Ahlfeld, Friedrich - Das Alter des Christen - XII. Der Alte und seine Altersgenossen.

Ahlfeld, Friedrich - Das Alter des Christen - XII. Der Alte und seine Altersgenossen.

Und blieb Keiner übrig ohne Caleb, der Sohn Jephunnes, und Josua, der Sohn Nuns.
(4. Mose 26,65)

Mit Vielen spielen wir als Kinder, mit Vielen sitzen wir auf denselben Schulbänken, Viele nennen wir in der Jugend unsere Freunde. Aber von Jahr zu Jahr wird ihre Zahl geringer. Die Schar derer, welche mit einander in das Leben hineinschreiten, kommt mir vor wie ein zusammen ausgehobenes gleichalteriges Regiment. Sie ziehen zusammen bin in den großen Krieg. Hier fällt Einer, dort fällt Einer. Auf jedes neue Schlachtfeld treten sie in dünnerer Reihe. Endlich heißt es:

„Die letzten Vier von jenem Regiment.“

Und noch später sagt wohl Einer wie Elias (1 Kön. 19,10) und wie Hiob's Knechte (Hiob 1): „Ich bin allein übrig geblieben.“ Er fügt wohl, ohne selbst recht zu wissen, was er damit sagen will, hinzu: „Gott hat mich vergessen.“ Oder wir vergleichen die gleichalterige Jugendschar mit einem jungen Walde. Baum steht an Baum. Wenn da einer verdorrt oder herausgehauen wird, vermisst man ihn kaum. Aber von Jahr zu Jahr lichtet sich der Wald, man lernt die Bäume zählen; man sieht und fühlt die Lücke, wenn wieder einer weggehauen ist. Endlich stehen ihrer nur noch wenige da, der Wind braust schärfer um sie herum, rings um sie her sind weite kahle Strecken, und der Waldmeister geht durch die dünnen Reihen und hauet in einen nach dem andern das Zeichen, dass er bald gefällt werden soll. Von den Gefährten der Jugend sind wenige übrig geblieben, jeder trägt seinen Todeskalender an sich, jeder fühlt die Anzeichen, dass sein Bleiben auf der Erde kein langes mehr ist.

Mit etlichen dieser Gefährten aus der Jugend lässt uns Gott wohl an demselben Orte alt werden, und das ist ein besonderes Gnadengeschenk für den Lebensabend. Andere dagegen hat er hierhin und dorthin verstreuet, und sie kommen uns selten wieder zu Gesichte. - Einen gar eigenen Eindruck macht es, wenn sich zwei Jugendgefährten, die sich viele Jahre nicht gesehen, im Alter wieder begegnen. Jeder von ihnen staunt zunächst, dass der Andere so alt geworden ist. Sich selbst sieht der Mensch alt werden; der entfernte Freund aber bleibt in der Gestalt vor ihm stehen, in welcher er zuletzt von ihm Abschied nahm. Wie jene alte Schwedin ihren vor mehr als 50 Jahren in den mineralhaltigen Wässern eines Bergstollens umgekommenen, darin wohl konservierten und später aufgefundenen Bräutigam in ganzer Jugendschöne vor sich liegen sah, so liegen oder stehen nie wiedergesehene ferne oder auch längst verstorbene Freunde in vollem Jugendschmuck in unserem Gedächtnis. Jung Stilling (Heinrich Jung) operierte einst zwei Juden, Bruder und Schwester, die beide in jungen Jahren blind geworden waren und in diesem Dunkel bis ins Alter neben einander gewandelt hatten. Sie hatten sich gegenseitig so im Gedächtnis behalten, wie sie sich zuletzt mit dem erbleichenden Augenlicht gesehen. Gott segnete die Kur an beiden. Als sie endlich aus dem dunklen Zimmer geführt wurden und sich sehen durften, schrie Eins das Andere an: „Schwesterchen, was bist Du alt geworden!“ „Brüderchen, was bist Du alt geworden!“ Jedem alten Genossen, den man seit den Jahren der Jugend nicht gesehen, tritt man mit der Sorge und Frage entgegen, wie er sich innerlich wohl weiter entwickelt habe. Man muss ja besonders in unserem so tief zerspaltenen und zerklüfteten Geschlechte darüber ungewiss sein, ob man sich noch verstehe. Wie groß ist dann die Freude, wenn er mit uns auf demselben heiligen Grunde Anker geworfen hat; wenn er, ob auch äußerlich von uns entfernt, doch mit uns den einen Weg nach der einen Heimat eingeschlagen hat! Dann kann man die Differenzen in seinem Urteil über einzelne Punkte wohl vertragen; ja sie gehören dann zum Leben und geben ihm Reichtum und Mannigfaltigkeit. Findet man aber in den tiefsten und heiligsten Gütern der Seele mit dem alten Genossen keine Übereinstimmung, dann hat man ihn wiedergefunden und doch nicht gefunden, man sieht ihn mit Trauer vor sich stehen. Man kann sich mit ihm in den Außengebieten ergehen und tausend Erinnerungen der Jugend mit ihm austauschen; im Heiligtum kann man sich nicht mit ihm niedersetzen, im Innersten fließen die Herzen nicht zusammen, es gibt keinen wahren Bund für das Alter.

Gehen wir von dieser innersten Verschiedenheit über auf äußere und oberflächlichere! Wie verschieden sind die Alten sowohl in ihrem Stande, als in ihren Mitteln, als in ihrer geistigen Entwicklung! Sie stehen neben einander wie die verschiedensten Waldbäume. Etliche haben sich mit starkem Stamm und mächtigen Zacken weit ausgebreitet, etliche sind in stolzem Wuchs straff in die Höhe gewachsen, etliche sind gesund aber dünn und schwach emporgeschossen, etliche sind niedrige zähe Knorren geblieben oder haben ihre schwachen Zweige schief zur Seite und zur Erde geneigt.

Sie standen in ihrer Jugend im Schatten mächtiger Bäume, sie wurden niedergehalten und verkrüppelten. Auch später, als sie freier dastanden, konnten sie von der eingelebten Art nicht los; die Freiheit war zu spät gekommen zu einem frischen und kühnen Aufwuchs. Und doch sind sie alle von derselben Art und stehen auf demselben Boden. Wenn sich die Übriggebliebenen von denen, die als zehnjährige Knaben auf denselben Bänken gesessen und auf demselben Anger gespielt hatten, nach 50 Jahren wieder zusammenfinden, treten uns die größten Unterschiede entgegen. Der Eine ist Herr, der Andere Knecht; der Eine ist reich an Mitteln, der Andere ringt noch mit der sinkenden Kraft um das tägliche Brot; der Eine ist gesund, der Andere gebrechlich und geknickt; der Eine hat Schätze der irdischen und ewigen Weisheit gesammelt, der Andere ist geistig arm geblieben; der Eine ist in seinem Leben freundlich geführt worden, bei dem Andern ist die Klage fast so lang wie das Leben. Mögen aber die Unterschiede sein so groß wie sie nur können; es sind doch Gefährten der Jugend, die Bäume haben doch einmal dicht neben einander gestanden. Darum stirbt, wo Einer dieser Alten stirbt, stets ein Stück von uns mit. Es wird in ihm wieder ein Teil unserer Jugend zu Grabe getragen. Ich habe wohl Kaufleute gekannt, die über den Tod eines alten Markthelfers im Nachbargeschäft trauerten, wie wenn Einer der Ihrigen zu Grabe getragen wäre; oder reiche Bauern, die einem alten Drescher wie ihrem Bruder nachweinten. Und was sind diese Genossen eines langen Lebens, diese alten Reisegefährten einander schuldig? Liebe und brüderliche Forthilfe auf der weitern Reise. Diese nimmt aber nach den verschiedenen Verhältnissen sehr verschiedene Gestalt an.

Hat dir Gott Mittel gegeben, kannst du ohne Sorge um das tägliche Brot in den Rest deines Leben hineinschauen, so vergiss deine armen Mitpilger nicht. Es ist nicht dein Verdienst, es ist Gottes Gnade, dass du ein genügendes Auskommen hast. Du hast es nicht durch dein Laufen und Schaffen. Mancher hat es sich so sauer werden lassen wie du, und ist im irdischen Sinne des Wortes doch nie auf einen grünen Zweig gekommen. Du hast nur noch Wenig von deinem Weg übrig, was willst du dich da mit der überflüssigen Wegzehrung schleppen. Du ziehst deine Straße fröhlicher, wenn dein alter Gefährte die seine leichter wandelt. Von dem Genossen der Jugend kann er die Hilfe eher ohne Beschämung annehmen als von dem jüngeren Geschlechte, die Brücke ist da viel leichter gebaut.

Zum Andern wollen wir daran denken, wie sich gerade Jugendgefährten oft mit einander verfeinden. Sie ziehen auf der Lebensreise neben einander her. Da tritt denn nicht selten einer dem andern in den Weg. Einer hindert den andern am Emporklimmen auf der Leiter seiner Wünsche. Wie oft hört man Männer in reiferen Jahren klagen: „Auf dem Posten stünde ich jetzt, wenn mir nicht N. V. den Weg vertreten hätte!“ Oder die alten Genossen sind bei irgend einer Gelegenheit hart an einander gestoßen und weit aus einander geprallt; ja wohl um so weiter, je näher sie sich früher gestanden hatten. Es hat sich in solchen Tagen Eis in den Herzen angesetzt, das 10 oder 20 Sommer nicht haben auftauen können. Höre, was im Tagesscheine der Sonne nicht auftauen wollte, das mag in ihrem Abendscheine zerschmelzen! Du musst ringsum Frieden haben, bevor die große Nacht kommt. Du willst einmal mit dem alten Simeon sagen: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren.“ In den Frieden fährt man nur im Frieden. In den ewigen Frieden Gottes geht man nur ein, wenn man hier schon in demselben gestanden hat. Du stehst aber nicht in demselben, wenn du noch alten Groll gegen deinen Bruder hegen kannst. Ringsum muss Friede fein. Darum schäme dich nicht, noch im Alter zu deinem Widersacher zu gehen und ihm die Hand zur Versöhnung zu bieten.

Geh hin und ruf ihm fest ins alte Herz hinein:
„Mein Todesbruder, komm und lass und Freunde sein!“

Die Engel Gottes freuen sich, wenn zwei lange Verfeindete im Alter mit einander Arm in Arm gehen.

Zum Dritten beherzige, dass eine gemeinsame Jugend und ein gleiches Alter eine Vertrauensstellung zu einander geben. Wenn du nun die eine köstliche Perle gefunden hast, siehst aber unter deinen Jugendgenossen Leute, die immer noch im Schutt der Welt wühlen und suchen, so muss es dich ihrer erbarmen. Tue du da einen kühnen Schritt, lass dich nicht durch den Gedanken abschrecken, dass sie dir dein Wort mit Grobheit zurückgeben möchten. Nimm eine gute Stunde wahr, bitte den Herrn um rechte Liebe, und dass er dir die Tür in das Herz des Andern auftue, und dann sage ihm unter vier Augen: „Lieber Alter, wo willst du hin? Unser beider Tage sind gezählt, über Nacht kann der Herr unsere Seelen von uns fordern. Wem wir dann gelebt haben, dem sterben wir auch. Wohin der Baum seine Zweige hängt, dahin fällt er auch, wenn er gefällt wird. Wohin hängen die Zweige deines Lebensbaumes?“ Ich sage dir, ein solches Wort, bedrückt mit dem Stempel herzlicher Liebe, greift viel tiefer als eine lange, lange Predigt des Pastors, gegen den jener Alte vielleicht ein Vorurteil hat. Die Brücke zwischen den Herzen alter Jugendgenossen ist kurz, wenn sie sich auch lange ferne gestanden haben.

Und was kann dir dabei wiederfahren? Er kann dir höchstens in gröberer oder feinerer Form sagen: „Geh du deinen Weg, ich will meinen auch geben.“ Oft aber ist der Erfolg ein viel besserer, und der Andere dankt dir deinen Liebesdienst bis in die letzte Stunde.

Zum Vierten halte die wenigen lieben Freunde, die dir aus der Jugend übrig geblieben sind, ja recht lieb und wert. Wie du dich mit ihnen ergehst in dem Garten der Kindheit, so ergeh dich mit ihnen auch in dem ewigen Eden. Blickt fröhlich hinüber in die heilige Stadt, wo wir den Herrn sehen werden wie er ist; wo er schon so viele der alten Gefährten um sich versammelt hat. Da gibt es erst Freundschaft, wo man anfängt ein ewiges Leben zusammen zu leben und zu fühlen. Da kann man mit einander loben, danken, seine Sünde bekennen, bitten, hoffen und sich ermahnen. Da nimmt Keiner Etwas übel, denn der Vorgeschmack der Vollendung und der Seligkeit in dem Herrn dämpft den alten Menschen und stopft ihm den Mund. - Wenn ich zwei solche Alte sonntäglich zur Kirche kommen, sich altnachbarlich niedersetzen, und nach ihrem stillen Gebet einander zunicken sehe, dann tut es sich droben auf, und ich sehe sie, wie sie ihren Platz auch am Throne des Herrn neben einander haben.

Endlich gedenken wir noch der Eheleute, die Gott mit einander hat alt werden lassen. Sie sind sich Gehilfen und Gefährten aus der Jugend im tiefsten Sinne des Wortes. Mit keinem Menschen in der Welt - nicht mit deinen Eltern und Geschwistern - bist du am Altare zusammengesegnet, außer mit deinem Weibe oder Manne. Eheleute haben mit einander gebetet, gehofft, gedankt, gearbeitet, sich gefreut und getrauert. Sie haben sich auch vielfach an einander versündigt. Sie haben die reichste gemeinsame Erinnerung. Haben sie auch ihre Tage im Ganzen und Großen in Frieden verlebt, so hat es doch in den Jahren der Kraft nicht an Eigenwillen und Schärfe von der einen und der andern Seite gefehlt. Hier hat es eine Verstimmung und dort eine Träne gegeben. Was ist es nun köstlich, wenn sich gegen Abend alle Stürme legen und eine stille ruhige Feier auf den bewegten Tag folgt! Da dankt man sich fleißig für alle Liebe und Hilfe auf dem langen Lebenswege. Da greift die helfende Liebe, so gut sie kann, auch noch in die Zukunft hinein. Ein treuer Mann tut das Möglichste, um die ihm von Gott geschenkte und erhaltene Gehilfin in den Tagen ihrer Schwachheit vor Mangel zu bewahren. Er trifft feste Ordnungen, damit nicht eigennützige Leute, mit der Schwachen ihr loses Spiel treiben dürfen. Immer wieder aber erinnert er die Kinder an das vierte Gebot und seine Verheißung. Der alte Tobias, welcher fürchtete, er möchte seinen Sohn, der auf die weite Reise nach Rages in Medien ging, nicht wiedersehen, legt ihm zuvor noch einmal seine Mutter an's Herz. Er spricht zu ihm (Tob. 4,3-5): „Wenn Gott wird meine Seele wegnehmen, so begrabe meinen Leib, und ehre deine Mutter all ihr Leben lang. Denke daran, was sie für Gefahr ausgestanden hat, da sie dich unter ihrem Herzen trug. Und wenn sie gestorben ist, so begrabe sie neben mich.“ Auch Abraham will mit der Sarah in derselben Gruft ruhen. Er ist ein Lebelang ein Pilger gewesen, er hat keinen Fuß breit Landes sein Eigentum genannt; zum Begräbnis seiner treuen Mitpilgerin kauft er das erste und einzige Stück Land. Er will es sich von Ephron nicht schenken lassen. Sein teuerstes Gut und Eigentum soll auch in seinem eigenen Boden ruhen. Das ist auch Liebe und Sorge. Doch wir kehren vom Grabe, an welches uns Tobias mitgenommen, noch einmal zurück in das Leben. Im Alter bricht das stolze Herz; es lernt um Vergebung bitten für jede dem andern Teile zugefügte Kränkung. Da hat ein Teil Geduld mit der Schwachheit des andern. Du Mann, wenn dein Weib, das schwächere Gefäß, dem Gott in der Regel auch noch mehr zu tragen aufgelegt hat als dir, wenn sie, die Mutter deiner Kinder, gebeugt einhergeht unter der Last der Jahre, während du nach Seele und Leib noch straff und gerade deinen Mann stehst, dann denke an das Wort des Propheten Maleachi (Kap. 2, 15): „Sehet euch vor vor eurem Geiste, und verachte Keiner das Weib seiner Jugend.“

Sehet euch auch Beide nach; einer andern Seite hin vor. Wenn das letzte Kind aus dem Hause geht, wenn es sich verheiratet oder sonst seinen Fuß auf andern Boden setzt, dann tritt eine mächtige Lücke zwischen die beiden Alten. Es ist etwas ganz Neues, wenn sie, die dreißig Jahr oder noch länger umstanden waren von ihren Kindern, nun plötzlich wieder allein sein sollen. Die Kinder haben wohl Anlass gegeben zu mancher Verstimmung unter den Eltern, aber sie sind auch wieder Friedensengel gewesen. Mancher Ausbruch des alten Menschen ist zurückgedrängt und erstickt im Hinblick auf sie; oder der Verdruss, welcher eigentlich der Frau oder dem Manne galt, hat sich an ihnen Luft gemacht und verzehrt. Sie waren die Blitzableiter. Nun sind sie fort. Wollt ihr nun in der Abendzeit des Lebens eure Verstimmungen euch gegenseitig fühlen lassen? Gott behüte euch davor! Dazu hat euch Gott eure Kinder so lange gelassen, dass Schritt für Schritt sein lieber Sohn in eure Mitte treten sollte. Er ist aber kein Blitzableiter, an dem das Feuer unseres alten Menschen, ohne den Andern zu treffen, niederfahren kann; er will das falsche zerstörende Feuer gleich im Herzen töten. Er hat lange genug an euch gearbeitet, er darf nun wohl eine solche Macht über euch in Anspruch nehmen.

Es ist eine wahre Freude, ein Paar zu sehen, das sich im Alter noch mit derselben Zartheit und dienenden Liebe begegnet wie im Brautstande. Es ist ja auch noch ein Brautstand auf die ganze und ewige Vertrauung in dem Herrn. Und in ihm erbauen sie sich beide. Täglich begegnen sie sich in seinem Worte, in der Fürbitte mit einander und für ihre Kinder, und in der gemeinsamen Hoffnung eines Berufs. Gemeinsam blicken sie hinaus in die Heilsvollendung, wo der Herr unsern nichtigen Leib verklären wird, dass er ähnlich werde seinem verklärten himmlischen Leibe (Phil. 3,21).

In Anhalt saß auf seinen Gütern ein alter frommer Edelmann, der las mit seiner alten Mutter jeden Abend, den Gott werden ließ, ein Kapitel aus der Schrift. Der Winter mit der lieben Passionszeit war gekommen. Der alte Herr war schon krank, aber vom zu Bette liegen kein Freund, und von seiner Hausordnung wich er schwer ab. In der Karwoche war die Passionsgeschichte gelesen, den Sonnabend nach dem Karfreitage schloss er mit der Grablegung des Herrn. Darauf reichte er seiner alten Mutter die Hand mit den Worten: „Mutter, morgen die Auferstehung!“ Dann stand er auf, ging zu Bett und entschlief plötzlich in dieser Nacht. „Mutter, morgen die Auferstehung!“ Da stirbt sich's gut, da scheidet sich's gut; da weiß der Entschlafene, wohin er geht; und die Hinterbliebenen wissen, bei wem sie ihn wiederfinden. Da ist die Ehe getrennt und doch nicht getrennt.

Zum Schluss soll hier noch ein Lied stehen, das wir einst einem Jubelpaare zu seiner goldenen Hochzeit gesungen haben:

(Mel.: Was mein Gott will, das g'scheh allezeit etc.)

Wir denken, Herr, an jenen Tag,
Da wir am Altar standen
Und uns auf Gnade, Kreuz und Plag'
In deinem Wort verbanden.
Das Leben eilt,
Die Gnade weilt:
Wer ist, der es ausdenket,
Was deine Treu,
All Morgen neu,
Uns unverdient geschenket?

Wohl ist durch unsres Lebens Raum
Manch harter Sturm gezogen,
Und mancher Zweig von unserm Baum
Zum Staub hinab gebogen.
Wir murren nicht,
Was Gott abbricht,
Das bricht er ab in Gnaden;
In's Heimatland
Trägt's seine Hand
Und hebt es auf vor Schaden.

Drum woll'n wir dir, du treuer Hort,
Ein helles Loblied singen,
Uns dir mit Herzen, Hand und Wort
Auf's Neu' zum Opfer bringen.
All Sünd und Schuld
Vergib aus Huld;
Du wollst zu neuem Segen
Für alle Zeit
und Ewigkeit
Auf uns die Hände legen.

Schenk uns ein' gnäd'ge Abendzeit
Von deiner Huld beschienen,
Wo wir in Herzenseinigkeit
Im Glauben treu dir dienen.
Und kommt die Nacht,
Steh auf der Wacht,
Du Stern an Gottes Throne,
Und gib uns dann,
So Weib wie Mann,
Die goldne Gnadenkrone.

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