.“ Der Erste und der Letzte; das weist uns auf den Anfang und auf das Ende der Dinge. Wo ist aber der Anfang, meine Brüder? „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde,“ beginnt die Schrift, und bezeichnet damit den Zeitpunkt, da es dem Herrn gefiel, diese sichtbare Welt aus Nichts ins Dasein zu rufen und durch das Wort seiner Allmacht zu gründen. Dieser Zeitpunkt liegt jedoch bereits sechstausend Jahre hinter uns - und war also auch damals schon der Hohe und Erhabene, der in unserem Text redet, als die Morgensterne miteinander den Herrn lobten und jauchzten alle Kinder Gottes in der Höhe, ehe denn die Berge wurden, und die Erde und die Welt geschaffen wurde; denn er spricht: Ich bin der Erste. Doch was ist ein Zeitraum von sechstausend Jahren gegen dieses Wort? Das reicht noch weiter als Himmel und Erden, es reicht hinaus über die Tage der Schöpfung, hinaus bis in die Zeit, da noch keine Zeiten waren, bis auf den Anfang, der keinen Anfang genommen hat, in jenen ewigen Anfang hinein, von dem Johannes sagt: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort, dasselbige war im Anfang bei Gott.“ Seht da, Geliebte, es ist der Ewige, der hier von sich redet; wie er in den Tagen seines Fleisches von sich gesagt hat: „Ehe denn Abraham war, bin ich,“ so jetzt nach seiner Auferstehung: Ich bin der Erste, oder, wie es auch sonst heißt: der Anfang selber. Und weil er der Erste ist und der lebendige Anfang, so ist auch Alles durch ihn geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, beides, das Sichtbare und Unsichtbare, die Thronen und Herrschaften, Fürstentümer und Obrigkeiten, es ist Alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Ich bin der Erste und der Letzte. Das weist uns auf das Ende. Wo ist aber das Ende der Dinge? Die Schrift weiß von einer Zeit, da Himmel und Erde werden vergehen, da die Grundfesten dieser alten Welt in sich zusammen brechen und die Elemente im Feuer des Gerichts zerschmelzen. Dann wird es wüste und leer auf der Tiefe sein, wie ein großes Grab voll Grauen und Zerstörung. Aber auch dann wird Er als Sieger über den Trümmern des Weltbaus stehen, als der Lebendige auf dem weiten Feld des Todes und des Untergangs; denn er sagt: Ich bin der Letzte. Doch Andächtige, das Ende dieser Welt ist nur der Anfang einer andern; wir warten eines neuen Himmels, und einer neuen Erde, auf welcher Gerechtigkeit wohnt, und diese neue selige Welt wird dann nicht wieder ein Ende nehmen, sondern in unvergänglicher Herrlichkeit stehen. Aber wie lange sie auch währe: Er bleibt immer der Letzte, wie der Anfang, so das Ende, das kein Ende hat, also von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und wie er im Anfang alle Dinge gemacht hat, so trägt er auch alle Dinge durch sein kräftiges Wort und gibt ihnen Bestand und Leben. Denn er ist ja der Lebendige, d. h. das Leben selber, das ewige, wahrhaftige, göttliche Leben, das alles Lebens Quell und Ursprung ist; denn wie der Vater hat das Leben in ihm selber, so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben zu haben in ihm selber.“ Darum steht er hier und zeuget: Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Doch, Andächtige, es ist mir das zu hoch und zu groß; meine Gedanken durchdringen jene Tiefen und Höhen nicht, darum sinke ich in Ehrfurcht mit Johannes nieder und bete ihn an. Herr Herr, du ewiger König, du Fürst des Lebens, der du bist und der du warst und der du kommst, der Allmächtige, was ist der Mensch, dass du sein gedenkest und des Menschen Kind, dass du sein so achtest, und hast uns Sünder geliebt, und erlöst mit deinem Blut und uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott deinem Vater; Dir sei Ehre in Ewigkeit.

Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, spricht der Herr, und fährt er fort:

II.

Ich war tot und siehe, ich bin lebendig und lebe in Ewigkeit. „Ich war tot,“ spricht der Erste und der Letzte und der Lebendige; Ich war tot - wie wunderbar, wie außerordentlich! Kann denn der Ewige sterben? Kann der Herr und Fürst des Lebens der Gewalt des Todes anheimfallen, welcher doch erst durch die Sünde in die Welt gekommen ist? Freilich wir, die wir von Eitelkeit und Vergänglichkeit umringt kaum den Blick über den Staub zu erheben vermögen, wir finden das so befremdlich nicht; uns dünkt es, wenn wir die Lebens- und Leidensgeschichte des Herrn betrachten, fast natürlich, dass er am Ende auch den Weg alles Fleisches dahingeht; aber von dieser Höhe, von dem Lichte unseres Textes aus angeschaut, da erscheint das als das größte aller Wunder, viel wunderbarer noch als die Auferstehung darnach; denn wenn das nicht wunderbar ist, dass das ewige Leben stirbt, dass der den Tod, den Sold der Sünde, leidet, der aller Dinge Grund und Ursprung, aller Wesen Anfang und Ende ist dann weiß ich nicht, was überhaupt noch wunderbar ist. Aber das ist eben jenes selige Geheimnis der sich selbst entäußernden erbarmenden Liebe, welche in die Tiefen unsers Elends sich hereinbegeben, und unser Fleisch und Blut an sich genommen, ja unsre Schuld und Sünde auf sich genommen, und bis aufs Blut mit unserm Tod gerungen hat; bis zum Tode am Kreuz. Da wir sehen noch einmal mit stillem Dank auf den Karfreitag zurück, - da hat der Herr das große Opfer der Versöhnung dargebracht, da hat er den Fluch unserer Sünde bis zur Gottverlassenheit erduldet und nachdem er den ganzen Rat seines Vaters zu unserm Heil erfüllt, neigte er sein Haupt und starb. Und der Jünger, der ihn liebte, hats mit eigenen Augen gesehen, und hernach in seinem Evangelio wörtlich also bezeugt: „Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht; und neigte das Haupt und verschied. Die Juden aber, dieweil es der Rüsttag war, dass nicht die Leichname am Kreuze blieben den Sabbat über, baten sie Pilatum, dass ihre Beine gebrochen, und sie abgenommen würden. Da kamen die Kriegsknechte, und brachen dem ersten die Beine und dem andern, der mit ihm gekreuzigt war. Als sie aber zu Jesus kamen, da sie sahen, dass er schon gestorben war, brachen sie ihm die Beine nicht, sondern der Kriegsknechte einer öffnete seine Seite mit einem Speer, und alsobald ging Blut und Wasser heraus. Und der das gesehen hat, der hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr; und derselbige weiß, dass er die Wahrheit sagt, auf dass auch ihr glaubt.“ Der Herr aber drückt das Siegel darauf, und spricht: Ich war tot. O meine Brüder, welche Tiefen der göttlichen Gedanken tun sich hier vor uns auf; was könnten wir aus diesen Worten lernen über die unendliche Größe der göttlichen Erbarmung, die ihr eigenes ewiges Leben für uns zum Opfer bringt, und über die Kraft, die solch ein Opfer haben muss. Doch dies führte uns auf den Karfreitag zurück. Heute am Osterfeste richten wir unsere Blicke höher, über Tod und Grab hinweg, und hören, was der Herr weiter zu seinem Jünger spricht: Ich war tot, sagt er, und siehe ich bin lebendig. Siehe als wollte er sagen: Siehe mich an, du bist einst an meinem Kreuze gestanden und hast mich sterben sehen unter großen Schmerzen; ich, derselbe Jesus, bin lebendig geworden aus dem Tode und lebe, und stehe als Zeuge meiner eignen Auferstehung in meiner Herrlichkeit und Glorie vor dir; du siehst es mit deinen eigenen Augen: ich war tot und siehe, ich lebe. Ja, das ist die große Freudenbotschaft, die bereits am dritten Tag nach seinem Kreuzestode den Seinigen ertönte, und ihre erschrockenen Herzen wieder tröstete, ihre Traurigkeit in große Freude verkehrte. Das ist das Wort, das die Frauen am Ostermorgen vernahmen, als sie zum Garten kamen und sahen, dass der Stein vom Grabe abgewälzt war, und gingen hinein und fanden den Leib des Herrn nicht; aber der Engel des Herrn sprach zu ihnen: Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? er ist auferstanden und ist nicht hier, wie er gesagt hat; kommt und seht die Stätte, da der Herr gelegen hat, und geht eilend hin und verkündet es seinen Brüdern, dass er auferstanden ist von den Toten.“ Das ist das Wort, das die beiden Wanderer nach Emmaus vernommen, als der Auferstandene unerkannt mit ihnen wandelte und ihren Kleinglauben strafte und aus der Schrift so gewaltig widerlegte, dass das Herz ihnen brannte, bis sie ihn hernach an seinen durchbohrten Händen erkannten, als er das Brot mit ihnen brach; da eilten sie nach Jerusalem zurück und fanden die Elf versammelt und sprachen zu ihnen: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden.“

Seit jenem Tage geht dieses Zeugnis wie ein Triumphlied durch die Welt und hat der Welt eine neue Gestalt gegeben; es hat einen Glauben in ihr gestiftet, welcher den Tod überwindet, und eine Kirche gegründet, die mit ihrem Leben die Auferstehung ihres Hauptes verkündigt und heute am Osterfeste, wie Ein Mann, lobpreisend singt: Jesus, meine Zuversicht und mein Heiland ist im Leben. Er aber, der im Himmel thront, spricht das Amen zu ihrem Bekenntnis: „ich war tot und siehe, ich bin lebendig und lebe in Ewigkeit.“ So nun aber Christus gepredigt wird, er sei vom Tod erstanden, was ist denn das für eine Torheit, dass gleichwohl ihrer etliche noch immer an dieser Tatsache zweifeln? was für eine Frechheit, dass noch heute die Weisheit der Welt dieser ganzen Wolke von Zeugnissen zu widersprechen und das Alles für ein Märlein auszugeben wagt, gegenüber der einstimmigen Predigt der Apostel und Propheten, ja gegenüber dem eigenen Zeugnisse des Herrn und seiner ganzen Kirche? Es wird doch wahrlich sein Wort vom Himmel noch mehr wert sein, als der Wahn einer fleischlichen Weisheit von unten, die weder von dem Geheimnisse der Versöhnung, noch von dem Zusammenhange des Werkes mit der Person des Versöhners weiß. Wie wäre es auch nur möglich gewesen, dass ihn, der das Leben ist, die Bande des Todes, welchen er freiwillig für uns übernommen, gefangen gehalten hätten, wie möglich, dass seinen Leib, den Leib des unbefleckten Menschensohnes, des heiligen Gottessohnes, die Verwesung zum Raube nehme, dass seine heilige Seele der Todesmacht unterliege? Hat er nicht schon in den Tagen seines Fleisches allen seinen Feinden und Verächtern dieses Wunder zum Zeichen gesetzt? und wenn nun der Vater sein Wort und Werk bekräftigt, wenn der gerechte Gott seine Sache, die Sache seines lieben Sohnes ans Licht bringt und den Wahn der Ungläubigen durch die Tat zu Schanden macht; wenn der Sohn selbst sechzig oder siebzig Jahre nach seiner Auffahrt zu Johannes spricht: Ich bin der Erste und der Letzte, ich war tot, und siehe, ich bin lebendig in Ewigkeit, da sollten Christenherzen noch zweifeln können? haltet eure Seelen nicht mit solchen Bedenken auf, sondern freuet euch lieber heute über dies große, mit allen Siegeln Gottes beglaubigte Wunder, und fasst den Trost, der in seiner Auferstehung für uns liegt. Was aber das für ein Trost sei, das sagt er uns selbst, indem er fortfährt:

III.

Ich habe die Schlüssel des Todes und der Hölle. Hier hören wir's aus seinem eigenen Munde, meine Geliebten, die Auferstehung des Herrn ist der Sieg über Tod und Hölle. Gibt es furchtbarere, mächtigere Feinde für unser Geschlecht als die beiden? Ist nicht der Tod der Sünden Sold, nicht die Macht, die uns leiblich und geistig in das Reich der Finsternis, unter die Obrigkeit dessen beschließt, welchen die Schrift den Fürsten des Todes nennt? O blickt hinein in die Welt, geliebte Brüder, ob nicht die Macht des geistigen Todes wie ein Bann auf ihr liegt und alle Regungen des wahren Lebens niederhält; hinein in euer eigenes Herz, ob da nichts von jener totenähnlichen Kälte wohnt, die keine Glut der Liebe, keinen Ernst der Buße, keinen Eifer zum Guten aufkommen lässt, sondern das ganze innere Leben in Schlummer wiegt. Wie leer und stumpf sind die Seelen der meisten Christen, wie gleichgültig gegen die Sünde, wie kalt für alles, was unsre Seligkeit betrifft? Es ist, als wenn der alte Lebensbaum der Menschheit bis ins innerste Mark hinein erstorben wäre; überall viel dürres Holz, das längst weder Blüten noch Früchte mehr treibt und von dem warmen Frühlingsodem, der das Tote neu beleben könnte, fast keine Spur. Wie die Eisdecke, die unsre Felder bedeckte, liegt es auf den Herzen, wie ein tiefer Schlummer auf den Augen der Menschheit; und wo ist einer unter uns, der nicht mitlitte an dieser gemeinsamen Erstorbenheit? Das aber ist ein bedenklicher Zustand; umso bedenklicher, als er von den Meisten, die ihm anheimgefallen sind, gar nicht empfunden wird; umso gefährlicher, als er am Ende in den andern Tod übergeht und den Menschen, gleichsam schlummernd und träumend in die Hölle hinabzieht, wofern er nicht noch beizeiten aus demselben erwacht. Und wer unter uns ist im Stande, diese Todesmacht in sich zu überwinden, wer will hingehen, diese Bande zu lösen, dieses Reich zu zerstören, welches uns immer fester zu umschlingen droht? Ach, es kann das Niemand tun; es kann der Mensch den Tod im eigenen Herzen nicht besiegen; wer es jemals mit Ernst versucht hat, der weiß es aus Erfahrung. Aber siehe, da steht der Auferstandene und seine Stimme tönt wie ein Triumph und spricht: Ich habe die Schlüssel des Todes. Denn wie er in seinem Tod unsrer Sünden Schuld getilgt, so hat er durch seine Auferstehung den Tod überwunden und Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht. Für sich selbst zuerst; denn in der Auferstehung hat er die Herrlichkeit, die er um unsertwillen dahingegeben, wieder erlangt, die Machtvollkommenheit und Lebensfülle überkommen, die er vor Grundlegung der Welt bei dem Vater gehabt hat. Sie ist die Verklärung seiner Person. Nachdem er aber so das Leben aus dem Tode genommen, kann er es auch mitteilen und schenken, welchem er will. Und wer es aus seinen Händen empfängt, der erlangt damit die Macht, die Knechtschaft der Sünde in sich zu brechen, die Gewalt des Satans zu überwinden und zur seligen Freiheit der Kinder Gottes hindurchzudringen. Das ist die Kraft seiner Auferstehung, die sich an allen denen erweist, die an seinen Namen glauben. O dass wir sie Alle im Herzen trügen, geliebte Brüder, dass wir aus eigener Erfahrung von ihren erneuernden Wirkungen zu reden wüssten! Aber, wenn auch nicht aus eigener Erfahrung gehört habt ihr doch jedenfalls von den Wundern der Wiedergeburt, welche mitten in der Finsternis der alten Welt ein Reich des Lichtes geschaffen haben, ja gehört müsst ihr haben von den Schaaren derer, die einst in Sünden tot und erstorben, aus Knechten des Fleisches und des Satans Heilige und Geliebte Gottes, aus verlorenen Sündern neue Kreaturen geworden sind, fleißig und fruchtbar in guten Werken. Und ich sage dir, mein Bruder, wie traurig und leer es auch in deinem Innern aussieht, und wie ohnmächtig, wie kraftlos, ja wie tot du dich selber fühlst, Er vermag dich siegreich und mächtig herauszuführen aus dieser Todestiefe, Er kann ein neues Leben, eine neue Liebe in dir wecken, ja einen neuen Geist dir schenken, der den dürren Baum deines Lebens wieder fröhlich grünen und blühen macht; denn Er, welcher tot war und lebet, hat die Schlüssel des Todes. Hoffe also du nur auf ihn, müde Seele, fasse du nur seine Hand im Glauben, an ihm wird's nicht fehlen; „Ich bin, so spricht er, die Auferstehung und das Leben, und wer an mich glaubt, der hat das Leben.“

O wie wohl, meine Brüder, wäre uns geraten, wenn wir allesamt also täten. Denn dieser Gekreuzigte und Auferstandene, der die Schlüssel des Todes hat, hat auch die Schlüssel der Hölle. Beides gehört zusammen. Denn die Hölle ist das traurige und dunkle Reich, zu welchem der Tod hinabführt, der Ort der Verworfenen, wo keine Gnadensonne scheint, kein Lob des Höchsten ertönt, kein Licht des Lebens scheinet, wo keine Liebe, sondern Gottes Zorn in Trübsal und Angst die Seelen füllet. Was das für ein Zustand sei, lässt sich eher fühlen, als mit Worten aussprechen; die Heilige Schrift hat einen Schleier darüber gebreitet - und gebe Gott, dass wir niemals mit eigenen Augen schauen, was er bedeckt. Nun weiß ich zwar wohl, dass die Welt dieses Wortes nur lacht; die Hölle ist ihr längst zum Spott geworden und wer noch davon zu reden wagt, den nennt sie einen Toren. Aber mag da lachen und spotten, wer immer will; da steht der Auferstandene und spricht: Ich habe die Schlüssel der Hölle. Er kann diese Pforten öffnen und schließen, denn er ist zum Richter der Lebendigen und Toten von Gott verordnet; in seinen Händen ruht das künftige Geschick aller Menschen, und ich sage euch, wen er dereinst in jenes finstere Reich beschlossen hat, den wird keine Gewalt und Autorität auf Erden, keine Fürbitte, kein Opfer mehr daraus erlösen, und vor wem er seine Pforten zugeschlossen hat, den wird weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch irgend eine Kreatur wird ihn scheiden von der Liebe seines Heilandes und von der seligen Gemeinschaft seines Reiches. Selbst was von uns am Schlusse der Zeit der Grabestiefe anheimfällt, dieser Todesleib, in dem die Sünde wohnt, dieses gebrechliche Haus unserer Wallfahrt, Er wird es nicht der Verwesung zum Staube laffen; wie ein Weizenkorn, das in die Erde gesät ist, wird er's aufs Neue hervorsprießen lassen, wenn die Frühlingszeit der neuen Welt anbricht. Durch seine Auferstehung hat er uns bereits das Unterpfand dafür gegeben; mit dem Triumph des Hauptes ist auch schon für die Glieder der Sieg gewonnen; mag also immerhin dieser arme Todesleib zum Staube zurückkehren und im Grabe vermodern, ich weiß, dass mein Erlöser lebt; er wird zu seiner Stunde auch diese Pforte öffnen, meinen nichtigen Leib verklären zum Bilde seines verklärten Leibes. Er hat die Schlüssel des Todes und der Hölle.

Doch, meine Brüder, eine Auferstehung zum Leben wird uns die dereinstige Wiederherstellung des Leibes nur dann, wenn wir hier schon mit Christo geistlich auferstanden und lebendige Glieder an ihm, dem Haupte geworden sind. Und so sei denn das am heutigen Tage unser Bund vor ihm. Wir wollen Fleiß tun, uns selber und allem Bösen und Argen in uns abzusterben; Er schenke uns in Gnaden die Kraft seiner Auferstehung, und lasse sein heiliges Leben sich reichlich über uns und über seine ganze Kirche ergießen, damit wir lebendige Zeugen seiner Auferstehung werden. Gelobt sei sein Name, Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/t/thomasius_g/zeugnisse/thomasius_zeugnisse_ostern.txt · Zuletzt geändert:
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain